INTERVIEW

«Wir sind viel selektiver geworden.»

Die internationale Premiere von Nikolaus Geyrhalters Die bauliche Maßnahme war ein wesentlicher, aber nicht der einzige Grund für autlook filmsales beim IDFA Amsterdam präsent zu sein. Beim einzigen internationalen Doc-Event, der europäische, amerikanische und asiatische Märkte über TV-Sender, Verleiher, Worldsales, Produzenten und Plattformen zusammen bringt, ist der im Dokumentarfilm spezialisierte Filmsales mit einem fünfköpfigen Team voll im Einsatz. Ein Gespräch mit Salma Abdalla, der Geschäftsführerin von autlookfilmsales über das Dokfilm-Business im Wandel und den neu ins Leben gerufenen Dokfilm-Verleih DOCS.
 
 
 
Sie kommen gerade vom IDFA Amsterdam zurück. Welchen Stellenwert nimmt dieses Festival  im Vergleich zu Ihren anderen internationalen Festival-/und Marktpräsenzen ein?
 
SALMA ABDALLA: Amsterdam ist gewiss das Mekka des Dokumentarfilms. CPH:DOX versucht zur Zeit seine Rolle auch auszuweiten und Sundance hat einen besonderen Status eingenommen, auch wenn es kein reines Dokumentarfilmfestival ist. Sundance trägt den Stempel, die besten zwölf Dokumentarfilme des Jahres im internationalen Wettbewerb zu zeigen und gezielt neuen Talenten eine Plattform zu geben. Für uns war in Amsterdam nicht nur der Wettbewerb wichtig, wo dieses Mal Nikolaus Geyrhalters Die bauliche Maßnahme gelaufen ist, sondern auch für das Pitching Forum. Das ist der einzige Ort im Jahr, wo sich die gesamte Branche versammelt, beginnend bei den TV-Buyern, z.T. auch Kinoeinkäufer, für die es in Amsterdam bisher etwas problematisch war. Dieses Jahr gab es für die Verleiher erstmals eine Kooperation mit Europa Cinemas. Vor allem aber sind auch die großen Plattformen wie Netflix, Amazon, Google und die US-Buyers da. Es ist der einzige Markt, wo sowohl der europäische als auch der US-Markt zusammenkommen, und auch die asiatischen Fernseheinkäufer von NHK oder Tenecent aus China präsent sind. Für uns ist es das Key-Festival, wo wir als autlook filmsales zu fünft vertreten sind.
 
 
Erinnern Sie sich an Ihr erstes IDFA Festival?
 
SALMA ABDALLA: Das erste Jahr, wo ich IDFA besucht habe, war 2006. Es war einer der ersten IDFA-Präsenzen von autlook, Our Daily Bread von Nikolaus Geyrhalter ist im Wettbewerb gelaufen und hat auch den Hauptpreis gewonnen. Man hat sich damals nicht einmal Meetings im Vorfeld ausgemacht. Es gab ein Kaffeehaus, wo die Verleiher, Einkäufer und Filmemacher ein- und ausgegangen sind, alles war überschaubar. Jetzt ist es ein Biz geworden, das Festival vorzubereiten und man schafft es kaum, alle Leute zu treffen. Wir sind mit der Branche mitgewachsen und kennen enorm viele Leute. IDFA hat heuer erstmals einen Think Tank zur Frage, wie die neuen VOD-Players den Markt beeinflussen, organisiert. Es waren einige US Players, Verleihe, Filmemacher, größere Produzenten, Executive Producers, drei Sales Agents und Public Broadcasters, die sehr unter Zugzwang geraten sind, anwesend. Ein großartiger Raum, um sich auszutauschen und ein sehr konstruktives Setup, das in seiner Zusammensetzung nur bei IDFA möglich ist. Wir haben keine Lösungen gefunden, aber es ist sehr wichtig zu verstehen, wer in dieser Branche welchen Standpunkt vertritt, wo die Problematiken und die Herausforderungen liegen, um der Dominanz der US-Players etwas entgegenhalten zu können.
 
