INTERVIEW

Claus Philipp über Der österreichische Film - Edition Der Standard

 

 

 

Als vor gut einem Jahr die DVDs mit dem roten Streifen unübersehbar und in geballter Ladung in Österreichs Buch und Medienhandlungen auftauchten, war noch ungewiss, ob das 50er-Kompendium an heimischen Filmen sein Publikum und die Pioniertat eine Fortsetzung finden würde. 250.000 verkaufte DVDs der Standard-Edition Der österreichische Film haben letztlich alle Prognosen übertroffen und der zweiten Serie den Boden bereitet. Vom populären Fernseh-Epos der Alpensaga bis Raritäten von Willhelm Gaube reicht die zweite Selektion, die nun seit Ende Oktober ein hundert DVDS umfassendes Panoptikum zu mehreren Jahrzehnten österreichischen Filmschaffens komplettiert hat. Der vorübergehende Zwischenstand liegt nun bereits bei rund 370.000 verkauften Exemplaren. Ein Gespräch mit Claus Philipp, der mit Ernst Kieninger die Serie inhaltlich kuratiert hat.



War der Erfolg der ersten Staffel eine große Vorgabe, die Attraktivität der zweiten Serie zu halten?
Claus Philipp: Es ist aus vergleichbaren Reihen zwar bekannt, dass es die zweite Staffel immer wesentlich schwerer hat, die Arbeit für die zweite Staffel war dennoch relativ einfach. Man muss damit leben, dass eine Reihe von Titeln nicht zu haben ist, weil die Rechtelage kompliziert ist oder der Rechteinhaber nicht an den Erfolg der Edition glaubt. Es gibt diverseste Gründe, warum ganz wesentliche Titel von Patzak, Corti oder Haneke nicht zu bekommen waren. Die erste Staffel hat gezeigt, dass es weder extreme Renner noch völlige Ladenhüter gab. Insgesamt sind ca. 1.450 Boxen über den Standard, der Rest im Handel in Einzelexpemplaren verkauft worden, wobei die Spannbreite zwischen 3.500 für die am wenigsten und 9.000 für die am besten verkaufte DVD liegt. Wenn man bedenkt, dass eine DVD dann auch noch von vier, fünf Leuten gesehen wird, dann sind 250.000 verkaufte DVDs nur von der ersten Staffel eine sehr beeindruckende Zahl.


Speist sich die zweite Staffel aus den nicht berücksichtigten Filmen der ersten oder sind auch neue Dinge aufgetaucht?
Claus Philipp: Es sind Dinge aufgetaucht. Schon alleine deshalb, da ja erst im letzten Jahr interessante Filme entstanden sind. Bei Babooska z.B. finde ich es einfach schön, ihm in einem solchen Rahmen eine Chance zu geben oder auch Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen von Gerhard Friedl, der nicht einmal den Weg ins reguläre Kino geschafft hat.


Welche Verantwortung verspürt man, wenn man eine Art Kanon erstellt?
Claus Philipp: Ich habe mich zunächst einmal sehr gegen den Begriff des Kanons gewehrt. Die Idee war, eine Skizze anzufertigen, welche Aspekte des österreichischen Kinos wichtig waren – kommerzielle Hits in einer gewissen Auswahl wie auch entlegene Dinge. Die Verantwortung lag darin, vom kommerziellen bis zum künstlerischen Film, im Kino wie im Fernsehen die unterschiedlichsten Ausprägungen und Namen auftreten zu lassen und dabei auch das beachtliche Risiko, das Georg Hoanzl dabei eingegangen ist, nicht aus den Augen zu verlieren. Es bedeutete im Prinzip etwas wie Fernsehen zu programmieren und andererseits sich selbst nicht zu verleugnen. Ich hätte gedacht, Muttertag sei schon zuviel gespielt, Faktum war, es ist der größte Hit. Und wenn am Ende Muttertag geholfen hat, dass sich 3.000 Leute einen Egon Humer oder frühen Murnberger gekauft haben, dann wäre genau das erreicht, was in einer gesunden Filmlandschaft der Fall ist, nämlich dass man sich einen Star, den man liebt, möglicherweise auch mal in einem Kunstfilm anschaut.


Es drängt sich automatisch die Frage nach den Filmen auf, die nicht drinnen sind?
Claus Philipp: Ich bin ja nicht als Filmkritiker an diese Edition herangegangen, um meine Lieblingsfilme zu versammeln. Es sind ja auch Filme drinnen wie Hinterholz 8, um den es legendäre Auseinandersetzungen im Standard gegeben hat. Es war einfach ein erfolgreicher Film, der von vielen als österreichisches Kino wahrgenommen wurde. Es gäbe v.a. im Dokumentarfilmbereich einiges an Schätzen zu heben. Wichtig war, so konsequent wie möglich, unterschiedliche Formate an Filmschaffen drinnen zu haben. Dazu gehörte es auch, die Alpensaga, wieder verfügbar zu machen und Dieter Berner zu berücksichtigen, Sei zärtlich, Pinguin, war damals wichtiger Film. Das sind sicherlich streitbare Entscheidungen. Es fehlen immer noch die Wolfgruber-Verfilmungen wie Herrenjahre. Und natürlich gibt es Dinge, wo man von einer starken persönlichen Vorliebe diktiert wird, wie z.B. bei Fritz Lehner. Die Reihung innerhalb der Liste war noch einmal eine Herausforderung, denn rein chronologisch zu reihen ist langweilig und es sollte schon so sein, dass beim Durchgehen durchs Regal ein Eindruck entsteht, das ist wie eine Achterbahnfahrt.


Die zweite Staffel ist gut gestartet, wird es nach diesen hundert weitergehen?
Claus Philipp: Ich glaube, dass man aufstocken könnte, die Frage ist jetzt, wie lange das Konzept hält. Man muss nachdenken, ob das z.B. in Form von Sondereditionen oder Themenschwerpunkten sein könnte. Der große Vorteil dieses Projekts war, dass Georg Hoanzl am DVD-Sektor so stark präsent ist, was kein anderer Vertrieb schaffen kann. Ernst Kieninger hat selber gesagt, wenn das Filmarchiv Austria das von sich aus gemacht hätte, wäre das eine nette, kleine, im Internet bestellbare Edition geworden.
Ich glaube, dass so eine Zusammenstellung auch sehr stark mit Erinnerung einhergeht und dass es auch für ein junges Publikum Sinn macht, weil sich sehr viel an kulturellem Gedächtnis und kultureller Gedächtnisfähigkeit verändert hat.


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