INTERVIEW

Roland Teichmann, Direktor des ÖFI, im Gespräch (2004)

 

«Das ÖFI ist eine Erfolgsgeschichte, ohne ÖFI gäbe es keinen österreichischen Film. Dieses Erfolgsrad muss man nicht neu erfinden. » Roland Teichmann, ab Mai 2004 neuer Direktor des ÖFI, im Gespräch.

 

In einer ersten Aussendung nach Ihrer Bestellung wurden Sie als " hoffnungsvoller Quereinsteiger" bezeichnet. Wie lässt sich der Begriff Quereinsteiger verstehen?

ROLAND TEICHMANN: Quereinsteiger ist eine griffige Formulierung, die man wählt, wenn man nicht weiß, wie man jemanden zuordnen soll. Für mich war auch schon vor meinem Studium klar, dass ich im Kunst- und Kulturbereich arbeiten wollte. Ich begann Geschichte, Politikwissenschaft und Ethnologie zu studieren, wechselte aber nach dem ersten Abschnitt zu Jus, auch mit dem Hintergedanken, damit ohne Diplomatische Akademie im Außenministerium das Präalabel machen zu können, weil mir die Tätigkeit an einem Kulturinstitut vorschwebte. Aus diesem Plan wurde schließlich nichts und ich bewarb mich zu einer Zeit, wo es mit Stellen im öffentlichen Bereich schwierig wurde, bei mehreren international tätigen Organisationen in Wien. Dass ich in der Wirtschaftskammer meinen ersten Job bekam, war Zufall, der mich zunächst nicht so glücklich machte, da er in der Fahrzeugindustrie war. Ich genoss aber den Freiraum, den mir die Kammer bot und hielt meine Augen offen, wo sich etwas auftun könnte, das mehr meinen Neigungen entsprach. Und es ergab sich nach relativ kurzer Zeit die Situation, dass die Geschäftsführung im Bereich Audiovisions- und Filmindustrie neu besetzt wurde.

 

Welche Themen konnten Sie in diesem einen Jahr als Geschäftsführer im Fachverband bearbeiten?

ROLAND TEICHMANN:  Es ging um die Umstrukturierung des Verbandes, darum, ihn aktiver in allen Bereichen zu gestalten und bei den Partnerorganisationen präsent zu sein. Hier die Kontakte zu erneuern und zu intensivieren und die Themen, die die Filmwirtschaft betreffen, ständig am Kochen zu halten, ist allein ein Fulltime-Job. Dazu kommt, dass auch die Musik in die Agenden des Fachverbandes fallen. Großes Thema ist in beiden Bereichen ist die Piraterie, wir haben über ein Jahr lang mit minimalen Mitteln eine Imagekampagne zum Schutz des geistigen Eigentums kreiert. Für den Film, werden, so hoffe ich, demnächst die ersten Kinospots laufen. Die Urheberrechtsdebatte war natürlich ein großes Thema, diese Debatte ist auch noch nicht zu Ende geführt.

 

Gibt es Themen, die Sie ins ÖFI mitnehmen?

ROLAND TEICHMANN:  Das ÖFI soll ja kein Bankomat sein, wo der Filmproduzent die Karte hineinsteckt und hofft, er bekommt Geld für seine Produktion. Es soll ein Kompetenzzentrum und Anlaufstelle für die gesamten Rahmenbedingungen des Filmschaffens sein. Dazu gehört auch ein entsprechender rechtlicher Rahmen, gerade im Steuerbereich. Die Steuergesetzgebung als eines der zentralen Themen im Fachverband, werde ich z.B. ins ÖFI mitnehmen. Generell gilt es, produktionsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um möglichst viele Koproduktionen zu ermöglichen, möglichst viel ausländisches Kapital nach Österreich zu holen und den Standort attraktiv zu machen. Fast jedes Land in Europa hat ein Steuermodell, um Film für private Investoren interessant zu machen, in Österreich gibt es das nicht. Das ist ein europäischer Trend, den wir hoffentlich nicht verschlafen werden.

