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Österreichische Firmen profilieren sich mit Koproduktionen

 

Die Premiere des Goldenen Bären-Films Grbavica in ihrer Heimatstadt Sarajewo hat Jasmila Zbanic nicht so richtig auskosten können. Kaum von der Party heimgekehrt, ging es zum Flughafen, um am darauf folgenden Tag bereits den Film in der Stadt ihrer federführenden Produzenten, der coop99 filmproduktion, zu präsentieren und den seit der Berlin-Premiere anhaltenden Interview-Marathon fortzusetzen. Goldener Bär und Verkäufe in 18 Territorien (Stand: März 06) in Europa und Lateinamerika: eine Bilanz, die sich wohl keiner hätte träumen lassen, als Barbara Albert im Jahr 2000 begann, Jasmila Zbanic bei der Stoffentwicklung für ihren ersten Langfilm zu begleiten und in der Folge auch nach Koproduktionspartnern Ausschau zu halten. Die deutsche noirfilm und das ZDF kamen an Bord des Projektes, das die coop99 filmproduktion von der ersten Stunde an trug, denn in Bosnien selbst fehlte es zum damaligen Zeitpunkt nicht nur an einer entsprechenden Förderinstitution, es stand den dortigen Filmemachern auch kaum technische Ausrüstung zur Verfügung. Dennoch gerade rechtzeitig begann der Bosnian Film Fund seine Tätigkeit, stieg noch in die Finanzierung ein und verzeichnet für sein erstes Förderprojekt gleich den Hauptpreis in Berlin::: gerade rechtzeitig wurde auch Kroatien Mitglied von Eurimages und ermöglichte im Rahmen der ersten Einreichungen, dass Grbavica in den Genuss von Eurimages-Geldern kam. Gelder, die die letzte Lücke schlossen, nachdem ein deutscher Fördergeber ausgefallen war und der bereits fixierte Drehstart zunächst verschoben werden musste. "Ein Film wie Grbavica", so Barbara Albert, die gemeinsam mit Bruno Wagner den Film in den Produktionsfragen betreute, "kann schon aus rein finanziellen Gründen nur als europäische Koproduktionen zustande kommen. Ich finde es aber auch auf einer inhaltlichen Ebene sehr schön, dass Kroatien mit dabei war. Ein Preis wie jetzt in Berlin macht einen natürlich glücklich, weil da etwas aufgegangen ist, was wir zum Teil mit großen Hindernissen und Energieaufwand betrieben haben." Als majoritäre Koproduktion war Grbavica nicht gerade ein Modellfall für die österreichischen Förderer - waren doch weder Dreh noch Postproduktion in Österreich vorgesehen, das im Gegenzug aber beträchtlichen künstlerischen Input (Kamera, Schnitt, Drehbuch-Mitarbeit) und das produktionstechnische Know-how lieferte. "Der Erfolg hat uns recht gegeben", resümiert Roland Teichmann die Entscheidung des Österreichischen Filminstituts, den Film zu unterstützen, "es war durchaus mutig, in diesem Film als majoritärer Partner mehr zu rutschen als zu gehen, es war keine typische Koproduktion, aber manchmal muss man auch als Förderer etwas riskieren und v.a. der Produktionsfirma und dem Team vertrauen. Dieses Vertrauen wurde auch reich belohnt." Neue Maßstäbe Großes Vertrauen setzten die österreichischen Fördergeber auch in Klimt - ein mit 6,6 Mio Euro Gesamtbudget für österreichische Verhältnisse neue Maßstäbe setzendes Projekt. Dieter Pochlatko hat eine Drehbuchidee, die er bereits mit dem 2002 verstorbenen Herbert Vesely (Egon Schiele: Exzesse) entwickelt hatte, wieder aufgegriffen und sich auf die Suche nach Partnern und einem Regisseur gemacht.

