INTERVIEW

«Unser Ansatz war, einen Film über Glock und nicht gegen Glock zu machen.»

Ob diesseits oder jenseits des Gesetzes, ob in militärischen Konflikten oder zur privaten Selbstverteidigung – das Renommee der Glock-Pistole kennt keine Fronten. Auf dem amerikanischen Privatmarkt erreicht sie jährliche Verkaufszahlen jenseits der Million, in der dortigen Musikszene erklingt selten so oft ein Markenname, der inzwischen Synonym für das Objekt geworden ist. In Österreich weiß man recht wenig von der weltumspannenden Erfolgsstory einer österreichischen Waffe. Das wollten Fritz Ofner und Eva Hausberger mit ihrem Dokumentarfilm Weapon of Choice ändern.
 
 
Ob es nun um den Bürgerkrieg in Guatemala in Evolution der Gewalt (2011) ging oder die Revolution in Libyen (2012), Sie haben sich in Ihren ersten beiden Langfilmen immer mit Orten auseinandergesetzt, wo Konflikte und Waffengewalt tagtägliche Realität waren. Ist während der Dreherfahrungen in diesen Ländern immer wieder auch die legendäre Waffe aus Österreich, der Sie sich in WEAPON OF CHOICE widmen, ins Spiel gekommen, sodass Sie sich für Ihren dritten Langfilm einem Thema, das in Österreich seine Wurzeln hat, widmen?
 
FRITZ OFNER: Eine Kernszene von Evolution der Gewalt habe ich in einem Waffengeschäft in Guatemala gedreht, wo der Besitzer sein Sortiment vorlegt und dabei auf die Glock, weil sie aus Österreich kommt, eingeht. In Österreich ist der Name Glock mehr als geheimnisumwoben. Als ich mich selbst an die Recherche gemacht habe, war ich erstaunt, was für eine „Erfolgsgeschichte“ hinter dieser Waffe steht und wie wenig darüber in Österreich publik ist. Das war eine primäre Motivation, über dieses Thema einen Film zu machen.
 
 
Sie haben sich noch nie eine leichtes Thema ausgesucht. War Ihnen von Beginn an der kategorisch ablehnende Umgang mit Publizität der Firma Glock bekannt?
 
FRITZ OFNER: Nachdem ich mich ins Thema eingearbeitet und schließlich beschlossen hatte, über die Firma einen Film zu machen, war mir bewusst, dass ich mich auf ein juristisches Risiko einlasse. Die Möglichkeit einer Klage ist mehrere Jahre lang wie ein Damoklesschwert über diesem Projekt gehangen und machte das Arbeiten auch schwierig. Unser Ansatz war, einen Film über Glock und nicht gegen Glock zu machen. Wir sind Dokumentarfilmer, die Geschichten erzählen, die wir in der Wirklichkeit finden. Diese permanent drohende Klage bewirkte aber im Laufe des filmischen Prozesses in mir einen Haltungswandel, irgendwann begann ich, eine Art Oppositions- und Kampfhaltung einzunehmen. Es bedurfte im Schnitt unzähliger Versionen, um letztlich zu einer Fassung zu gelangen, die frei von Polemik und Angriffslust war.
 
 
Wie schnell war klar, dass die Glock-Pistole als Objekt und Mythos, nicht jedoch die Fabrikation und ihr Erfinder Teil des Films sein würden? Wie schwierig war es, in der dokumentarischen Arbeit mit einem Tabu rund um den Kern des Themas umgehen zu müssen?
 