 
Was hat dieser grundlegende Wandel im Business für eine kleine Struktur wie autlook bedeutet?
 
SALMA ABDALLA: Dieser Wandel ist wohl auch der Grund dafür, dass wir nun ein siebenköpfiges Team sind. Wir müssen uns natürlich an den Markt anpassen, zu einem kleinen Prozentsatz kann man am Markt aber auch mitgestalten und die FilmemacherInnen aufklärend unterstützen. Es ist heute in viel stärkerem Ausmaß Kommunikation gefragt. Wir haben jetzt auch ein US-Büro in Los Angeles, weil sich gerade in den USA sehr viel verändert und man bei den Networking-Events auch dort vertreten sein muss.
 
 
Wenn autlook in Amsterdam mit fünf Personen vertreten ist, wie gewichtet ihr die Meetings in den verschiedenen Bereichen VOD, TV, Verleih, Festival, Produktion?
 
SALMA ABDALLA: Grundsätzlich richtet sich unser Fokus nach den Filmen, mit denen wir im Festivalprogramm vertreten sind und nach Länderprioritäten. Die Länder, wo der Markt noch sehr aktiv ist, stehen auf unserer Liste ganz oben: Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Scandics, USA und Japan sind Länder, wo generell ein starker Markt für Dokumentarfilm vorhanden ist. Kino ist beim Dokumentarfilm ein bisschen eingebrochen bzw. kommerzieller in der Auswahl geworden, hingegen ist der TV-Sektor unter dem Druck der SVOD-Plattformen wieder aktiver. Besonders hervorzuheben sind da die deutschen Fernsehsender oft auch in Zusammenarbeit mit ARTE, die sich im Moment am meisten in der Finanzierung von europäischen Dokumentarfilmen einbringen oder auch die BBC.
 
 
Wie sind Sie als Filmsales auch schon in der Produktions- und Finanzierungsphase eingebunden?
 
SALMA ABDALLA: Da hat sich sehr viel geändert und es war keine freiwillige Entscheidung unsererseits, so früh in Projekte einzusteigen. Es ist notwendig geworden, weil sich hinsichtlich der Distribution ab dem ersten Euro, den man unterschreibt, so viele Möglichkeiten auftun. Ich muss die Frage stellen: Versuche ich Netflix oder National Geographic? Oder Versuche ich territoriale Sales mit Broadcastern? Oder gehe ich in Koproduktionen? Wir haben inzwischen ein sehr breites Netzwerk und kennen die guten Editors, Publicists, Social Media Agents und haben ein Gespür für Koproduktionspartner. Ohne als Produzenten aufzutreten, haben wir zur Zeit zehn Filme, wo wir auch in die Finanzierung eingebunden sind. Ein Film, den wir jetzt auf IDFA über Presales mitfinanziert haben ist Senseless, der neue Film von Guy Davidi aus Israel, dem Regisseur von Five Broken Cameras, der ein großer internationaler Erfolg inklusive einer Oscar Nominierung war. In diesem Fall stehen zwei sehr starke Produktionsfirmen aus Israel und Dänemark dahinter, da fällt es uns natürlich leichter in der Finanzierung mitzugehen. Bei einem first-time director sind wir natürlich vorsichtiger und steigen nur ein, wenn ein verlässlicher Produzent mit an Bord ist .
 
 
Wie bestimmt ein Film im Wettbewerb wie soeben Die bauliche Maßnahme von Nikolaus Geyrhalter eure Strategien?
 
