INTERVIEW

Virgil Widrich im Gespräch über FAST FILM

 

Der Spaß an Fast Film ist, dass jeder seine eigenen Erinnerungen sieht. Jeder hat Schlüsselreize oder erkennt einen Schauspieler oder einen Regisseur sehr gut. Plötzlich sieht man nicht Fast Film sondern seine Erinnerung an jenen Film, aus dem der Ausschnitt zu sehen ist. Ich glaube, dass man beim Betrachten im Kopf hin- und herschaltet zwischen der Wahrnehmung von Fast Film und der Wahrnehmung der Filme, die Fast Film spiegelt. Deshalb sieht hier jeder einen ganz anderen Film.

 

Wie entstand die Idee zu Fast Film?

VIRGIL WIDRICH: Die Idee zu Fast Film entstand bei der Arbeit zu Copy Shop. Wir haben im Tonstudio sehr viele Blätter Papier zerrissen, um die Geräusche zu erzeugen, die im Film zu hören sind. Ich verwendete dazu die alten Ausdrucke, zum Teil auch Fehldrucke von Copy Shop, die wir zu tausenden hatten. Am Abend lag eine ganze Landschaft aus Papier am Boden, die den ganzen Film Copy Shop abgebildet hat. Auf einigen Papierknödeln konnte man Johannes Silberschneider in verschiedenen Phasen gehen sehen und da fiel mir schlagartig ein, es wäre eine tolle Idee, einen Animationsfilm aus dreidimensionalen Papierobjekten zu machen, auf dem wiederum Filme ablaufen. Fast Film ist also die technische Weiterentwicklung von Copy Shop. Copy Shop war ein zweidimensionaler Papierfilm, Fast Film arbeitet in der dritten Dimension.

 

Welche neue Herausforderung bedeutet Fast Film  gegenüber Copy Shop?

VIRGIL WIDRICH: Technisch bedeutet das, dass aus Filmen Einzelbilder exportiert oder ausgedruckt und diese dann zu Objekten gefaltet werden. Die Objekte werden zueinander in neue Beziehungen gestellt und mit einem Hintergrund versehen, sodass dann in einem einzelnen Bild vier, fünf bis zu 30 Filme sichtbar sind. Das war die Idee zu Fast Film. Die Herausforderung ist, hier Found Footage Material in eine sinnvolle Kombination zu bringen. Jedes Bild muss inhaltlich und perspektivisch funktionieren, aber die einzelnen Einstellungen müssen auch zueinander passen und die Geschichte weiter erzählen und zwar in sehr kurzer Zeit. Wenn man es auf die Literatur übertragen würde, ist es so, als ob ich aus allen Shakespeare-Dramen Sätze raussuche, die sich reimen und daraus ein Liebesgedicht schreibe, das auch noch eine Geschichte erzählt. Insofern ist Fast Film eine Reise durch die Filmgeschichte und auch ein neuer Film, der auch im Kopf des Zuschauers entsteht. Ich glaube, der Spaß an Fast Film ist, dass jeder seine eigenen Erinnerungen sieht. Jeder hat Schlüsselreize oder erkennt einen Schauspieler oder einen Regisseur sehr gut. Plötzlich sieht man nicht Fast Film sondern seine Erinnerung an jenen Film, aus dem der Ausschnitt zu sehen ist. Ich glaube, dass man beim Betrachten im Kopf hin- und herschaltet zwischen der Wahrnehmung von Fast Film und der Wahrnehmung der Filme, die Fast Film spiegelt. Deshalb sieht hier jeder einen ganz anderen Film.

 

Wie lässt sich die Geschichte umreißen?