FRITZ OFNER: Der Ausgangspunkt war wie auch schon in meinen vorangegangenen Filmen ein anthropologischer: ein Objekt, das in Österreich erzeugt wird, wird in die Welt geschickt und verkauft, und in der Folge von seinen Benutzern mit verschiedensten Bedeutungen aufgeladen. Die Orte, wo dieses Objekt auftaucht, erzählen auch darüber, weshalb es gerade dort auftaucht. In einem ersten Schritt versuchten wir zu definieren, wo diese Waffen vorkamen und wer sie benutzte. An oberster Stelle standen die USA, ohne deren Waffenkultur Glock nie zu einem weltweit agierenden Konzern geworden wäre. Uns interessierte, wie Glock in der amerikanischen Populärkultur angekommen ist und entdeckten, wie sich Themen wie Polizeigewalt, die Ungleichheit zwischen Schwarz und Weiß, die Spannungen zwischen Arm und Reich über diese Pistole erzählen ließen. ‚Glock in der US-Waffenkultur’ ist der erste von drei Erzählsträngen. Der zweite widmet sich ‚the man behind the gun’. Gaston Glock ist ein Mythos, der seit über dreißig Jahren mit allen juristischen Mitteln versucht, nicht in den Medien vorzukommen. Diesem Mythos wollten wir uns annähern. Wir umkreisen Gaston Glock und sein Unternehmen, indem wir Leute treffen, die einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, dass seine Firma die heutige Bedeutung erlangen konnte. Beide Gesprächspartner haben im Streit mit der Firma gebrochen, den einen haben wir im Gefängnis interviewt, der andere war gerade aus dem Gefängnis entlassen. Auch das erzählt viel über das Milieu des Waffenhandels. Vielsagend ist auch, dass wir nur die Betonmauern, die die Waffenfabrik umgeben, filmen und mit niemandem sprechen konnten, der aktiv für die Firma tätig ist. Im dritten Teil des Films versuchen wir das geopolitische Umfeld zu zeigen, in dem das Unternehmen groß geworden ist. Glock ist ein Kind der achtziger Jahre mit Turbokapitalismus, HipHop und Steueroasen. Es war die Zeit von 9/11, War on Terror, Kriegen im Irak und in Afghanistan bis hin zu ISIS. 9/11 hat der Rüstungsindustrie starken Aufwind beschert, von dem auch Glock profitiert hat. Es war eine große Herausforderung im Schnitt, diese drei Stränge zusammenzuführen und eine Balance zu finden, die diese unterschiedlichen Zugänge in einem kohärenten dramaturgischen Konstrukt vereint.
 
 
Haben Sie lange im Vorfeld zu den Dreharbeiten recherchiert oder hat Sie die Drehreise immer wieder an Punkte geführt, wo sich wieder neue Facetten aufgetan haben?
 
EVA HAUSBERGER: Wir haben sehr vieles im Vorfeld recherchiert. Die meisten Gesprächspartner aber haben wir erst in den USA gesucht. Es ist einfach nicht möglich, von Wien aus Gangster zu finden, die vor die Kamera treten oder auch Jeans Cruz, der Soldat, der Saddam Hussein festgenommen hat, ausfindig zu machen und zu überzeugen, im Film mitzuwirken. Nach Chicago sind wir ein erstes Mal für drei Wochen gereist, um zu recherchieren und jemanden aus dem Gangstermilieu zu finden, der zu sprechen bereit war. Ein Jahr später fuhren wir nochmals hin, um ausführlich mit Derek zu drehen. Es war hier wie dort sehr rechercheintensiv.
 
 
Wie begegnet man jemandem aus diesem Milieu und überzeugt ihn, für den Film vor die Kamera zu treten?
 
EVA HAUSBERGER: Wir sind ihm sehr offen und ohne jegliche Forderungen begegnet, haben ihn oft besucht und mit ihm und seiner Familie Zeit verbracht und sehr klar dargelegt, was wir wollten. Bei Jeans Cruz war es ähnlich. Wir haben ihn eine Woche lang in New York regelmäßig getroffen und versucht, ihn zu gewinnen. Zunächst vergeblich. Nach vier Wochen haben wir uns wieder gemeldet. Ich denke, die Zeit, die man bereit ist, ihnen zu geben, schafft das meiste Vertrauen.
 
