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Ulrike Schweiger über TWINNI

 

Anfang der Achtziger waren die Skateboards schmal, die Telefone der Post orange, die Fantaflaschen braun und gerillt und die Fönfrisuren nach innen gerollt. Am Land hatte die Kirche am Sonntag noch etwas zu sagen und die Dorffurien den Überblick, was auf ihrem Territorium geschah. In der Stadt hingegen begann sich langsam der neue Egoismus durchzusetzen: Jana, Protagonistin in Ulrike Schweigers erstem Langfilm Twinni, ist dreizehn, als ihr Vater aus dem Familienleben verschwindet, und sie mit ihrer Mutter und der älteren Schwester von Wien aufs Land zur Großmutter ziehen muss. Dort ist sie allein. Freunde gilt es erst zu finden. Die Mutter ist mit der eigenen Lebenssituation überfordert, die Oma versteht überhaupt nichts.

 

"Es war mir ein Anliegen", so Ulrike Schweiger, "ein kleines Einzelschicksal zu erzählen, das berührt, wo man einerseits spürt, was dieser Bruch für das Mädchen bedeutet und wie sie ihn andererseits mit ihrer jugendlichen Leichtigkeit trotzdem in den Griff bekommt."

Für soziale Kontakte gibt es während dieses Sommers des Erwachens nur zwei Möglichkeiten - die Kirche und das Schwimmbad. Jana, offensichtlich mit katholischen Dingen in ihrem Leben noch nie in Berührung gekommen, entdeckt in der Kirche mit ihrem Kostümen, Ritualen und Kulissen eine amüsante theatralische Welt, die sie umso mehr interessiert, als es mit dem Pfarrer jemanden gibt, der ihr ein wenig Mitgefühl und Aufmerksamkeit schenkt und auch ihre Phantasie beflügelt. "Unsere Hauptfigur", erinnert sich Ulrike Schweiger," entstand aus einem Brainstorming darüber, was sich gegenüber unserer Jugendzeit und in der Stellung der Mädchen verändert hat. Zunächst war da ein Mädchen, das Ministrantin werden wollte, das war 1980 noch nicht möglich. Heute ist das kein Thema mehr genauso, wie die Trennung der Eltern heute ein Mädchen wie Jana nicht mehr zur Außenseiterin macht. Ich denke, der Film zeigt schon, dass sich sehr viel in diesen zwanzig Jahren verändert hat". Nach ihrem mehrfach ausgezeichneten Kurzfilm Missbrauch wird bestraft, ist Twinni nun der erste Langspielfilm von Ulrike Schweiger.

 

Die humorvolle Distanziertheit, mit der die Regisseurin an den emotionalen und kulturellen Schock, den Jana in einer ohnehin heiklen Phase des Daseins erlebt, herangeht, lässt an den Witz und die Atmosphäre kleiner englischer Komödien denken. Den Realismus der bis ins kleinste Detail rekonstruierten Zeitreise ins Jahr 1980 durchbricht sie immer wieder durch ironische Traum- oder Phantasiesequenzen und schafft damit eine eigenwillige stilistische Mischung, die von einer mit eindrucksvoller Sorgfalt gecasteten Bande von Kids authentisch und mit leichtem Herzen getragen wird. (ks)