INTERVIEW

Ein Gespräch mit Maria Hofstätter, Berlinale Shooting Star 2003

 

Die Arbeit bei Hundstage mit Ulrich Seidl kam meiner Arbeitsweise sehr nahe: die lange und intensive Vorbereitung, die Beharrlichkeit, an Projekten festzuhalten, die einem am Herzen liegen. Ich hatte wirklich die Chance, dass mir die Rolle in Fleisch und Blut übergeht. Das habe ich in der Intensität noch nie erlebt. Es hat mir sicherlich viel abverlangt, aber das ist ja schließlich das Spannende, alles andere ist letzten Endes uninteressant. Ich finde es schade, dass man nicht öfter die Chance bekommt, intensiv an etwas zu arbeiten. Ein Gespräch mit Maria Hofstätter, die dieses Jahr für Österreich zur Shooting Star Präsentation 2003 im Rahmen der Berliner Filmfestspiele nominiert ist.

 

2002 war in Hinblick auf Kinofilme sicher das erfolgreichste Jahr für Sie?

MARIA HOFSTÄTTER:  Das auf jeden Fall, auch wenn man sagen muss, dass es keine sehr großen Rollen waren. Im Februar drehte ich Poppitz mit Harald Sicheritz, Wolfzeit mit Michael Haneke im Juni, dann Twinni mit Ulrike Schweiger und im Herbst noch Hurensohn mit Michael Sturminger.

 

Was kann man über die einzelnen Rollen sagen?

MARIA HOFSTÄTTER: In Poppitz spiele ich ein naive "All inclusive-Urlauberin". Wolfzeit handelt von Menschen auf der Flucht. Michael Haneke hat mich in Hundstage gesehen und wollte, dass ich bei seinem neuen Film Wolfzeit mitspiele Ich hatte nur eine sehr kleine Rolle, fand es aber spannend bei einer internationalen Produktion dabei zu sein und die Arbeitsweise von Haneke kennenzulernen. Michael Haneke arbeitet völlig anders als Ulrich Seidl und beide schätze ich sehr, auch wenn sie einen total konträren Zugang zu ihrer Arbeit haben. Bei Michael Haneke habe ich das Gefühl, dass ich sofort erfassen muss, welches Bild er im Kopf hat und das muss ich reproduzierbar erfüllen können. Ulrich Seidl geht ganz anders vor, er nimmt sich lange Zeit für die Vorbereitung, lässt einem dann aber alle Freiheit am Set und will, dass man viel von sich selber einbringt.

 

Twinni und Hurensohn sind zwei Spielfilmdebüts. Wie verlief im Gegensatz dazu die Arbeit bei den beiden Erstlingsfilmen?

MARIA HOFSTÄTTER:  Ich finde es reizvoll, im Kino wie am Theater mit neuen Leuten zu arbeiten. Wenn noch nichts vorgegeben ist und man sich ganz frisch auf etwas einlassen kann. Ich habe sowohl mit Ulrike Schweiger als auch mit Michael Sturminger gerne gedreht. In Twinnispielte ich eine Mutter mit zwei halbwüchsigen Töchtern, die nach einer Scheidung einen neuen Anfang machen muss, mit ihren pubertären Töchtern Probleme hat und sich sehr allein gelassen fühlt. Michael Sturminger besetzte mich für seinen Film als Prostituierte. Somit hatte ich sehr verschiedene Charaktere zu spielen. Und ich lege auch Wert darauf, nicht in eine Schublade gesteckt zu werden.

 

Kann man sagen Hundstage war ein Durchbruch?

MARIA HOFSTÄTTER:  Was Film und Fernsehen betrifft, ja. Mein Bekanntheitsgrad in dieser Branche ist einfach größer geworden. Ich wollte mich nie ins Filmgeschäft drängen, war bei keiner Agentur, machte keine Castings, verschickte keine Fotos oder Lebensläufe usw. Ich hatte das Glück Regisseure anders kennen zulernen. Begonnen hat alles über meine alten Kabarettfreundschaften. Irgendwann haben Kabarettisten begonnen Filme zu machen und da wurde ich eben eingeladen. Meine allerersten Drehtage hatte ich allerdings mit Ulrich Seidl, ein Portrait über Gerhard Haderer für den ORF.