FRITZ OFNER: Ich glaube, dass die Präsenz einer Kamera auch etwas Heilendes haben kann. Menschen, die Traumata in sich tragen, kann eine fokussierte Aufmerksamkeit helfen, das eigene Trauma besser zu verstehen, es nach außen zu kommunizieren und es somit ein Stückweit zu verarbeiten. Ich hatte bei Jeans Cruz nach dem Drehen den Eindruck, als sei zumindest für einige Stunden eine Last von ihm abgefallen.
 
EVA HAUSBERGER: Es gibt einen schmalen Grat zwischen der heilenden, wertschätzenden und der ausbeutenden Funktion einer Kamera. Das haben wir ganz besonders bei Jeans Cruz erlebt, der nach seiner Rückkehr aus dem Irak als Kriegsheld gefeiert und von Journalisten, die schnell eine Story brauchten, belagert wurde. Entscheidend ist, wie man mit diesem Mittel umgeht.
 
FRITZ OFNER: Wir haben fünf Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Wenn man die Sequenzen mit Jeans Cruz nun im Film betrachtet, dann könnte man annehmen, wir hätten an einem Abend und an einem Vormittag gedreht. Tatsächlich haben wir fast  zwei Monate in New York verbracht, zunächst, um ihn zu finden, dann haben wir mit ihm und seiner Familie viel Zeit verbracht. Wir legen großen Wert darauf, die Menschen, die wir im Film haben, kennenzulernen, bevor wir die Kamera auspacken. Das tun wir meist erst, wenn wir wiederkommen und dann ist für den Dreh auch ein Vertrauensverhältnis gegeben. Ähnlich haben wir in Chicago gedreht, wo Derek, der Gangster, mit uns gesprochen hat und wo ein Kind erschossen worden ist.
 
 
Einen Film über die Glock-Pistole zu machen, bedeutet wohl sich mit einer hochambivalenten, um nicht zu sagen zynischen Erfolgsgeschichte auseinandersetzen und grundsätzliche ethische und kulturelle Fragen zum Objekt Waffe in den Raum stellen. Wie frappierend war es für Sie, den unglaublichen Kultstatus dieser Waffe quer durch die verschiedensten Milieus festzustellen?
 
EVA HAUSBERGER: Es war in der Tat ein hochzwiespältiges Unterfangen, die Geschichte eines enormen Erfolges zu erzählen, der einem Objekt, das töten kann, zu verdanken ist. Wie erzählt man einen Hype, ohne zu verherrlichen? Wie findet man die feine Klinge, das wertfrei darzulegen. Dieser Anspruch hat den Schnittprozess so besonders schwierig gemacht, bei dem es darum ging, auf dem Grat der Wertfreiheit zu bleiben und nicht ungewollt einen Werbefilm zu machen.
 
FRITZ OFNER: Weapon of Choice erzählt die Erfolgsgeschichte eines moralisch hochfragwürdigen Objekts. Es ging nicht nur darum, keinen Werbefilm zu machen, sondern auch darum, nicht zu moralisieren. Wir wollten nicht als Anti-Waffenaktivisten mit erhobenem Zeigefinger daher kommen. Wir haben unsere Position zu diesem Thema. Mit diesem Film wollen wir aber eine Geschichte erzählen. Wenn es Menschen gibt, die von dieser Waffe begeistert sind, dann lassen wir diese Menschen das Wort ergreifen. Die Montage erzählt unsere vielschichtige Sicht auf das Thema. Wichtig war uns, eine ganze Bandbreite an Situationen zu zeigen, wo die Waffe vorkommt; die moralische Bewertung des Gesehenen muss bei den Zuschauern bleiben. Die Menschen wollen von einem Dokumentarfilm nicht bevormundet werden.
 
