INTERVIEW

Thomas Roth verfilmt Falcos Leben

 

«So, wie ich lebe, ist ein Mal auch genug», hat Falco selbst das Licht- und Schattenspiel seines Erfolges kommentiert. Zehn Jahre nach ihrem Tod wird Österreichs einziger Popikone doch ein zweites Leben zuteil. Thomas Roth hat die dichte Lebensgeschichte des Stars verfilmt und dabei die schillernden Facetten Falcos mit den fragilen Seiten des Hans Hölzel vernetzt.



Sie gehen mit diesem Film an eine Ikone heran. War die Geschichte Falcos zu verfilmen, ein Projekt, das Sie schon lange gehegt haben oder ist man mit dem Stoff an Sie herangetreten?
Thomas Roth: Das Projekt habe eigentlich ich vorangetrieben. Das geht schon auf die Zeit kurz nach Falcos überraschendem Tod zurück. Ich hatte das Gefühl, der Stoff könnte sich gut zur Dramatisierung eignen, einerseits aufgrund der außergewöhnliche Stellung, die Falco in der Geschichte der deutschsprachigen Pop-Musik einnahm und andererseits aufgrund seines persönlichen Schicksals. Ich schlug es damals schon einem Produzenten vor, der hatte aber kein Interesse. Eine Weile schien es mir auch besser, den Stoff nicht zu früh aufzugreifen. Vor drei Jahren erklärte sich Andreas Kamm von der MR-Film bereit, dieses Projekt zu entwickeln, seither arbeite ich, wenn auch mit Unterbrechungen, daran.


Worin sahen Sie in erster Linie das filmische Potenzial in der Lebensgeschichte Falcos
Thomas Roth: Da gibt es vieles, sowohl in visueller wie in dramaturgischer Hinsicht. Falcos Leben ist ja hinlänglich bekannt, die biografischen Fakten, auf denen unser Film, der ja eine reine Fiktion ist, basiert, scheinen mir sehr dramatisch – da war ein Kind, das sich letztlich nicht als sein eigenes Kind erweist, da war das Verhältnis zu seiner Mutter, die Alkohol- und Drogenexzesse, die Weltreisen. Und optisch bot er vom Admiralskostüm bis zum Matrosenjackerl ein reiches Angebot an schillernden Persönlichkeiten.


Haben Sie Falcos Karriere selbst mitverfolgt?
Thomas Roth: Ich war nicht ein Falco-Fan in dem Sinne, dass ich nach seiner Musik verrückt war. Ich könnte aber auch nicht sagen, dass sie mir nicht gefallen hat. Es gab Dinge, die haben mich mehr interessiert. Ich habe seine Erfolge natürlich sehr gut mitbekommen, es hat mir auch imponiert, wie er sich in der Öffentlichkeit gegeben hat. Es war faszinierend, weil es irgendwie anders war. Ich bin ihm begegnet. Ich kann nicht behaupten, ihn gekannt zu haben, aber ich denke, ich bin ihm im Zuge meiner Arbeit u.a. auch als Journalist bei Ö3 vielleicht sechs Mal begegnet. Vor seinem Tod habe ich auch einen Konzertfilm gemacht, in dem er aufgetreten ist, da hatten wir logischerweise miteinander zu tun. Da war er auch ganz anders als ich ihn anfangs als Journalist bei Ö3 kennen gelernt hatte, er hatte schon zwei verschiedene Gesichter.


Sie haben das Drehbuch alleine geschrieben. Die Arbeit daran war wohl mit sehr viel Recherche verbunden?
Thomas Roth: Ich hatte einen Freund und Journalisten im Landesstudio Steiermark, der mir bei den Recherchen geholfen hat. Er hat einen Teil der Gespräche geführt, die für das Buch wesentlich waren – Markus Spiegel, Billy Filanowski, Hansi Lang bis Thomas Rabitsch – wir sprachen mit allen, die uns wesentlich erschienen. Mir ging es vor allem darum, einen Eindruck zu bekommen, wie ihn seine Freunde, sein Manager erlebt haben, etwa Horst Bork. Daraus habe ich meine Interpretation der Persönlichkeit vorgenommen und das Drehbuch geschrieben.


