"Was haltet Ihr davon, dass der Vater seine Affäre zugibt? Oder ist es zu diesem Zeitpunkt zu früh? Oder zu spät? Ist es überhaupt
glaubwürdig, dass er es zugibt?"
Fragen. Diskutieren. Zweifeln. Verwerfen. Umschreiben. Umdenken. Vier DrehbuchautorInnen und eine Produzentin sitzen gemeinsam
mit einem Dramaturgen und einem assistierenden Script-Consultant an einem Tisch. Einen Vormittag lang steht eines der Drehbücher,
das alle vier Teilnehmer durchgearbeitet haben, zur Diskussion. "Es kommt schon vor", erzählt eine der Teamassistentinnen
von Step by Step, "dass in so einer Vormittagssitzung die Grundfesten so einer Geschichte herausgezogen werden und ein Autor
das Gefühl hat, dass eine Menge Arbeit umsonst war." Ein Schritt zurück ermöglicht jedoch oft erst, dass der Blick in die
richtige Richtung frei wird. Der große Unterschied zum einsamen Autorenalltag: bei Step by Step geschieht es in der schützenden
Atmosphäre einer Gruppe, die es in drei Intensiv-Centern genießt, sich als kreative Schicksalsgemeinschaft zu entdecken. "Das
Interessante am Arbeiten bei Step by Step, so Thomas Worschitz, einer der vier österreichischen Teilnehmer am Programm 2002,
"ist, dass man nicht nur an seinem eigenen Projekt arbeitet, sondern dass man in diesen drei Wochen an zwei weiteren Projekten
beteiligt ist. Man ist nicht so in seiner eigenen Geschichte gefangen und es ist ziemlich hilfreich, das eigene Projekt, kurz
zurückzulegen".
Im Herbst 2002 geht nun die siebente Ausgabe des über drei Etappen je einmal in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland
ausgetragenen Stoffentwicklungsprogramms Step by Step in seine Abschlussphase. Zwölf Autorinnen und Autoren trafen sich drei
Mal für je eine Woche, um mit Kollegen und einem erfahrenen Dramaturgen aus Deutschland bzw. den USA ihren Stoff vom Treatment
bis zur zweiten Drehbuchfassung zu entwickeln. "Dabei geht es vor allem darum", so die Dramaturgin Sabine Pochhammer, "für
den Autor die Frage zu klären, was er genau erzählen will und dann zu helfen, diese Intentionen bestmöglich umzusetzen, ohne
dass er das Gefühl bekommt, hier wird ihm etwas übergestülpt. - Step by Step, 1996 ins Leben gerufen, stellte sich zur
Aufgabe, einem bis dahin sehr vagen Berufsprofil Gestalt zu verleihen und ein Bewusstsein für Stoffentwicklung als komplexen
und zeitintensiven Prozess einerseits und als erlernbares Handwerk andererseits zu schaffen. Nach der Schweizer Stiftung FOCAL
stieg 2001 das Wiener Drehbuchforum als dritter Partner ins Programm ein, das seither länderübergreifend mit je einem Center
in einem der drei Partnerländer ausgetragen wird und damit auch österreichischen AutorInnen die Chance auf eine professionelle
Betreuung in der Stoffentwicklung bietet. Das Besondere an Step by Step das Programm richtet sich in erster Linie an
Autoren-/Produzententeams. "Wir entschieden uns für diese Form", so Oliver Schütte, Initiator des Programms und Leiter der
Berliner Master School Drehbuch, "da ein Produzent, der sich hinter ein Projekt stellt, auch bedeutet, dass der Markt darin
bereits ein Potenzial erkannt hat. Es macht Sinn, wenn sich der Produzent auch inhaltlich aktiv beteiligt, wir wollen ja nicht
einen Stoff entwickeln und nach sechs Monaten sagt der Produzent "Moment, ihr habt ein Melodram draus gemacht, ich wollte
eine Komödie haben".
Drei der zwölf Autoren erhalten auch ohne Produzenten die Chance, ihre Geschichte auszufeilen. Aus Österreich machte dieses
Jahr Gabriele Mathes das Rennen um einen der drei begehrten Stipendien-Plätze. Ihre Geschichte Polin, jung, fleißig, sucht
Arbeit beschäftigt sich mit einer jungen Immigrantin, die anstatt zu putzen gerne Schriftstellerin wäre. Drei weitere Autoren/Produzenten-Teams
sorgten, für eine starke österreichische Präsenz in diesem Jahr: Andreas Gruber und Koautor Thomas Worschitz mit ihrem Projekt
Hannah und Martin (Amour Fou Film), das die Liebe zwischen Hannah Arendt und Martin Heidegger zum Thema hat, Danielle Proskar
mit einem Kinderfilm Caro und der liebe Gott (ProKids Film), dessen Heldin versucht, mit der Scheidung ihrer Eltern umzugehen,
und die 24-jährige Eva Urthaler, die in Keller (Novotny Film) von zwei gewalttätigen Jugendlichen erzählt.
Die im Dreimonatsrhythmus abgehaltenen Center sind in erster Linie Gelegenheit, unter kompetenter Anleitung, eine Geschichte
auf den Punkt zu bringen, darüber hinaus bedeuten sie aber mit einem Rahmenprogramm wie Filmanalysen oder Schauspielerübungen
vor allem auch einfach eine gemeinsam verbrachte Woche Auszeit von der Einsamkeit des Schreibtisches mit Leuten, die dieselben
Zweifel, Ängste und Blockaden teilen. "Es ist so inspirierend", so Eva Urthaler, "in einer Gruppe eine Frage stellen und diskutieren
zu können. Ich könnte nach jeder Sitzung gleich aufspringen und weiterschreiben. Es ist großartig, so dass man sich fragt,
wie wird das beim nächsten Drehbuch sein, wenn man ohne dieses Programm auskommen muss."
Karin Schiefer (2002)