SALMA ABDALLA: Nikolaus Geyrhalter ist ein gutes Beispiel. Für ihn als einer der großen europäischen Dokumentarfilm-Regisseure ist IDFA eine ideale Plattform, das Format dieses Films von 120 Minuten ist für uns allerdings den TV-Buyern gegenüber eher schwierig zu platzieren. Im Fernsehen wird sehr stark mit fixen Formaten gearbeitet und Filme über 90 Minuten können nur in den seltensten Fällen gezeigt werden oder sehr spät am Abend. Da muss man sehr strategisch denken: Warte ich jetzt bis zur Berlinale, wo ich den Film am Markt an Kinoverkäufer zeigen kann, gleichzeitig habe ich in Berlin mit einem Film, der in keiner offiziellen Sektion läuft, ein Aufmerksamkeitsproblem. Das Thema von Die bauliche Maßnahme ist ein universelles und der Film hat aufgrund seiner großartigen visuellen Qualität und seines hohen narrativen Anspruchs jede Menge positives Feedback bekommen, die Verleiher wissen aber auch, dass ein solches Thema nicht die Massen ins Kino zieht. Nikolaus Geyrhalter hat jedenfalls eine Metaebene kreiert, die international auf großen Anklang gestoßen ist. Aufgrund des Formates müssen wir uns auf die Kinoauswertung konzentrieren und haben Links ausgesendet.
 
 
Wie handhabt ihr das bei Filmen von weniger etablierten FilmemacherInnen?
 
SALMA ABDALLA: Wenn der künstlerische Anspruch nicht so ausdrücklich gegeben ist, dann kann es sein, dass wir den Film nicht nehmen. Wenn die Thematik stark im Vordergrund steht, dann müssen wir auf einer Formatierung auf bestimmte Slots hin bestehen oder wir können den Film nicht vertreten. Plattformen sind da jetzt lockerer, weil sie ins Serienformat ausweichen können. Wenn die allerdings den Film nicht nehmen, sind wir auf die Broadcaster angewiesen. Public TV, Cable und Pay-TV Sender sind immer noch sehr gute Partner. Ich verstehe das Festhalten an einer künstlerischen Position und wir brauchen die künstlerische Ambition, um immer wieder neue Stimmen in dieses Genre einzubringen. Was wir nicht verändern können, ist der mangelnde Platz, der dafür zur Verfügung steht. Bei den Broadcastern hat sich wirklich viel verändert, die Filme, die gekauft werden, sind nicht nur an einen 50- oder 90-Minuten Slot gebunden, es werden auch ein gewisses Tempo, ein gewisser Rhythmus verlangt.
 
 
Haben die Plattformen die TV-Sender unter Druck gebracht, wieder stärker Inhalte einzukaufen?
 
SALMA ABDALLA: Wir haben auch unser Line-up angepasst und sind viel selektiver geworden. Es gab bei den Fernsehsendern einen Einbruch 2008, von dem sie sich wieder erholt haben. Sie machen weniger Kompromisse, kaufen aber wieder gut ein. Allerdings muss man sehr genau auf ihre Profile achten: sie nehmen sehr lokal geprägtes Programm oder Filme mit entweder einer großen weltpolitischen Relevanz oder einer sehr starken Hauptfigur. Kleinere, persönliche Geschichten, mit denen wir vor zehn Jahren bei autlook begonnen haben, gehen nicht mehr.
 
 
Ein Blick auf Ihren aktuellen Katalog lässt folgende Schwerpunkte erkennen: politische Themen (Islamismus), Spitzensport, Kunst/Kultur (populäre Themen und Namen), exzentrische Figuren. Sind das die Themenschwerpunkte, die im Dok-Geschäft gerade gefragt sind? Geht gerade eine gewisse Vielfalt verloren?
 