 

Raoúl Ruiz' Proust-Adaptierung Le temps retrouvé traf genau seine Vorstellungen und der in Frankreich lebende, aus Chile emigrierte Filmemacher stieg auf sein Angebot ein. Ein knappes Jahr später lag das neue Drehbuch vor. Mit Dauer-Koproduktionspartner Arno Ortmair von der Münchner film-line teilte sich die epo-film die Suche nach internationalen Mitstreitern - film-line sorgte für den englischen (Lunar Films), von Wien aus bemühte man sich um den französischen Partner (Gemini-Films). Zusätzlich zum thematischen Bonus Klimt, der viele Türen öffnete, gewann das Projekt mit dem sehr früh unter Vertrag gebrachten John Malkovich nochmals an Attraktivität. Dennoch fehlte trotz eines relativ glatt verlaufenen Finanzierungsprozesses ein Monat vor Drehstart eine Million Euro, die letztlich ein deutscher Privatinvestor auf den Tisch legte und das knappe Zeitfenster, das Malkovich für Klimt-Dreharbeiten anzubieten hatte, konnte eingehalten werden. "Die große Schwierigkeit bei so großen Projekten," umreißt Dieter Pochlatko die risikoreiche Gratwanderung des federführenden Produzenten, "ist die Aufrechterhaltung der Liquidität und die Vorfinanzierung. Wir hatten schon Vorkosten von rund 700.000,- Euro , ehe noch ein Fördervertrag wirksam geworden ist. Das Bittere in Österreich ist, dass man keine einzige Bank findet, die bereit ist, Film vorzufinanzieren, auch wenn man Verträge vorlegen kann. Das ist ihnen zu suspekt, zu zirkusartig, zu fremd. Schade, denn damit ist ein wichtiger Industriezweig in Österreich am Geldverkehrssektor absolut diskriminiert." Kreativität und Kultur Klimt wie Grbavica repräsentieren beide in ihren grundverschiedenen Profilen zwei Ausformungen der internationalen Zusammenarbeit, wie sie in den letzten Jahren immer öfter zu finden sind: steht Klimt zunächst für eine Budgetgröße, die eine Kooperation zwischen mehreren Ländern unabdingbar macht, so liefert der Film auch thematisch idealen Stoff zum kulturellen Transfer. "Neben der ökonomischen," so Roland Teichmann, "haben Koproduktionen eine wichtige kulturelle Funktion. Österreichische Inhalte und Themen lassen sich präsenter machen. Es geht also nicht nur um den Austausch von Geld, sondern auch von Kreativität und Kultur." Die Low-Budget Produktion Grbavica ist zwar ebenfalls erst aufgrund einer länderübergreifenden Finanzierung zustande gekommen, wesentlich war hier aber auch das produktionstechnische Know-how aus Wien, das der Realisierung des Projekts zugrunde liegt. Nachbarländer in Osteuropa gewinnen neben Ländern wie Frankreich und Großbritannien, die in den letzten Jahren hinter Hauptpartner Deutschland rangierten, als Kooperationspartner immer mehr an Terrain. Dabei ist neben Ländern wie Bosnien, das erst im Aufbau einer Filmindustrie begriffen ist, und jenen wie Ungarn oder Bulgarien zu unterscheiden, die, auf einer eigenen Industrie aufbauend, als Line-Producer für amerikanische Produktionen zuletzt gutes Geld verdient haben und nun mit Partnern in eigene Projekte investieren: "Ich halte das für eine sehr erfrischende Situation für Österreich", so Peter Zawrel vom Filmfonds Wien, "wir haben einen sehr hohen Qualitätslevel im Bereich der Postproduktion, Österreich ist für kleinere nicht-deutschsprachige Länder interessant, weil es das Tor zum deutschsprachigen Markt öffnet und wir haben den Vorteil einer kulturellen Kompetenz, da wir diesen Teil Europas gut kennen". Mehr noch als das kulturelle Interesse an einer Kooperation mit den Nachbarländern im Osten, zählt für den Filmfonds Wien der regionale Filmbrancheneffekt, der sich auch in der Internationalisierung des Standortes misst. "Die coop99 filmproduktion ist," so Peter Zawrel, "ein hervorragendes Beispiel dafür, wie internationale Kooperationen, sei es mit Weltvertrieben, sei es mit ausländischen Koproduzenten, sei es mit Regisseuren sinnvoll aufgebaut werden können. Für uns ist das ein wichtiger Faktor." Die Rechnung scheint aufzugehen: während Grbavica und Klimt zum Endspurt der Verwertung ansetzen, wird für die nächsten großen Projekte intensiv an den Drehvorbereitungen für den Jahrgang 2006 gearbeitet: darunter sind Die Fälscher von Stefan Ruzowitzky (Aichholzer Film), The Nazi Officer's Wife von Mike Figgis (Dor Film) und Lorenzo Da Ponte von Carlos Saura (Satel Film) zu erwarten.

 

Karin Schiefer
2006