INTERVIEW

Kurt Palm über DER WADENMESSER ODER DAS WILDE LEBEN DES WOLFGANG MOZART

 

«Es geht mir auch darum, einen Beitrag zur Vielfalt zu leisten. Mein Ansatz ist der, dass ich versuche, einen anderen Blick auf Dinge anzubieten und die Leute zu animieren, nicht alles zu fressen, was einem von der öffentlichen Meinung vorgeworfen wird. Mozart ist da ein tolles Objekt. Er ist immer außerhalb der Gesellschaft gestanden, er hat zwar versucht, Teil der Gesellschaft zu werden, es ist ihm aufgrund seiner Charaktereigenschaften nicht gelungen. Er ist immer sehr geradlinig seinen Weg gegangen, selbst auf die Gefahr hin, dass er Schaden leidet.» Kurt Palm über seine neue Künstlerbiographie Der Wadenmesser oder das wilde Leben des Wolfgang Mozart.

 

Bevor wir auf Mozart eingehen, möchte ich noch auf vor Der Schnitt durch die Kehle über Adalbert Stifter ausholen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Art von Künstlerbiografie zu entwickeln.

KURT PALM: Das auslösende Moment, diese beiden Filme in dieser Form zu machen, war eigentlich die Diagonale 2002, wo ich in der Jury für den Großen Diagonale-Preis war und in einer Woche 21 österreichische Filme angesehen habe, davon 11 Dokumentarfilme. Ich habe mich bei vielen Filmen geärgert, weil mir immer der Regisseur abhanden gekommen ist. Ich verstand nicht, warum sich die Leute immer hinter der Kamera verstecken. Nicht physisch, aber man konnte als Zuschauer keinen Standpunkt erkennen. Über Michael Moores Filme und seine Holzhammermethode mag man diskutieren. Was mir bei ihm gefällt, ist, dass man ihn vor der Kamera sieht und er seinen Standpunkt darlegt. Ich hatte schon lange geplant, etwas über Stifter zu machen und das war nun mein Ansatz, den Autor und Regisseur vor der Kamera zu sehen. Jeder sieht, aha, das ist die Meinung von dem, da kann man sich dann sein eigenes Urteil bilden, ich behaupte ja nie, meine Filme sind die einzige Wahrheit, die es über diesen Menschen, sein Werk und seine Zeit gibt.

 

Wie fiel die Entscheidung für Stifter und Mozart?

KURT PALM: Warum Stifter, warum Mozart, das war von meiner Biographie her klar, da ich mich sehr lange mit beiden beschäftigt habe. Irgendwann haben sich Bilder im Kopf festgesetzt, die versucht man dann zu realisieren. Bei Mozart hatte ich schon lange etwas geplant und auch die Gunst der Stunde genutzt. Der Stifter-Film war wirklich ein No-Budget-Film, wir hatten 100.000,- - inkl. Verwertung. Es spricht für ÖFI und Filmfonds Wien, die beide den Stifter-Film abgelehnt hatten, dass sie beide gekommen sind und gesagt haben, das war eine Fehlentscheidung, den Film nicht zu fördern. Sie haben das Endprodukt sehr gern gemocht und mir in Aussicht gestellt, wenn ich etwas in der Richtung mache würde, es zu unterstützen. Ich habe, als der Stifter-Film noch im Kino lief, das Mozart-Drehbuch geschrieben und das wurde gefördert, sodass wir für Mozart inklusive Verwertung ein Budget von 500.000 zur Verfügung gehabt haben.
 

Ging es auch darum, dem Mozartjahr vorauszueilen?

KURT PALM: Ich bin ein Mensch, den interessiert der Anti-Zyklus mehr als der Zyklus. 249. Geburtstag ist lustiger als 250. Ich wollte diesem Mozartjahr entgehen aus der Befürchtung, dass ich dann untergehe. Jetzt ist es so, das sehe ich in der Premierenvorbereitung, dass der Film eine große Aufmerksamkeit genießt. Es gab eine gigantische Presse, einen wirklichen Mozart-Hype. Es brachten Medien etwas darüber, die gar nicht mein Zielpublikum darstellen.

 

Was ist Ihr Zielpublikum?

