INTERVIEW

«Die Gedanken kamen oft aus ihm in einer Form heraus, die wir „Schwurbelsprech“ nannten. »

Ein Gespräch mit Andrea Glawogger, die gemeinsam mit Eva Menasse Michael Glawoggers literarisches Debüt 69 Hotelzimmer editiert hat. Im Frühjahr 2015 ist der Roman in der Anderen Bibliothek erschienen.


 
Michael Glawoggers 69 Hotelzimmer besteht aus 95 Weltbeobachtungen, die von Erinnerungen an die späten sechziger Jahre bis zu Science Fiction-artigen Projektionen in unsere nähere Zukunft reichen. Entstand dieser Text von Beginn an als Romanmanuskript oder aus einer Sammlung von Notizen, Erinnerungen, Tagebüchern?

ANDREA GLAWOGGER: Es begann nicht als Romanmanuskript, ist aber zu einem geworden, ohne dass es über diesen langen Zeitraum Notizen gegeben hätte. Michael wollte seit seiner Jugend Filme machen – das hat er durchgezogen, gemacht, gelebt. Er war ein Vielleser, geschrieben hat er aber nur Drehbücher. Daneben musste er immer wieder Texte für Einreichungen, Pressehefte oder Ähnliches verfassen und war sich dabei Anfangs oft unsicher. Also hat er mir diese Texte gegeben, damit ich, v.a. hinsichtlich Orthographie und Interpunktion, noch einmal drübergehe. Der erste war der Pressetext für Megacities. Den schickte er mir mit der Frage, ob man das oder das wohl „so sagen könne“. Das konnte man durchaus, aber es gab für mein Gefühl doch ein bisschen was umzustellen, da etwas zu kürzen und dort etwas zu betonen. Danach meinte er dazu: „Du weißt genau, was ich sagen will, aber du kannst es viel besser.“ Das war natürlich Unsinn, denn er konnte das selbst wunderbar – aber die Gedanken kamen oft aus ihm in einer Form heraus, die wir „Schwurbelsprech“ nannten. D.h., er kam im Sprechen und Schreiben oft in bestimmte Wirbel hinein – und als er entdeckte, dass ich diese Wirbel auflösen konnte, hat er sich selbst kaum mehr die Mühe gemacht, es selber zu tun. Er schrieb einfach seine Gedanken nieder, und das Ergebnis schickte er mir. Wir nannten das „Hinkübeln“.

 
Wann begann für ihn das literarische Schreiben?

ANDREA GLAWOGGER: Im Grunde kam er dazu durch die langen, ausführlichen Recherche zu seinen großen Dokus Megacities, Workingman’s Death und Whores’ Glory. Anders als bei seinem letzten Projekt, das nun abgebrochen werden musste, hat er immer längere Zeit in verschiedenen Ländern verbracht, um sich Themen, Gegebenheiten und Menschen anzunähern. Dabei hat er vieles entdeckt und bestimmte Schauplätze ausgewählt, an denen letztlich der Dreh konkret vorbereitet wurde. Der Dreh selbst mit dem Team erfolgte dann über einen relativ kurzen Zeitraum. Durch diese Arbeitsweise hat er unendlich viel mehr gesehen und erlebt, als am Ende in den Filmen vorkommen konnte, es aber trotzdem wert war, erzählt zu werden.
Zu Workingman’s Death und Whores’ Glory gab es schon Bücher, weil er auf diesen Reisen auch sehr viel fotografiert hat. Sie entstanden als Fotobücher, zunehmend mit Text. Dadurch begann er langsam, seine Beobachtungen literarisch festzuhalten. Und er hat wohl auch gemerkt, dass Schreiben – rein technisch betrachtet – im Unterschied zum Filmemachen ziemlich einfach ist. Er hat ja mehrmals in seiner Karriere erlebt, dass ein Projekt nach intensiver Vorarbeit nicht zustande kam. Dieser Zustand, dann nicht arbeiten zu können, hat ihn geradezu traumatisiert. Aus solchen Erfahrungen heraus entwickelte er oft bis zu fünf, sechs Projekte gleichzeitig, was wiederum dazu führen konnte, dass er in einem Jahr drei Filme machte, nachdem er zwei Jahre davor gar keinen gemacht hatte. Fürs Schreiben hingegen braucht man ein Blatt Papier und einen Stift – und daran kann einen niemand hindern. Auf diese Weise ins Schreiben eingetaucht, hat er sich darin immer wohler gefühlt und diese Form der Hotelzimmer-Geschichten erdacht und perfektioniert. Sie erwiesen sich als System, innerhalb dessen sich viel erzählen ließ – auch aus seiner Vergangenheit. Es sind Elemente drinnen, die ich aus Erzählungen über seine Kindheit und Jugend kannte – sie kamen im Zuge des Schreibens dieser Geschichten zurück, ohne dass es dazu alte Notizen oder Tagebücher gegeben hätte.
Das Schreiben für dieses Buch hat vielleicht 2010 in ersten Schritten begonnen, und er hat es immer wieder zwischendurch, bisweilen sehr intensiv, betrieben – sowohl zu Hause im Arbeitszimmer als auch auf Reisen, beim Warten zwischen Flügen oder im Flugzeug selbst. Ich wurde in der letzten Zeit mehrmals gefragt, wie er zu der seltsamen Idee gekommen war, ein Buch an Hotelzimmern aufzuhängen; ich hingegen finde es total naheliegend und würde mich eher fragen, wie einem das nicht einfallen kann. Im Zusammenhang mit seinem Leben ist es geradezu logisch.
 