 

Welches Erbe übernehmen Sie im ÖFI?

ROLAND TEICHMANN: Ein sehr, sehr gutes. Das ÖFI ist eine Erfolgsgeschichte, ohne ÖFI gäbe es keinen österreichischen Film. Dieses Erfolgsrad muss man nicht neu erfinden. Das einzige, was man tun muss, ist, die einzelnen Rädchen, sehr subtil nachzujustieren. Schauen, wo haben sich in welche Richtung Schwerpunkte verlagert, wo kann man so nachjustieren, dass sich die anderen Rädchen, die sich dabei mitbewegen, nicht in die andere Richtung drehen. Es wird ein subtiles, geschmeidiges Adaptieren sein, aber keine Revolution. Die vorhandenen Strukturen sind sehr gut, die kann man natürlich ausbauen, ohne sie aufzublähen und sie sollen möglichst unbürokratisch und sehr dienstleistungsorientiert sein.

 

Wie sehen Sie das Potenzial des aktuellen österreichischen Filmschaffens?

ROLAND TEICHMANN: Für ein kleines Filmland ist der qualitative Output enorm und es genießt international zurecht einen sehr guten Ruf. Ich bin immer wieder fasziniert zu sehen, welche Erfolge österreichische Filme bei den Festivals haben, wenngleich man nicht vergessen darf, dass diese künstlerischen Erfolge, so großartig sie sind, noch keine echten Markterfolge sind. Festivals sind das Tor zum Markt, aber nicht der Markt selbst. Das wäre vielleicht der nächste Schritt, an dem man verstärkt arbeiten muss. Ich selbst habe den Eindruck, hier steckt ein großes kreatives Potenzial und es gibt so viele junge Filmemacherinnen. Ich denke an Ruth Mader, Barbara Albert, Jessica Hausner, Andrea Dusl, Ulrike Schweiger. Momentan sieht es so aus, dass die Zukunft des österreichischen Films jung und weiblich ist. Das finde ich toll. Es gibt eine Begeisterung für den Film und ich spüre trotz aller Hürden eine Aufbruchstimmung, die man gar nicht genug unterstützen kann. Und natürlich ist es nicht selbstverständlich, dass Österreich mit Michael Haneke einen europäischen Regiestar hat. Die Klavierspielerin hat gezeigt, dass es auch für einen österreichischen Regisseur oder österreichischen Produzenten möglich ist, einen anspruchsvollen Film, kommerziell erfolgreich zu machen.

 

Wo liegen die Bereich, wo das Nachadjustieren beginnen sollte?

ROLAND TEICHMANN:  Die zwei Bereiche, wo man an den Rädchen drehen sollte, sind das Danach und das Davor, die Produktion als solche funktioniert ganz gut. Als Problem ist es sehr einfach zu identifizieren - der Vertrieb funktioniert weder europa- noch weltweit, die Lösung dafür liegt nicht in der Schublade. Leider ist das eine sehr komplizierte, projektabhängige Sache, auf die es keine einfache Antwort gibt. Darüber müssen wir nachdenken. Mit "Davor" meine ich, dass es ganz wichtig, den Nachwuchs zu unterstützen. Es gibt sehr viele Ansätze, ich denke an Werkstattprojekte mit der Filmakademie, die angehenden RegisseurInnen/ProduzentInnen die Möglichkeit bieten, mit erfahrenen Produzenten zusammenzuarbeiten, um Realitätsluft zu schnuppern, ohne dass dabei das kreative Potenzial unterdrückt wird. Ein wichtiger Partner im Nachwuchsbereich wäre der ORF, dort gibt es auch schon erste Ansätze, man könnte nur, glaube ich, durchaus mehr Mut zu Experimenten haben und über die Fernsehschiene den Nachwuchs besser in Szene setzen. Es muss ja ein erster Film nicht unbedingt ein Kinofilm sein.

 

Wie wird Ihre Strategie gegenüber dem ORF als wichtigstem Auftraggeber der Branche sein?