EVA HAUSBERGER: Es wäre auch zu simpel, auf eine „böse“ Firma hinzuweisen, die die Welt mit Waffen vergiftet. Es gibt ganz offensichtlich gesellschaftliche Strukturen, die eine Notwendigkeit erzeugen, Waffen zu kaufen und zum Einsatz zu bringen. Diese beiden Seiten wollten wir zeigen, auch wenn kein Zweifel darüber bestehen darf, dass ein Unternehmen auch eine moralische Verantwortung hat. Es kann aber auch die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung aufgeworfen werden. Warum bewaffnen sich Menschen? Warum gibt es in manchen Gebieten in Amerika so viel Gewalt?
 
 
Kein anderes Land hat so viel Anlässe zum Dreh geboten wie die USA. Der Film wird unweigerlich auch zu einem Essay über das amerikanische Verhältnis zu Waffenbesitz und Waffenkult.
 
FRITZ OFNER: Global betrachtet werden wahrscheinlich 90% der Waffen am privaten Markt in den USA gekauft. Wenn man Waffen an die Exekutive oder ans österreichische Bundesheer verkauft, dann sprechen wir von einem Auftragsvolumen, das sich um vielleicht 20 000 Stück bewegt. Die Waffe hält sehr lange, d.h. mit Armee oder Exekutive als Kunden kann man als Waffenhersteller nicht wirklich viel Geld verdienen. Das kann man am Privatmarkt. Glock hat im vergangenen Jahr 1,3 Mio Pistolen in den USA verkauft. Man kann keinen Film über die Glock-Pistole machen, ohne von der amerikanischen Waffenkultur zu erzählen. Das ist allerdings ein Thema, das auch schon sehr oft filmisch abgehandelt wurde. Es war nicht einfach, einen neuen und originären erzählerischen Zugang zu finden. Wir haben einerseits stereotype Waffenbesitzer vor unserer Kamera, umgekehrt lösen sich durch unsere Montage viele Stereotype wieder. Es ist ja hochinteressant, dass die Glock immer auf beiden Seiten des Gesetzes vorkommt. Als tragendes Verkaufsargument führt die Firma Glock ins Treffen, dass sie zwei Drittel der US-amerikanischen Exekutive mit ihren Waffen ausstattet. Von Paul Jannuzzo, dem ehemaligen Glock-CEO wissen wir, dass diese Zahlen nicht belegbar sind. Als Marketing-Slogan wurde die Behauptung erfolgreich reproduziert. Gleichzeitig mit der Exekutive hat der Gangster-Rap diese Waffe für sich entdeckt und sie wurde zum Statussymbol in dieser Szene. Sowohl innerhalb der Polizei als auch in der Gangkultur wurde dieselbe Waffe verehrt. Ähnliches gilt für den Irak, wo gegnerische Lager mit dem Status der Glock Propaganda für die jeweils eigene Sache machen.
 
 
Wie entdeckten Sie, dass „Glock“ als Wort und Begriff in der HipHop-Kutur so präsent ist?
 
FRITZ OFNER: Ich war schon HipHop-Fan lange, bevor ich mich für Glock oder Dokumentarfilm interessiert habe. Das Wort war mir immer ein Begriff. Ich habe aber sehr lange nicht den Bezug hergestellt, dass diese Waffe, praktisch direkt vor meiner Haustür produziert wird. Als ich für diesen Film zu recherchieren begann, wurde mir erst bewusst, wie sehr die Glock-Pistole im HipHop vorkommt und somit auch zur Vermarktung beigetragen hat. In manchen Jahren war „Glock“ einer der meistgenannten Markennamen in den Billboard-Chart-Hits. Es hat so weit geführt, dass der Markenname zu einem generischen Ausdruck für Pistole in den USA wurde. Ich denke an Ausdrücke wie „I glock you“, „I glock your face“. Die Firma Glock ist bereits in den neunziger Jahren gegen Gangster-Rapper vorgegangen. Sie wollten sicherstellen, dass Glock als Marke wahrgenommen wird, und nicht zum generischen Ausdruck für "Pistole" wird. Wenn man darauf achtet, wie oft man in Hollywoodfilmen Glock-Pistolen sieht oder im Radio das Wort hört und vergleicht, wie wenig Widerhall das in den österreichischen Medien findet, dann ist das sehr befremdlich. Ich erinnere nur an das mediale Echo, als Arnold Schwarzenegger in Terminator 2 Manner-Schnitten gegessen hat. Österreich ist ja sonst immer so stolz auf seine Beiträge zum Weltgeschehen. Hier wird etwas ausgeklammert. Dieses Erkenntnis-Vakuum möchten wir mit unserem Film füllen.
 
