INTERVIEW

Georg Friedrich, österreichischer Shooting Star bei der Berlnale 2004 im Gespräch

 

"Ich hab großes Vertrauen zu Ulrich Seidl, natürlich ist auch Angst dabei, wenn man sich so sehr öffnet. Das verlangt kein anderer Regisseur in einem solchen Ausmaß, das ist einfach Ulrichs Handschrift. Ich spiele eine Figur, die extreme Gewaltphantasien hat. Ich musste mir Geschichten ausdenken und die dann dem Herrn Jesus beichten. Das hat nichts mit mir zu tun, ich hab überhaupt keine Gewaltphantasien. Aber irgendwo konnte ich mich gut in einen Täter hineindenken." Georg Friedrich, Österreichs Shooting Star 2004, über sein Metier und die aktuellen Probenarbeiten an der Berliner Volksbühne unter der Regie von Ulrich Seidl.

 

Welcome Home von Andreas Gruber, Ihr erster Film, in dem Sie eine Hauptrolle spielen, wird demnächst fertig gestellt. Worum geht es in diesem Film?

GEORG FRIEDRICH: Es beruht auf einer wahren Geschichte, die sich Ende der neunziger Jahre zugetragen hat, wo zwei Polizisten einen Schwarzafrikaner nach Ghana überstellt haben. Im Flugzeug war es zu einer Rauferei mit ihm gekommen. In Accra stellte sich dann noch heraus, dass auch die Überstellungspapiere nicht korrekt waren und bis sich alles aufklärte, wurden den österreichischen Beamten die Pässe abgenommen und ihnen die Ausreise aus Ghana verwehrt. Ich spiele einen der Polizisten, der gerade persönliche Probleme mit seiner Frau hat und der den Schwarzen schlecht behandelt. Seine Fremdenfeindlichkeit rührt zwar nicht aus seinem Herzen heraus, sondern daher, dass er sich mit dem Thema einfach nicht befasst. Er lernt dann in Afrika, wo er ohne Geld und Papiere festsitzt, die Kultur und die Menschen dort kennen und entwickelt sich zum Positiven.

 

Was hat es für Sie bedeutet, erstmals eine Hauptrolle zu übernehmen?

GEORG FRIEDRICH: Ich habe eine Verantwortung wie sonst eigentlich nie verspürt. Denn auch wenn sehr viele andere Komponenten mit hineinspielen, hatte ich ein Gefühl, dass der Film mit mir steht und fällt.

 

Die Rolle eines Polizisten zu spielen unterscheidet sich ja grundlegend von den Rollen der kleinen Ganoven und Zuhälter, in denen Sie im letzten Jahr sehr häufig zu sehen waren?

GEORG FRIEDRICH: Das war nicht nur in den letzten Jahren so, das hat mich immer schon begleitet. Im Gegenteil, ich hatte in letzter Zeit das Gefühl, dass sich das eher gelöst hat und ich auch andere Dinge spielen konnte. Man kann halt nicht immer den Anspruch stellen, etwas anderes spielen zu wollen, wenn man Angebote bekommt. Es stört mich auch nicht, dass die Rollen in diese Richtung gehen. Natürlich macht es mir Spaß, wenn ich etwas anderes spielen kann. Es ist aber nicht immer die Art der Rollen entscheidend, ich kann ja einen Ganoven in einer extremen Komödie ganz anders spielen als in einem ernsten Film.

 

Ist durch die Rolle und den Erfolg von Hundstage punkto Angebote ein Stein ins Rollen geraten?

GEORG FRIEDRICH: Das kann man so sagen. Seit Hundstage arbeite ich wesentlich mehr. Ulrich hat mir bei Hundstage so ein Grundvertrauen geschenkt, das mir Sicherheit gegeben hat. Wenn man unsicher ist, ob das, was man macht, dem Regisseur recht ist oder nicht, dann spürt man eine Hemmung und traut sich viel weniger, kreativ zu sein. Davon profitiere ich natürlich auch für die anderen Rollen.

 

Welche Angebote kamen nach Hundstage?

