INTERVIEW

Caspar Pfaundler über SCHOTTENTOR

 

«Ich sehe den Film als eine Stimme für die Zerbrechlichkeit der Menschen und es ist ein stiller Film für leise, zerbrechliche Töne in einer doch sehr kalten Welt.» Ein Gespräch mit Caspar Pfaundler über Schottentor



Erinnert man sich an Ihren ersten Spielfilm Lost&Found, dann eröffnet der mit einer Einstellung aufs Meer in einer Abendstimmung. Für Schottentor haben Sie sich für das gleiche Eröffnungsbild in einer erzählerischen Brechung entschieden. Das Meer ist akustisch evoziert, andererseits beschreiben Sie das Bild sprachlich, der Zuschauer kann sich vorstellen, was filmisch aus Kostengründen nicht umsetzbar gewesen war. Warum haben Sie sich für diese Art des Einstiegs entschieden.
Caspar Pfaundler: Es war ursprünglich tatsächlich geplant, dass der Film mit einem Meeresbild beginnt. Ich überlegte, es zu zeichnen und dann sagte ich mir, am ehrlichsten ist es, zu sagen wie es ist, nämlich, dass wir dafür kein Geld hatten. Ich wollte von Beginn an etablieren, dass es einen Mangel gibt. Mit einem Schauspieler ans Meer zu fahren hätte uns zwei Drehtage gekostet, das ging nicht, also musste ich es anders machen. Wir wussten von Beginn an, es gibt wenig Geld, machen wir das Beste daraus. Manchmal gibt es Lücken und diese Lücken schaffen Raum für den Zuseher, wo er sich was vorstellen kann. Das Meer am Beginn eines Films ist für mich ein Fixpunkt, es ist für mich der beste Ausgangspunkt für eine Geschichte.

Es gibt also einerseits die gleiche fiktive Eröffnungseinstellung wie in Lost&Found und später im Film einen Querverweis darauf. Inwiefern war es Ihnen wichtig, eine Brücke zu Ihrem ersten Film zu schlagen und andererseits sich davon deutlich abzugrenzen.
Caspar Pfaundler: Beides ist der Fall. Damals in Taiwan, wo Lost&Found gedreht wurde, sah unser Konzept so aus, dass wir jedenfalls nichts abgesperrt haben,  wir wollten ein möglichst unsichtbares Team sein wollten. Das haben wir für Österreich übernommen, wir haben bei Schottentor ganz selten abgesperrt. Gerade die Offenheit macht den Reiz der Location aus. Man braucht ja keinen Film zu machen, wenn man das, was ohnehin schon da ist, erst künstlich erzeugen muss. Es ist alles vorhanden, was man sich wünscht. Das einzige Problem ist die Lautstärke, mit der am Schottentor durch Straßenbahn u. ä. der Alltag stattfindet. Auch da mussten wir eine technische Lösung finden. Ich bin froh, dass ich mich aus Zeitgründen nicht zum Absperren habe verleiten lassen, Ich hab es immer wieder abgelehnt und nahm gewisse Wartezeiten in Kauf. Wir hatten 2006 bereits im Rahmen der Sequenzförderung zehn Minuten gedreht, diese eineinhalb Jahre mussten wir rückgängig machen und wir hatten Glück, dass es in dieser Zeit kaum Veränderungen gegeben hat. Es war eine Auflage im Rahmen der Förderung, die bereits gefilmten zehn Minuten, in den Film zu integrieren. Schauspieler verändern sich allerdings in zwei Jahren ganz deutlich und das ist auch im Film sichtbar, so ist es eben.