SALMA ABDALLA: Die Dominanz gewisser Themen lässt sich nicht leugnen. Festivals versuchen da dagegenzuhalten. Der Festivalmarkt und der kommerzielle Markt driften da auseinander. Island of the Hungry Ghosts, den wir im Line-up haben, halte ich für einen der schönsten und stärksten Filme des letzten Jahres. In diesem Fall hat das Produktionsteam gesagt, dass es den Film nicht verkaufen will und wir verwerten den Film in erster Linie über Festivals. Er fiel in das Amazon Festival Star-Programm – ein Glücksfall, mit dem wir USD 75 000 verdienen konnten, das hätten wir sonst nie geschafft. Es handelt sich dabei um ein Programm (das schon wieder abgeschafft ist), mit dem Amazon versucht hat, ganze Programmreihen zu akquirieren und hat dabei Filmen, die bei gewissen US-Festivals in bestimmten Schienen liefen, blanko ein Angebot gestellt. Ein Festivalerfolg heißt lange nicht, dass es auch ein Sales-Erfolg wird. Ich glaube nicht, dass alle IDFA-Filme dieses Jahr einen Sales gefunden haben. Sundance nimmt eine ähnliche Entwicklung. Ich habe gerade zwei Filme aus der Sundance-Selektion gesehen, deren Potenzial ich persönlich eher auf Festivals sehen würde. Festivals sind ein starker Markt geworden und unsere Einnahmen sind neben denen aus dem VOD-Bereich auffällig auf der Festivalseite gewachsen, zum einen durch Screening Fees und zum anderen sind Festivals ein expandierender Markt, der zum Teil den alternativen Kinomarkt ersetzt. Festivals bedeuten sehr viel kleinteilige Arbeit.
 
 
Was empfehlen Sie den so genannten „kleinen, persönlichen“ Filmen. Haben sie über den Festivalmarkt hinaus, eine Chance zu bestehen?
 
SALMA ABDALLA: Selbst am Festivalmarkt ist es nicht immer leicht. Wenn man eine kleine Geschichte erzählt, muss man sich überlegen, ob sie nur für den lokalen Markt geschaffen ist, dann muss man die Strategie auch gleich so anlegen. Es ist nicht immer eine Frage des kleinen Budgets, es ist die Frage des Potenzials. Ein „kleiner“ künstlerisch hochwertiger Film kann durchaus bestehen. Verallgemeinern darf man gar nichts. Bei kleinen Filmen ist auch das Risiko nicht sehr hoch und dann gibt es immer wieder Filme, denen ein Durchbruch gelingt, wie der ungarische Film A Woman Captured. Dieser Film hatte ein minimales Budget, sie sind aber dann damit zu Dok-Incubator gegangen. Man muss schauen, dass das vorhandene Material, das möglicherweise mit sehr wenig Geld entstanden ist,  „elevated“ wird und man mit einem guten Editor, mit dem Sounddesign, dem Colorgrading einen künstlerisch hochwertigen Film herausholt. Dem gegenüber stehen Produktionsbudgets, die über einer Mio liegen, diese Projekte werden zum Teil auch gescriptet. Dazwischen liegen die Filme mit Budgetgrößen von 200 bis 400.000 € , die sich am Markt gerade eher schwer tun. Wichtig ist, sich zu vernetzen und zu überlegen, ob man in den Presale geht, auf Pitching Forums teilnimmt, um das Potenzial abzutesten. Wir hatten bei IDFA zwei Projekte im Rough Cut. Für Filmemacher ist das Feedback unheimlich wichtig, auch wenn jeder Broadcaster mit seinen Ideen kommt, gibt es dennoch einen Tenor, der verdeutlicht, was von Interesse ist. Das heißt noch lange nicht, dass man für den Markt produziert.
 
 
Ist autlook auch auf Pitching Foren vertreten?
 
SALMA ABDALLA: Ja, wir halten nach jungen Talenten Ausschau und akquirieren zum Teil auch auf Pitching Foren,  auch wenn sie für uns jetzt weniger Bedeutung haben, da sich in den letzten Jahren eine Kontinuität in der Zusammenarbeit mit gewissen Produzenten aufgebaut hat, die automatisch mit ihren neuen Projekten zu uns kommen.
 
 
Aus welchen Ländern kommen diese Produktionspartner?
 