VIRGIL WIDRICH:  Die Geschichte ist ein klassischer Dreiakter: Der Held will die Frau, die Frau wird von den Bösen entführt, der Held muss die Frau retten, er wird selber gefangen, kommt in die Zentrale des Bösen, bricht dort gemeinsam mit der Frau aus und in einem großen Finale besiegen sie alle Bösewichte, sind gerettet und es kommt zum finalen Kuss. Jeder James Bond-Film und fast jeder Action-Film funktionieren so, deshalb habe ich diese Struktur übernommen. Es ist notwendig, mit Schablonen zu arbeiten, die standardisiert sind, sonst hätte ich keine Einzelteile der Geschichte mit Material aus vielen verschiedenen Filmen erzählen können. Es funktioniert sehr gut, Raum und Zeit mit der Technik von Fast Film darzustellen, es wäre aber sehr schwer, ein psychologisches Drama darzustellen, weil dafür die Identifikation mit einem Schauspieler notwendig ist. Da wir aber bei Fast Film ständig die Schauspieler wechseln, braucht es den Helden an sich und die Heldin an sich. Identität ist wie schon in Copy Shop auch ein Thema von Fast Film, weil wir hier blitzartig die Schauspieler wechseln, aber die Geschichten bleiben immer dieselben, was ja im Kino prinzipiell auch der Fall ist.

 

Man kann in Fast Film eine ganze Reihe von Genres entdecken?

VIRGIL WIDRICH: Ich hab natürlich versucht, den Film in verschiedene Welten zu strukturieren. Am Ende kommt die Musical-Welt, in der Mitte der Action Film, dann gibt es verschiedene Liebesgeschichten. Interessant zu entdecken war, dass man bei Action-Filmen aus den Szenen, wo tatsächlich Action passiert, wenig machen kann, weil sie so schnell geschnitten sind. Ich wollte zunächst nur aus Action-Filmen Material verwenden, aber es bestand in vielen Fällen keine Möglichkeit mehr, das noch mal kleiner zu schneiden und für Fast Film etwas daraus zu machen.

 

Warum war die Falttechnik notwenig, um die gewünschten Effekte zu erzielen?

VIRGIL WIDRICH: Die Ästhetik von Fast Film lebt davon, dass der Film eine gewisse Ungenauigkeit hat, d.h. es ist überhaupt kein sauber animierter Computer-Film, sondern ein mit der Hand animierter Papierflieger- und Papierzügefilm, und da jeder Papierflieger und jeder Papierzug ein bisschen anders aussieht, weil sie nicht ident gefaltet werden können, ergibt sich diese zittrige Bewegung. Ähnlich wie bei Copy Shop lebt der Film von der Ästhetik des Unsauberen und Ungenauen, was mir sehr gut gefällt. Mit Computern wäre dieser Film clean und sauber geworden, das wäre ein anderes Ziel. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dann alle Objekte gefaltet und es war notwendig, eine irrsinnige Ordnung zu halten, sonst hätte man nichts mehr gefunden. Insgesamt haben wir ca. 65.000 Papierobjekte gefaltet. Wir haben auch eine japanische Origami-Künstlerin beschäftigt, um uns zu helfen. Es dauert sechs Stunden ein Pferd zu falten, deshalb hat es nur einen kurzen Auftritt in Fast Film, sonst hätten wir noch fünf Jahre gebraucht. Räumlichkeit ist übrigens auch ein interessantes Thema in Fast Film, da ja alles trotzdem flach ist. Wir haben Schnitte auf den Zug von der Seite und auf den Zug von vorne, die beide flach sind, aber im Kopf des Zuschauers entsteht ein räumlicher Zug.

 

Die Einstellungen von Fast Film bestehen aus unglaublich vielen Schichten.

