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START-Stipendien 2009

 

Erfolgreicher Film braucht entsprechenden Nachwuchs. BMUKK und ÖFI haben daher eine Koordinationsstelle für die Nachwuchsförderung initiiert. Als eines der ersten Projekte wurden im Herbst 2009 fünf Startstipendien an junge Filmschaffende vergeben.


„Das Studium war ein Elfenbeinturm,“ darüber besteht für Anna Schwingenschuh kein Zweifel. „Man ist gut aufgehoben, man hat Equipment zur Verfügung und man bekommt die Gelegenheit, zu experimentieren.“ Wie abrupt das in die Realität kippt, wird nach Studienabschluss umso schneller klar, wenn sich plötzlich die Frage nach der Finanzierung der eigenen Ideen stellt. Das berüchtigte Loch nach Ausbildungsabschluss, die heikle Frage, wie bekommt man einen Fuß zumindest mal in eine Tür, wie lässt  sich erworbenes Können praktizieren? stellt sich in künstlerischen Berufen besonders, für Filmschaffende aus Kostengründen noch einmal mehr. Eine Starthilfe gibt es nun von staatlicher Seite. 2009 schrieb das BMUKK erstmals 90 Startstipendien in den verschiedensten künstlerischen Sparten aus. Eine monatliche Unterstützung von 1100 Euro über ein halbes Jahr hinweg sollen genug finanzielle Unabhängigkeit schaffen, um sich ohne ablenkende Nebenjobs einem Projekt widmen zu können.
Im Bereich der Filmkunst wurden im Herbst 2009 erstmals fünf dieser Stipendien vergeben. Die KandidatInnen mussten ihre künstlerische Ausbildung in den letzten fünf Jahren abgeschlossen haben, Autodidakten konnten bis zum Alter von 35 einreichen. Die Bewerbungsunterlagen waren bewusst knapp gehalten - Projektbeschreibung, Lebenslauf, Abschlusszeugnisse, Referenzfilme falls sie vorhanden waren. Aus rund fünfzig eingereichten Projekten wählte die Jury neun für das Hearing aus, aufgrund dessen es zur Vergabe der fünf Stipendien kam. „Wir haben,“ so Barbara Fränzen, Leiterin der Abteilung Film der BMUKK-Kunstsektion, „sehr breit ausgewählt und eher den etwas ungewöhnlicheren Projekten den Vorzug gegeben. Unser Ziel ist es, ein Labor bereit zu stellen, wo die Leute ihre Handschrift entwickeln und neue Wege erproben können. Man muss die Leute oft ermuntern, etwas zu riskieren.“
In der Befreiung vom Erfolgs- und existentiellen Alltagsdruck sehen die StipendiatInnen den wichtigsten Anreiz dieser Initiative, denn „auch wenn man sich eines Themas bereits sicher ist,“ so David Gross, „kann mit mehr Freiheit etwas Besseres herauskommen.“ Doch ist es nicht der einzige Grund: Krisztina Kerekes, an der Filmakademie ausgebildete Kamerafrau, hat sich mangels Jobmöglichkeiten dazu entschlossen, ein eigenes Projekt zu entwickeln. „Ich wollte mich,“ so die Filmemacherin, „von der Abhängigkeit befreien, auf Regisseure und ihre Projekte zu warten. Es kommen leider zu langsam und zu wenige verfilmbare Projekte hervor. Selbst Regie zu führen ist für mich aus einer Notwendigkeit entstanden.“ Krisztina Kerekes wird die sechs Monate dazu nutzen, ihren Dokumentarfilm Kleine Welten, das Porträt eines ungewöhnlichen Wiener Ladens und seines Betreibers, zu konkretisieren, David Gross geht in Holy Water den spirituellen wie kommerziellen Interessen rund um eine Wasserquelle im Innviertel nach. Weitere Dokumentarfilmprojekte kommen vom Regieduo Katharina Lampert und Cordula Thym, die in Transhysteria die Frage stellen, was wäre, wenn wir alle unser Geschlecht frei wählen könnten, Catherine Radam versucht in Wien - 23 Stunden einer Stadt die 23 Bezirke Wiens mit den 24 Stunden des Tages zu einem Stadtportrait in Bezug zu setzen, Anna Schwingenschuh entwickelt den einzigen fiktiven Stoff - ein surreales Märchen mit dem Titel  Stadt Dorf Fluss. Interessantes Detail: vier der fünf unterstützten Projekte stammen aus der Hand von Filmemacherinnen, obwohl  sich unter den BewerberInnen nur ein Drittel Frauen befunden hatte. Für einige der abgelehnten Projekte, oft solche, die den „Rahmen Startstipendium“ bereits sprengten, sprach die Jury eine Empfehlung aus. 
Mit einer monatlichen Überweisung von staatlicher Stelle allein ist es beim Startstipendium  nicht getan. Das Konzept der Starthilfe sieht auch eine kontinuierliche Begleitung vor - professionelle Beratung in Zusammenarbeit mit dem Drehbuchforum, Einbindung interessierter Produzenten, Arbeitstreffen in regelmäßigen Intervallen, die sich u.a. Präsentationsformen zur Aufgabe setzen. Am Ende der sechs Monate sollte ein Konzept mit Überlegungen zur filmischen Umsetzung oder im Idealfall ein Drehbuch vorliegen. Jedenfalls sollte ein Übergang über eine berüchtigte Leere geschaffen und eine Brücke geschlagen sein, die eine Verbindung ins professionelle Umfeld der Filmbranche herstellt und es ermöglicht, das Projekt im gängigen Procedere von Projektentwicklungs- oder Herstellungsförderung weiterzuführen. „Ein Übergang,“ so David Gross, „wo noch ein gewisser Restschutz besteht, bevor es auf die ganz freie Wildbahn geht“.

Projekte mit Startstipendium
David Gross: Holy Water
Krisztina Kerekes: Kleine Welten
Katharina Lampert & Cordula Thym: Transhysteria
Catherine Radam: Wien – 23 Stunden einer Stadt
Anna Schwingenschuh: Stadt Dorf Fluss