Wie lange haben Sie am Drehbuch gearbeitet
Thomas Roth: Ich denke im Winter 2005/06 hatte ich eine erste Fassung, an der ich vielleicht drei Monate zuvor gearbeitet hatte, dann hat es natürlich bis Ende Juli, also bis kurz vor Drehbeginn Überarbeitungen gegeben. Es ist natürlich ein anderes Schreiben als bei einer Geschichte, wo es keine Vorgaben gibt und alles erfunden werden muss. Ich wusste schon ungefähr, wie ich es bauen möchte.


Falco war eine Figur, die in den Extremen gelebt hat, für den es wenig „Dazwischen“ gegeben hat. Versuchen Sie, im Film einen „Mittelweg“ zwischen der Kunstfigur und dem Menschen zu finden?
Thomas Roth: Nach außen hat das vielleicht so ausgeschaut, dass er nur in Extremen gelebt hat. Ich glaube, dass es einen Konflikt zwischen seiner erfundenen Figur und seiner wahren Persönlichkeit gegeben hat. Das ist sicherlich ein Thema des Films, dem nachzugehen und auch dahin zu gelangen, wo die Grenze zwischen beiden verschwunden ist. Ich glaube, dass er in seinen Lieben sehr unglücklich war. Ich glaube, er hat sich sehr oft falsch verliebt, entweder er hat zuwenig Liebe zurückbekommen oder zuwenig Liebe abgeben können, das ist auch ein Aspekt seiner Geschichte, der mich sehr fasziniert hat und der einen Stoff geboten, dem ich nachgehen wollte.


Es ist auch die Geschichte eines Genies, das ein sehr intensives Leben geführt hat. Halten Sie ihn für eine tragische Figur?
Thomas Roth: Er sagt selber, „Ich lebe nur einmal und so wie ich lebe, ist einmal auch genug.“ Ich halte seine Geschichte schon für tragisch. Ende der sechziger Jahre, als er elf war, haben sich seine Eltern getrennt. Er ist ohne Vater aufgewachsen, was damals eher etwas Ungewöhnliches war, er ist als Drilling geboren und hat als einziger überlebt, er hat sich in eine Frau verliebt in der Annahme, dass sie von ihm ein Kind bekommt und hat erst Jahre später erfahren, dass das Kind nicht von ihm ist. Er hatte weltweit Riesenerfolge, wahnsinnig viel Geld, hat aber auch die Kehrseite der Medaille kennen gelernt. Er ging durch Schaffenskrisen, die ja oft ein Nährboden für einen Künstler sind, die er aber nicht für sich nutzen konnte, auch weil er die Flucht in Alkohol und Drogen gesucht hat. Ich weiß nicht, ob er am Ende seines Lebens ein glücklicher Mann war. Ich glaube, dass er geläutert war und dass sein Unfalltod auch zu einer Legendenbildung beiträgt.