Auf dem kleinen Raum des Schottentors zu drehen hat sicherlich auch Kostengründe gehabt, für viele Wiener ist es einer der alltäglichsten Orte, die es gibt, weil eine ganze Menge öffentlicher Linien hier zusammenkommen. Für ein Wien-fremdes Publikum löst der Film keine Assoziationen aus, gab es Ihrerseits besondere Verbindungen zum Schottentor, die Sie veranlasst haben, es zum zentralen Ort Ihres Filmes zu machen.
Caspar Pfaundler: Natürlich war da der ökonomische Aspekt. Ursprünglich hatte ich diesen Text als Prosa-Text geschrieben, im Hinterkopf war da aber die Absicht, ein Drehbuch zu schreiben und es sollte ein Film werden, der im Rahmen des nicht-konventionellen Spielfilms finanzierbar ist. Damit war klar, dass es nur eine Location geben kann. Man hätte einen Bahnhof nehmen können, eine Wohnung oder ein Haus. Mich hat immer schon eine Geschichte mit einer Reigenstruktur interessiert, das hat sich dort angeboten. Ich kannte das Schottentor vom Studium her und war im Zuge der Recherchen sehr viel dort, sodass ich schließlich schon ein Teil des Inventars war. Einmalig an dieser Passage ist ihre Öffnung für das Tageslicht und überhaupt die Offenheit, die erlaubt dass der öffentliche Raum privat besetzt wird und von der Fünfziger-Jahre-Architektur des Schottentors sprach mich die Grundstruktur an, dass da verschiedene Ebenen bespielt werden können. Und natürlich ist der Raum auch ein innerer Raum auf seinen verschiedenen Ebenen. Ich wollte geografisch konsequent bleiben, dafür ist mir unser geringes Budget entgegen gekommen: es gab keine Wegzeiten, es musste beinahe alles, was wir machen wollten zu Fuß erreichbar sein. Dadurch entsteht eine geografische Stringenz, die eine gewisse Wahrhaftigkeit in sich hat. In der Rezeption des Films wird es so sein, dass die Menschen, denen das Schottentor ein Begriff ist, den Wiedererkennungswert haben werden und die, die ihn nicht kennen, die werden an ihren eigenen Passagen überprüfen können, wie stimmig das ist.

Der Film hat zuerst DREI. Von der Sehnsucht eins zu sein geheißen. Sie sind dann auf Schottentor umgestiegen. Was stand hinter diesem ersten Titel und was hat Sie bewogen, den Titel zu ändern.
Caspar Pfaundler: Hinter DREI stand ursprünglich die Idee der drei Einheiten einer Person: Körper, Seele, Herz/Geist. Diese Sehnsucht, eins zu sein, birgt in sich die Idee von den sechs Personen als eine Person. Es gibt eine Einstellung im Film von oben auf die Insel in der Passage. Wenn man den ganzen Film aus der Vogelperspektive betrachtet, dann könnte sichtbar werden, dass das nur ein Mensch ist. Alle Personen im Film haben die Sehnsucht, eine Person zu sein, weil sie ein bisschen verloren sind, daneben stehen. Sie haben den Wunsch, konkret an einen Punkt zu kommen, wo sie wissen, von dort aus können sie auch weitergehen. Drei ist aber auch der Name eines großen Telefonbetreibers in Österreich, es wird mit Assoziationen schwieriger, es gibt keine Homepage... Ich hatte ganze Listen von möglichen Titeln, letztendlich war Schottentor der schlichteste und der unverfänglichste.

Ihre Figuren scheinen in gewisser Weise der Wirklichkeit enthoben und gleichzeitig stehen sie in einem sehr alltäglichen Kontext.
Caspar Pfaundler: Es sind Menschen, denen man überall begegnen kann, die nicht besonders auffallen, die abgesehen von der Figur des Regisseurs nicht besonders erfolgreich sind und irgendwie daneben stehen. Sie sind nur etwas reflektierter als der normal im Alltag eingebettete Mensch. Genau diese Spanne zwischen dem "normalen" und dem ein bisschen verschobenen Leben, hat mich interessiert. Menschen, die im wörtlichen Sinn daneben stehen.
Dass die Figuren ein bisschen abgehoben wirken, liegt vielleicht daran, dass man ihren inneren Monolog hört. Das ist ja im Film etwas total Verpöntes – eine Verdoppelung. Man wird ja auf einen Menschen erst neugierig, wenn man nicht weiß, was in ihm vorgeht. Es läuft im Film aus meiner Sicht sehr viel über die Augen. Wir sehen, was im Menschen vorgeht, über die Augen, deshalb gibt es die Wichtigkeit, dass man die Augen der Personen sieht. Ich habe versucht, möglichst wenige Verdoppelungen zu erzeugen, d.h. wenn es einen inneren Monolog gibt, dann sieht man meist die Augen nicht. Ich hab es aber nicht ganz konsequent durchgezogen und ich mir war natürlich bewusst, dass innerer Monolog im Film das Risiko bedeutet, platt oder peinlich zu werden. Die wesentliche Frage schien mir, was geht im Menschen vor? Die Menschen deshalb wie irrsinnig agieren zu lassen, nur weil das Hören der inneren Stimme verpönt ist, das fand ich lächerlich. Die Möglichkeiten sind dann natürlich beschränkt, aber durch die Brechung mit dem Dialekt fand ich es eigentlich akzeptabel.