ROLAND TEICHMANN: Der ORF ist natürlich der wichtigste Partner der österreichischen Filmwirtschaft und diese Partnerschaft gehört von beiden Seiten gepflegt. Es ist relativ leicht nachweisbar, dass österreichische Filme im österreichischen Fernsehen Quotenbringer sind und damit Werbeeinnahmen bedeuten. Abgesehen vom Programmauftrag sprechen also auch wirtschaftliche Überlegungen dafür, den österreichischen Film verstärkt ins Programm des ORF einzubauen. Es ist ein dickes Brett, in das man da hineinbohren muss und zwar permanent und ohne nachzulassen. Es wird sehr wichtig sein, den persönlichen Kontakt zu suchen und im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens zu schauen, dass der ORF den Teil erfüllt, der von ihm erwartet wird, nämlich ausreichend Produktionen in einem möglichst breiten Spektrum mitzufinanzieren.

 

Durch die Zusammenarbeit mit Gerhard Schedl in den nächsten zwei Jahren ist grundsätzlich das Signal auf Kontinuität gesetzt.

ROLAND TEICHMANN: Das war auch der Sinn dahinter, sein Know-how nicht zu verlieren und dennoch keinen Schattendirektor zu haben. Es soll klar sein, dass es ab Mai einen neuen Direktor gibt. Gerhard Schedl wird sein Know-how dem ÖFI in einem Dienstleistungsbereich zur Verfügung stellen, d.h. das Projekt-Controlling wird den Hauptteil seiner Tätigkeit ausmachen, Und vielleicht kann man über diesen Controlling-Bereich, der im Grunde bei allen Förderern gleich sein müsste, auch schon erste Synergien mit der RTR und dem Fernsehfilmförderungsfonds herstellen.

 

Wie sehen die konkreten Ziele für die kommenden fünf Jahre aus?

ROLAND TEICHMANN:  Ich versuche, alles Schritt für Schritt zu machen. Der nächste Schritt wird die Novelle des Filmförderungsgesetzes sein. Es gilt, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der den EU-rechtlichen Vorgaben entspricht und den Anforderungen der Branche entgegen kommt. Das FFG zielt darauf ab, die Struktur des ÖFI zu diesem Kompetenzzentrum zu verdichten. In diesem Sinne habe ich keine Vision, klar wäre es schön, wenn der österreichische Film künstlerisch und kommerziell erfolgreich wäre. Die Visionen sollten die Produzenten und die Filmemacher haben, das ÖFI ist dazu da, diese möglichst unbürokratisch zu ermöglichen. Ich hoffe sehr, dass innovative und interessante Projekte in Zukunft kommen werden. Spannende und mutige Filme müssen möglich sein, ebenso haben rein kommerziell ausgerichtete Produktionen ihre Berechtigung. Es soll ein buntes Spektrum geben. Diese Vielfalt wird natürlich von der Auswahlkommission abhängen, die so zusammengesetzt sein muss, dass diese Vielfalt auch tatsächlich möglich ist. Ich möchte auch im Unterschied zu vorher, in der Auswahlkommission eine Stimme haben, weil ich meine Verantwortlichkeit für das ÖFI auch in einer Entscheidung, die ich mitzutragen habe, dokumentiert wissen will. Es ist mir auch wichtig, das Kuratorium so besetzen, dass sich das gesamte Spektrum der Filmschaffenden widerspiegelt, da es ja als Aufsichtsrat des ÖFI eine wichtige Funktion hat. Das sind jetzt Vorstellungen und Pläne, die man ins FFG und in die Richtlinien gießen muss.

 

Wie wird das neue FFG auf den Konflikt mit den EU-Wettbewerbsrichtlinien reagieren?

