INTERVIEW

Wolfgang Murnberger über DER KNOCHENMANN

 

«Da Der Knochenmann vom Plot her eher eine Familiengeschichte ist und nur private Menschen in Verbrechen involviert sind, hielten wir das für die ideale Ausgangssituation, um einmal Brenner in eine Liebesgeschichte zu verwickeln.» Wolfgang Murnberger zu den Dreharbeiten von Der Knochenmann.


Als wir uns vor einigen Jahren über Komm süßer Tod unterhielten, sagten Sie, die Wahl ist für die erste Brenner-Verfilmung auf diesen Stoff gefallen, weil es der am wenigsten statische Film war. Welche Herausforderungen hat nun Der Knochenmann an die Drehbuchautoren im Besonderen gestellt
Wolfgang Murnberger: Der Roman Der Knochenmann war in der Tat sehr statisch. Eigentlich gab es schon ein fertiges Treatment von Das ewige Leben, den letzten Brenner-Roman, der in Graz spielt. Dann sagten wir uns, wenn wir den neuen Brenner in Graz ansiedeln, dann erweckt das den Anschein, dass wir nun eine Tour durch die Landeshauptstädte durchführen. Um der Frage  zu entgehen und wann der nächste Brenner in Eisenstadt kommt, kam die Idee auf, machen wir doch Brenner auf dem Land. Das hatte es noch nicht gegeben. Dafür standen nur zwei Romane zur Auswahl – nämlich die ersten beiden – Auferstehung der Toten und Der Knochenmann. Dann entschieden wir uns sehr schnell für Der Knochenmann. Vom Plot her sind die späteren Brenner-Romane immer besser geworden, die ersten Romane waren noch nicht so für glaubhafte Kinospielfilmplots geeignet. Als wir uns für Der Knochenmann entschieden hatten, mussten wir auch sehr schnell feststellen, dass es so, wie es da im Buch ablief, nicht gehen konnte. Denn, wenn Brenner dort ankommt, ist eigentlich alles vorbei. In Rückblenden zu erzählen ist abgesehen von historischen Filmen, nicht gerade modern, also haben wir uns sehr rasch dafür entschieden, die Handlung völlig umzukrempeln. Das hieß Teile aus dem Roman zu übernehmen, sie völlig neu zusammenzusetzen und Neues dazuzuerfinden. Da Der Knochenmann vom Plot her eher eine Familiengeschichte ohne böse Organisationen wie die Kreuzritter oder die Salzburger Festspiele im Hintergrund ist und nur private Menschen in Verbrechen involviert sind, dachten wir uns, das könnte die ideale Ausgangssituation sein, um einmal Brenner in eine Liebesgeschichte zu verwickeln. Die waren in den ersten beiden Filmen immer nur leicht angedeutet und die Frage, wie tut sich der Brenner, wenn er sich wirklich mal in eine Frau verliebt, hat uns gereizt. Wir erzählen also einerseits die Kriminalgeschichte andererseits die Geschichte, wie sich Brenner in die Schwiegertochter des Wirtes verliebt. 


Kann man sagen, dass Der Knochenmann vom Drehbuch her den größten Aufwand bisher bedeutete?
Wolfgang Murnberger: Da wir uns bei Silentium sehr weit vom Roman entfernt hatten, nahmen wir uns ursprünglich vor, bei der dritten Adaptierung wieder näher an den Roman heranzukommen. Ich glaube, es wird nun aber erst bei Das ewige Leben wirklich der Fall sein. Das ewige Leben hat meiner Meinung nach als Roman schon einen sehr guten Filmplot. Da gibt es tolle Ideen drinnen, die auch in Filmen gut funktionieren. Der Knochenmann ist vom Aufbau her nicht so filmisch. Außer dass der Brenner dann gekidnappt wird, ist das meiste schon geschehen. Wir haben die ganze Fußballergeschichte rausgekippt und es kommen auch keine Künstler vor. Es ist fast eine Familiengeschichte geworden.


Ist es beim üblichen Prozedere geblieben, dass Sie mit Josef Hader und Wolf Haas die Geschichte entwickelt haben
Wolfgang Murnberger: Die Drehbucharbeit sieht immer so aus, dass wir zu dritt sitzen und konzipieren. Die erste Fassung haben Wolf und ich geschrieben, die zweite Josef allein, die dritte Wolf und ich, die vierte Fassung Josef und ich und dann hat Josef sie sich noch einmal mitgenommen und alles überarbeitet für die fünfte Fassung. Es hat sicherlich über ein Jahr gedauert. Die Fassung, die wir jetzt drehen, hat mit der Fassung, die wir eingereicht haben, auch nichts mehr zu tun.