Sich die Reduktion als Prämisse zu setzen ist sicherlich eine schwierige Vorgabe?
Caspar Pfaundler: Die Frage, die sich mir stellte, war, was geht im Menschen vor und wie artikuliere ich das? Und dann ergaben sich durch die Location Menschenströme und Gedankenströme – darin sah ich durchaus eine Verwandtschaft. Innen und Außen ist sicherlich ein Thema des Films. Der Übergang – wo ist außen und wo ist innen, ist nicht so klar. Ich wollte dem unkontrollierten Denken Raum geben, deshalb gibt es auch oft Sätze, die man vielleicht nicht sofort versteht. Es geht auch um den unkontrollierten Gedankenstrom, der aus einem heraus will. Es gibt ein paar Personen im Film, die haben das Bedürfnis, die Sachen rauszulassen, nicht um es öffentlich zu machen, sondern um es für sich selber festhalten zu können.

Die Erzählweise ist eher elliptisch, eine Collage, die sich zusammenfügt.
Caspar Pfaundler: Es ist kein Episodenfilm, dazu ist es zu verquer. Da spielen auch die Verbindungselemente eine Rolle ? die Rolltreppen, die Lifte, die Übergänge, die haben das auch gefördert. Was in den Menschen vorgeht, spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab und auch die Location hat verschiedene Ebenen. Man kann zu den Übergängen, dem Fließenden und auch den Brüchen optisch eine Verbindung herstellen. Ich kann nur für mich sagen, wie ich wo hingekommen bin, ob es dann auch ankommt, ist offen. Dafür hat der Film ganz bewusst sehr viel Freiraum, wie man das sieht, bleibt jedem selbst überlassen.

Vergleicht man Schottentor mit Lost&Found so entsteht der Eindruck, dass Sprache nun eine größere Rolle spielt, umso interessanter ist natürlich, dass dem Drehbuch ein literarischer Text zugrunde liegt.
Caspar Pfaundler: Sprache sollte eine Rolle spielen, die Schauspieler hatten vorab kein Drehbuch und waren nicht angehalten, zu sagen, was auf dem Papier stand. Ich sagte es ihnen kurz vor dem Schlagen der Klappe, manchmal hab ich es ihnen vorgelesen und sie haben behalten, was sie gehört haben. Den Dialekt gibt es deshalb, weil die inneren Monologe in einem Hochdeutsch oder Theaterdeutsch nicht auszuhalten gewesen wären. Es brauchte diese Brechung durch den Dialekt und es brauchte ihre „Muttersprache“, auch wenn sie in Wien ihren Dialekt haben aufgeben müssen, um verständlich zu sein. Die innere Sprache bleibt ihre Muttersprache. Das Risiko war natürlich die problematische Verständlichkeit, aber ebenso wichtig wie die Verständlichkeit schien mir der Rhythmus.

Der Regisseur fällt als einziger offensichtlich erfolgreiche Figur etwas heraus. Er ist eine sehr ironisierte Figur – spielte da auch ein Element der Selbstironie mit oder geht es um eine sanfte Karikatur des Filmmilieus.
Caspar Pfaundler: Natürlich ist der Regisseur eine ambivalente Figur, so wie wir alle unsere Ambivalenz in uns tragen. Er hat eine Arroganz, die ich an Filmregisseuren immer wieder beobachten kann. Durch diese gottähnliche Gefühl am Set, die Welt neu erfinden zu können, oder zumindest zu glauben, es zu können, entsteht eine Abgehobenheit und die wollte ich dem Regisseur im Film auch verleihen. In meinem Film wäre es aber uninteressant, eine total überzeichnete Figur zu schaffen. Was sollte die Assistentin dann an ihm finden. Es hat eine Ambivalenz gebraucht, er ist nicht dumm, der Mann ist nur zu lange drinnen, er hat seine Sensibilität verloren, er braucht jemanden, der diese kreative Seite füttert und das ist die Regieassistentin. Sie sind in einem symbiotischen Verhältnis.