 

Liegen Ihre schauspielerischen Wurzeln eher im Kabarett?

MARIA HOFSTÄTTER: Ich habe mit Kabarett schon 1983 in Linz begonnen und auch das zufällig. Nach der Matura übersiedelte ich nach Wien um Geschichte zu studieren, da ich Historikerin werden wollte. Kabarett machte ich nebenbei, ohne es ernsthaft zu verfolgen. So lernte ich Josef Hader, Alfred Dorfer, Roland Düringer usw. kennen. Irgendwann war Studium und Bühne nicht mehr vereinbar. Zur Entscheidung Bühne oder Historikerin kam noch, dass ich zwischen Kabarett und Theater wählen musste und ich entschied mich schließlich fürs Theater. Zum einen verließ ich mich lieber auf gute Theatertexte zum anderen wollte ich nicht ausschließlich in der Satire beheimatet sein, auch wenn sie mir sehr wichtig ist, und das Tragischkomische sicher mein Element ist. Seit 1988 mache ich hauptsächlich Theater.

 

Wo haben Sie da gespielt?

MARIA HOFSTÄTTER:  Fast ausschließlich in der freien Szene . Es ist mir wichtig in der freien Szene zu arbeiten und selber zu produzieren, weil mir die Freiheit, selber zu entscheiden was ich spiele, mit wem ich spiele und warum ich das mache, sehr viel bedeutet. Nur zu spielen, um auf der Bühne zu stehen ist mir zuwenig.

 

Gibt es eine fixe Truppe?

MARIA HOFSTÄTTER:  Lange Zeit nicht, aber in den letzten Jahren arbeite ich sehr intensiv mit dem Projekttheater Vorarlberg zusammen. Das bedeutet nicht nur proben und spielen, sondern auch so unangenehme Dinge wie abrechnen, Subventionen beantragen, Probenräume finden, Tourneen organisieren etc. Andererseits suchen wir uns selbst die Stücke, die Aufführungsorte, Regisseure und Kollegen aus, mit denen wir zusammen arbeiten wollen und das macht Spaß. Regie führen möchte ich allerdings nicht, ich arbeite aber gerne intensiv an der Rollengestaltung mit.

 

Was waren die wichtigsten Rollen?

MARIA HOFSTÄTTER:  Z.B. die Mariedl in Die Präsidentinnen von Werner Schwab. Für diese Produktion erhielten wir in Schaffhausen einen internationalen Theaterpreis. Eine weitere Produktion, mit der ich sehr viel auf Tournee bin, ist weiter leben - eine Jugend nach der Autobiographie von Ruth Klüger. In Krankenhäusern spielen wir Dossier: Ronald Akkerman, ein Stück von der Holländerin Suzanne van Lohuizen, wo es um Pflegebeziehung geht. Alle drei Stücke stehen für das, was mir wichtig ist.

 

Die Schauspielerei haben Sie also direkt auf der Bühne gelernt?

MARIA HOFSTÄTTER:  Ich habe keine Schauspielschule absolviert, auch keinen Sprechunterricht, ich hab einfach durch die Arbeit gelernt. Das hat sich für mich so ergeben, es hätte sicher nicht geschadet, eine Ausbildung zu machen. Durch meinen Quereinstieg habe ich mir vielleicht aber eine Blick von außen und eine gewisse Distanz zu meinem Beruf bewahren können.


Ihre schauspielerische Arbeit charakterisiert sich durch ein sehr hohes persönliches Engagement?

MARIA HOFSTÄTTER:  Indem ich im Theater auch organisatorisch involviert bin, finanziell mitverantwortlich bin,damit ein Risiko eingehe, bekommt die Arbeit eine stärkere Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit. Mit Produktionen, die mir viel Engagement abverlangt haben, kann ich mich nachher am stärksten identifizieren. Ein Punkt, der mich beim Film manchmal frappiert: nämlich die minimale Vorbereitungszeit für den Schauspieler. Manchmal muss man, wenn die Rolle klein ist, extra das Drehbuch anfordern, sonst bekommt man nur die zwei Seiten Text, man sagt seine drei Sätze und geht wieder und so sehen die Dinge dann auch aus. Ich finde, egal, wie klein die Rolle ist, benötigt es eine angemessene Auseinandersetzung mit der Figur. Wenn ich mit jemandem spielen soll, mit dem ich schon 15 Jahre verheiratet bin und ich sehe den Schauspieler am Set zum ersten Mal, kann das nicht stimmen, das muss an der Oberfläche bleiben. Andererseits gibt es Filme, wo eine Person nur ein einziges Mal vorkommt und sie bleibt mir im Gedächtnis. Das schüttelt man aber nicht aus dem Ärmel, da muss etwas passiert sein vorher.´

 

Wie war die Zusammenarbeit mit Ulrich Seidl?