ROLAND TEICHMANN:  Die Europäische Kommission ist natürlich immer mit Argusaugen darauf bedacht, nationale und regionale Filmförderungssysteme zu kontrollieren, ob sie in irgendeiner Form den freien Wettbewerb einschränken. Filmförderung als Teil der Kulturförderung ist da immer ausgenommen, trotzdem sind die Wettbewerbshüter sehr streng. Da ist es die Aufgabe nicht nur von Österreich, die besondere Situation der nationalen Filmförderung aufrecht zu erhalten. Film ist ein Wirtschaftsmarkt, den man nicht liberalisieren kann, sonst würde er nicht mehr funktionieren. Da muss man aufpassen, dass die Kommission nicht übers Ziel schießt. Es gab erst im Jänner ein Hearing der Kommission, wo die einzelnen Mitgliedsländer unisono die Botschaft ausgesendet haben, nichts an den derzeitigen Möglichkeiten zu ändern. Es gibt keine europäische Wettbewerbsverzerrung. Das Problem ist kein innereuropäisches, sondern durch die amerikanische Übermacht in Produktion und Vertrieb bedingt. Das kann man mit EU-Wettbewerbsregeln nicht beheben, im Gegenteil. Momentan sieht es nicht so aus, dass strengere Regeln beabsichtigt wären, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Außerdem muss Österreich ja nicht immer Musterschüler sein, wenn es um die Umsetzung von EU-Vorgaben geht. Man kann durchaus mal einen eigenständigeren Weg gehen. Möglicherweise kommt es zu einem Vertragsverletzungsverfahren, dann ändert man es halt. Man muss nicht immer gleich die Dinge antizipieren und vielleicht noch strenger umsetzen. Das übersteigt aber die Kompetenzen des ÖFI.

 

Zum Zeitpunkt ihres Amtsantritts werden sich auch die EU-Grenzen zu unseren östlichen Nachbarländern öffnen?

ROLAND TEICHMANN:  Das wird sicherlich einer der Schwerpunkte des ÖFI sein, hier eine Vernetzung mit den einzelnen Filminstituten und, sofern vorhanden, den Förderinstitutionen der Beitrittsländer herzustellen, die Leute kennen zu lernen, sich die dortigen Filmförderungen anschauen, inwiefern sie mit unserer kompatibel sind. Allein das zu analysieren und die Personen zusammenzubringen, ist eine große Aufgabe. Gleichzeitig darf kein Fördertourismus einsetzen, dass jeder nur nach Österreich kommt, sich das Geld abholt und in Tschechien dreht. Eine gewisse Wertschöpfung muss natürlich im Land bleiben. Es darf kein Selbstbedienungsladen für Billigproduktionsländer entstehen.

 

Neben der verstärkten Arbeit nach außen gibt es sicherlich auch Vorstellungen von der Vernetzung und Kommunikation nach innen?

ROLAND TEICHMANN:  Öffentlichkeitsarbeit im weitesten Sinn sowohl für das ÖFI als auch für den österreichischen Film wird ein wichtiger Punkt werden. Mein Eindruck ist, dass der Film als gesellschaftspolitisches Thema in der Öffentlichkeit noch nicht wichtig genommen wird. Solange das nicht der Fall ist, ist er auch politisch nicht interessant und so lange haben wir es schwer, für den Film zu lobbyieren. Das Bild in der Öffentlichkeit würde ich nicht unterschätzen. Die Diskussion um die Diagonale z.B. ist ein Anlass zu sagen, dass ich es grundsätzlich gut finde, dass sich die Filmschaffenden nicht alles gefallen lassen und reagieren. Man sollte aber vermeiden, dass die Filmschaffenden als zerstrittener Haufen in den Medien präsentiert werden. Konflikte intern auszutragen, offene Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten sein würde ich für zielführender halten. Es wäre mir auch wichtig, das Filmhaus zu beleben, weil ich den Eindruck habe, da passiert mit Dachverband, AFC, ÖFI und Filmfonds Wien sehr viel parallel. Vielleicht lässt sich hier ein verstärktes Wir-Gefühl erwirken, und zwar ohne verpflichtende, stammtischartige Treffen, sondern indem man regelmäßig miteinander kommuniziert und die Probleme, die sich aus dem täglichen Geschäft ergeben, informell diskutiert. Kommunikation nach innen und nach außen ist ganz wichtig und ich glaube, hier gibt es noch Handlungsbedarf. Vielleicht kann man da eine Initialzündung setzen, um das Filmhaus ein bisschen mehr zu dem zu machen, für das es für mich zumindest symbolisch steht.