Der Tanz ist eine der Ausdrucksformen im Film, über die die Figuren etwas veräußern können.
Caspar Pfaundler: Der Tanz hat sich auch aus der langen Beschäftigung mit dem Ort ergeben. Wenn man dort lange genug zu allen Tages- und Nachtzeiten am Schottentor gestanden und beobachtet hat, entsteht mit der Zeit der Blickwinkel, es könnte alles ein Tanz sein, was dort vor sich geht. Die Bewegung der Menschen ist sehr rhythmisch, je nachdem, ob gerade eine Straßenbahn abfährt oder ankommt. Es ist eine große Tanzfläche, die Bewegungen dort haben etwas Choreografiertes an sich, auch wenn es eine Choreografie des Zufalls ist. Die Tanzelemente sind auch so ein Gegengewicht zur Sprache.

Im ersten Film haben Sie selbst die Hauptrolle gespielt, diesmal haben Sie professionelle Schauspieler engagiert.
Caspar Pfaundler: Für dieses Projekt in der zur Verfügung stehenden Zeit mit nicht-professionellen Schauspielern zu arbeiten, wäre undenkbar gewesen. Wenn man mit Laien arbeitet, braucht man Zeit, die wir nicht hatten. Deshalb brauchte es gute Darsteller, die dann möglichst nicht schauspielen. Es ging sehr viel darum, wie jemand mit nicht geschriebenen Texten umgehen konnte. Es hat sie verunsichert, kein Drehbuch zu haben und das war die Testsituation, der sie sich aussetzen mussten. Neben Gerti Drassl spielen auch noch zwei Schauspieler, die am Burgtheater sind – David Oberkogler, der Peter spielt und glaubt, dass er ein Engel ist, und Michael Masula, der den Regisseur spielt.

Wie sah dann die Vorbereitungsarbeit aus?
Caspar Pfaundler: Ich habe alle einzeln getroffen und ihnen ihre Figuren beschrieben. Ich bin zum Teil mit ihnen auch zum Schottentor gefahren. Die wichtigste Vorbereitung war, dass der innere Monolog ca. ein Monat vor dem Dreh aufgenommen worden ist. Das war eine gute Vorbereitung, durch diese innere Stimme der Filmpersonen haben sie etwas erfahren und lange genug Zeit gehabt, um es auch wieder zu vergessen. Proben halte ich für ganz schlecht, da wird etwas einstudiert, was ich nicht will. Ich wollte, dass etwas im Moment entsteht und das ist manchmal besser, manchmal schlechter geworden, aber wir haben es durchgehalten. Sie hatten es nicht einfach, denn es sind oft ziemlich lange Textpassagen, sie haben das sehr gut gemacht.
Es sind fast alle Profis, auch dort, wo man es nicht vermuten würde, auch die alte Frau am Blumenstand zum Beispiel. Der Dreh ohne Absperrungen hat gut funktioniert, aber es hat den Schauspielern auch noch mal Boden unter den Füßen entzogen, dass sie nicht in einer geschützten Werkstätte spielen. Es entsteht möglicherweise etwas anderes als im Drehbuch vorgegeben war, das sich aber dennoch in die Grundstruktur fügt. Es gab immer wieder Schlüsselsätze, die sein mussten, damit die Geschichte nicht in eine andere Richtung geht. Sie haben im Augenblick selbst ihre eigene Sprache entwickeln müssen. Ich wollte nichts Theatralisches haben.