KURT PALM: In Zahlen bemessen 20.000. Das ist unser Ziel und das wäre ein sehr, sehr großer Erfolg. Ich gehöre zu den Regisseuren, die immer großen Wert darauf gelegt haben, dass die Dinge, die ich mache, auch ihr Publikum finden. Ich kämpfe um jeden Zuschauer, ich fahre viel herum, ich war in sieben Städten jetzt im Zuge der Premieren und wenn er im Mai in Wiener Neustadt spielt und ich eingeladen werde, dann schau ich, dass ich dabei sein kann. Von der Definition des Zielpublikums ist natürlich klar, dass der Film kein Blockbuster wird. Er richtet sich an jene Leute, die den anderen Blick auf Dinge akzeptieren, die daran Interesse haben, sich mit einem anderen Blickpunkt auf Dinge auseinander zu setzen, von denen man glaubt, sie zu kennen. Es geht mir auch darum, einen Beitrag zur Vielfalt zu leisten. Wir leben ohnehin in einer Welt, die immer eindimensionaler wird. Wir merken es ja schon gar nicht mehr, wie alles über einen Kamm geschoren wird. Wer nicht hineinpasst, der fällt hinaus. Mein Ansatz ist der, dass ich versuche, einen anderen Blick auf Dinge anzubieten und die Leute zu animieren, nicht alles zu fressen, was einem von der öffentlichen Meinung vorgeworfen wird. Mozart ist da ein tolles Objekt. Er ist immer außerhalb der Gesellschaft gestanden, er hat zwar versucht, Teil der Gesellschaft zu werden, es ist ihm aufgrund seiner Charaktereigenschaften nicht gelungen. Er ist immer sehr geradlinig seinen Weg gegangen, selbst auf die Gefahr hin, dass er Schaden leidet.

 

Mozart ist ungleich mehr als Stifter mit Legenden und Mythen behaftet. Wie viel aufwändiger war die Recherche?

KURT PALM: Zu Mozart allein gibt es augenblicklich in der Bibliothek des Mozarteums in Salzburg 20.000 Bände. Man hat versucht, jede Minute zu dokumentieren, was natürlich nicht gelungen ist. Man weiß im Grunde nichts über ihn, sage ich jetzt mal verkürzt. Man weiß, dass er 1,50 m groß war und da werden sich Experten streiten, ob es nicht doch eher 1,49 oder 1,52 waren. Worauf ich mich gestützt habe, waren ausschließlich Originaldokumente, zum Glück sind die 3.000 Seiten Briefe zwischen Mozart und Mozart erhalten. Die Mozarts waren eine sehr lustige und schreibfreudige Familie, es gibt einen tollen Briefwechsel, der eigentlich alles erzählt. Dann habe ich mich im Wesentlichen auf drei, vier Biografien gestützt, wobei ich auf die ersten zurückgegangen bin - auf die von Franz Xaver Niemetschek aus 1796 und dann auf die von Constanzes zweitem Ehemann Georg Nikolaus Niessen 1828, wichtige Lektüren waren auch Norbert Elias und das Hildesheimer Buch.

 

Wenn 1796 schon eine erste Mozart-Biografie erschien, heißt es, dass er kurz nach seinem Tod bereits ein mediales Thema war?

KURT PALM: Das ging tatsächlich sehr schnell - daran war Constanze sehr maßgeblich beteiligt - sie hat sich erstaunlicherweise gleich nach Mozarts Tod sofort als Vermarktungsgenie ihres Mannes herausgestellt. Sie war die erste, die den Namen Amadeus eingefügt hat, Mozart hat nie Amadeus geheißen, das ist eine Legende. Constanze hat ein paar Monate nach Mozarts Tod einige Originalhandschriften ihres Mannes um 800 Dukaten an den König von Preußen verkauft, was damals sehr viel Geld war. Sie hat Mozart um 51 Jahre überlebt und hat im Laufe der Jahrzehnte ein gigantisches Vermögen erarbeitet gemeinsam mit ihrem Mann, der auch wiederum relativ früh verstorben ist. Die Mythenbildung hat unmittelbar nach seinem Tod eingesetzt. Archivarbeiten ist ein Hobby von mir, leider gibt es sie nicht mehr in der ursprünglichen Form, weil alles digitalisiert wird. Die Briefe gibt es in gedruckter Form, die gesamte Ausgabe ist aber sehr teuer. Es erscheinen immer wieder irgendwelche Briefausgaben, die sind aber schon Teil der Mozartverfälschungsmaschinerie, da nur die Briefe gebracht werden, die irgendwie ins Bild passen. Wenn man alle Briefe lesen würde - die alle durchzuarbeiten würde ein Jahr in Anspruch nehmen - dann würde man schon ein recht klares Mozart-Bild haben, das mit dem, was uns heute von der Mozart-Verwurschtungsindustrie präsentiert wird, überhaupt nichts zu tun hat.

