INTERVIEW

Georg Hoanzl zur DVD-Edition Österreichischer Film

 

«Das ganze Thema hat einen hohen wirtschaftlichen und inhaltlichen Wert, besonders für die Akteure in der öffentlichen Wertschätzung. Dieser Erfolg wird auch in der Kulturpolitik zeigen, dass österreichischer Film für die Konsumenten bedeutsam und interessant ist und dass es vielleicht neuer Wege bedarf, die interessierten Rezipienten zu finden. Darin steckt mein Herz und ich glaube, darin sehe ich die Freude und den Sinn meinesUnternehmens.»
Georg Hoanzl über die DVD-Edition Der österreichische Film, die in 50 Exemplaren im November 2006 erschienen ist.


Es ist ziemlich genau ein Monat her, dass der Vertrieb des Projekts gestartet wurde. Wie ist der Verkauf angelaufen?

GEORG HOANZL: Sensationell. Wir haben 427 Verkaufsflächen in Österreich, auf allen wird das Gesamtkonzept präsentiert. Das ist für Menschen, die den Handel nicht kennen, gar nicht vorstellbar, welche Öffentlichkeit das für den Film und die österreichische Öffentlichkeit bedeutet. Es ist im gesamten österreichischen Medienhandel, vom kleinen Buchhändler bis zum größten Medienhändler, dem Saturn, auf der Mariahilfer Straße verfügbar. Wenn die 50 Filme da stehen, dann ist das ein imposantes Bild, das neugierig macht und eine Anziehung ausübt, auch weil es eine Sammelidee aufzeigt.
Wir haben erstens eine enorme Präsenz durch die Werbung der Partner im Handel, die ihr Vertrauen in den österreichischen Film gesteckt haben. Da sind Partner dabei, die noch nie zuvor einen österreichischen Film geführt haben und es ist ja nicht so, dass diese 427 "medialen Programmkinos" gleich wieder ihre Arbeit für den österreichischen Film einstellen. Zweitens sind darüber und dank der Werbung durch meinen Medienpartner Der Standard über 107.000 Einheiten in nur einem Monat verkauft worden. Wenn man weiß, dass bei einem österreichischen Film im Durchschnitt rund 500 DVDs verkauft werden, kann man sich ausrechnen, wie enorm diese Zahl ist. Die Gesamtbox hat einen Umsatzanteil von über 30%, der Handel hat 70% - das wird sich, glaube ich, vor Weihnachten noch ein tolles Wettrennen liefern.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Filme, die es gar nicht gegeben hat, sind jetzt 427 Mal mit einer Öffentlichkeit präsent, die zuvor nicht einmal mit einer schwarz gebrannten DVD möglich gewesen ist, weil das Material in Mexiko war. Als Herausgeber möchte ich möglichst spannende Sachen möglichst gut zugänglich zu machen, d.h. neben dem Aspekt, dass sich das Ding gut verkauft, ist mir dieses Verfügbar-Machen ein großes Anliegen.


Sie haben einerseits hier als Unternehmer eine große Investition getätigt, aber gleichzeitig auch für das österreichische Filmerbe einen wichtigen Schritt gesetzt.

GEORG HOANZL: Das ist auch mein ganzer Stolz. Der Mensch arbeitet ja aus unterschiedlichsten Motiven. Das eine ist der monetäre Grund, das andere sind irgendwelche Formen von Freude. Eine meiner Freuden ist es, inhaltliche Werte zu transportieren und dass es mir vergönnt war, diesen inhaltlichen Schatz zu heben, das ist ein Segen. Dass dieser Transformationsprozess über mich und meine Firma gegangen ist, ist eine innere Freude. Es war ein enormes Risiko. Als ich im Frühjahr dieses Projekt begonnen habe, habe ich zwar alle meine Partner darauf vorbereitet, dass es ein Achttausender unter den herausgeberischen Projekten sein wird. Als im Sommer die finanziellen Ressourcen verbraucht waren, wurden wirklich alle nervös. Da ging es um private Haftungen, um Limitierungen von der Bank, um Zahlungsverlängerungen bei den Partnern, dass das Projekt überhaupt finanziert werden konnte. Es steckt da über eine Million Euro an privatem Geld drinnen - neben dem Umstand, dass ich ohnehin schon eine Firma vorfinanziere. Ich war in den letzten Wochen unter enormer Anspannung, die sich langsam löst. Ich komme mir vor wie ein Marathonläufer, der schon bei Kilometer 60 ist, und niemand hat ihm gesagt, dass der Marathon schon vorbei ist. Ich fühle mich schon sehr müde, aber gleichzeitig beseelt.