MARIA HOFSTÄTTER: Für mich kommt Ulrich Seidl sehr nahe an meine Theaterarbeit heran: die lange und intensive Vorbereitung, die Beharrlichkeit an Projekten festzuhalten, die einem am Herzen liegen. Nicht nur schnell hingehen, irgendwas runtersagen und wieder heimgehen. Die Arbeit für Hundstage hat ganz meiner Arbeitsauffassung entsprochen.

 

Wie entstand die Rolle der Anna, war sie bereits ausgeschrieben?

MARIA HOFSTÄTTER:  Nein, es gab kein geschriebenes Dialogbuch. Ulrich Seidl und die Co-Autorin Veronika Franz hatten klare Vorstellungen welche Geschichte und Funktion diese Figur im Film hat. Die Autostopp-Leidenschaft, die Top Ten-Listen z.B. waren als Idee von vornherein da. Annas Art zu sprechen, ihr Benehmen haben wir gemeinsam erarbeitet und haben uns dafür auch Zeit gelassen. Seidl war es wichtig, dass ich als Anna ganz aus dem Bauch heraus agiere und da ist der eigene Dialekt einfach am nächsten und ehrlichsten. Wir haben zwar eine eigene Sprechweise gefunden, aber der Dialekt sollte meiner sein. Ich hatte wirklich die Chance, dass mir die Rolle in "Fleisch und Blut" übergeht. Das habe ich in der Intensität vorher noch nie erlebt. Während der vier Monate Drehzeit, war ich immer stand by, wann immer ich gebraucht wurde, war ich da und machte beruflich nichts anderes in dieser Zeit. Ich wollte mich ganz auf diese Arbeit konzentrieren. Es hat mir sicherlich viel abverlangt, aber das ist ja schließlich das Spannende, alles andere ist letzten Endes uninteressant. Ich finde es schade, dass man nicht öfter die Chance bekommt, intensiv an etwas zu arbeiten. Das ist wirklich nicht selbstverständlich. Ich würde mir mehr solcher Filme wünschen, ansonsten ist mir Theater lieber.

 

Welche Rolle bekommt da die Einladung zum Shooting Star Event in Berlin?

MARIA HOFSTÄTTER:  Ich bin jetzt einmal ganz naiv neugierig, freue mich über die Einladung und schau was dort passiert. Ich selbst würde mich ja selber nicht als Shooting Star bezeichnen, ich versuche mich einfach über meine Arbeit zu definieren. Ich hoffe, die Einladung bietet die Gelegenheit gute Filme zu sehen, Kollegen kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen, die interessante Projekte eröffnen. Ich lasse das auf mich zukommen. Wenn sich etwas ergibt, freue ich mich, ich bin aber in keiner Weise enttäuscht, wenn es nicht der Fall ist.

 

Gibt es Träume und Ziele in der kreativen Arbeit?

MARIA HOFSTÄTTER:  Selbstverständlich! Ein Wunsch und Ziel ist sicher, immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert zu werden, eigene Grenzen auszuloten zu dürfen.

 

Das heißt aber auch eher Theater als Film?

MARIA HOFSTÄTTER:  Möglicherweise schon. Das hängt ganz von den Filmangeboten ab. Ich möchte mich weder in eine Richtung festlegen noch auf einen Regisseur fixieren. Es hat vieles nebeneinander Platz, aber es muss eine gewisse Qualität haben. Am besten gutes Theater und gute Filme!

 

Was wird Ihre nächste Filmrolle sein?

MARIA HOFSTÄTTER:  Jessica Hausner möchte heuer ihren nächsten Spielfilm drehen und hat mich eingeladen mitzuarbeiten. Ich hoffe, sie bekommt das Projekt wirklich finanziert. Ich wünsche es ihr und mir.

 

Interview: Karin Schiefer (2003)