 

Gibt es einen Menschen Mozart, den Sie im Zuge der Recherche entdeckt haben, den Sie uns zeigen wollen oder gibt es vielleicht doch das eine oder andere Klischee, das sich erhärtet?

KURT PALM:  Ich arbeite natürlich auch mit Klischees. Mein Film ist eine Art alphabetisches Register unter X musste ich zwangsläufig Xantippe unterbringen, mit der Constanze gemeint ist. Natürlich ist das ein Klischee. Ich bin auch kein Heiliger und natürlich sind einige Fehler im Film, das passiert ganz einfach, das ist auch nicht so schlimm. Ich bin deshalb so für Mozart eingenommen, weil er ein Anarchist war, in seinem ganzen Wesen ein anarchischer Typ, der permanent in Bewegung war. Das wird auch von Zeitgenossen so geschildert "er konnte keine Minute still sitzen" er hat immer herum gespielt, mit seiner Uhr, mit dem Besteck, alles was ihm unterkam, er war immer in Gedanken und er hat rund um die Uhr im Kopf komponiert. Man fragt sich, wie ist es möglich 700 Werke zu schreiben. Meine Interpretation ist die, Mozart hatte ein mathematisches Gedächtnis, er hatte das im Kopf und hat es niedergeschrieben, fertig. Die Kopisten haben die Stimmen dazu geschrieben und das ausformuliert. Dadurch, dass er permanent in Bewegung war, musste er auch einen spielerischen Umgang mit der Realität haben. Das Spielerische an ihm hat mich auch so fasziniert - da gab es nichts Festgefügtes, es war ein prozesshaftes Leben. Der Umstand, dass er im Laufe seines Lebens 200 Maskenbälle besucht hat, sagt sehr viel aus über ihn. Er hat sich als indischer Philosoph verkleidet, als Hanswurst - eine Figur, die ihm sehr nahe lag - dieser plebejisch, fäkalkomische Typ aus dem Salzburgischen oder als Tiroler Bäuerin. Er hat sich verkleidet und sich 30 verschiedene Namen gegeben. Wolfgang Amadeus Mozart hat er sich nur zweimal in einer Beichtparodie genannt. Er hatte einen spielerischen Umgang mit der Wirklichkeit und natürlich war er auch ein Spieler. Das Glücksspiel hat ihn sehr gereizt, er hat Billard gespielt, 17 Kartenspiele, sehr viele Hasardspiele wie Kegelscheiben, Eisstockschießen, immer um Geld. Das Spielerische ist die eine Seite, das andere ist natürlich die, dass er gegen Ende seines Lebens unter starken Depressionen gelitten hat, das ist eine andere Seite seiner Persönlichkeit, die seinem Charakter aber nicht widerspricht.

 

Es gibt im Film Elemente, die sehr fundiert sind und bestehende Klischees revidieren. Dann gibt es aber auch das völlig "absurde Theater" im Sonnenblumenfeld oder die Sache mit der Haarlocke? Wie ernst darf man diesen Film nehmen?

