INTERVIEW

Birgit Minichmayr, Shooting Star 2001, im Gespräch

 

Sie ist 23, absolviert ihre zweite Saison am Wiener Burgtheater, hat soeben unter der Regie von Istvan Szabo Taking Sides an der Seite von Harvey Keitel abgedreht und begeistert sich täglich aufs Neue für ihren Beruf: Birgit Minichmayr, Österreichs Shooting Star bei den Filmfestspielen in Berlin, im Gespräch.

 

Mit 22 am Burgtheater, noch bevor es zu einem Engagement in einem österreichischen Spielfilm kommt, eine Rolle in einer internationalen Produktion unter Istvan Szabo. Man beginnt doch klein und im eigenen Land oder hat der rasche Erfolge der Birgit Minichmayr auch damit zu tun, dass sie es anders macht als die anderen?

BIRGIT MINICHMAYR: Man geht aus der Schauspielschule raus und das erste, das man sucht, ist ein Engagement am Theater. Ich hatte Glück, denn ich hatte meinen ersten Vertrag mit dem Burgtheater schon im vorletzten Jahr an der Schauspielschule. Das mit dem Film kommt dann erst, dass es so schnell ging, war auch für mich überraschend.


Taking Sides von Istvan Szabo war bereits Ihre zweite Filmrolle?

BIRGIT MINICHMAYR: Die erste war im Brecht-Film Abschiedvon Jan Schütte nach einem Buch von Klaus Pohl, den ich vor zwei Jahren gemacht hab. Ich spielte darin Barbara Brecht, die Tochter. Danach drehte ich eine Folge von Tatort, und während der Dreharbeite erhielt ich die Einladung zum Casting für Taking Sides.


Worum geht es in Taking Sides?

BIRGIT MINICHMAYR: Es geht um den Entnazifizierungsprozess von Wilhelm Furtwängler. Meine Rolle ist die der Emmy Straube, der Tochter des Hitlerattentäters. Nach Kriegsende findet sie Arbeit im Büro, wo Furtwängler verhört wird. Die Geschichte war für mich deshalb so interessant, weil ich einer Generation angehöre, die Krieg nur aus den Medien kennt und mir klar wurde, dass man Leute, die damals leben mussten, nicht pauschal verurteilen kann. Furtwängler ist eine jener ambivalenten Persönlichkeiten, die di e Frage aufwerfen, "Was ist besser, offen gegen etwas einzutreten oder unter der Hand den Leuten zu helfen?". Taking Sides ist auch die Geschichte der Emmy, die in unheimliche Widersprüche gerät.

 

Der Entschluss zur Schauspielerei scheinen Sie sehr früh gefasst zu haben? Wie sah der Weg bis ins Reinhardt-Seminar aus?

BIRGIT MINICHMAYR: Bei mir funktioniert sehr viel über versuchen. Meine erste Aufnahmeprüfung ging z.B. schief, da war ich 18. Die Schule hab ich abgeschlossen, das war auch eine Bedingung meiner Eltern. Zuvor hab ich sehr spät, aber sehr intensiv, so mit 12, zum Tanzen angefangen. Dann begann ich mit klassischem Gesang und nahm Sprechunterricht. Es war bei mir immer so, dass sich ein Interesse aus dem anderen ergab. Schließlich wurde ich am Reinhardt-Seminar genommen. Das war wirklich toll, weil alles plötzlich eine andere Dimension bekam.

 

Ein ideales Sprungbrett?

BIRGIT MINICHMAYR: Total. Für mich war das Reinhardt-Seminar eine sehr schöne Zeit, ich war vier Jahre dort. Nach dem 2. Jahr konnte ich zum ersten Mal in der Schweiz mit einer freien Gruppe einen Stückvertrag machen. Dann ging es eh los, ich kam zurück und hatte das Vorsprechen am Burgtheater für den Reigen und dann bekam ich einen 2-Jahres-Vertrag.

 

Ein Karrierestart von dem viele nur träumen, es heißt aber auch sehr früh entscheidende Weichen stellen?

BIRGIT MINICHMAYR: Es ist schon sehr viel weiter gegangen, weil ich das auch möchte. Ich möchte, dass es vorangeht, ich arbeite einfach zu gern. Und ich hab auch das Theater, daraus bezieh ich meine Kraft, weil ich weiß, da gehöre ich hin, da bin ich her, da hab ich meinen Anfang gemacht. Ich möchte Theaterspielen, auch wenn es sehr schwer ist in Kombination mit Film. Ich möchte mich aber nicht entscheiden müssen zwischen Film und Theater, da würde ich mir eine Bereicherung nehmen. Ich will mir alles so offen wie möglich lassen.

 

Sie arbeiten am Burgtheater bei fünf Produktionen mit, in welchen Rollen?

BIRGIT MINICHMAYR: Die erste Rolle war die Dirne im Reigenvon Schnitzler, die Cressida, das Mädchen in Spiel ums Babyvon Albee, und ein Liederabend Pompes funèbres. Am liebsten spiele ich die Rosa Blau in Nestroys Der Färber und sein Zwillingsbruder. Sie ist für mich eine schöne und zeitgemäße Frauenfigur.

 

Warum wollten Sie Schauspielerin werden?

BIRGIT MINICHMAYR: Das Faszinierende für mich ist - das weiß ich aber erst jetzt - , dass ich so viele interessante Menschen kennenlerne, die einen beflügeln , mit denen ich mich auseinandersetze. Ich hab nie analysiert, warum ich es machen wollte. Ich wollte Menschen auf der Bühne spielen, meine Gedanken weitergeben, was ich denke, wie ich Leben empfinde.

 

Was möchten Sie, dass das Publikum an der Schauspielerin Birgit Minichmayr besonders schätzt?

BIRGIT MINICHMAYR: Ich möchte eine Lebendigkeit auf die Bühne bringen. Ich möchte mitgeben, was ich zu erzählen habe, was ich über Leben denke, das Leben ist ja auch mein Fundus. Ich find Leben auch voll genial, richtig spannend, wie vielfältig alles und trotzdem wieder eins ist. Das möchte ich auch vermitteln. Dass man lebendig bleibt und dass schon alles gut ist, dass wir alle leben. Dass es um viel mehr geht, als man denkt und dass alles so groß sein kann, wenn man möchte.

 

Gibt es eine Rolle am Theater, die Ihnen am Herzen liegt?

BIRGIT MINICHMAYR: Was ich sehr gerne mag, ist das Gretchen. Der Faust das ist das erste Theaterstück, das wir in der Schule gelesen haben, die erste Hörspielcassette, die ich mir angehört hab und die erste Rolle, die ich mir fürs Vorsprechen einstudiert hab. Das ist so erste, erste, erste. Darum würd ich die gern spielen. Dann gefällt mir die Johanna von Schiller, weil sie jemand ist, die kämpft für einen Glauben, sie hat eine Vorstellung und für die tritt sie ein. Wenn man die Frage aufs Kino umlegt. In welcher Art von Kino würden Sie sich gerne auf der Leinwand sehen. Das hat sehr viel mit Zwischenmenschlichem zu tun. Vor kurzem hab ich Lust auf anderes gesehen, das ist eine Art von Kino, die mich anspricht. Aber Film ist zu verschieden, ich kann mich da nicht festlegen. Aber wenn's um was geht und man dafür alles geben kann, dann bin ich immer gern dabei.

 

Interview: Karin Schiefer

2001