Februar 2000 markiert einen Wendepunkt in Österreichs politischer Lage. Erstmals nach rund 30 Jahren gibt es keinen sozialdemokratischen
Bundeskanzler, erstmals jedoch Minister einer rechtsextremen Partei, die sich mit fremdenfeindlichen Slogans erfolgreich durch
ihren Wahlkampf schlug. Demonstrationen, Diskussionen, Sanktionen.
Ein Land ist im Aufruhr, das politische Bewusstsein scheint mit einem Mal erwacht, die neue Realität ruft Künstler zur Stellungnahme
auf. Das Bedürfnis, mit den eigenen künstlerischen Mitteln zu reagieren und die Betroffenheit und Ratlosigkeit über die Vorgänge
im eigenen Land motivierten vier Filmemacher, Barbara Albert, Michael Glawogger, Ulrich Seidl und Michael Sturminger zu einem
gemeinsamen Projekt. In sechs Variationen versucht Zur Lage in einer filmischen Nabelschau dem (a-)politischen Innenleben dieses Landes auf die Spur zu kommen: Barbara Albert holte junge
Frauen in eher schwierigen Lebenssituationen vor die Kamera und filtert nach und nach über ihren Alltag die Motive ihrer politischen
Meinungsbildung heraus, Michael Sturminger schickte einen prominenten TV-Moderator als Fragensteller in die Wohnzimmer ganz
"normaler" Familien, Michael Glawogger reiste per Autostop quer durchs Land und überließ das Mikrofon seinen fast ausschließlich
männlichen Lenkern, Ulrich Seidl beschränkte sich auf selbstbewusste Einzelfiguren, denen er mit unbewegter Kamera den Rahmen
für Tableaus weltanschaulicher Selbstdarstellungen zur Verfügung stellte. Zur Lage ist weder ein Film über noch ein Kommentar
zur aktuellen Politik. Vielmehr zeugt er über vier stilistisch völlig unterschiedliche Zugänge, von Lebenskonzepten, die die
politische Realität und Diskussion aus der Wahrnehmung ihres Alltags ausgeklammert haben und schließlich durch ihr explizites
Desengagement politisch wirksam wurden. (ks)