Was waren die größten Hindernisse, die es zu überwinden galt?

GEORG HOANZL: Es waren unglaubliche Hürden dabei – Rechtsfragen klären, Partnerschaften finden, die Unsicherheit, ob sich das verkaufen kann, ob es überhaupt finanziert wird, ob nicht doch noch im letzten Moment wieder jemand auftaucht, der einen uns bisher unbekannten Rechtsanspruch erhebt. Die Rechtsklärungen waren unglaublich. Es beginnt damit, dass Erben im Spiel sind, gewisse Rechtsicherheiten wie Darstellerrechte haben nicht bestanden. Bei den Musikrechten war es teilweise so, dass es keine Vorgaben gab. Wir mussten zunächst einmal recherchieren, welche Musik da überhaupt drinnen ist, bevor es um die Rechtsklärung ging. Wer hat die Produzentenrechte, wer hat Vertriebsrechte - das alles von jahrelang stillgelegten Projekten, wo allein schon die Nachforschung, wer das überhaupt hat (wenn man es überhaupt noch bekommen kann) - ein enormes Meisterwerk meiner Firma war. Wir arbeiten seit einem dreiviertel Jahr mit einem sechsköpfigen Team. Schön ist, zu sehen, was für ein enormes wirtschaftliches Volumen der Nischenmarkt darstellt. Eine einzelne Herangehensweise könnte nie diese Öffentlichkeitswerte schaffen wie es dieses Konzept schafft. Wir sind damit mit dieser nationalen Auswahl einzigartig, es gibt in ganz Europa für den nationalen Film kein so ein aufgebautes, verbreitetes und vermarktetes Konzept: stolz, stolz, stolz!


Es gibt drei Partner die maßgeblich an dem Projekt beteiligt sind – Sie als Unternehmer, Der Standard als Medienpartner und das Filmarchiv Austria. Ist die Idee bei allen ungefähr zum selbem Zeitpunkt aufgekommen?

GEORG HOANZL: Nein. Es ist ja so, dass ich seit fast fünf Jahren diese Idee in mir herumtrage. Ich war auf der Suche nach Partnern, die Bereitschaft des Standard war enorm, ich hätte keinen besseren Partner an meiner Seite haben können – inhaltlich und die Werbung betreffend. Über den Standard erfuhr ich, dass das Filmarchiv Austria, an dieser Idee arbeitet. Ich bin auch draufgekommen, dass nicht nur das Filmarchiv Austria, auch der ORF, auch Filmförderer - dass es viele schon probiert haben und dann erkannt haben, welche Hürde die Rechtsklärung darstellt und wieder davon abgelassen haben. Wenn die Rechte einmal geklärt sind, dann muss man die Mittel aufbringen, dieses Projekt zu finanzieren. Die Finanzierung ist hundertprozentig privat erfolgt. Ich habe öffentliches Geld bekommen, das wurde zur Aufstockung und für externe Aufwendungen verwendet. Die öffentliche Unterstützung beläuft sich auf knapp 100.000,- Euro. Ich habe vom ÖFI und BKA Zusagen und Gelder bekommen. Vom Wiener Filmfonds habe ich das bekundete Interesse und die grundsätzliche Entscheidung, aber noch keinen abgesegneten Förderantrag. Meine Hoffnung besteht. Die Projektidee ist meine, ich habe Projektpartner gesucht, das ist mir mit Standard, ORF und anderen gelungen. Der Kommunikationswert, der gerade für diese 50 DVDs aufgewendet wird, liegt bei über 1,5 Millionen Euro. Würde man diese Werbung bezahlen müssen - 70 Seiten Standard, Großwerbung von Standard in anderen Medien, Kinoschaltungen, Fernsehspots, Sonderbeilagen - käme diese Summe heraus. Dazu hatten wir als Firma über eine Million richtige Vorfinanzierungskosten ohne Struktur und Mitarbeiter. Die Rückflüsse, die in die Kreativ- und Produzentenszene gelangen, werden diese Investition der öffentlichen Hand x-fach multiplizieren. Über diesen Erfolg gehen Rückflüsse an die Produzenten, und über die Verwertungsgesellschaften auch an die Drehbuchautoren und die Komponisten. Was investiert wurde, geht vielfach zurück, abgesehen vom Zukunftswert, den sich die Branche in diesem zunehmend wichtigen Spektrum geschaffen hat. Die Filme haben bewiesen, dass es für sie ein Publikum gibt, obwohl sie weitgehend unbekannt sind.