Eine der großen Fragen, die es zu lösen gab, war sicherlich die Entscheidung für den Hauptdarsteller?
Thomas Roth: So groß war die Suche gar nicht, da ich ja keinen Laien finden wollte, der Falco besonders ähnlich sieht. Ich suchte einen Schauspieler, der offen und bereit ist, ein Risiko einzugehen und der meine Vorstellungen auch möglichst schnell umsetzen kann. Es sollte eher ein junger Darsteller sein, weil es maskentechnisch einfacher ist, einen Schauspieler in einem Film altern zu lassen als ihn jünger zu machen. Das Angebot in diesem Land und selbst im deutschen Sprachraum ist in dieser Altergruppe wiederum nicht so riesig. Die Leute, die dafür in Frage kamen, habe ich alle gecastet. Ich war sehr schnell davon überzeugt, dass Robert Stadlober eine gute Besetzung wäre. Er hat auch zugesagt, es sich dann doch anders überlegt. Das musste ich akzeptieren, auch wenn es uns vor große Schwierigkeiten gestellt hat. Im Zuge der neuerlichen Suche nach einem Hauptdarsteller habe ich alle Castingbänder noch einmal durchgesehen und bin vom Castingbüro auf Manuel Rubey, der als Wickerl Adam gecastet worden war, aufmerksam gemacht worden. Er hat mich sofort angesprochen, ich habe ihn dann noch zweimal zum Casting geholt und dabei gemerkt, dass ich sehr gut mit ihm arbeiten konnte. Es war relativ bald und schnell für uns klar, dass er für die Rolle in Frage kommt. Dazu kam, dass er singen kann und selber Rock- und Popmusiker ist. Ich bin jetzt sehr glücklich mit dieser Wahl und finde, dass er seine Aufgabe hervorragend macht und ein großer Gewinn für uns alle ist.


Wie sah die Vorbereitung mit den Schauspielern im Vorfeld der Dreharbeiten aus?
Thomas Roth:  Ich führe immer ein langes ausführliches Erstgespräch, es sei denn es ist jemand, den ich vom Casting weg besetze, dann arbeiten wir ohnehin von der Basis weg. Danach arbeite ich die Szenen meist in einer Leseprobe aus, um zu sehen, wie alles sprachlich sich ergibt und passt. Für Manuel kam dazu, dass er sich den ganzen physischen Aspekt anhand von dem Material, das wir ihm geliefert hatten, erarbeiten musste. Er ist auch gecoacht worden, weil man für diese Art von Vorbereitung permanent Feedback braucht. Das hat sehr gut funktioniert und er kann die Früchte seiner sehr harten und langen Vorbereitungsarbeit jetzt auch ernten. Wir haben zuletzt eine Konzertszene gedreht, wo 400 Komparsen in Ohnmacht gefallen sind und ich auch. Das war wirklich toll.


Wird es auch einen Soundtrack geben?
Manuel singt die Sachen selbst, dadurch entsteht eine neue Version der Songs und ich denke, es macht Sinn, einen Soundtrack herauszugeben. Manuels Aufnahmen werden von Falcos Originalproduzenten, den Brüdern Bolland, in Amsterdam durchgeführt auch da hoffe ich, die Erwartungshaltung, die bei den Falco-Fans bei so einem Film vorhanden ist, zu erfüllen. Die Tonarbeit wird noch sehr aufwändig sein, wir haben drei Soundtrackkomponisten und arbeiten in der Postproduktion mit zwei Toncrews.


Bedeutet es für Sie eine große Umstellung nach einigen Fernsehfilmen wieder einen Kinofilm zu machen?
Thomas Roth: Eigentlich nicht. Die einzige Umstellung ist das Format, wir drehen auf 1: 2.35. Ich finde es sehr spannend und für mich ist es – ich würde es weniger eine Herausforderung nennen, es ist eigentlich eine große Freude für mich. Wir sind jetzt ungefähr bei Halbzeit der Dreharbeiten und ich bin bis jetzt sehr zufrieden. Ich bin ein Regisseur, der mit sehr klaren Vorstellungen vom Film und mit präzisen Vorgaben zum Set kommt. Das hat sich aus den Erfahrungen aus meiner Arbeit der letzten Jahre so entwickelt, Gemeinsam mit dem Kameramann Jo Molitoris haben wir uns bei dem Film eine Ästhetik vorgenommen, die wir sehr konsequent durchziehen. Wie weit das Publikum das honorieren wird, werden wir sehen. Am 6. Februar wird der Film im Kino sein.


Interview: Karin Schiefer
Juli 2007