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Cannes 2005: AUSTRIAN DAY im Rahmen von Tous les cinémas du monde  

 

Am Dienstag den 17. Mai steht die Reihe Tous les cinémas du monde im Zeichen des österreichischen Films: www.AustrianDay.Com Zehn noch nicht in Cannes gezeigte Filme (zwischen 11 und 240 Minuten Länge), die zwischen 1982 und 2002 produziert wurden, verfolgen die Spuren des heimischen Filmschaffens, das in den letzten zwanzig Jahren ästhetisch wie thematisch auf der Suche nach Identität in die verschiedensten Richtungen ausgezogen ist. Ein Mann kopiert ein Foto seiner selbst, das er weiter und weiter kopiert, bis er am Ende die ganze Welt mit animierten Figuren seines eigenen Abbilds füllt. Virgil Widrich hat in Copy Shop das Thema vom Verlust der Identität in einem zeitlosen Raum auf zwölf Minuten verdichtet.

 

Zehn Filme von 1982 bis 2002, von 11 bis 240 Minuten verfolgen die Spuren eines Filmschaffens, das in den letzten zwanzig Jahren ästhetisch wie thematisch auf der Suche nach Identität in die verschiedensten Richtungen ausgezogen ist - Österreichische Emigranten, die als amerikanische Besatzer ihrer Heimat wieder begegnen, Wiener Jugendliche, die im Gewaltexzess das Korsett des verdrängten nationalsozialistischen Erbes zu sprengen versuchen, 14-Jährige, die die Liebe und die Macht entdecken, 20-Jährige, die frischen Wind aus dem Osten nach Wien bringen, eine alte Dame im bitteren Zwist mit ihrer Jugend, mehr oder weniger ferne Ethnien im Schatten der Globalisierung - und damit in kurzer Zeit seine vielschichtige Eigenständigkeit entwickelt hat. Das Filmprogramm des Austrian Day zeigt zehn Arbeiten, die die Wege in die verschiedenen Regionen der aktuellen cinematographischen Landschaft markiert haben - eine Landschaft, die in den letzten Jahren aus internationaler Sicht immer stärker unter aufmerksamer Beobachtung steht. The Excluded (1982) nach dem Roman und einem Drehbuch der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist die früheste Arbeit dieser Reihe: Provokant und rigoros wie die Sprache der Autorin taucht Regisseur Franz Novotny das Unbehagen der Nachkriegsjugend der späten fünfziger Jahre und ihre gewaltsame Befreiung aus den tabubesetzten und repressiven familiären Verhältnissen in verstörende Bilder. Die nationalsozialistische Vergangenheit, unbewältigt und unter den Teppich gekehrt, drängt sich in den achtziger Jahren als eines der dominierenden Themen im österreichischen Film an die Oberfläche.

 

Axel Corti geht in Welcome in Vienna (1986) direkt ins Jahr des Umbruchs, 1945, zurück, wo er Opfer und Täter, Befreier und Besiegte, Mitläufer und Idealisten in dieser Stunde Null vor die unlösbare Frage nach einer klaren Haltung davor und danach stellt. Ein Konflikt, der dokumentarisch aus einer Distanz von beinahe sechzig Jahren kaum eindringlicher vor Augen geführt werden könnte als in Blind Spot. Hitler's Secretary (2002), wo die über 80-jährige Traudl Junge mit entwaffnender Offenheit über den Gewissensballast ihrer Jugendjahre spricht. Die neunziger Jahre bringen einen neuen gesellschaftspolitischen Einschnitt, der Fall des Eisernen Vorhangs schlägt sich thematisch in zahlreichen Arbeiten nieder Barbara Albert ist nicht nur eine der ersten Regisseurinnen, die in ihrem Spielfilmdebüt Nordrand die neue Energie der geöffneten Grenzen filmisch verarbeitet, sie gehört zu einer ganzen Reihe von Filmemacherinnen, die Ende der neunziger Jahre die Wiener Filmakademie abschlossen und mit ihren ersten Kurz- und Langfilmen international Furore machten: Cannes' Cinéfondation und Un Certain Regard präsentierten die Arbeiten von Jessica Hausner (Inter-View, Lovely Rita, Hotel) und Ruth Mader (Null Defizit, Struggle), Barbara Albert debütierte im Wettbewerb von Venedig, wo die Nordrand-Hauptdarstellerin den Nachwuchspreis holte.

 

Vier der Kurzfilme sind diesen jungen Filmemacherinnen gewidmet, frühe Arbeiten, die ausschließlich an der Filmakademie entstanden, einen sensiblen und kindlichen Blick auf das Rätsel Sexualität in einem katholisch geprägten Erziehungskontext werfen (Die Frucht deines Leibes), knapp und radikal vom unbarmherzigen Gesetz der Stärkeren unter Gleichaltrigen in einer tristen Stadtrandsiedlung erzählen (Gfrasta) oder die ersten Versuche über die Liebe vorbeiziehen lassen (Be My Star, Flora). Die Wende ins neue Jahrtausend hat der Dokumentarfilmer Nikolaus Geyrhalter mit einem imposanten Kontrastprojekt zur medialen Aufregung um das Jahr 2000 und zum globalen Schwinden der Grenzen und Distanzen begleitet. Er widmet in Elsewhere eine vierstündige filmische Reise den entlegenen Randzonen der Globalisierung und der Langsamkeit des Blicks. Blick nach Anderswo, der diese kurze Schau auf die vielen Welten des österreichischen Kinos beschließt und der Suche nach seiner Identität einen grenzenlosen Raum eröffnet.

 

Karin Schiefer

© 2005 Austrian Film Commission