 
Man gewinnt den Eindruck, dass er, der Dokumentarfilmer, hier mit Genuss eine Gelegenheit wahrnimmt, aus einer Berührung mit der Realität so rasch wie möglich in die Phantasie abzuzweigen.

ANDREA GLAWOGGER: Wie schon gesagt war es für ihn, im Vergleich zum Filmemachen, ein sehr freies Arbeiten, in dem gleichzeitig sein ausgeprägtes dramaturgisches Talent wirksam werden konnte. Daher haben alle diese Geschichten diesen ganz speziellen Bogen.
 
 
Lag dem Verlag bereits ein fertiges Manuskript vor, oder bestand Ihre Tätigkeit als Herausgeberin auch darin, aus einem vielfach größeren Corpus an Texten, 95 auszusuchen?

ANDREA GLAWOGGER: Es gab insgesamt 115 Geschichten und ein Manuskript mit einer Auswahl von 95. Mit Sommer 2013 war die Publikation grundsätzlich fixiert und entschieden dass das Buch in der Anderen Bibliothek herauskommen würde. Die 95 hat der Verlag aufgrund verschiedener Kriterien ausgesucht. Ursprünglich war geplant gewesen, dass das Buch zeitgleich zum Kinostart des Films Untitled erscheinen sollte, was wahrscheinlich Herbst 2016 gewesen wäre. Ich habe die Geschichten manchmal einzeln, manchmal in Segmenten von Michael erhalten und bin oft, selbst total im Stress, nur einmal rasch drüber gegangen. Zum Zeitpunkt von Michaels Abreise stand fest, dass es dieses weit gediehene Manuskript gibt – es war aber auch klar, dass man die Auswahl, die Abfolge und die Texte selbst im Detail noch mit Zeit, Aufmerksamkeit und Genauigkeit überarbeiten musste, bevor es wirklich ernst wurde. Und zwar gemeinsam, nach Michaels Rückkehr.
 
 
Dann kam alles anders. Wie schnell musste dann das Manuskript für den Druck aufbereitet werden?

ANDREA GLAWOGGER: Michael hatte eine Literaturagentin in Berlin, die das Projekt betreute und die ich selbst bis dahin noch gar nicht kennen gelernt hatte. Sie kontaktierte mich mit der Frage, ob ich die Publikation unterstützen würde. Das verstand sich von selbst – wir mussten allerdings einen Modus für den äußerst knappen Zeitplan finden, den der Verlag nach Michaels Tod erstellt hatte. Dass ich die Überarbeitung übernehmen sollte, stand erst Mitte Oktober fest – und es hieß, das Buch sollte vor Weihnachten in Druck gehen. Und da lag ein Manuskript für 400 Buchseiten vor mir.
 
 
Wie kam Eva Menasse mit ins Projekt?