Wenn sie selber ins Kino gehen, was schauen Sie sich an?

ROLAND TEICHMANN:  Erstens gehe ich wirklich gerne ins Kino, am liebsten in kleine Programmkinos, weil ich die Atmosphäre dort sehr mag. Hollywood-Mainstream schaue in mir allenfalls an, um es gesehen zu haben und mitreden zu können. Im Grunde ist es der Autorenfilm, der mich interessiert sehr interessant finde ich auch den Dokumentarfilm, hier kann man wiederum Österreichs Dokumentarfilmszene nicht genug betonen.

 

Gibt es für Sie ein Highlight aus dem jüngsten österreichischen Film?

ROLAND TEICHMANN:  Das ist so eine schwierige Sache mit den Lieblingsfilmen der letzte Film, der mich sehr beeindruckt hat, war Böse Zellen. Der Film ist sehr berührend, wenn man sich darauf einlässt, was nicht ganz einfach ist, weil er sehr viel von einem verlangt und sehr komplex ist. Es hat mich beeindruckt, dass Barbara Albert nach relativ kurzer Zeit so eine Handschrift entwickelt und einen dichten Film gemacht hat, der wirklich unter die Haut geht.

 

Interview: Karin Schiefer
2004

 

AFN: Gibt es Themen, die Sie ins ÖFI mitnehmen?

 

Roland Teichmann: Das ÖFI soll ja kein Bankomat sein, wo der Filmproduzent die Karte hineinsteckt und hofft, er bekommt Geld für seine Produktion. Es soll ein Kompetenzzentrum und Anlaufstelle für die gesamten Rahmenbedingungen des Filmschaffens sein. Dazu gehört auch ein entsprechender rechtlicher Rahmen, gerade im Steuerbereich. Die Steuergesetzgebung als eines der zentralen Themen im Fachverband, werde ich z.B. ins ÖFI mitnehmen. Generell gilt es, produktionsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um möglichst viele Koproduktionen zu ermöglichen, möglichst viel ausländisches Kapital nach Österreich zu holen und den Standort attraktiv zu machen. Fast jedes Land in Europa hat ein Steuermodell, um Film für private Investoren interessant zu machen, in Österreich gibt es das nicht. Das ist ein europäischer Trend, den wir hoffentlich nicht verschlafen werden.

 

AFN: Welches Erbe übernehmen Sie im ÖFI?

 

Roland Teichmann: Ein sehr, sehr gutes. Das ÖFI ist eine Erfolgsgeschichte, ohne ÖFI gäbe es keinen österreichischen Film. Dieses Erfolgsrad muss man nicht neu erfinden. Das einzige, was man tun muss, ist, die einzelnen Rädchen, sehr subtil nachzujustieren. Schauen, wo haben sich in welche Richtung Schwerpunkte verlagert, wo kann man so nachjustieren, dass sich die anderen Rädchen, die sich dabei mitbewegen, nicht in die andere Richtung drehen. Es wird ein subtiles, geschmeidiges Adaptieren sein, aber keine Revolution. Die vorhandenen Strukturen sind sehr gut, die kann man natürlich ausbauen, ohne sie aufzublähen und sie sollen möglichst unbürokratisch und sehr dienstleistungsorientiert sein.

 

AFN: Wie sehen Sie das Potenzial des aktuellen österreichischen Filmschaffens?