 
Der Film beginnt mit einer Schwarzblende und einer atmosphärischen Tonsequenz, ehe die erste Einstellung zu sehen ist und Sie mit Ihrer eigenen Off-Stimme sprechen. Welche Überlegungen haben Sie zur Tonspur für Weapon of Choice und insbesondere dieser subjektiven Lösung mit Ihrer eigenen Stimme angestellt?
 
FRITZ OFNER:  Wir haben das Projekt bewusst als „Minimalteam“ angelegt – ich habe Kamera gemacht, Eva Ton – damit wir uns möglichst lange mit unseren Protagonisten auseinandersetzen konnten. Gleichzeitig wollten wir den Film sehr atmosphärisch gestalten und in der Postproduktion alle filmischen Mittel ausreizen. Meine Vision war immer die, den Film als film noir mit vielen dunklen Atmosphären, Stimmungsbildern und düsterer Musik zu erzählen.
Aus unserem Ansatz, die Geschichte aus verschiedensten Blickwinkeln zu erzählen, ergab sich die Notwendigkeit, ein Element zu finden, auf das wir immer wieder zurückgreifen konnten. Dieses verbindende Element ist meine Off-Stimme, die ich in diesem Film erstmals zum Einsatz bringe, was mich auch lange Überlegungen gekostet hat. Die Geschichte wird durch die Erzählstimme in Verbindung mit Musik oder atmosphärischen Momenten immer wieder in einen Fokus gebracht, um dann wieder abdriften zu können. Die Musik haben wir von Beginn an mitgedacht, manche Tracks sogar bei den Dreharbeiten on location gehört, sodass die Bilder zusammen mit der Musik in meinem Kopf entstanden sind und dann in der Postproduktion die Musik, die Peter Kutin komponiert hat, mit den Bildern nochmals neu entstehen konnte.
 
 
Wie sehr fügt die aktuelle #NeverAgain-Debatte der Diskussion, die auch Weapon of Choice zum privaten Waffenbesitz aufwerfen wird, eine neue Note hinzu?
 
FRITZ OFNER: Ich bin es, offen gesagt, müde, diese Diskussion zu führen. Es gibt einen Amoklauf, der für die Firma Glock von großer Bedeutung war: das Massaker von Killeen in Texas 1991, das bis dahin blutigste Attentat eines Amokläufers in den USA, bei dem eine Glock verwendet wurde. Der ehemalige Glock-CEO, den wir im Film interviewen, bestätigt, welchen Marketing-Effekt dieses Ereignis für die Firma gehabt hat. Dieses Drama hat 1991 eine Debatte im amerikanischen Kongress und in den Medien ausgelöst. Nun, 2018, ist diese Debatte dieselbe; es hat sich in 27 Jahren nichts verändert. Alleine in den fünf Jahren, in denen wir an diesem Film gearbeitet haben, hat es mehrere, medial stark rezipierte Amokläufe gegeben, einige davon mit einer Glock-Pistole ausgeführt. Die Diskussion war jedes Mal dieselbe, verändert hat sich rein gar nichts. Die jüngsten Ereignisse in Florida geben der Sache neue Munition, die Fronten in Sachen privater Waffenbesitz sind in den USA so dermaßen verhärtet, dass ich nicht glaube, dass die aktuelle Debatte irgendetwas ändern wird.
 