VIRGIL WIDRICH:  Faszinierend an Fast Film ist, wenn man ihn auf der großen Leinwand sieht, dass der Film durch den Blickschnitt geschnitten wird. Es kommt darauf an, wo ich hinschaue: Wenn man auf drei Fernseher, die verschiedene Programme zeigen, gleichzeitig schaut, dann gibt es vier Filme: den Raum, in dem die Fernseher stehen, und jeweils einen Film im Fernseher. Je nachdem, worauf ich mich konzentriere, entsteht ein neuer Film aus diesen vier Elementen. Und Fast Film funktioniert ähnlich. Wenn ich einen Zug mit acht Waggons habe und in jedem Waggon ist ein anderer Film, dann kann ich mir den ganzen Zug anschauen oder jeden einzelnen Waggon, ich sehe Tarzan oder einen Western-Helden und wenn sich zwei Leute nach dem Film unterhalten, würde jeder etwas anderes erzählen. Der eine hat nur Tarzan gesehen, der nur den Westernhelden. Und ich glaube, das ist genau der Genuss, dass durch den Blickschnitt jeder selber zum Cutter von Fast Film wird.

 

Wie sahen die einzelnen Arbeitsschritte aus?

VIRGIL WIDRICH: Es gab zunächst ein Drehbuch in Textform, dann folgte ein Found Footage-Film, der ganz klassisch alte Materialien neu kombiniert. Den machte ich nur für mich, um zu sehen, was passiert, wenn ich eine Autojagd aus Schwarzweißfilmen, Farbfilmen, und Science-Fiction-Filmen, Raumschiffen, Zügen und Autos zusammen schneide. Die zweite Stufe war dann ganz konkret, aus Filmen In- und Out-Punkte von Material zu suchen, das zueinander passt. Aus der Kombination Hintergrund, Vordergrund und Objekt entstand eine Art Draft-Film, den ich im Computer erstellt habe, wo Vierecke für die Züge und Dreiecke für die Flugzeuge standen. Somit war der Film in Grundformen zu sehen, das wurde dann vom Original ausgedruckt, animiert und zusammen gebaut. Es war ein sehr langer Prozess, bei dem jede Einstellung Wochen bis Monate in Produktion war. Die längste Einstellung hat 21 Sekunden, die meisten aber nur drei Sekunden, der Film ist wirklich sehr schnell. Insgesamt arbeiteten wir zweieinhalb Jahre daran, Tag für Tag, Tag und Nacht.

 

Wie setzte sich das Team zusammen, das an der Entstehung von Fast Film mitarbeitete?

VIRGIL WIDRICH:  Ein Team von zwölf Animateuren hat ein Jahr lang an diesem Film mitgearbeitet. Sie haben alle möglichen Spezialkenntnisse erworben und sich in verschiedene Arbeitsgruppen aufgeteilt, da der Prozess extrem vielfältig war. Das begann mit der Suche des Filmmaterials, mit dem Festlegen des Ausschnitts und der Objekte, der Frage, wie sehen die Objekte, wie die bösen Papierflieger, wie die guten Papierflieger aus, wie schaut der Zug von vorne, wie schaut er von der Seite aus? Viele im Team konnten alles, manche sind besser bei der physischen Animation, andere sind sehr gut in der Computerarbeit, bei der Vorbereitung des Materials oder in der Postproduktion. Es hat sich einfach gezeigt, wo die Stärken und die Leidenschaften sind. Carmen Völker z.B. hat sich intensiv mit dem Papier beschäftigt, damit, welche Arten von Rissen an welchen Stellen des Films vorkommen, und sie hat sich eine eigene Welt kreiert, die sich durch den Film durchzieht.

 

Aus welchem Fundus haben Sie das Material geschöpft?

VIRGIL WIDRICH:  Ein halbes Jahr habe ich den Film inhaltlich vorbereitet und mir dabei auch darüber klar zu werden, wie die Verfolgungsjagd funktioniert, mir quer durch die Filmgeschichte Material anzuschauen und auch darauf zu warten, dass der Film mir selber erzählt, wie er gerne sein möchte. Dann habe ich ein Jahr lang mit den ersten Mitarbeitern nur recherchiert, wir haben ca. 2000 Filme durchgesucht und eine riesige Datenbank angelegt. Wir haben hunderte, tausende Videos angeschaut, sortiert nach Einstellungen wie z.B. Wo gibt es eine Fahrt auf ein erstauntes Gesicht, wo geht jemand bei der Tür raus, wo greift jemand in Großaufnahme auf eine Pistole, wo gibt es Küsse im Profil bei Regen? Das galt es zu sammeln, in einer Datenbank abzulegen und das Material auch digital zu speichern, um jederzeit Zugriff zu haben. Denn wenn mir plötzlich einfiel, ich brauche eine Pistole in Großaufnahme, dann musste ich sofort wissen, wo und in welchen Filmen die in Farbe, in Schwarzweiß etc. zu finden waren.