Mit diesem Projekt ist ja auch grundlegend das Terrain für den DVD-Vertrieb österreichischer Produktionen aufbereitet worden.

GEORG HOANZL: Ich habe das Projekt immer mit einer Sprungschanze verglichen, die Frage war - Bauen wir für die nachfolgenden Projekte eine 8-Meter Schanze oder werden sie von einer 120 Meter Schanze springen. Die 427 Verkaufsplätze und der Erfolg sind einfach so, dass jeder nachfolgende DVD Verwerter in Österreich (und der muss leider nicht Hoanzl heißen) auf so ein Vorzeigeprojekt verweisen kann. Es gibt eine Motivation bei den Händlern, die Edition jetzt zu führen, man kann aber auch nicht x-beliebig hineinliefern. Ein bisschen muss man schon wissen, wie das geht. Ich betreibe seit 20 Jahren ein Medienunternehmen und seit zehn Jahren intensiv eine Produktions- und Vertriebsfirma. Ich würde mir nichts anderes wünschen als ein Direktkundengeschäft, weil es natürlich wirtschaftlich gesehen, von der Wertschätzung und von den Reibungsverlusten die nobelste Form wäre. Diese wunderbaren Kunstschätze und Kulturgüter sollten aber nicht aus der Öffentlichkeit des Medienkunden genommen werden. Wenn sie zum Saturn in der Mariahilfer Straße gehen und schauen, welche Marken präsent sind und dann sehen Sie die Edition Österreichischer Film, die wie der Ferrari der Medienszene dasteht, dann gibt das jedem Künstler, jedem Produzenten, der da beteiligt ist, eine Wertschätzung. Das ganze Thema hat einen hohen wirtschaftlichen und inhaltlichen Wert, besonders für die Akteure in der öffentlichen Wertschätzung. Dieser Erfolg wird auch in der Kulturpolitik zeigen, dass österreichischer Film für die Konsumenten bedeutsam und interessant ist und dass es vielleicht neuer Wege bedarf, die interessierten Rezipienten zu finden. Darin steckt mein Herz und ich glaube, darin sehe ich die Freude und den Sinn meines Unternehmens.


Wie groß war der Prozentanteil jener Filme, die nicht digitalisiert waren?

GEORG HOANZL: Es waren jedenfalls deutlich mehr als die Hälfte nicht digitalisiert. Dazu kommt aber: teilweise ist das Material nicht einmal bei den Produzenten vorgelegen. Wir haben Teile dieses Materials aus den Archiven geholt, mit den Partnern z.T. mit dem Filmarchiv restauriert, z.T. auch mit Uli Grimm, der jede DVD gemacht hat. Es waren Fehler drinnen, es gab Bänder, die mussten komplett restauriert werden. Wir bekamen Bänder, die waren nicht kopierfähig, oder wir haben erst nach langer Recherche ein Band gefunden. Das glaubt man jetzt nicht und man merkt dann erst, wie wichtig das Filmarchiv ist. Filme, die man gut kennt und man nicht glauben würde, dass es sie nicht gibt... Der ORF ist ein extrem hilfreicher Platz zur Wahrung der österreichischen Identität und war auch ein guter Partner. Wir hatten oft fehlerhafte Bänder zu digitalisieren, dann kamen die Specials dazu, die auch den formalen und ästhetischen Anforderungen entsprechen mussten. In Wirklichkeit hat jeder Produzent abgesehen davon, dass er uns die Rechte gegeben hat, wofür ich dankbar bin, jetzt eine reproduzierbare, digitale Vorlage für die Neuzeit der Medien. Diese Entstehungskosten waren so hoch, dass jeder Produzent indirekt einen Mehrwert von ein paar Tausend Euro lukriert, weil er das, was er sonst auf eigene Kosten hätte machen müssen, jetzt als kommunizierbares Projekt in der Tasche hat. Dieses Projekt hat einen riesigen Mehrwert auf allen Seiten. In die Zukunft, für die Gegenwart, für die Produzenten, für die Kreativen, für die Fördergeber, für die Konsumenten, für den Status des österreichischen Films gegenüber Medien und Fördergebern. Das habe ich gewusst und das hat mir auch die Kraft gegeben, zu überleben. Es gab Momente, wo Unterstellungen ins Spiel kamen, da ist auf Ebenen diskutiert worden, wo ich mir sagte, wieso ist der Mehrwert nicht erkennbar? Mittlerweile erlebe ich das Gegenteil, besonders bei Schauspielern und Regisseuren, die sich freuen, dass es das jetzt gibt.