SALMA ABDALLA: Wir könnten uns schon beinahe als skandinavischen Filmsales bezeichnen (lacht). Es wird dort mit guten Budgets gearbeitet und in der Produktion international gedacht; die Produzenten reisen viel, haben ein gutes Verständnis dafür, wie sie sich ein Team zusammenstellen und es wird viel auf Englisch produziert. Es gibt Worldsales wie Dogwoof, deren Katalog zu 90% englischsprachige Filme enthält. Wir wollen da nicht klein beigeben. Wenn ein Film gut ist, ist uns die Sprache egal. Over the Limit war auf Russisch und ein großer Erfolg. Wir haben einen sehr breiten Fächer, unsere wichtigsten Produktionspartner kommen aus Schweden, Dänemark, Österreich, USA, Deutschland, wir entwickeln aber auch gerade ein Projekt in Indien.
 
 
Über autlook films hinaus sind Sie auch Geschäftsführerin eines neuen Verleihs: DOCS.
Was hat Sie bewogen, in Zeiten der schwindenden Bedeutung der Kinoverwertung einen auf Dokumentarfilm spezialisierten Verleih in Österreich zu eröffnen?
 
SALMA ABDALLA: Erstens hat es in Österreich keinen spezialisierten Filmverleih gegeben, das ist aber ein Modell, das in vielen anderen Ländern existiert. Man muss dazu sagen, dass die österreichischen Arthouse-Verleiher immer wieder auch Dokumentarfilm in ihrem Programm haben. Es bedeutet eine ganz spezielle Arbeitsweise. Einen Dokumentarfilm kann man nicht mit einem Standard-Marketingkonzept abwickeln. Es bedarf einer detaillierteren Arbeit, die wir schon gewohnt sind und wir haben uns auch von unserem internationalen Umfeld inspirieren lassen. Die Zielgruppenarbeit muss jedes Mal aufs Neue aufgesetzt werden, was mit unseren Partnerorganisationen sehr gut funktioniert. Die Vorlaufzeiten sind sehr lang und man muss sehr früh beginnen, die Filme zu platzieren und zu promoten. Als eher problematisch für uns erweist es sich, die Filme in den Kinos zu platzieren, da die Kinosäle, die für uns in Frage kommen, in der Hand von Verleihern sind. Das spüren wir. In den Bundesländern ist es etwas leichter, in Wien ist die Situation schwierig. Event-Releases funktionieren gut, um den Film länger zu guten Terminen laufen zu haben, da wird es schwieriger. In den Niederlanden oder Deutschland gibt es eine viel stärkere freie Kinolandschaft. Es ist für uns von hier aus einfacher, einen Film in den Niederlanden zu buchen als in Österreich.
 
 
Welche Filme eignen sich für den DOCS Katalog?
 
SALMA ABDALLA: Es ist eine Mischung aus österreichischen und internationalen Filmen, bei letzteren schauen wir etwas mehr auf den Blockbustereffekt. Es geht uns auch darum, junge FilmemacherInnen zu unterstützen. Wir überlegen im Vorfeld sehr gut, wer die Zielgruppe sein kann. Katharina Liebert, die das DOCS-Label leitet, hat Mabacher – #ungebrochen ausgewählt, in dem es um Barrierefreiheit geht. Da geht es uns auch um die Outreach Kampagne wie auch schon bei Kinders oder Free Lunch Society. Das trifft ja auch das Herz des Dokumentarfilms, dass ein Film über die Säle hinaus wirken kann. Bei österreichischen Filmen haben wir den Vorteil, dass die Regisseure da sind und ein Austausch mit dem Publikum stattfindet und die ProtagonistInnen eingebunden werden. Wir haben dieses Jahr langsam begonnen und rechnen damit, dass wir 2019 zehn Filme rausbringen können. Diese Größe wollen wir auch nicht überschreiten.
 
 
Mit welchen konkreten Ergebnissen sind Sie vom IDFA Amsterdam zurückgekommen?
 
