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Jahresrückblick 2009

 

An Ausnahmejahren fehlt es dem österreichischen Film schon seit längerem nicht mehr. Die großen Erfolge sind inzwischen beinahe zur Regel geworden. Für den Ausnahmefaktor war dank einiger unverhoffter Überraschungen dennoch auch 2009 wieder gesorgt:


Denn wer hätte gedacht, dass nach dem Oscar 2008 es erneut ein österreichischer Film unter die fünf Nominierten für den Auslandsoscar schaffen würde? Wer hätte gedacht, dass ein kleiner Film wie La Pivellina nicht nur seine Premiere in Cannes feiern, sondern seither unaufhörlich durch die Welt reisen und dabei mit beinahe zwanzig Preisen zurückkehren würde? Man hatte natürlich gehofft, dass  sich mit Das weiße Band Michael Hanekes Chancen auf die Goldene Palme konkretisieren könnten, dass dieser Film aber auch von der Fipresci Jury als Bester Film 2009, von der European Film Academy mit den Preisen für Bester Film, Beste Regie und Bestes Drehbuch ausgezeichnet und Michael Hanekes Caché von der Londoner Times zum Besten Film des Jahrzehnts erklärt werden würde, gehören zu jenen Überraschungen, die uns mit Freude und Stolz das österreichische Filmschaffen aus nächster Nähe verfolgen lassen.


Die breite internationale Anerkennung des österreichischen Films hat sich auch dieses Jahr wieder an den heimischen Kinokassen bemerkbar gemacht, die im Herbst bereits mehr als eine Million Kinobesucher verzeichnen konnten. Wirft man einen Blick auf die Publikumsfavoriten unter den 36  im Jahr 2009 in den österreichischen Kinos gestarteten Filmen, so reflektiert das Zuschauerinteresse in erfreulicher Weise die Vielfalt der österreichischen Filmproduktion:
Der Knochenmann: 266.531, Hexe Lilli:  176.907, Wüstenblume:  177.129,  Echte Wiener:  165.304 (gesamt: 307.761), Plastic Planet:  76.449, Der Fall des Lemming:  73. 943, Das weiße Band:  61.490

Das Festivaljahr 2009 begann mit einer Einladung von Caspar Pfaundlers Schottentor in den Tiger Award-Wettbwerb in Rotterdam und dem Max Ophüls-Preis an Thomas Woschitz' Universalove in Saarbrücken. Die Berlinale zeigte Wolfgang Murnbergers Der Knochenmann und Michael Glawoggers Das Vaterspiel im Panorama, das Internationale Forum des Jungen Films Yoav Shamirs Defamation, einen der meistgefragten Festivalfilme dieses Jahres. Cannes sorgte mit der Goldenen Palme für Das weiße Band für einen der größten Erfolge der österreichischen Filmgeschichte und diente für Tizza Covis und Rainer Frimmels La Pivellina in der Reihe Quinzaine des réalisateurs als Sprungbrett für eine intensive Festivalkarriere. Karlovy Vary präsentierte Sebastian Brameshubers Muezzin im Dokumentarfilm-Wettbewerb sowie Michael Glawoggers Contact High.


Zu einem wahren Festival-Highlight entpuppte sich in diesem Jahr Venedig, das nicht weniger als sechs österreichische (Ko-)Produktionen in seinen verschiedenen Reihen zeigte, zwei davon im Wettbewerb um den Goldenen Löwen: Jessica Hausners Lourdes und Shirin Neshats Women Without Men, der den Silbernen Löwen für die Beste Regie gewann. Erstmals vor nordamerikanischem Publikum  waren in Toronto Lourdes, La Pivellina und Women Without Men zu sehen, Das weiße Band, ebenfalls in Toronto auf dem Programm, hatte es zuvor bereits als dritter österreichischer Film  in Folge geschafft, in der exklusiven Auswahl des  Festivals von Telluride vertreten zu sein.


Insgesamt gingen 561 Einladungen an 72 Filme, 42 davon feierten im Jahr 2009 ihre internationale Premiere auf Festivals. Eine Goldene Palme, ein Silberner Löwe, eine Oscar Nominierung und 88 weitere größere und kleinere Festivalpreise an 26 verschiedene Filme stellten nicht nur die guten Ergebnisse des Vorjahres in den Schatten. Einmal mehr bestätigen diese Erfolge mit eindrucksvoller Deutlichkeit die hohe Qualität und die Breite des Spektrums, mit der der österreichische Film internationales Ansehen genießt.


Die Premieren (Auswahl): SCHOTTENTOR (Rotterdam, Tiger Award-Wettbewerb), DER KNOCHENMANN (Berlin, Panorama), DAS VATERSPIEL (Berlin, Panorama), DEFAMATION (Berlin, Internationales Forum des Jungen Films), DAS WEISSE BAND (Cannes, Wettbewerb), LA PIVELLINA (Cannes, Quinzaine des Réalisateurs), KOMA (Moskau, Wettbewerb für Debütfilme), MUEZZIN (Karlovy Vary, Wettbewerb Dokumentarfilme), CONTACT HIGH (Karlovy Vary, Out of Competition), PIANOMANIA (Locarno, Settimana della Critica), HANA, DUL, SED ... (Locarno, Ici&Ailleurs), WAS DU NICHT SIEHST (Montréal, First Films World Competition)), LOURDES (Venedig, Wettbewerb), WOMEN WITHOUT MEN (Venedig, Wettbewerb), WÜSTENBLUME (Venedig, Giornate degli autori), TOTÓ (Venedig, Orizzonti), PEPPERMINTA (Venedig, Orizzonti)
Die Preise (Auswahl): UNIVERSALOVE (Max Ophüls Preis/Saarbrücken), REVANCHE (nominiert für Oscar - Best Foreign Language Film), DAS WEISSE BAND (Goldene Palme, Fipresci Grand Prix 2009, European Film Award Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch), LA PIVELLINA (Europa Cinemas Label Award/Cannes, Quinzaine des Réalisatuers und 17 weitere Preise), LET'S MAKE MONEY (Special WorldShift Award), PIANOMANIA (Critic's Prize/Locarno Settimana della Critica), LOURDES (Fipresci Prize/Venedig), WOMEN WITHOUT MEN (Silberner Löwe für Beste Regie/Venedig), DEFAMATION (Asia Pacific Screen Award und 12 weitere Preise).

Ein Blick voraus verspricht ein spannendes Filmjahr 2010 zu werden: mit neuen Arbeiten von Benjamin Heisenberg (DER RÄUBER), Jasmila Zbanic (ON THE PATH), Oskar Roehler (JUD SÜSS - FILM OHNE GEWISSEN), Robert A. Pejo (DER KAMERAMÖRDER), Nikolaus Geyrhalter (ABENDLAND), Ulrich Seidl (IM KELLER), Michael Glawogger (WHORES' GLORY), P.A. Straubinger (VON LUFT UND LIEBE).

Einen detaillierten Überblick über die Filme, die 2010 zu erwarten sind, bietet ihnen unser im November erschienener Katalog Austrian Films 2009/2010.

Martin Schweighofer, Geschäftsführer der Austrian Film Commission:
"2009 kann als Ausnahmejahr verbucht werden, die Summe der internationalen Erfolge bestätigt das unzweifelhaft. Bei aller gebotenen Bescheidenheit, mit der man in die Zukunft blicken sollte, darf trotzdem bereits verkündet werden, dass 2010 ein starker Jahrgang für den österreichischen Film sein wird. Ich würde sagen: schau’n Sie sich das an! ."