FEATURE

REVANCHE von Götz Spielmann

 

Bankraube gehen meist deshalb schief, weil die Täter keinen Plan haben. Alex weiß das und hat sich deshalb für seinen Überfall vorher etwas überlegt: „Ich geh rein, zeig ihnen die Pistole, die scheißen sich an vor Angst, ich nehm’ das Geld, geh wieder, zahl deine Schulden und wir fahren nach Spanien.“ Tamara hält nicht sehr viel von den naiven Phantasien ihres Freundes. Doch lässt sie ihn schließlich gewähren, unter einer Bedingung: sie will mitkommen, im Auto. Davon hält Alex zwar nicht sehr viel, kann ihr aber den Wunsch nicht wirklich abschlagen. Hätte er’s nur getan. Denn während der Geldraub wunderbar glatt läuft, sucht ein fataler Zufall das hinter der Bank wartende Auto mit Tamara heim. Ein schlecht gezielter Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten entreißt Alex nicht nur die Geliebte, seine Fluchtfährte führt ihn dann auch noch geradewegs in die Nachbarschaft desjenigen, der sein ganzes Glück zerstört hat.


Ein subtiler Tanz zwischen Opfern und Tätern, die ständig ihre Rollen wechseln, setzt sich in Gang. Gegenpole beginnen sich aufzulösen, Kontraste einander zu bedingen: Die Unbarmherzigkeit des städtischen Lebens im Rotlichtmilieu scheint unendlich weit entfernt von der kleinbürgerlichen Eintracht im spätsommerlichen Waldviertel. Ein Zufall verkettet plötzlich die Schicksale da und dort und erschüttert die Existenz der Protagonisten – zu ihrem Unheil wie zu ihrem Heil. Alex bringt Roberts und Susannes saubere Welt in Aufruhr und Ordnung zugleich, mit der toten Tamara im Fluchtauto muss er den ihm teuersten Menschen ebenso wie sein verhasstes Vorleben hinter sich lassen und findet aus einer Welt der totalen Indifferenz zurück zu einer Einfachheit des Daseins. Götz Spielmann hat im unspektakulären Ambiente des ganz normalen Seins ein tiefgründiges Vexierspiel zwischen vier Menschen entworfen, wo zufällig alles aus den Fugen gerät und wider Erwarten in sein (fragiles) Gleichgewicht zurückfindet – in eine Balance des inneren Friedens und des gefährlichen Wissens. Die Stille im See des Anfangsbildes gerät nur kurz durch die Wellen eines herabstürzenden Gegenstands in Bewegung, der dann in den Tiefen des Wassers zu einer ungewissen Ruhe kommt.

Karin Schiefer