 

Roland Teichmann: Für ein kleines Filmland ist der qualitative Output enorm und es genießt international zurecht einen sehr guten Ruf. Ich bin immer wieder fasziniert zu sehen, welche Erfolge österreichische Filme bei den Festivals haben, wenngleich man nicht vergessen darf, dass diese künstlerischen Erfolge, so großartig sie sind, noch keine echten Markterfolge sind. Festivals sind das Tor zum Markt, aber nicht der Markt selbst. Das wäre vielleicht der nächste Schritt, an dem man verstärkt arbeiten muss. Ich selbst habe den Eindruck, hier steckt ein großes kreatives Potenzial und es gibt so viele junge Filmemacherinnen. Ich denke an Ruth Mader, Barbara Albert, Jessica Hausner, Andrea Dusl, Ulrike Schweiger. Momentan sieht es so aus, dass die Zukunft des österreichischen Films jung und weiblich ist. Das finde ich toll. Es gibt eine Begeisterung für den Film und ich spüre trotz aller Hürden eine Aufbruchstimmung, die man gar nicht genug unterstützen kann. Und natürlich ist es nicht selbstverständlich, dass Österreich mit Michael Haneke einen europäischen Regiestar hat. Die Klavierspielerin hat gezeigt, dass es auch für einen österreichischen Regisseur oder österreichischen Produzenten möglich ist, einen anspruchsvollen Film, kommerziell erfolgreich zu machen.

 

AFN: Wo liegen die Bereich, wo das Nachadjustieren beginnen sollte?

 

Roland Teichmann: Die zwei Bereiche, wo man an den Rädchen drehen sollte, sind das Danach und das Davor, die Produktion als solche funktioniert ganz gut. Als Problem ist es sehr einfach zu identifizieren - der Vertrieb funktioniert weder europa- noch weltweit, die Lösung dafür liegt nicht in der Schublade. Leider ist das eine sehr komplizierte, projektabhängige Sache, auf die es keine einfache Antwort gibt. Darüber müssen wir nachdenken. Mit "Davor" meine ich, dass es ganz wichtig, den Nachwuchs zu unterstützen. Es gibt sehr viele Ansätze, ich denke an Werkstattprojekte mit der Filmakademie, die angehenden RegisseurInnen/ProduzentInnen die Möglichkeit bieten, mit erfahrenen Produzenten zusammenzuarbeiten, um Realitätsluft zu schnuppern, ohne dass dabei das kreative Potenzial unterdrückt wird. Ein wichtiger Partner im Nachwuchsbereich wäre der ORF, dort gibt es auch schon erste Ansätze, man könnte nur, glaube ich, durchaus mehr Mut zu Experimenten haben und über die Fernsehschiene den Nachwuchs besser in Szene setzen. Es muss ja ein erster Film nicht unbedingt ein Kinofilm sein.

 

AFN: Wie wird Ihre Strategie gegenüber dem ORF als wichtigstem Auftraggeber der Branche sein?

 

Roland Teichmann: Der ORF ist natürlich der wichtigste Partner der österreichischen Filmwirtschaft und diese Partnerschaft gehört von beiden Seiten gepflegt. Es ist relativ leicht nachweisbar, dass österreichische Filme im österreichischen Fernsehen Quotenbringer sind und damit Werbeeinnahmen bedeuten. Abgesehen vom Programmauftrag sprechen also auch wirtschaftliche Überlegungen dafür, den österreichischen Film verstärkt ins Programm des ORF einzubauen. Es ist ein dickes Brett, in das man da hineinbohren muss und zwar permanent und ohne nachzulassen. Es wird sehr wichtig sein, den persönlichen Kontakt zu suchen und im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens zu schauen, dass der ORF den Teil erfüllt, der von ihm erwartet wird, nämlich ausreichend Produktionen in einem möglichst breiten Spektrum mitzufinanzieren.

 

AFN: Durch die Zusammenarbeit mit Gerhard Schedl in den nächsten zwei Jahren ist grundsätzlich das Signal auf Kontinuität gesetzt.

 

Roland Teichmann: Das war auch der Sinn dahinter, sein Know-how nicht zu verlieren und dennoch keinen Schattendirektor zu haben. Es soll klar sein, dass es ab Mai einen neuen Direktor gibt. Gerhard Schedl wird sein Know-how dem ÖFI in einem Dienstleistungsbereich zur Verfügung stellen, d.h. das Projekt-Controlling wird den Hauptteil seiner Tätigkeit ausmachen, Und vielleicht kann man über diesen Controlling-Bereich, der im Grunde bei allen Förderern gleich sein müsste, auch schon erste Synergien mit der RTR und dem Fernsehfilmförderungsfonds herstellen.