ANDREA GLAWOGGER: Ich hatte das Gefühl, vor einem wunderbaren, riesigen Berg zu stehen, den ich gerne in Ruhe erwandert hätte. Stattdessen musste ich ihn innerhalb kürzester Zeit überwinden, und das erschien unmachbar. Obwohl mich alle Kolleginnen und Kollegen im Filmmuseum sehr unterstützt haben, konnte ich mir ja nicht einfach zwei Monate frei nehmen. Und selbst wenn ich alle Zeit der Welt gehabt hätte, waren vier bearbeitete Geschichten am Tag das maximale Pensum. Stattdessen konnte ich an vielen Tagen gar nicht daran arbeiten und kam also viel zu langsam voran. Bei einem von Evas Wien-Besuchen haben wir uns im Kaffeehaus getroffen. Michael hatte mir ihr an einem Drehbuchprojekt gearbeitet, und ich wusste, dass er ihr nichts von den Hotelzimmergeschichten erzählt hatte. Er hat sich einfach nicht getraut, weil er zu sehr fürchtete, dass es ihr nicht gefallen würde. Er hatte mir Dinge erzählt wie: „Stell dir vor, die Eva sitzt oft drei Tage über einem Absatz, das könnte ich nie. Sie findet das sicher unmöglich.“. Ich fand das damals kindisch und völlig verständlich zugleich. Jedenfalls, bei diesem Wien-Treffen erzählte ich ihr alles und schickte ihr dann das Manuskript. Nach wenigen Tagen meldete sie sich ganz begeistert zurück und bot mir umgehend ihre Hilfe an. Und das war nicht nur ein Segen, es war die Rettung. Überdies hatte sie genau den gleichen Zugang wie ich. Wir haben an den Texten inhaltlich nichts geändert, sondern sie sozusagen „in Form geputzt“. Und gemeinsam haben wir es geschafft, zwischen Weihnachten und Silvester 2014 endgültig abzugeben.
 
 
Man kann das Buch nicht lesen, ohne versucht zu sein, hier ein Alter Ego des Autors vor sich zu haben und autobiografische Züge zu erkennen. Jetzt führt dieses Buch allerlei Zahlenspielerei vor Augen: die möglichen Verwechslungen 69/96, die 13 ist ausgelassen. Immer wieder tauchen Vorahnungen auf, die sich erfüllen, Weissagungen ... War Michael ein abergläubischer Mensch? Jemand, der auch das Unerklärliche in sein Leben gelassen hat?

ANDREA GLAWOGGER: Michael war ein sehr phantasievoller Mensch. Gewiss das Gegenteil von esoterisch. Was auch schon früheren Film- und Drehbuchprojekten zugrunde lag, war eine spielerische Systematik mit Zahlen und Zusammenhängen. Das war aber jenseits von Irrationalitäten im Sinne von Esoterik. Er war einfach überbordend kreativ und musste sich selbst systematisieren. In den Hotelzimmer-Geschichten kommen immer wieder Traumsequenzen vor, als Stilmittel und als literarische Wiedergabe realer Träume. Und es gab ja die gespenstische Prophezeiung, dass er eine große, erfolgreiche Reise machen und in Sierra Leone erschossen werden würde. Er hat das für sich selber nicht groß bewertet, darüber vielmehr gewitzelt. Ich fand das weniger lustig, aber man schiebt so etwas natürlich weg und verdrängt es. Man macht halt Witze darüber und bannt es damit. Gerade Afrika so lange und intensiv zu bereisen, davor hatte er schon ziemlichen Respekt. Das hat er auch vor der Reise angesprochen. Es hat ein komisches Gefühl mitgeschwungen, aber er hat es nicht hochkommen lassen. Und ich erinnere mich, gerade den Widerspruch von „erfolgreich“ und „erschossen werden“ so seltsam gefunden zu haben.

 
Michaels Humor ist ja ein sehr versteckter Humor. Wie würden Sie ihn beschreiben?