KURT PALM:  Sagen wir so: was Mozarts Biographie und seine Rezeption betrifft, weiß ich sehr gut Bescheid. Bei der Geschichte mit der Haarlocke mache ich mich um den Mozartkult lustig, der mit diesen absurden Dingen versucht, Geschäfte zu machen. Es gibt wirklich in Museen Haarlocken, wo steht, "wahrscheinlich Haare Mozarts". Auch die Sache mit dem Totenschädel ist sinnlos. Wo ist denn der Erkenntnisgewinn, wenn ich jetzt weiß, dieser Knochen gehört dem Mozart. Beim Sonnenblumenfeld war es dann das Ypsilon, das uns gerettet hat. Der Anspruch meines Films ist der, dass jede Person, die hineingeht, klüger herausgehen soll als sie hineingeht. Dass man sich ein paar Sachen merkt und dass man vielleicht auch gewappnet ist für das Mozartjahr 2006, ich glaube, dann kann einen nichts mehr erschüttern. Es ist seriös recherchiert. Wenn ich sage, er ist sieben Mal durch Timelkam gefahren, dann ist das auch belegt. In Mösendorf ist er auch durchgefahren. Es geht mir um die Überschneidungen.

 

Wieviel Material hatten Sie insgesamt zusammengetragen?

KURT PALM: Es ist in meinem Film nur ein Bruchteil von dem drinnen, was wir gedreht haben. Wir hatten 30 Stunden Material, mein Limit war 85 Minuten, ich bin froh, dass ich es auf 82 herunter geschafft habe. Ich habe viele Aspekte aufgenommen, sie gedreht, konnten sie aber schließlich nicht hineinpacken. Wir haben eine siebenminütige Passage über einen Ballonflug im Juli 1791 gedreht, wenige Monate vor seinem Tod ist Mozart Zeuge des ersten bemannten Ballonflugs in Österreich geworden. Mozart hat sich sehr für Naturwissenschaften interessiert, hat sehr genau beobachtet, wie dieser französische Ballonschausteller Blanchard, der von Stadt zu Stadt gereist ist, aufgestiegen ist. Dass in der Zauberflöte die drei Knaben in einem Flugwerk auf die Bühnen kommen, hängt unmittelbar damit zusammen. Wir haben zwei Tage im Ballon gedreht, dann muss man als Regisseur hart sein und sagen, weg damit. Jetzt sieht man den Ballon sieben Sekunden. Bestimmte Aspekte sind im Film natürlich überbewertet, andere kommen überhaupt nicht vor, mein Film ist ein Versuch, über ganz nebensächliche Dinge etwas über diesen Menschen zu erzählen, um ein bisschen mehr Gespür für ihn zu kriegen. Die Geschichte mit dem Wadenmessen ist für mich so ein Beispiel.
 

Was hat es mit dem Wadenmessen auf sich?

KURT PALM:  Es gibt einen einzigen Brief Mozarts, drei Monate vor der Hochzeit mit Constanze, die damals bei der Baronin von Waldstätten gelebt hat. Sie war eine bekannte wilde Henne in Wien, in deren Haus es immer wilde Partys gab, an denen auch Constanze teilgenommen hat. Mozart hat Ende April 1782 erfahren, dass sich Constanze bei einer dieser Partys sich von einem Burschen die Waden hat messen lassen, was damals ein Gesellschaftsspiel war. Er war so empört über dieses Vorgehen seiner Verlobten, der Hintergrund war erotisch höchst brisant, da die Frauen damals keine Unterwäsche trugen. Mozart verrät sich dann und meint von sich selbst, dass er bei diesem Spiel, der Frau das Band halten lasse. Das hat mich fasziniert und amüsiert, man kennt ihn als großen Komponisten von großartigen Werken, den Wadlmesser kennt man eigentlich nicht. Ich habe mich mehr mit diesen Seitenthemen beschäftigt. Es kommt auch nur zweimal in seinen Briefen vor, dass er gerne Rinderzunge gegessen hat. Der Film ist ja keine geradlinige Sache, es ist auch ein bisschen eine Kraut- und Rüben-Geschichte.

 

Es ist kein Film, der sich nur des Mediums Film bedient, es gibt graphische Elemente, Animation, Musik. Wie genau legen Sie das Buch fest, wie gehen Sie dann ans Umsetzen?