 

AFN: Wie sehen die konkreten Ziele für die kommenden fünf Jahre aus?

 

Roland Teichmann: Ich versuche, alles Schritt für Schritt zu machen. Der nächste Schritt wird die Novelle des Filmförderungsgesetzes sein. Es gilt, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der den EU-rechtlichen Vorgaben entspricht und den Anforderungen der Branche entgegen kommt. Das FFG zielt darauf ab, die Struktur des ÖFI zu diesem Kompetenzzentrum zu verdichten. In diesem Sinne habe ich keine Vision, klar wäre es schön, wenn der österreichische Film künstlerisch und kommerziell erfolgreich wäre. Die Visionen sollten die Produzenten und die Filmemacher haben, das ÖFI ist dazu da, diese möglichst unbürokratisch zu ermöglichen. Ich hoffe sehr, dass innovative und interessante Projekte in Zukunft kommen werden. Spannende und mutige Filme müssen möglich sein, ebenso haben rein kommerziell ausgerichtete Produktionen ihre Berechtigung. Es soll ein buntes Spektrum geben. Diese Vielfalt wird natürlich von der Auswahlkommission abhängen, die so zusammengesetzt sein muss, dass diese Vielfalt auch tatsächlich möglich ist. Ich möchte auch im Unterschied zu vorher, in der Auswahlkommission eine Stimme haben, weil ich meine Verantwortlichkeit für das ÖFI auch in einer Entscheidung, die ich mitzutragen habe, dokumentiert wissen will. Es ist mir auch wichtig, das Kuratorium so besetzen, dass sich das gesamte Spektrum der Filmschaffenden widerspiegelt, da es ja als Aufsichtsrat des ÖFI eine wichtige Funktion hat. Das sind jetzt Vorstellungen und Pläne, die man ins FFG und in die Richtlinien gießen muss.

 

AFN: Wie wird das neue FFG auf den Konflikt mit den EU-Wettbewerbsrichtlinien reagieren?

 

Roland Teichmann: Die Europäische Kommission ist natürlich immer mit Argusaugen darauf bedacht, nationale und regionale Filmförderungssysteme zu kontrollieren, ob sie in irgendeiner Form den freien Wettbewerb einschränken. Filmförderung als Teil der Kulturförderung ist da immer ausgenommen, trotzdem sind die Wettbewerbshüter sehr streng. Da ist es die Aufgabe nicht nur von Österreich, die besondere Situation der nationalen Filmförderung aufrecht zu erhalten. Film ist ein Wirtschaftsmarkt, den man nicht liberalisieren kann, sonst würde er nicht mehr funktionieren. Da muss man aufpassen, dass die Kommission nicht übers Ziel schießt. Es gab erst im Jänner ein Hearing der Kommission, wo die einzelnen Mitgliedsländer unisono die Botschaft ausgesendet haben, nichts an den derzeitigen Möglichkeiten zu ändern. Es gibt keine europäische Wettbewerbsverzerrung. Das Problem ist kein innereuropäisches, sondern durch die amerikanische Übermacht in Produktion und Vertrieb bedingt. Das kann man mit EU-Wettbewerbsregeln nicht beheben, im Gegenteil. Momentan sieht es nicht so aus, dass strengere Regeln beabsichtigt wären, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Außerdem muss Österreich ja nicht immer Musterschüler sein, wenn es um die Umsetzung von EU-Vorgaben geht. Man kann durchaus mal einen eigenständigeren Weg gehen. Möglicherweise kommt es zu einem Vertragsverletzungsverfahren, dann ändert man es halt. Man muss nicht immer gleich die Dinge antizipieren und vielleicht noch strenger umsetzen. Das übersteigt aber die Kompetenzen des ÖFI.

 

AFN: Zum Zeitpunkt ihres Amtsantritts werden sich auch die EU-Grenzen zu unseren östlichen Nachbarländern öffnen?