Gab es Projekte, die man aufgeben musste?

GEORG HOANZL: Ja, viele. Es ist so, alle Projekte, die wir aufgegeben haben, haben wir genau aus zwei Gründen aufgegeben: das eine war die nicht herstellbare Rechtssicherheit, wo durch sehr verfahrene Rechtsvereinbarungen nicht geklärt werden konnte, wer der Rechteinhaber ist. Der zweite schwierige Punkt sind die Musikrechte - das war bei Fernsehfilmen v.a. bei den Corti-Filmen der Fall, wo der Filmemacher sehr viel auf internationale Musik zurückgegriffen hat. Egal wie kurz das Stück angespielt ist, da gibt es Tarife, wo man sofort hunderte Euros zahlt. Wenn da 20 Musiktitel drinnen sind, müsste man 10- bis 15.000 Euro Grundinvestition tätigen, damit die Verlage überhaupt erlauben, den Film anzuspielen. Das ist rein daran gescheitert. Vieles von Axel Corti, ist von den Musikrechten her nicht klärbar. Es sind legendäre Fernsehfilme, die Rechtseinräumung betraf nur das Fernsehen zu einem Zeitpunkt, wo die Verwertung auf anderen Trägern kein Thema war. Wir haben uns wirklich über viele Hürden drübergehoben, sauber geklärt, viele individuelle Wünsche von Regisseuren und Produzenten erfüllt und sind trotzdem erschienen.


Gibt es also das Potenzial für eine zweite Serie 51 bis 100?

GEORG HOANZL: Dieses Projekt ist als Erweiterungsedition aufgebaut. Wie es dann gestaffelt wird, wissen wir nicht. Wir werden im Jänner die Ergebnisse der ersten drei Monate reflektieren Es wird sicher nächstes Jahr, vielleicht wirklich im vollen Umfang, 51 bis 100, eine Erweiterung geben. Es laufen schon mit allen Beteiligten Gespräche und auch darüber, wie das Projekt ins Ausland transferiert werden kann. Deutschland und Schweiz sind logische Distributionsstätten, da ist aber noch einiges an Rechtsklärung notwendig. Jetzt haben wir jedenfalls den Erfolg im Rücken.


Bei 50 DVDs mussten zwangläufig auch Auslassungen gemacht werden?

GEORG HOANZL:  Es gefällt mir, wenn ich in abgeschlossene Kreativzirkel komme, wo leidenschaftlich diskutiert wird, wer welche Filme hineingenommen hätte. Die Diskussion wird natürlich jeder rechtlichen Wirklichkeit enthoben geführt, zeigt aber, was da für kulturelle Leidenschaft drinnen ist. Blöd ist es, wenn mir und auch dem Standard und dem Filmarchiv Austria unterschoben wird, wir seien zu unfähig gewesen, dies oder jenes zu beachten. Es ist unmöglich, bei 50 alles zu repräsentieren und jede Betrachtungsweise zu berücksichtigen, selbst wenn wir alle Rechte dieser Welt gehabt hätten, wäre das nicht gelungen. Was gelungen ist, ist das Interesse zu wecken und diese Diskussion in Gang zu setzen.


Was macht Ihrer Meinung nach den Erfolg dieser "Sammel-Ausgaben" mit denen im deutschsprachigen Raum die Süddeutsche Zeitung begonnen hat, aus?

GEORG HOANZL: Es ist die Übersicht. In einer Welt der Unübersicht und Orientierungslosigkeit schaffen Projekte, die seriös versuchen, Übersichten und Orientierungen zu vermitteln, durchaus Zustrom. Solche Editionen schaffen kulturelle Zugehörigkeit. Wer immer diese Filme kauft, beheimatet sich und es gibt viele Menschen, die in Österreich beheimatet sind.

Interview: Karin Schiefer
2006