KURT PALM:  Im Drehbuch sind 75 Szenen beschrieben, beim Drehen haben wir alles gedreht, was drinnen stand. Der Film sollte ursprünglich ganz anders ausschauen. Wir dachten, es wird ein Reisefilm, wir gehen von der Reise von Salzburg nach Wien aus, d.h. der Reise von Geburtsort zum Sterbeort und erzählen anhand dieser Überschneidungen - Mösendorf, Kamel im Wappen von Timelkam, Haarlocke in Lambach, die Kreuzungspunkte der Mozartbiografie und unsere Realität heute. Karina Ressler hat den Schnitt gemacht, von den 30 Stunden haben wir mal 26 aussortiert, die vier Stunden waren das Arbeitsmaterial, dann gab es einen ersten Rohschnitt mit zweieinhalb Stunden. Ich hab das gesehen und gesagt, das ist ja eine Katastrophe, das ist langweilig und vollkommen uninteressant. Wir kürzten auf zwei Stunden und ich fand, der Film funktionierte nicht. Da gibt es dann zwei Möglichkeiten, entweder man ist Dogmatiker, man besteht darauf und sagt, so ist er geschrieben worden, jetzt muss er so sein. Oder ich hab mich dann mal eine Nacht hingesetzt - hab den Film auseinander genommen, lange Listen erstellt, die auf riesigen Papiertafeln an der Wand im Schneideraum hingen - und da entdeckte ich zufällig, dass ein paar Begriffe in alphabetischer Reihenfolge dastanden - Amadeus, Baesle, Colloredo, Dienstmädchen oder so ähnlich. Da ist mir klar geworden, dass ich mich völlig von dem verabschieden musste, was ich vorhatte und dem Film im Schneideraum ein neues Aussehen geben musste. Die Animationen waren in der Form auch nicht vorgesehen. Ich sprach mit Petra Zöpnek und erklärte ihr, dass sie nun für 26 Buchstaben kleine Geschichten von sieben Sekunden Länge erzählen musste, in denen jedes Mal Mozart als Figur auftrat. So entstand etwas völlig Ungeplantes. Das ist auch das Tolle beim Film, dass man das Prozesshafte immer im Auge behalten muss. Das bedeutete in dem Fall auch, dass wir die Zwischenmusik, die Chrono-Popp gemacht hatte und die bereits fertigen Animationsblöcke von Petra Zöpnek wieder rausnehmen mussten, um etwas Neues zu machen.

 

Mit welcher Vorgabe komponierte Chrono-Popp die Musik?

KURT PALM: Mein Auftrag an ihn lautete, Mozart'sche Themen zu aktualisieren. Es gibt ein paar Takte aus der Arie des Leporello Madamina ..., die er neu arrangiert hat. Das zweite war, dass ich unbedingt jetzige Musiker haben wollte. Deshalb habe ich Texta eingebaut, das ist eine HipHop-Gruppe aus Oberösterreich. Ihnen habe ich Originalzitate von Mozart gegeben und sagte - ihr müsst dem einen zeitgemäßen Sound, einen HipHop-Sound verpassen. Die haben das genial gemacht. Dann hab' ich Chrono Popp und Andi Karner gebeten, dass sie aus Brieftexten Mozarts eine Art Pop-Song machen - soweit war das Mozart als Textautor in Verbindung mit zeitgenössischer Musik. Dann wollte ich ein orientalisches Thema wie das aus Entführung aus Serail auf orientalisch gespielt haben. Ich hab Kadero Ray, einen Sänger aus dem Maghreb kennen gelernt, der wiederum mit Otto Lechner zusammenarbeitet, so sind wir zusammengekommen mit Marwan Abado, der Oud spielt. Ich finde das toll, dass Mozart in unsere Gegenwart geholt wird. Das funktioniert. Es gibt auch eine CD, die ist 55 Minuten lang, das sind alle drauf und ich lese noch drei Mozartbriefe.
 


Es gibt eine Unmenge an Drehorten, wie wurden sie ausgewählt?

