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Simon Aeby dreht HENKER in Budapest

 

Die Schauspieler sind vorwiegend britisch, der Regisseur kommt aus der Schweiz, es ist jedoch eine österreichische Produktionsfirma, die mit Henker einen Schritt ins große internationale Kino gewagt hat. Freundschaft, Liebe und Ideale zur Zeit der Inquisition stehen in diesem historischen Leinwandepos auf dem Spiel, das im Tiroler Hall Anfang des 16. Jhs spielt.


Margaretha ahnt, dass sie verloren ist. Als unehelicher Abkömmling des Kaisers, als Mätresse der hohen Bürger und geistlichen Größen im Tiroler Städtchen Hall wusste sie stets eine einflussreiche, schützende Hand über sich. Nun verbreiten jedoch die Schergen der Inquisition auf ihrer Ketzer- und Hexenjagd Furcht und Schrecken in der Stadt. Als einer von ihnen in ihrer Gegenwart vom Blitz erschlagen wird, ist sie ein klarer Fall fürs "göttliche" Gericht. Die Hände aneinander gekettet, vom Inquisitor ins Verhör genommen, faucht sie wie eine wild gewordene Katze ihren Hass gegen die noblen Herren, und den zynischen Inquisitor, der mit sadistischem Genuss ihren Weg zum Scheiterhaufen bereitet.

 

Eine sehr lange Szene, mit pointierten Dialogen, Schauspielern, die sich durch den Raum bewegen und gut zwanzig Statisten, die im Hintergrund an den Gittern des Gerichtssaals als aufgebrachter Pöbel zu dirigieren sind. Regisseur Simon Aeby kehrt nach jedem Take zu seinen Schauspielern ins Zentrum des Geschehens, diskutiert und nuanciert Details im Spiel seines fast ausschließlich britischen Casts, bis nach dem fünften Take ein ermunterndes "Perfect" hinter einer der Säulen im mittelalterlichen Gerichtssaal ertönt.

 

Nach Drehstart im steirischen Sölktal, wo Ausstatter Christoph Kanter ein museumsreifes Henkershaus in die einsame Idylle gebaut hat, ist das Team seit Ende Oktober in die Budapester MA-Filmstudios übersiedelt. Gedreht wird in Englisch, die Schlüsselpositionen am Set kommunizieren in Englisch, die Anweisungen an seinen Kameraassistenten muss Kameramann Vladimir Smutny allerdings auf Tschechisch weitergeben und bei den Statisten kann es schon vorkommen, dass eine kurze Information wie "zwei Schritte zurück" zunächst vom Schweizer Regisseur über die Regieassistentin auf Englisch zur ungarischen Aufnahmeleiterin gehen muss, ehe sie bei den ausschließlich ungarischen Statisten in deren Muttersprache ankommt. Details im Alltag einer internationalen Koproduktion. Eine internationale Koproduktion nach bester Manier eben.

 

Unter der federführenden Leitung der Wiener Allegro Film, die sechzig Prozent des fünf Millionen Euro-Budgets ins Projekt eingebracht hat, entsteht zur Zeit unter Schweizer, deutscher, britischer, Luxemburger sowie ungarischer Beteiligung ein Projekt einer Größenordnung wie es in Österreich noch zu den Ausnahmenfällen zählt. An der Schwelle zur Neuzeit Drehbuchautorin Susanne Freund hat die Geschichte von Henker im frühen 16. Jh. situiert. Martin und Georg, zwei an den Toren des Klosters abgelegte Waisenkinder, wachsen als unzertrennliche Freunde in Obhut der katholischen Kirche heran.

 

Als sie erwachsen sind, werden sie getrennt, die kirchliche Laufbahn wird nur einem - Georg - gewährt, Martin bleibt keine andere Wahl, als in den Krieg zu ziehen. In einem Klima, wo die katholische Kirche zu drastischen Mitteln greift, um die aufkommende Kritik, die ihr bestehendes Machtgefüge ins Wanken bringen könnte, zu unterdrücken, begegnen die beiden einander wieder. Nach und nach geraten sie, zerrissen zwischen ihrer Freundschaft, ihren Idealen und beruflichem Opportunismus in einen unlösbaren Konflikt, der ein Opfer verlangt. "Es war eine Epoche in der Bücher Verbreitung fanden und damit Wissen zugänglich wurde, resümiert Regisseur Simon Aeby den Aktualitätsbezug des historischen Stoffes, "was sich jetzt durch das Internet in einer anderen Dimension vollzieht. Der absolute Anspruch der katholischen Kirche ist in einer Weise vergleichbar mit Amerika heute, das seine Wirtschaftsmacht und letztlich seinen Machtanspruch auf moralischen Ansprüchen aufbaut. Ich glaube, dass diese Zeit des Umbruchs auch heute spürbar ist".

 

Karin Schiefer (2004)