INTERVIEW

«Es werden im Jahr 1500 Filme in Europa produziert...

«Es werden im Jahr 1500 Filme in Europa produziert und wir sind in einer Filmwelt, die sich in ihren Mechanismen dramatisch ändert. Darauf müssen wir sensibel reagieren und versuchen, das Beste für  den europäischen Film zu erreichen.» Ein Gespräch mit Martin Schweighofer, der im Mai 2015  zum Präsidenten der European Film Promotion (EFP) gewählt wurde.
 
 
Die EFP (European Film Promotion) besteht seit 1997. Worin bewährt sich dieser Zusammenschluss der nationalen Promotion-Agenturen?
 
MARTIN SCHWEIGHOFER: Österreich gehörte zu den zehn Gründungsländern von EFP, inzwischen ist die Organisation auf 36 Mitgliedsländer angewachsen.  Das einende Charakteristikum des europäischen Films ist ja paradoxerweise seine Diversität – in Sprachen, Zugängen, Produktionsbedingungen etc. Die Grundidee lag darin, Synergien zwischen  den Ländern zu finden und die gemeinsamen Interessen vornehmlich im Auftritt gegenüber allen übrigen Teilen dieser Welt gut sichtbar zu machen. Einige Initiativen – populäre Projekte wie Shooting Stars in Berlin oder Producers on the Move in Cannes – , laufen in Europa, die signifikanten Dinge finden außerhalb Europas statt.
 
 
Welche Initiativen gehören da dazu?
 
MARTIN SCHWEIGHOFER: Im Festivalprogramm von Busan laufen an die 60 europäische Filme, die dort nicht vertreten wären, gäbe es den Input von EFP nicht, am Markt richten wir einen Umbrella für Sales Agents ein, dasselbe tun wir in Hong Kong. In Toronto sind wir seit Bestehen der EFP präsent, da hatten wir ein speziell auf Regisseure zugeschnittenes Projekt, von dem wir wieder abgekommen sind, weil dort schwer zusätzliche Aufmerksamkeit zu gewinnen war. Gut funktioniert dort das Producers’ Lab, zu dem wir im letzten Jahr nicht nur kanadische, sondern auch australische und neuseeländische Produzenten eingeladen haben.  In den USA organisieren wir rund um den AFM Screenings für die Oscars, wo ein eigenes Kino angemietet wird und ein Publicist engagiert ist, dessen Arbeit auf die Oscar-Community zielt. Am AFM haben wir einen großen Umbrella, unter dem Produzenten, Verleiher, Weltvertriebe auftreten können. In New York organisieren wir Screenings für Filme, die keinen amerikanischen Verleiher haben, dabei erzielen wir eine ziemlich hohe Trefferquote. Seit einigen Jahren läuft ein Projekt in Moskau, wobei sich der russische Markt als ein unglaublich schwieriger erweist. Wir planen nun etwas in St. Petersburg mit speziellen Events und einem VOD Online-Festival.
 
 
Gibt es angesichts des tiefgreifenden Wandels im Filmbusiness Herausforderungen, die sich zur Zeit besonders aufdrängen?
 
MARTIN SCHWEIGHOFER: Festivals und Märkte sind nicht mehr zu trennen und da muss eine Kommunikation stattfinden, um die europäische Idee hochhalten zu können. Auf diesen Märkten gibt es Workshops, Gespräche mit Verleihern u.ä., um den dortigen Markt besser verstehen zu können. Es geht auch darum, dass wir unser Wissen, das wir uns aneignen, zirkulieren lassen. Darüberhinaus fragen wir uns nach neuen Märkten – Wollen wir nach China gehen? Ist Indien ein Platz? Wahrscheinlich noch nicht, auch wenn es dazu schon sehr viel Knowhow seitens mancher Mitglieder gibt. Konkret sondieren wir nun in Australien, auch eines jener Territorien, wo wir bisher noch nicht aktiv waren.  Die EFP wirkt im Hintergrund, aber wenn bei einem Meeting alle 36 Ländervertreter am Tisch sitzen, dann ist das eine sehr beeindruckende Runde mit einer entsprechenden Vielfalt an Ideen und Wissen.
 
 
Wo möchten Sie innerhalb des Netzwerks im Zuge Ihrer Präsidentschaft einen persönlichen Schwerpunkt setzen?
 
MARTIN SCHWEIGHOFER: Wir sind eine Art Think Tank. Menschen, die die Filmwelt ziemlich genau und gut beobachten. Es geht mir darum, dass sich EFP als eine Organisation mit sehr vielen verschiedenen Gesichtern und filmkulturellen Hintergründen zeigt. Diese Vielfalt müssen wir ständig ausstellen und dafür die geeigneten Plätze finden. Es werden im Jahr 1500 Filme in Europa produziert und wir sind in einer Filmwelt, die sich in ihren Mechanismen dramatisch ändert. Darauf müssen wir sensibel reagieren und versuchen, das Beste für  den europäischen Film zu erreichen. Es ist gewiss schwieriger geworden. Es gibt auf anderen Kontinenten keinen vergleichbaren Zusammenschluss. Wir können uns sagen, hier sitzen von Island bis Georgien Menschen an einem Tisch, die über ihre Eigeninteressen hinaus, darüber nachdenken, was in europäischer Sicht getan werden kann. Umgekehrt kann die Arbeit eines paneuropäischen Netzwerkes auch die eigene, nationale Arbeit sinnvoll ergänzen. Da unser Spektrum an Projekten groß ist, liegt eine Herausforderung darin, die jährlich stattfindenden Projekte zu hinterfragen, zu modifizieren oder auch neue zu kreieren wie z.B. Future Frames, ein Schulprojekt, das wir 2015 in Karlovy Vary präsentieren werden. Darüber hinaus würde es mir gefallen, wenn es mehr Research-Projekte gäbe.  Die Frage, wie vorhandenes Wissen besser und gezielter einsetzbar bzw. abrufbar gemacht werden kann, ist ein Thema, worauf ich mich freue, es mit den anderen zu diskutieren.  Die Herausforderungen der EFP unterscheiden sich nicht von denen der anderen Akteure in der Filmindustrie, nur steht aus unserer Perspektive der Netzwerk-Gedanke stärker im Vordergrund.
 
 
Interview: Karin Schiefer
Mai 2015