KURT PALM:  Es waren mindestens 75. Die Recherche war ziemlich aufwändig. Z.B. den Stör zu finden. Ich wusste gar nicht, ob es in Österreich noch einen Stör gibt. Ich hab zum Glück einen guten Bekannten, der mir drei Adressen in Österreich ausfindig gemacht hat, gottseidank gab es einen Züchter, der richtig große Störe hatte. Einen bis zu zwei Meter, den haben wir leider nicht gefunden. Ich hab mir einen geschnappt, der hat sicherlich 30 Kilo gehabt und wir mussten auch nur ein einziges Mal drehen. Es ging ja nur einmal, dann hatte er wahrscheinlich einen Schock fürs Leben und war dahin. Wir hatten auch riesiges Glück mit dem Wetter, wir starteten am 26 Juli bis Ende August und der letzte Sommer war sehr lange total verregnet. Wir hatten keinen einzigen Regentag, nicht einmal in Salzburg. Es war eine tolle Arbeit, aber sicherlich nicht einfach. Die Stiftung Mozarteum hat uns ursprünglich am Anfang drinnen nicht drehen lassen, es gab ganz merkwürdige Verträge, wonach sie das Bildmaterial freigeben wollten. Das war ich nicht bereit zu akzeptieren und es bedurfte eines langen Hin und Hers, bis wir die Dreherlaubis ohne diese Auflage erhielten.

 

Wie wurde die Kostümfrage gelöst?

KURT PALM:  Wir haben uns bei Mozart lange die Frage gestellt, was wir machen sollen. Ich sagte aber dann, wenn wir jetzt anfangen, das ganze groß mit Kostümen aufzuziehen, dann kommt das in eine Richtung, wo wir anfangen, alles zu verändern. Ich ziehe einfach an, was ich habe, auch wenn es zu Überschneidungen mit dem Stifter-Film kommt, wo ich einfach meine Sommer-Freizeitklamotten anhatte. Sonst hätten wir gleich sagen müssen, wir machen den Film von der Struktur her anders. Ich wollte aber wieder vor der Kamera stehen, damit von vornherein die Autorenschaft klar ist und jeder Mensch weiß, wer da spricht.

 

Es sieht so aus, als hätten die Dreharbeiten auch Spaß gemacht?

KURT PALM:  Ich muss dazu sagen, ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob es gut war, einen zweiten Teil zu machen. Es war Spaß, aber natürlich war ein anderer Druck da als bei Stifter. Bei Stifter gab es überhaupt keinen Druck, da sind wir einfach losgefahren, um zu drehen und haben uns gesagt, irgendwann spielt ihn der ORF schon um 1.00 Uhr. Bei 500.000 ist ein bisschen ein anderer Druck da. Die Drehzeit selber war toll.

 

Wie sieht es mit einer nächsten Biographie in diesem Stil aus?

KURT PALM: Wolfgang Lorenz hat zu mir bei der Abnahme gesagt, ich solle unbedingt einen Film über Freud machen. Ich habe keine Ahnung von Freund und interessiere mich auch nicht für die Psychoanalyse. So einen Film kann man aber nur machen, wenn man wirklich Bescheid weiß, sonst steht man ja sofort an. Ich gehöre zu den Menschen, die sich ungern wiederholen. Immer wenn ich das Gefühl habe, es stellt sich ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, habe ich aufgehört. Ich bin jemand, der immer wieder etwas Neues kennen lernen möchte. Ich fadisiere mich schnell und ich denke das ist jetzt ok mit zwei Teilen. Wenn ich auf den dritten Teil angesprochen werde, dann sage ich, das war der zweite und letzte Teil meiner Künstlertrilogie, den dritten Teil muss sich jeder im Kopf zusammenstellen. Kafka ist schon ein Thema für mich. Vielleicht mache ich auch einen Film über ihn, aber dann sicher ganz anders. Ich bin deshalb auch froh, dass ich mit dem Mozart-Film so zufrieden bin. Ich war der, der unter allen Beteiligten die größte Skepsis hatte. Ich bin mein größter Kritiker und halte meine eigenen Sachen immer für am wenigsten gut. Diesmal hatte ich das Gefühl, es passt. Auch wenn der Film jetzt erfolgreich werden sollte, und man mir das Budget für einen weiteren Film anbietet, dann würde ich es nicht für eine gute Idee halten. Da bin ich relativ konsequent, weil es mir nicht um einen vordergründigen Erfolg oder ums Geld geht. Das kommt später, zuerst muss das gute Material da sein, dann können das Geld und der Erfolg kommen.

 

Interview: Karin Schiefer (2005)