Trotz des stark lokalen Fokus auf das Schottentor stellen Sie auch in diesem Film wieder eine Asien-Verbindung her.
Das war mir auch sehr wichtig. Es ist in Österreich sehr schwierig, einen Spielfilm zu realisieren und zu finanzieren, der unkonventionell ist. Dafür ist wenig Verständnis vorhanden. Lost&Found war ursprünglich für Österreich konzipiert, als es nicht ging, hab ich ihn in Taiwan gedreht. Schottentor wollte ich hier machen, trug aber im Hinterkopf stets den Gedanken, dass ich den Film doch in auch in Asien drehen könnte.  Jetzt bin ich froh, dass es in Wien möglich war. Es war ein schmerzvoller Weg, der nicht spurlos an einem vorüber geht, ich war ziemlich stur und hab durchgehalten. Es ist auch dem Produzenten Peter Roehsler zu danken, das Budget lag bei knapp € 200.000,- , einem Zehntel eines durchschnittlichen Spielfilms. Er hat mir totale Freiheit gelassen und sich, was das Kreative betrifft, überhaupt nicht eingemischt. Low-Budget hat auch seine Vorteile, es ist reine Selbstausbeutung, aber ich musste niemandem gefallen und es kam meinem Konzept des offenen Drehens natürlich sehr entgegen. Gewisse Reisen kamen aus budgetären Gründen nicht zustande, aber vielleicht tun die Bruchstellen dem Film auch gut. Der Film hat nun in der Schlussproduktion noch sehr an Feinheiten gewonnen. Und so ein Film lebt letzen Endes von seinen Feinheiten, die in der Summe dann viel ausmachen. Er hat ja keine Handlung, die einen total mitreißt. Deswegen geht es um Nuancen, um die Spannungen zwischen den Menschen. Wenn man sich nicht darauf einlässt, was der Film berührt, dann wird man sich langweilen, das ist das Risiko, wenn man ohne Handlungsgerüst arbeitet, wo automatisch ein Sog entsteht.

Sie haben für den Film auch eine spezielle Kameratechnik verwendet?
Wir hatten eine ganz neue Kamera verwendet, die bis dato absolut unerschwinglich war und erstmals in einer akzeptablen Preisklasse zur Verfügung stand. Sie macht digitale Bilder in hoher Auflösung, die geeignet sind, auf 35 mm übertragen zu werden und sie erzeugt Bilder mit einer geringeren Tiefenschärfe und damit ein filmischeres Bild. Dass der Hintergrund unscharf ist, war für uns sehr wichtig damit wir nicht die Probleme mit dem Wiedererkennen von Menschen bekommen, die zufällig durchs Bild gehen. Inhaltlich war mir wichtig, dass sich der Bildfokus mit dem inhaltlichen Fokus deckt. Die Personen im Vordergrund sollten scharf und trotzdem sollte der Hintergrund atmosphärisch sichtbar sein. Gerade im Low-Budget Bereich ist es ganz toll, was mit dieser Kamera möglich ist. Niemand wusste, wie die Kamera funktionieren würde, es gibt unheimliche Datenmengen und der ganze Work-Flow war ein ziemliches Abenteuer.

Inhaltlich entstand für mich der Eindruck, dass es auch um Einsamkeit und die erträumte, ersehnte, scheiternde, unmöglich Zweisamkeit geht. Mit Altmanns Tod ohne das Meer gesehen zu haben und der zögerlichen Geste Claudias schaffen Sie einen eher pessimistischen Ausstieg aus Ihrer Erzählung.
Caspar Pfaundler: Pessimistisch, weiß ich nicht. Mir erscheint der Film jetzt auch trauriger als ich ihn ursprünglich angedacht hatte. Das Ende ist ambivalent. Es läutet an der Tür und sie weiß selber nicht, was sie will. Sie ist im Hin und Her, so ist sie eben. Warum finden die Menschen nicht zueinander, warum gibt es keine erfüllende Liebe? Weil sie Angst haben davor und weil sie es sich gleichzeitig wünschen, in dieser Ambivalenz sind sie gefangen, das ist das Thema des Films – die Zerrissenheit, das Hin und Her. Ich betrachte es nicht als pessimistisch, es geht darum, diese Dinge, die ambivalent sind, als solche anzunehmen. Wie lebt man mit dieser Ambivalenz? – das wird jeden Menschen in dieser Welt irgendwann beschäftigen. Ich sehe den Film als eine Stimme für die Zerbrechlichkeit der Menschen und es ist ein stiller Film für leise, zerbrechliche Töne in einer doch sehr kalten Welt. Was bleibt von einem übrig, woran hält man sich, was hält einen – das sind Frage, die immer wieder kommen. Das Wesentliche ist, was passiert zwischen den Menschen und der Wunsch nach Liebe ist in dieser Ambivalenz anscheinend nicht schnell erfüllbar. Für mich ist es ein Film, der eher in der Nachwirkung lebt als im Moment. Man wird sich am Ende des Films nicht sehr auskennen, er sagt nicht genau, was er ist. Aber wenn man das Nachglühen zulässt, dann wird auch etwas entstehen. Es hat mich interessiert, einen Film zu machen, der eher subkutan wirkt und in der Summe doch etwas bewegt.


Interview: Karin Schiefer
Jänner 2009