SALMA ABDALLA: Es hat einige TV-Verkäufe gegeben. Schön war, dass wir den Sundance-Film unterschrieben haben, den wir schon längere Zeit beobachtet hatten. Wir wollten noch abwarten, in welche Richtung sich der Film im Schnitt gerichtet hat. Einen Film hatten wir im Central Pitch, wo ca. 20 Projekte vor Publikum und internationalen Einkäufern und Funds vorgestellt werden: Eine Pop-doc über einen jungen Popstar, für die wir sehr viele Angebote bekommen haben. Senseless von Guy Davidi haben wir beinahe durchfinanziert. Das war gewiss der größte Erfolg, da stand aber auch am meisten Development dahinter. Wenn man weiß, in welche Richtung der Film gehen soll, dann kann man das auch sehr klar vermitteln. 
Jonathan Agassi Saved My Life, der im Hauptwettbewerb gelaufen ist, hatte sehr gute Reviews. Wir haben einige Angebote bekommen, wir müssen nun noch abwarten, wie die Kinoverleiher reagieren. Wenn die TV-Rechte einmal verkauft sind, dann ist ein Film für einen Kinoverleiher weniger interessant, weil die gerne alle Rechte in der Hand halten. Die bauliche Maßnahme wurde immer wieder als einer der wichtigsten Filme zur so genannten Flüchtlingskrise erwähnt. Dafür wird es vermehrt auch Limited Releases geben, wie z.B. 15 Screenings in Mexiko, sicherlich auch in den Niederlanden, Italien, etliche Verleiher screenen jetzt gerade den Link. Bei Nikolaus Geyrhalter spüren wir auch die Kraft seines Namens, der inzwischen zu wichtigsten und besten Dokumentarfilm-Regisseure weltweit zählt. Es ist für uns auf alle Fälle lohnend, einen Regisseur kontinuierlich zu vertreten und es ist ein eindeutiger Trend, dass starken Regisseuren gefolgt wird. Besonders in Zeiten, wo die Flut an Dokumentarfilmen unüberschaubar geworden ist und neue Länder wie Indien oder Korea in das trendig gewordene Genre drängen. Große Namen helfen den Einkäufern im Selektionsprozess.
 
 
Wenn man sich das Verhältnis internationale/österreichische Projekte Ihres Katalogs ansieht, dann schlägt die Waage klar auf der internationalen Seite aus. Woran mag das liegen?
 
SALMA ABDALLA: Wenn man sich unseren Katalog anschaut, dann wird man feststellen, dass hier relativ viele Filme aus Dänemark sind, einem von der Größe her durchaus vergleichbarem Filmland. Ich finde, dass sich in der österreichischen Dokumentarfilmproduktion im Ansatz, wie Filme erzählt werden, das internationale Denken noch stärker ausprägen könnte. Auch beim Mut, größer zu denken. Ein wichtiges Thema und auch Kritikpunkt im Central Pitch war die Frage, warum es keine Filme über die großen Probleme Europas gibt. Wenn man mit einem größeren Ansatz an diese Themen herangeht, ist das Herkunftsland irrelevant. Wir haben z.B. Push, einen schwedischen Film von Frederik Gaerten, in dem es um die Folgen der Gentrifizierung und den Anstieg der Mitpreise in den großen Städten geht. Er dreht in Berlin, London, Mexiko, Toronto. Es gehört zu den drängenden Themen unserer Zeit. Das meine ich mit einem größeren Ansatz: es verlangt eine breit angelegte Investigation und es ist nicht leicht, einen Main Character zu finden, der durch das Thema durchträgt. So etwas könnte auch aus Österreich kommen. Ich sähe da sehr viel Raum, sich auf europäische Themen zu fokussieren. Es gab Projekte zum Aufstieg der Rechten in den USA, sehr lokale Produktionen, wenig europaweit Gedachtes. Dafür gibt es wenig Konzepte, es gäbe dafür aber großes Interesse.
 
 
Interview: Karin Schiefer
November 2018