INTERVIEW

«Einen einmaligen Moment wie die Oscar-Zeit muss man auch auskosten.»

Ein Gespräch mit Patrick Vollrath, der im letzten Jahr mit seinem Kurzfilm Alles wird gut vom Max Ophüls Preis in Saarbrücken über Cannes und Studenten-Oscar bis zur Oscar-Nacht in Los Angeles keine Erfolgsetappe ausgelassen hat und dennoch im Sommer das Drehbuch seines ersten Langfilms vorlegen kann.
 
 
Wie erlebt man als Regisseur, der die Entstehung eines Films in allen Bereichen verfolgt und kontrolliert, jene Lebensphase des Films, die man nicht mehr unter Kontrolle hat. Umso mehr, wenn es mit einer Erfolgsserie Saarbrücken – Semaine de la Critique/Cannes – First Steps Award – Studenten Oscar – Oscar Nominierung gekoppelt ist.
 
PATRICK VOLLRATH: Wenn der Film erst einmal seine Weltpremiere gefeiert hat und draußen ist, dann beginnt er auf einmal seinen ganz eigenen Weg zu gehen, der auch sehr schwer kontrollierbar ist. Durch Festivaleinreichungen bleibt man an diesem Werdegang aber noch nahe dran und hofft eigentlich nur, dass ihn möglichst viele Menschen sehen. In Saarbrücken freuten wir uns sehr über den Max Ophüls-Preis und als dann Cannes kam, dachten wir „Was soll jetzt noch kommen?“ Dann kamen die Studenten Oscars und der First Steps Award. Jedes Mal, wenn ich die Teamleute anrief und wieder eine erfreuliche Nachricht verbreitete, war da das Gefühl, einen Zenit erreicht zu haben. In der Nachbetrachtung hat es sich für mich insofern gut entwickelt, als sich da eine Dynamik nach und nach gesteigert hat und ich mitwachsen konnte, was z.B. die Medienarbeit, die Interviews etc. betraf.
 
 
Welche wichtigen Erfahrungen haben Sie in diesem Jahr gemacht?
 
PATRICK VOLLRATH: Zunächst mal lernt man sehr stark den Umgang mit den Medien und mit der Publicity. Außerdem war es für mich sehr lehrreich, mir bewusst zu werden, dass ich eine Visitenkarte in der Hand hielt, die auch ein Ablaufdatum hatte. Man muss diesen Moment nutzen und darauf vorbereitet sein. Nach Saarbrücken war mir bewusst, dass ich für ein Jahr als Max-Ophüls-Preisträger gelten würde. Jetzt sind das schon wieder andere Filmemacher. Ich habe mich nach Saarbrücken sofort hingesetzt und am nächsten Projekt gearbeitet. Als dann die ersten Leute mit der Frage auf mich zukamen, was ich nun machen wollte, konnte ich zwei Sachen vorlegen. Es kam praktisch niemand auf mich zu, um zu fragen, ob ich an einem vorhandenen Stoff interessiert sei. Und zu glauben, mit einem Studenten-Oscar in der Tasche, kämen sie nun alle an und wollen mit einem arbeiten, ist sehr naiv. Wenn man auf darauf wartet, wird man sehr enttäuscht. Aber die Erfolge waren sehr hilfreich, um die Projekte, die ich unbedingt machen möchte, produktionstechnisch in eine gute Startposition zu bringen.
 
 
Was geriet durch den Studenten-Oscar in Bewegung?
 
PATRICK VOLLRATH: Die Nominierung zum Studenten-Oscar führte dazu, dass einige amerikanische Managements, die junge Regisseure vertreten, per Mail auf mich zukamen und den Film sehen wollten. Dann kommt entweder das Feedback „Passt nicht so ganz in unsere Linie“ oder „Toll, können wir uns nicht mal zusammensetzen“. Und ich habe erfreulicherweise ein paar Einladungen für einen ersten Austausch bekommen. Ich hab mich dann auch mal mit Stefan Ruzowitzky über seine Erfahrungen unterhalten und dann beschlossen, mit einem Management in den USA zusammenzuarbeiten. Die schicken einerseits meinen Film an zahlreiche Producer und Produktionsfirmen in den USA, andererseits bekam ich dann eine Reihe von Drehbüchern zugeschickt. Es ist klar, dass das jetzt nicht nur ich zum Lesen bekomme, aber immerhin gehört man für eine Weile zumindest zu den vielleicht 40 Leuten, die es lesen. Als Alles wird gut dann auch noch für den Oscar nominiert war – das ist nochmals ein anderer Stempel –, hat mir mein Management im Zeitraum vor den Oscars dann unheimlich viele Termine organisiert. Ich bekam quasi jeden Abend einen Zeitplan zugeschickt mit den Orten Uhrzeiten, wo ich am nächsten Tag erwartet wurde. Dann wurde mir vorab mitgeteilt, wen ich da genau treffen würde, was die so machen und wonach die vielleicht suchen, damit ich vorbereitet in die Gespräche gehen konnte. Ich musste sogar aus Zeitgründen viele absagen. Das ganze heißt aber nicht, dass man sofort mit neuen Projekten nach Hause kommt. Das ist ein langer Weg. Es hat aber, was Verbindungen betrifft, einiges gebracht.
 