 

Roland Teichmann: Das wird sicherlich einer der Schwerpunkte des ÖFI sein, hier eine Vernetzung mit den einzelnen Filminstituten und, sofern vorhanden, den Förderinstitutionen der Beitrittsländer herzustellen, die Leute kennen zu lernen, sich die dortigen Filmförderungen anschauen, inwiefern sie mit unserer kompatibel sind. Allein das zu analysieren und die Personen zusammenzubringen, ist eine große Aufgabe. Gleichzeitig darf kein Fördertourismus einsetzen, dass jeder nur nach Österreich kommt, sich das Geld abholt und in Tschechien dreht. Eine gewisse Wertschöpfung muss natürlich im Land bleiben. Es darf kein Selbstbedienungsladen für Billigproduktionsländer entstehen.

 

AFN: Neben der verstärkten Arbeit nach außen gibt es sicherlich auch Vorstellungen von der Vernetzung und Kommunikation nach innen?

 

Roland Teichmann: Öffentlichkeitsarbeit im weitesten Sinn sowohl für das ÖFI als auch für den österreichischen Film wird ein wichtiger Punkt werden. Mein Eindruck ist, dass der Film als gesellschaftspolitisches Thema in der Öffentlichkeit noch nicht wichtig genommen wird. Solange das nicht der Fall ist, ist er auch politisch nicht interessant und so lange haben wir es schwer, für den Film zu lobbyieren. Das Bild in der Öffentlichkeit würde ich nicht unterschätzen. Die Diskussion um die Diagonale z.B. ist ein Anlass zu sagen, dass ich es grundsätzlich gut finde, dass sich die Filmschaffenden nicht alles gefallen lassen und reagieren. Man sollte aber vermeiden, dass die Filmschaffenden als zerstrittener Haufen in den Medien präsentiert werden. Konflikte intern auszutragen, offene Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten sein würde ich für zielführender halten. Es wäre mir auch wichtig, das Filmhaus zu beleben, weil ich den Eindruck habe, da passiert mit Dachverband, AFC, ÖFI und Filmfonds Wien sehr viel parallel. Vielleicht lässt sich hier ein verstärktes Wir-Gefühl erwirken, und zwar ohne verpflichtende, stammtischartige Treffen, sondern indem man regelmäßig miteinander kommuniziert und die Probleme, die sich aus dem täglichen Geschäft ergeben, informell diskutiert. Kommunikation nach innen und nach außen ist ganz wichtig und ich glaube, hier gibt es noch Handlungsbedarf. Vielleicht kann man da eine Initialzündung setzen, um das Filmhaus ein bisschen mehr zu dem zu machen, für das es für mich zumindest symbolisch steht.

 

AFN: Wenn sie selber ins Kino gehen, was schauen Sie sich an?

 

Roland Teichmann: Erstens gehe ich wirklich gerne ins Kino, am liebsten in kleine Programmkinos, weil ich die Atmosphäre dort sehr mag. Hollywood-Mainstream schaue in mir allenfalls an, um es gesehen zu haben und mitreden zu können. Im Grunde ist es der Autorenfilm, der mich interessiert sehr interessant finde ich auch den Dokumentarfilm, hier kann man wiederum Österreichs Dokumentarfilmszene nicht genug betonen.

 

AFN: Gibt es für Sie ein Highlight aus dem jüngsten österreichischen Film?

 

Roland Teichmann: Das ist so eine schwierige Sache mit den Lieblingsfilmen der letzte Film, der mich sehr beeindruckt hat, war Böse Zellen. Der Film ist sehr berührend, wenn man sich darauf einlässt, was nicht ganz einfach ist, weil er sehr viel von einem verlangt und sehr komplex ist. Es hat mich beeindruckt, dass Barbara Albert nach relativ kurzer Zeit so eine Handschrift entwickelt und einen dichten Film gemacht hat, der wirklich unter die Haut geht.

 

Interview: Karin Schiefer © 2004 Austrian Film Commission