Waren die Betten nun dreistöckig und aus Holz oder zweistöckig und aus Metall? Die beiden Herren, Überlebende und Lagergenossen
im KZ Sachsenhausen, die regelmäßig die Dreharbeiten von Stefan Ruzowitzkys neuem Filmprojekt Der Fälscher besuchen kommen, können wegen eines Details schon mal heftig in Streit geraten. Aber nicht nur deshalb. Als die beiden bald
90-jährigen Herren im Zuge des Filmprojekts einander begegneten, ging es recht schnell um essentiellere Fragen. War Krüger,
der leitende SS-Offizier in den beiden zur Fälscherwerkstatt umgemodelten KZ-Baracken, nun ein Mörder oder angesichts der
wenigen Todesopfer, die es in all den Jahren dort gab, ein Lebensretter? Ihre Ansichten darüber könnten nicht konträrer sein.
"Und," so Regisseur Stefan Ruzowitzky, "beide haben recht. Es haben ja immer alle recht. Die Feigen ebenso wie die Mutigen."
In der Grauzone zwischen Opfern und Tätern, zwischen bloßem Überlebenswillen und dem Ruf des Gewissens hat der Filmemacher
den Konfliktstoff seines neuen Films Der Fälscher angesiedelt. Zeitzeuge Adolf Burger lieferte mit seinen Memoiren, Die Werkstatt
des Teufels, eine der Quellen, in der er aus seiner Sicht die Operation Bernhard dokumentiert, eine von den Nazis lancierte
Geldfälschaktion, bei der zwischen 1942 und 1945 geschätzte 100 Millionen falscher Pfundnoten im KZ Sachsenhausen aus den
Druckerpressen gestampft wurden. Burger war aufgrund seiner politischen Aktivitäten nach Auschwitz gebracht worden, seine
Fähigkeiten als Buchdrucker retteten ihn in die Fälscherwerkstatt von Sachsenhausen, wo er, als Häftling von den Nazis für
deren Interessen missbraucht und als privilegierter KZ-Insasse von Gewissensfragen heimgesucht, das System zu sabotieren beginnt.
In Der Fälscher nimmt er den Gegenpart zum jüdischen Protagonisten Sorowitsch ein, eine dem historischen Salomon Smolianoff
nachempfundene, schillernde Figur der Berliner Halbwelt der dreißiger Jahre.
Der Ende des 19. Jhs in Südrussland geborene hochbegabte Grafiker erkannte sehr früh den pragmatischen Nutzen seines Talents.
Beinah perfekt gefälschte Dokumente und Banknoten eröffneten ihm ein Leben in Saus und Braus, dennoch war er der Polizei längst
kein Unbekannter, als er, mehrfach gefasst, als Berufsverbrecher zunächst in Mauthausen landete, ehe auch er um den Preis
des Überlebens seine Fertigkeiten in den Dienst des mörderischen Regimes stellte. Alles aus einem Guss Seinen Regisseur hat
sich der Stoff offensichtlich selbst gesucht. Innerhalb weniger Wochen sprachen die Wiener Aichholzer Film ebenso wie die
Hamburger magnolia film Stefan Ruzowitzky auf ihre Ideen rund um die Operation Bernhard und die Biografie Adolf Burgers an.
"Was mich als Produzent daran gereizt hat", so Josef Aichholzer, "ist zum einen ein tiefer und spannender Charakter, der keine
Drehbuchphantasie ist, und zum anderen der Hintergrund dieser größten Geldfälscheraktion der Geschichte. Wir wollten keinesfalls
einen KZ-Film machen, sondern eine Story in einem KZ erzählen, wo es darum geht wie lebt man da drinnen, nicht wie
leidvoll ist es, Opfer zu sein." Eine Fügung des Zufalls nicht nur für den Regisseur, auch für die Produktionsfirmen bedeutete
diese Konstellation Zusammenarbeit von der ersten Stunde an.
Das Budget für das 4,2 Mio Euro-Projekt ist zu gleichen Teilen aus österreichischen und deutschen Fördertöpfen gespeist. "Der
Vorteil daran ist," erläutert Josef Aichholzer, "dass durch die gemeinsame Entwicklung des Projekts, alles aus einem Guss
ist. Es ist eine echte Fifty-Fifty Lösung. Es macht die Durchführung in manchen Bereichen aufwändiger, weil zweimal nachgedacht
wird, aber der gesamte Entscheidungsprozess ist von einem Vier-Augen-Prinzip bestimmt. Das ist eigentlich optimal.
Der mit 31 Drehtagen mehr als knapp kalkulierte Dreh verlief wie am Schnürchen. Dass am Set ohne Zeitverlust eins ins andere
greift, ist sicher dem eingespielten Duo Stefan Ruzowitzky und Anton Maria Aigner anzurechnen, der seit Tempo (1996) als Regieassistent
in allen Kino-Arbeiten Ruzowitzkys für einen glatten Ablauf sorgt. Wien und die Côte d'Azur waren die ersten beiden Drehetappen,
wo zunächst der Rahmen der Geschichte gedreht wurde. Vornehmes Ambiente aus Monte Carlo entstand im Wiener Hotel Schwarzenberg,
das Flair der Promenaden und Gassen an den noblen Stränden im Süden wurde hingegen an den Originalschauplätzen eingefangen.
Für Sorowitsch ist es der Ort einer schicksalhaften Begegnung und einer möglichen Wende in seinem Leben. (ks)