ANDREA GLAWOGGER: Das kann ich nicht beantworten. Michael hat oft gesagt, dass er einfach nicht verstand, worüber meine Schwester und ich so endlos lachen konnten. Und wir sagten dann immer, dass er anscheinend selbst nicht wusste, wie lustig er ist. Der Witz war bei ihm kaum je als Pointe gedacht. Er war ein grundlegend positiver Mensch, der gerne die Haltung vertrat: „Alles wird gut.“ Auch in den schwierigsten Lebensphasen konnte er sich am eigenen Optimismus immer wieder hochziehen. Und in allem, was ihm widerfahren ist, was er beobachtet hat, hat er ganz automatisch das „Ganze“ gesehen und nie nur das Schreckliche. In Kritiken zu seinen Dokumentarfilmen ist immer wieder laut geworden, dass er an Orten der Armut und des Leids drehe. Er war für das Elend keineswegs blind, aber er hat immer auch das Positive darin gesehen – er hat gesehen, womit Menschen fähig sind, fertig zu werden. Vieles kann man aus der eigenen Lebenssituation heraus nicht nachvollziehen, aber wenn man plötzlich in etwas Fürchterliches hineingerät, schafft man es meistens trotzdem irgendwie. Man muss mit dem umgehen, was einem begegnet. Das hat Michael gesehen – und darin oft auch das ganz pur Lustige.
 

Eine Geschichte ist mit Rohbauten betitelt ist: Sie reflektiert etwas von seinem Blick, der sich weniger für die Fassade, sondern fürs Dahinter interessiert, und sie enthält auch ein „Lob der Lücke, des Unfertigen, Fragmenthaften“. War das etwas, das auch seine künstlerische Arbeit durchzog?

ANDREA GLAWOGGER: Michael hatte schon sehr genaue Vorstellungen, wie etwas zu sein hatte, konnte dann aber in bestimmten Momenten auch loslassen. Das war ein Wechselspiel. Die Rohbauten im ehemaligen Jugoslawien haben ihn tatsächlich fasziniert. An einen Ort zu kommen, wo es, anders als in Österreich (wo ja eher die Fassade ordentlich aussehen muss), zuerst einmal wichtig ist, dass es einen Griller und Satellitenfernsehen gibt. Ob ein Haus verputzt ist, ist weniger wichtig, denn wenn man drinnen ist, sieht man eh nicht, wie es außen ausschaut. Das hat ihm als Beobachtung und als Lebenseinstellung gefallen. Aber Rückschlüsse auf seine eigene Arbeit würde ich daraus nicht ziehen.

 
Ein Gedanke, der sich durch viele Geschichten und Reisebeobachtungen zieht, ist ein Genuss am Fremdsein und gleichzeitig ein Wunsch nach Verschmelzen und Unsichtbar-Werden in diesem Fremden, also ein Teil davon zu werden.

ANDREA GLAWOGGER: Jeder hat positive wie negative Vorurteile, dem kommt kein Mensch, der reist, aus. Michael war sehr offen und hat sich gegen bestehende Klischees gewehrt. Die hat er oft genussvoll ins Gegenteil verkehrt. Es kommt eine Stelle vor, wo der Erzähler im Lonely Planet-Reiseführer über Nigeria den Satz findet, „dieses Land sei nur etwas für die größten Masochisten unter den Reisenden.“ Michael hat erzählt, wie unglaublich dreckig es in diesem Land war, aber er war sehr gerne dort, weil er die Leute so mochte. Er hat sich dort wohlgefühlt. Auf den Nummerntafeln der Autos von Lagos steht „The Centre of Excellence“, das hat ihm gefallen. Eine andere Episode im Buch spielt im Kosovo, wo er einem KFOR-Mann seinen Pass zeigt. Er hatte ja mehrere Pässe, einen davon für jene Länder, deren Visa bei einer Einreise in die USA problematisch sein konnten – Afghanistan, Tschetschenien, Nordkorea, Syrien... Und dieser Mann sagte beim Durchschauen des Passes: „Do you ever go to any nice places?“ Das war so typisch. Er war kein Elendstourist. Er hatte ein aufrichtiges Interesse und wehrte sich dagegen, je die Haltung, besser oder überlegen zu sein, an den Tag zu legen. Vielleicht ist ihm das auch bei der falschen Diagnose seiner Krankheit zum Verhängnis geworden. Er hat sie nicht hinterfragt, sondern gerade der lokalen Expertise vertraut.

 
In einer der ersten Geschichten träumt der Protagonist auf einem Balkon stehend davon, täglich da zu stehen und sich am Ort seines Aufenthalts einen Gebrauchtwagen zuzulegen. Eine aufblitzende Sehnsucht nach Sesshaftigkeit, eine Gegenkraft zum Reisetrieb. Wohnten ihm beide Kräfte inne?