 

Ein wesentliches und sehr interessantes Element ist der Ton?

VIRGIL WIDRICH: Frédéric Fichefet, der den Ton für Fast Film kreiert hat, geht ähnlich vor wie wir beim Bild. Der Ton wird aus Samples kreiert, man nimmt Klangwelten aus verschiedenen Werken und baut eine neue daraus zusammen. Auch hier haben wir aus tausenden Filmen Töne gesammelt und nach Geräuschen sortiert – Züge, die beim Anfahren quietschen, Züge, die beim Anfahren nicht quietschen und ähnliche Dinge. Der Ton besteht aus hunderten Tonspuren, die in Summe dann den Gesamtklang von Fast Film ausmachen. Der vermittelt natürlich auch viel Emotion und ruft viele Erinnerungen ab. Es gibt bestimmte Geräusche, die immer wieder dieselben sind, weil auch die großen Filme die selben Sound-Libraries verwenden. Der Klang ist sehr wichtig, weil er die verschiedenen Filme wieder glättet. Ein durchgehender narrativer Klang lässt den Film viel leichter verstehen, stumm ist Fast Film nur sehr schwer verständlich. Mit Ton wird es eine völlig andere Geschichte.
 

Wie lässt sich die Geschichte umreißen?

VIRGIL WIDRICH:   ie Geschichte ist ein klassischer Dreiakter: Der Held will die Frau, die Frau wird von den Bösen entführt, der Held muss die Frau retten, er wird selber gefangen, kommt in die Zentrale des Bösen, bricht dort gemeinsam mit der Frau aus und in einem großen Finale besiegen sie alle Bösewichte, sind gerettet und es kommt zum finalen Kuss. Jeder James Bond-Film und fast jeder Action-Film funktionieren so, deshalb habe ich diese Struktur übernommen. Es ist notwendig, mit Schablonen zu arbeiten, die standardisiert sind, sonst hätte ich keine Einzelteile der Geschichte mit Material aus vielen verschiedenen Filmen erzählen können. Es funktioniert sehr gut, Raum und Zeit mit der Technik von Fast Film darzustellen, es wäre aber sehr schwer, ein psychologisches Drama darzustellen, weil dafür die Identifikation mit einem Schauspieler notwendig ist. Da wir aber bei Fast Film ständig die Schauspieler wechseln, braucht es den Helden an sich und die Heldin an sich. Identität ist wie schon in Copy Shop auch ein Thema von Fast Film, weil wir hier blitzartig die Schauspieler wechseln, aber die Geschichten bleiben immer dieselben, was ja im Kino prinzipiell auch der Fall ist.

 

Man kann in Fast Film eine ganze Reihe von Genres entdecken?

VIRGIL WIDRICH:   Ich hab natürlich versucht, den Film in verschiedene Welten zu strukturieren. Am Ende kommt die Musical-Welt, in der Mitte der Action Film, dann gibt es verschiedene Liebesgeschichten. Interessant zu entdecken war, dass man bei Action-Filmen aus den Szenen, wo tatsächlich Action passiert, wenig machen kann, weil sie so schnell geschnitten sind. Ich wollte zunächst nur aus Action-Filmen Material verwenden, aber es bestand in vielen Fällen keine Möglichkeit mehr, das noch mal kleiner zu schneiden und für Fast Film etwas daraus zu machen.

 

Warum war die Falttechnik notwenig, um die gewünschten Effekte zu erzielen?