GEORG FRIEDRICH: Böse Zellen von Barbara Albert war es eine ganz andere Herausforderung, hier spiele ich einen biederen, kleinen Manager eines Multiplexkinos, dessen Frau stirbt und er plötzlich mit seiner Tochter alleine dasteht. Dann waren Kaltfront von Valentin Hitz, Hurensohn von Michael Sturminger, c(r)ook von Pepe Danquart. Da spiele ich einen schwulen Punk-Stricher-Kellner, der erste Schritt zu dieser Rolle war, dass ich ein wirklich arges Kostüm hatte. Wenn man so etwas Extremes anzieht und sich in den Spiegel schaut, dann bekommt man auch ein extremes Gefühl, ich ließ mir dann noch beim Schuster die Absätze abschleifen, dass ich x-beinig dastand und daraus hat sich die Rolle entwickelt, die mir wirklich sehr Spass gemacht hat. Ein film, der auch erst kommen wird ist ...auf Wolke 7 von Michael Grimm, eine Komödie, wo ich in einem Dorf den Meister im Sensenwerk spiele, ich habe die schönste Freundin, das stärkste Motorrad und bin der Tollste. Ich habe für diese Rolle innerhalb von drei Monaten zwölf Kilo zugenommen. Das war einfach notwendig, weil man sich ganz anders bewegt und eine ganz andere Körperlichkeit bekommt, wenn man mehr Gewicht hat. Wenn ich mir diese Rollen so nebeneinander ansehe und wenn man auch noch das Theater dazu nimmt, dann war das sehr facettenreich, was ich in den letzten Jahren gemacht habe.

 

Ihre Laufbahn als Schauspieler hat ja sehr früh begonnen?

GEORG FRIEDRICH: Ich spielte in einer Fernsehproduktion von Raimunds Der Verschwender mit, damals war ich 14, jetzt bin ich 37. Zu dieser ersten Rolle bin ich über eine Annonce in der Kronen Zeitung gekommen. Dann spielte ich in einer Serie mit dem Titel Fortsetzung folgt nicht::: da wurde die Handlung von Büchern angespielt, und dann hieß es ans Publikum, wenn Sie's weiter wissen wollen, dann müssen Sie das Buch kaufen. Nach der Schauspielschule Krauss habe ich ein bisschen Theater gemacht und dann aber nur mehr Fernsehen - Tatort und Ähnliches, eher selten auch in Deutschland. Am Theater hab ich lange pausiert und erst mit Michael Sturminger vor drei Jahren mit Geschichten aus dem Wiener Wald wieder angefangen, da hatte ich eine kleine Rolle, den Fleischergesellen. Im Jahr darauf machten wir Was ihr wollt, wo mir Michael schon das Vertrauen geschenkt, mich in eine Shakespeare-Produktion zu holen. Jetzt an der Volksbühne ist es das erste Mal, dass ich in Deutschland Theater spiele.

 

Was macht für Sie den Unterschied in der Theater- und Filmarbeit aus?

GEORG FRIEDRICH: Die Leute, die dabei sind, sind ein anderer Schlag Mensch. Beim Film ist das Team viel wichtiger und auch der Schnitt spielt eine große Rolle. Der Schauspieler ist ein kleines Rädchen, eher ein Außenstehender, der, wenn er nicht gerade eine Hauptrolle hat, einmal in der Woche dazu kommt. Theater ist die intensivere Arbeit. Man hat mehr Zeit, eine Figur zu entwickeln und ich habe Gefallen am Theater gefunden, weil ich für mein Spiel so viel lernen kann. Deshalb möchte ich auch immer wieder Theater machen, wenn auch nur mit einem Regisseur, den ich mag und mit dem ich gerne arbeite und wenn mich die Rolle interessiert.

 

Ulrich Seidl wurde mit einer Carte Blanche von Frank Castorf an die Volksbühne eingeladen und hat Sie mit einigen Schauspielern aus Wien mitgenommen. Worum geht es in dem Stück? Wie sehen die Probenarbeiten aus?

GEORG FRIEDRICH: Es geht um Glaubensfragen, er führt das Thema, das er in Jesus, du weißt aufgegriffen hat, weiter. Von Österreich spielen noch Vivien Bartsch und Maria Hofstätter mit. Es hat sehr schwierig angefangen, es gibt Hochs und Tiefs jetzt in der Probenarbeit. Die Figur, die zu spielen ist, ist umrissen, es wird anfangs nur improvisiert, was sehr schwierig ist. Ich bin Taxifahrer, der Ex-Mann der Frau, die Vivien Bartsch spielt, und sie lässt ihn nicht zu seinem Kind. Die erste Phase war so, dass nur Ulrich mit dem jeweiligen Schauspieler geprobt hat. Man wusste auch nicht, wie es bei den anderen läuft bzw. was sie machen. Dann gab es einen Tag, an dem alle Schauspieler zusammen gekommen sind und man zeigte mal, was jeder erarbeitet hat, da war ich dann sehr beruhigt.