EVA HAUSBERGER: Was ich an der jetzigen Debatte gut finde, ist der Umstand, dass Schülerinnen und Schüler an die Öffentlichkeit treten und sich Gehör verschaffen und vielleicht in den jüngeren Generationen ein Umdenken in Gang kommt.
 
FRITZ OFNER: Wir haben während der Dreharbeiten sehr stark die Polarisierung in der amerikanischen Gesellschaft zu spüren bekommen. Wenn man sich an der Ostküste oder in einem Südstaat mit jemandem unterhält, dann bekommt man den Eindruck, nicht im selben Land zu sein. Die Polarisierung dieser Gesellschaft kommt auch in der Wahl von Donald Trump zutage. An der Frage des Waffenbesitzes kommt sie nur besonders deutlich zum Ausdruck und wird daran auch immer wieder aufgehängt.
 
EVA HAUSBERGER: Es ist übrigens ein Thema, das sogar bei uns polarisiert. Selbst wir haben jetzt, wo der Film noch gar nicht gestartet ist, bereits mit Anfeindungen über digitale Kanäle zu tun. Wir wünschen uns, dass es durch Weapon of Choice zu einer Diskussion kommt. Es ist schade, wenn gleich Fronten gezogen werden und jede Form des Diskurses im Keim erstickt wird. Warum zieht Glock Mauern aus Beton um die Fabrik und verweigert die öffentliche Debatte? Je mehr sich diese Fronten verhärten, umso weniger kann sich ein Diskurs öffnen und es zu einer Lösung kommen.
 
 
Ob nun komplexe, bürgerkriegsähnliche Konflikte oder eine Annäherung an einen österreichischen Produzenten von Handfeuerwaffen, die Weltruf genießen und von dem in Österreich nur wenig publik ist – Ihren filmischen Arbeiten scheint immer etwas von einer Undurchsichtigkeit und einer Suche nach Transparenz eigen zu sein. Ein Wunsch dort hinzuschauen, wo sonst keiner hinschaut? Lässt sich Ihr Zugang zum Filmemachen, so auf einen Punkt bringen?
 
FRITZ OFNER: Dorthin zu schauen, wo gerne weggeschaut wird, ist sicherlich ein Grundmotiv meiner filmischen Arbeiten. Ich mache immer dann Filme, wenn mich selbst eine Frage tief beschäftigt. Der filmische Prozess ist der Versuch, Antworten zu finden. Meine Filme sind nie so angelegt, dass sie am Ende eine eindeutige Aussage transportieren, sondern sie gehen vielmehr von einer Fragestellung aus, aus der sich ein multiperspektivisches Bild ergibt. Alle drei Filme – Evolution der Gewalt, Libya Hurra und Weapon of Choice – haben das Grundthema der Gewalt. Einmal ist es die Gewalt in einem bestimmten Land, einmal ein bewaffneter Aufstand, einmal eine Waffe, die in Österreich produziert, meist anderswo abgefeuert wird. Für mich kommt mit Weapon of Choice nun eine Trilogie von Filmen zum Abschluss, die die Frage nach den Wurzeln der Gewalt zum Kernthema hatte und in denen ich in drei verschiedenen Zusammenhängen nach Antworten suche. Ich habe schon versucht, herauszufinden, weshalb mich dieses Thema so sehr umtreibt, tiefenpsychologisch hat sich noch kein Grund eruieren lassen. Es ist emotional belastend, sich jahrelang mit den Auswirkungen von Waffengewalt zu beschäftigen. Um meine eigene Psyche zu schützen, möchte ich das zu einem Abschluss bringen.


Interview: Karin Schiefer
März 2018


«Man kann keinen Film über die Glock-Pistole machen, ohne von der amerikanischen Waffenkultur zu erzählen.»