VIRGIL WIDRICH:  Die Ästhetik von Fast Film lebt davon, dass der Film eine gewisse Ungenauigkeit hat, d.h. es ist überhaupt kein sauber animierter Computer-Film, sondern ein mit der Hand animierter Papierflieger- und Papierzügefilm, und da jeder Papierflieger und jeder Papierzug ein bisschen anders aussieht, weil sie nicht ident gefaltet werden können, ergibt sich diese zittrige Bewegung. Ähnlich wie bei Copy Shop lebt der Film von der Ästhetik des Unsauberen und Ungenauen, was mir sehr gut gefällt. Mit Computern wäre dieser Film clean und sauber geworden, das wäre ein anderes Ziel. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dann alle Objekte gefaltet und es war notwendig, eine irrsinnige Ordnung zu halten, sonst hätte man nichts mehr gefunden. Insgesamt haben wir ca. 65.000 Papierobjekte gefaltet. Wir haben auch eine japanische Origami-Künstlerin beschäftigt, um uns zu helfen. Es dauert sechs Stunden ein Pferd zu falten, deshalb hat es nur einen kurzen Auftritt in Fast Film, sonst hätten wir noch fünf Jahre gebraucht. Räumlichkeit ist übrigens auch ein interessantes Thema in Fast Film, da ja alles trotzdem flach ist. Wir haben Schnitte auf den Zug von der Seite und auf den Zug von vorne, die beide flach sind, aber im Kopf des Zuschauers entsteht ein räumlicher Zug.

 

Die Einstellungen von Fast Film bestehen aus unglaublich vielen Schichten.

VIRGIL WIDRICH:   Faszinierend an Fast Film ist, wenn man ihn auf der großen Leinwand sieht, dass der Film durch den Blickschnitt geschnitten wird. Es kommt darauf an, wo ich hinschaue: Wenn man auf drei Fernseher, die verschiedene Programme zeigen, gleichzeitig schaut, dann gibt es vier Filme: den Raum, in dem die Fernseher stehen, und jeweils einen Film im Fernseher. Je nachdem, worauf ich mich konzentriere, entsteht ein neuer Film aus diesen vier Elementen. Und Fast Film funktioniert ähnlich. Wenn ich einen Zug mit acht Waggons habe und in jedem Waggon ist ein anderer Film, dann kann ich mir den ganzen Zug anschauen oder jeden einzelnen Waggon, ich sehe Tarzan oder einen Western-Helden und wenn sich zwei Leute nach dem Film unterhalten, würde jeder etwas anderes erzählen. Der eine hat nur Tarzan gesehen, der nur den Westernhelden. Und ich glaube, das ist genau der Genuss, dass durch den Blickschnitt jeder selber zum Cutter von Fast Film wird.

 

Wie sahen die einzelnen Arbeitsschritte aus?

VIRGIL WIDRICH:   Es gab zunächst ein Drehbuch in Textform, dann folgte ein Found Footage-Film, der ganz klassisch alte Materialien neu kombiniert. Den machte ich nur für mich, um zu sehen, was passiert, wenn ich eine Autojagd aus Schwarzweißfilmen, Farbfilmen, und Science-Fiction-Filmen, Raumschiffen, Zügen und Autos zusammen schneide. Die zweite Stufe war dann ganz konkret, aus Filmen In- und Out-Punkte von Material zu suchen, das zueinander passt. Aus der Kombination Hintergrund, Vordergrund und Objekt entstand eine Art Draft-Film, den ich im Computer erstellt habe, wo Vierecke für die Züge und Dreiecke für die Flugzeuge standen. Somit war der Film in Grundformen zu sehen, das wurde dann vom Original ausgedruckt, animiert und zusammen gebaut. Es war ein sehr langer Prozess, bei dem jede Einstellung Wochen bis Monate in Produktion war. Die längste Einstellung hat 21 Sekunden, die meisten aber nur drei Sekunden, der Film ist wirklich sehr schnell. Insgesamt arbeiteten wir zweieinhalb Jahre daran, Tag für Tag, Tag und Nacht.