ANDREA GLAWOGGER:  Man kann in diesem Buch sehr viel finden, das sich Michael persönlich zuordnen lässt. Das Reisen, Bewegen, Anschauen von Neuem war stets verbunden mit dem Bedürfnis, sich im Fremden zu Hause zu fühlen. Sich ein Heim an einem Ort zu machen, der nicht das Zuhause ist. So war es auch auf den Reisen, die wir gemeinsam unternommen haben. Wann immer wir ein Hotel oder eine Wohnung bezogen haben, und sei es nur für wenige Tage, dann haben wir es so zurechtgerichtet, dass wir uns dort wohlfühlten. Es ging darum, die eigene, innere Welt mit der äußeren, die man vorfindet, so in Übereinstimmung zu bringen, dass es passt. Ein Drinnen zu schaffen, von dem aus man hinausschauen und hinausdenken konnte, den eigenen Körperrhythmus in die Fremde hineinbringen, um sich zu stabilisieren.
Und er ist gerne nach Hause gekommen. Wenn er unterwegs war und wir telefonierten, dann wollte er immer zuerst wissen, wie es den Katzen geht.

 
Das Buch, das in der Anderen Bibliothek erschienen ist, ist auch ein sehr ansprechendes Objekt – mit Buchstaben am Buchrücken, die bei Dunkelheit leuchten, mit farbig schattiertem Druck. Wie sah im Zuge der Edition abgesehen von der Arbeit am Text die Produktion des materiellen Objekts Buch aus?

ANDREA GLAWOGGER: Es hat Michael sehr gefreut, dass das Buch in der Anderen Bibliothek erscheinen sollte. Und auch für mich verband sich mit dieser Edition ein Ruf des Besonderen und Bibliophilen. Als es aber konkret darum ging, wie das Buch ausschauen würde, war ich gottseidank nicht wirklich involviert. Michael hatte in grafischen Dingen einen sehr klaren, guten Geschmack und auch Ideen. Ich hingegen bin diesbezüglich total konservativ – Titel, Untertitel, Text, schwarze Schrift auf hellem Papier – und aus. Als mir der Verleger den Entwurf mit dem Farbverlauf am Kapitelbeginn und den Kapitelnummern mitten im Text schickte, war ich zunächst einmal völlig ratlos. Und auch da hat Eva Menasse mich gerettet. Sie fand den Entwurf selbst schon einmal ziemlich cool und hat ihn gleich einer befreundeten Expertin in Sachen Buchgrafik geschickt. Und als auch die ihr Plazet gab, konnte ich mich entspannen. Und jetzt freue ich mich sehr, wie gut es vielen Menschen gefällt. Denn ich selbst habe eine so intensive Zeit mit dem Manuskript verbracht, dass ich erst jetzt langsam anfange, überhaupt ein Buch zu sehen.

 
War es auch eine Arbeit, die Ihnen ermöglicht hat, eine intensive Verbindung zu Michael aufrecht zu erhalten?

ANDREA GLAWOGGER: Die Verbindung mit Michael ist sowieso ständig total präsent, aber dieses Buch war die schönste Arbeit meines Lebens. Ich hätte sie nur gerne mit mehr Ruhe gemacht und mehr Zeit und Raum dafür gehabt. Unlängst kam mir der Gedanke, Michael hätte bewusst sukzessive Dinge in mein Leben gestreut, die dafür sorgen, dass ich nicht durchdrehe, wenn er weg ist. Dinge, die mich so umzingeln, dass ich zwischen ihnen aufrecht gehen und stehen kann. Das ist auch ein Gefühl, das ich dem Buch gegenüber habe. Und auch, dass Michael irgendwann auf die Idee gekommen war, mit Eva ein Drehbuch zu schreiben, hat wiederum die Verbindung zu ihr geschlossen. Ohne diese Verbindung, die Michael auf diese Weise intensiviert hatte, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, sie um Hilfe zu bitten. Ohne diese Hilfe hätte ich es nie geschafft, und nun ist es, als wäre es schon so angelegt gewesen. Dass ursprünglich geplant war, es zusammen mit Michael selbst zu machen, ist wieder eine andere Sache. Hin und wieder stelle ich mir das vor und muss mich dann wieder am Riemen reißen. Und gemacht haben wir’s ja doch irgendwie gemeinsam.
 

Interview: Karin Schiefer
Mai 2015