 

Man lässt sich als Schauspieler auf viel ein, wenn man eine Rolle in einem Seidl-Projekt spielt?

GEORG FRIEDRICH: Ich hab großes Vertrauen zu ihm, natürlich ist auch Angst dabei, wenn man sich so sehr öffnet. Das verlangt kein anderer Regisseur in einem solchen Ausmaß, das ist einfach Ulrichs Handschrift. Ich spiele eine Figur, die extreme Gewaltphantasien hat. Ich musste mir Geschichten ausdenken und die dann dem Herrn Jesus beichten. Das hat nichts mit mir zu tun, ich hab überhaupt keine Gewaltphantasien. Aber irgendwo dürfte es doch in mir drinnen stecken, weil irgendwie - teilweise hab ich mich in Geschichten hineingelesen, teilweise habe ich selber Geschichten erfunden, teilweise erzähle ich Dinge, die mir in frühester Jugend selber passiert sind - konnte ich mich gut in einen Täter hineindenken. Ich glaube, ich kann gut nachvollziehen, auch wenn es meine Interpretation bleibt. Wenn jemand eine Familie umbringt, kann ich es nicht verstehen, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, wenn ich das tun würde, was ich mir dabei denken würde, wie ich vorgehen würde. Wenn ich mich konzentriere, kann ich mich in diese Sachen hinein versetzen und das entwickelt sich dann auch selber weiter. Gewalt hat nichts mit mir zu tun, aber ich kann es gut machen.

 

Was schätzen Sie an Regisseuren?

GEORG FRIEDRICH: Es ist natürlich sehr interessant, wenn es Regisseure gibt, die ganz anders arbeiten. Ulrich hört sofort, wenn nicht ehrlich gespielt ist. Er legt extremen Wert auf Authentizität. Haneke legt auch besonderen Wert darauf. Natürlich wollen das alle Regisseure, nur viele lassen einem mehr durchgehen. Ulrich Seidl oder Michael Haneke lassen einem nichts durchgehen. Bei Haneke habe ich bisher leider immer nur ganz kleine Sachen gespielt, mit ihm würde ich gerne einmal etwas Größeres machen.

 

Was bedeutet diese Auswahl für die Shooting Star für Sie?

GEORG FRIEDRICH: Erwartungen habe ich eigentlich keine. Vielleicht passiert etwas, man lernt wahrscheinlich internationale Caster kennen, wird etwas mehr in der Branche gesehen. Vielleicht bin ich gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und ich bin natürlich auch geschmeichelt und es hat mich sehr gefreut, dass meine Arbeit gesehen wird.

 

Gibt es Projekte nach der Volksbühne?

GEORG FRIEDRICH:  Noch nicht. Ich habe immer so recht und schlecht von meiner Arbeit gelebt. Jetzt habe ich doch zwei Jahre viel gearbeitet, jetzt wäre es auch kein Drama, wenn ich ein paar Monate nichts habe. Ich bin jetzt mehr in der Position, Dinge, die mir nicht zusagen, auch abzulehnen. Wenn man kein Geld hat, geht das nicht. Fernsehen bin ich froh, wenn mir nichts angeboten wird, dann brauche ich nicht abzulehnen. Es ist zwiespältig, ich möchte nicht, dass es hochmütig erscheint, vor fünf oder vor zehn Jahren hätte ich mich gefreut, dass ich arbeiten kann und jetzt würde ich es ablehnen, weil es mir zu minder ist? Aber andererseits macht es mir mehr Spaß, Kino zu machen, weil dort genauer gearbeitet wird und weil man besser sein kann, wenn genauer gearbeitet wird. Als Schauspieler versucht man, immer gut zu sein und bemüht sich, gute Arbeit zu machen. Die Serien werden für ein Berieselungspublikum gemacht, da kann man nicht gut sein, weil niemand Wert darauf legt, dass jemand gut ist, weil eh alles durchgeht.

 

In welche Richtung gehen Ihre Pläne? Was würde Sie reizen?

GEORG FRIEDRICH: Kino mit guten Leuten.

 

Interview: Karin Schiefer (2004)