 

Wie setzte sich das Team zusammen, das an der Entstehung von Fast Film mitarbeitete?

VIRGIL WIDRICH:  Ein Team von zwölf Animateuren hat ein Jahr lang an diesem Film mitgearbeitet. Sie haben alle möglichen Spezialkenntnisse erworben und sich in verschiedene Arbeitsgruppen aufgeteilt, da der Prozess extrem vielfältig war. Das begann mit der Suche des Filmmaterials, mit dem Festlegen des Ausschnitts und der Objekte, der Frage, wie sehen die Objekte, wie die bösen Papierflieger, wie die guten Papierflieger aus, wie schaut der Zug von vorne, wie schaut er von der Seite aus? Viele im Team konnten alles, manche sind besser bei der physischen Animation, andere sind sehr gut in der Computerarbeit, bei der Vorbereitung des Materials oder in der Postproduktion. Es hat sich einfach gezeigt, wo die Stärken und die Leidenschaften sind. Carmen Völker z.B. hat sich intensiv mit dem Papier beschäftigt, damit, welche Arten von Rissen an welchen Stellen des Films vorkommen, und sie hat sich eine eigene Welt kreiert, die sich durch den Film durchzieht.

 

Aus welchem Fundus haben Sie das Material geschöpft?

VIRGIL WIDRICH:   Ein halbes Jahr habe ich den Film inhaltlich vorbereitet und mir dabei auch darüber klar zu werden, wie die Verfolgungsjagd funktioniert, mir quer durch die Filmgeschichte Material anzuschauen und auch darauf zu warten, dass der Film mir selber erzählt, wie er gerne sein möchte. Dann habe ich ein Jahr lang mit den ersten Mitarbeitern nur recherchiert, wir haben ca. 2000 Filme durchgesucht und eine riesige Datenbank angelegt. Wir haben hunderte, tausende Videos angeschaut, sortiert nach Einstellungen wie z.B. Wo gibt es eine Fahrt auf ein erstauntes Gesicht, wo geht jemand bei der Tür raus, wo greift jemand in Großaufnahme auf eine Pistole, wo gibt es Küsse im Profil bei Regen? Das galt es zu sammeln, in einer Datenbank abzulegen und das Material auch digital zu speichern, um jederzeit Zugriff zu haben. Denn wenn mir plötzlich einfiel, ich brauche eine Pistole in Großaufnahme, dann musste ich sofort wissen, wo und in welchen Filmen die in Farbe, in Schwarzweiß etc. zu finden waren.

 

Ein wesentliches und sehr interessantes Element ist der Ton?

VIRGIL WIDRICH:  Frédéric Fichefet, der den Ton für Fast Film kreiert hat, geht ähnlich vor wie wir beim Bild. Der Ton wird aus Samples kreiert, man nimmt Klangwelten aus verschiedenen Werken und baut eine neue daraus zusammen. Auch hier haben wir aus tausenden Filmen Töne gesammelt und nach Geräuschen sortiert - Züge, die beim Anfahren quietschen, Züge, die beim Anfahren nicht quietschen und ähnliche Dinge. Der Ton besteht aus hunderten Tonspuren, die in Summe dann den Gesamtklang von Fast Film ausmachen. Der vermittelt natürlich auch viel Emotion und ruft viele Erinnerungen ab. Es gibt bestimmte Geräusche, die immer wieder dieselben sind, weil auch die großen Filme die selben Sound-Libraries verwenden. Der Klang ist sehr wichtig, weil er die verschiedenen Filme wieder glättet. Ein durchgehender narrativer Klang lässt den Film viel leichter verstehen, stumm ist Fast Film nur sehr schwer verständlich. Mit Ton wird es eine völlig andere Geschichte.

 

Interview: Karin Schiefer (2003)