 
Erlebnis Oscarverleihung. Welche Eindrücke nimmt man da mit?
 
PATRICK VOLLRATH: Es wirkt im Fernsehen alles ein bisschen magischer. Dennoch mitzuerleben, wer mit wem in den Werbepausen redet, diese Seat-Filler-Sache, die Pausen in denen man wirklich aus Zeitgründen zur Toilette sprinten muss – das war einfach spannend. Es gibt Nominierte, die im Vorfeld alle Medienberichte von sich fernhalten. Ich gehöre zu jenen, die alle Kritiken und Prognosen gelesen habe. Wir hatten sehr viele sehr gute Kritiken. In den sogenannten Predictions, die bei den Oscars im Vorfeld ja sehr beliebt sind, wo gerne unterschieden wurde zwischen „Will win“, „Should win“ und „Could win“ erschienen wir sehr oft in „Should win“, was mich natürlich sehr gefreut hat, wir waren aber selten in „Will win“. Es war irgendwie klar, dass Alles wird gut zu sehr ein schweres, europäisches Drama ist. Das Herz der Academy-Members treffen in der Regel leichtere Filme, selten die harten europäischen Dramen ohne Musik, ohne Hollywood-Ausleuchtung, ohne die klassische Kamera-Auflösung. Umso überraschender war für mich dann die Oscar-Karriere des Films. Das wir nicht als Sieger hervorgehen würden, damit hatte ich gerechnet. Letztendlich ist der Oscar ein Publikumspreis, da so viele Leute abstimmen. Ich glaube, hätte eine Jury entschieden, wären unsere Chancen etwas besser gewesen.
 
 
Wie schwierig ist es, in einer solchen Erfolgswelle abzuwägen, ob man sich nun um die Eigen-PR oder ums nächste konkrete eigene Projekt kümmert?
 
PATRICK VOLLRATH: In meinem Fall war das Jahr sehr gut getimt. Mit Cannes war klar, dass ich Ideen für Folgeprojekte konkretisieren musste. Ich konnte den Sommer sehr gut zum Schreiben nutzen und hatte zum Zeitpunkt der Studenten Oscars auch schon ein englisches Treatment. Ich hab auch im Winter wieder bis 12. Januar geschrieben. Als dann am 14. die Nominierung da war, ging gar nichts mehr. Da ich ja auch der Produzent von Alles wird gut bin, lag es sehr an mir, die Reise zu organisieren, das Geld dafür aufstellen etc. Man muss sehr fokussiert sein. Aber wenn man plötzlich in der Oscar-Vorbereitung steckt, dann braucht man auch kein schlechtes Gewissen zu haben, nicht zu schreiben. Man glaubt anfangs, dass man dann im Flugzeug vielleicht schreiben kann. Das ist natürlich Unsinn. Fürs Schreiben braucht es eine Ruhe und Konzentration. Man muss sich genau fragen, in welcher Phase man gerade ist und muss einen einmaligen Moment wie die Oscar-Zeit einfach auch auskosten. Jetzt, wo es vorbei ist, ist wieder die Zeit da, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.
 
 
Eine Besonderheit von Alles wird gut war der Umstand, dass Sie nicht nur für Buch und Regie verantwortlich waren, sondern auch für die Produktion. Das wird für die kommenden Projekte sicherlich nicht der Fall sein. Welche Art von Produzenten wünschen Sie sich?
 
PATRICK VOLLRATH: Ich arbeite für mein nächstes Projekt mit einer deutschen Produktionsfirma zusammen und in Österreich mit der Novotny-Filmproduktion. Bei beiden ist der Tenor der „Wir wollen dir helfen, deinen Film zu machen.“ Für dieses Projekt mit dem Titel 7500, habe ich bereits eine Stoffentwicklungsförderung vom ÖFI bekommen, bis zur Mitte des Jahres soll das Drehbuch stehen. Das ist realistisch.
 
 
Wird der neue Film vom Stil her sehr ähnlich und wird es wie in Alles wird gut wieder ein sehr offenes Drehbuch sein?
 
PATRICK VOLLRATH:  So offen war das gar nicht. Es gab nur keine Dialoge, die sind am Set entstanden. Aber die Struktur, der Aufbau und die Dramaturgie war sehr genau geschrieben. Aber zur Frage. Nein, mir wurde geraten für den Finanzierungsprozess eine konkrete Drehbucharbeit zu leisten, ehe ich mich dann wieder öffnen kann. Allein für die Förderungen und TV-Sender ist das wichtig. Wenn z.B. Ulrich Seidl ein offenes Drehkonzept vorlegt, ist das etwas anderes. Von mir kennt man nur einen Kurzfilm, da muss ich schon nach anderen Regeln spielen.
Es ist mir sehr wichtig, dass Sebastian Thaler wieder als Kameramann dabei ist, denn ich stelle mir wieder diesen bewegten Kamerastil vor, der nah an den Schauspielern ist unmittelbar auf sie reagieren kann.
 
 
Interview: Karin Schiefer
März 2016
 
«Es war sehr lehrreich, mir bewusst zu werden, dass ich eine Visitenkarte in der Hand hielt, die auch ein Ablaufdatum hatte.»