Die Figur des Brenner unterliegt ja einer gewissen Entwicklung. Was geschieht abgesehen davon, dass er sich verliebt, mit ihm?
Wolfgang Murnberger: Wenn ich mir es so recht überlege, hat der Brenner diesmal mit dem Kriminalfall eigentlich gar nichts zu tun. Er ist ja nur dort geblieben, weil er sich verliebt hat und er recherchiert auch nichts. Alles, worauf er im Zusammenhang mit der Kriminalgeschichte stößt, passiert total zufällig und als er endlich den ersten Verdacht hat, ist der völlig falsch. Er ist keineswegs mehr der spurensuchende Detektiv, sondern der verliebte Brenner.
Die Rolle des Berti ist auch sehr reduziert, er kommt nur in der Rahmenhandlung vor. Brenner und Berti arbeiten nun in einer Leasing-Firma, Brenner bekommt von ihm den Auftrag, eine Leasingrate einzutreiben. Im Zuge dieser Fahrt zum säumigen Kunden, wird es ganz mysteriös, weil dieser überhaupt verschwunden ist. Alle Leute dort erwecken den Eindruck, sie versuchten etwas zu decken und machen sich dadurch sehr verdächtig. Da ist der Brenner nun schon dort und hat die Schwiegertochter des Wirtes schon mal kennen gelernt. Neben Brenner ist Löschenkohl auch eine Hauptfigur. Wir wollten mit seiner Figur wollten erzählen, dass ein normaler Mensch in die Kriminalität hineinrutscht, ohne böse oder ein Psychopath zu sein, sondern weil ihm etwas passiert ist – ein Irrtum, ein Unfall – , andere Bösewichte das ausnutzen und er ohne jede Absicht in eine Spirale der Gewalt hineingerät. Dieser Entwicklung wollten wir einen Raum geben. Dadurch, dass der Löschenkohl einen ersten Schritt gesetzt hat, muss er den zweiten und den dritten tun. Erst ganz zum Schluss macht er den letzten Schritt nicht.


Die Rolle des Löschenkohl wird von Josef Bierbichler verkörpert. Wie ist die Arbeit mit ihm?
Wolfgang Murnberger: Die Arbeit mit ihm ist sehr schön, weil er jemand ist, der gerne reduziert, was mir ein ständiges Anliegen ist. Ich versuche dauernd, die Schauspieler dorthin zu bringen, wenig zu machen. Sepp sagt ganz schnell, das geht nicht, das mach’ ich nicht. Dann suchen wir nach einem anderen Weg und es ist meistens auch gut, was er vorschlägt. Ein weiteres Anliegen ist mir, nicht ins Genre zu verfallen, es immer wieder zu brechen, immer wieder zu überraschen. Natürlich gibt es diese Standardsituationen, aber dadurch, dass Löschenkohl so eine ausführliche Exposition als Figur hat – man sieht, dass er einem Wildschwein die Haut abziehen kann – dann habe ich später wenig Erklärungsbedarf und es scheint ziemlich normal, dass er auch andere Dinge mit dem Messer zu tun, fähig ist.


Genre brechen war ja auch in den beiden ersten Filmen eine Prämisse. Wo ist Ihrer Meinung nach eine Entwicklung in den Drehbüchern zu spüren?
Wolfgang Murnberger: Nach meinem Gefühl liegt der Unterschied darin, dass wir mit der Erzählung noch näher an die Figuren herangekommen sind, die Figuren noch weniger Schablonen als Teil eines Genrefilms sind. Wenn man den Schritt von Komm, süßer Tod zu Silentium im Nachhinein betrachtet, dann finde ich, dass die Figuren in Komm, süßer Tod noch schablonenhafter sind. Man lernt sie nur in ihrer Funktion in der Geschichte kennen, die sie dann auch erfüllen. In Silentium war das schon ein bisschen anders und mir scheint, sie sind noch echter geworden. Was das Ganze erschwert, ist, dass wir immer sehr viele Figuren haben. Man kommt natürlich viel leichter ganz genau an Figuren heran, wenn man sich vornimmt, nur drei oder zwei oder nur eine wirklich genau zu erzählen. Den Brenner muss man nicht mehr exponieren. Löschenkohl wollten wir viel Raum geben, ebenso seiner Tochter Birgit (Birgit Minichmayr), Pia Hierzegger spielt eine mysteriöse Figur und dann wollten wir die beiden Bösewichte auch nicht nur herumballern lassen. Sogar die Bösewichte haben ihre eigenen Szenen, wo sie mit sich allein sind. Dadurch sind wir zur Zeit auch ein bisschen zu lange.
 

Ist damit zu rechnen, dass es mit Das ewige Leben weitergeht?
Wolfgang Murnberger:  Das kann man nicht sagen. Nach Silentium hätte ich getippt, dass wir als nächstes Das ewige Leben machen. Jetzt haben wir Der Knochenmann gemacht. Wie es weitergeht, hängt immer wieder davon ab, wie das Projekt, das man gerade macht, funktioniert.  Wenn es gut funktioniert, geht es sicher weiter, weil es uns noch immer Spaß macht. Umso mehr, als es uns gelingt, Schauspieler zu bekommen, wie wir sie jetzt haben, mit Josef Bierbichler und Birgit Minichmayr, die wir uns schon vor dem Schreiben gewünscht haben. Das sind Schauspieler, die nicht alles nehmen, was man ihnen vorgibt. Die erste Fassung hätte Josef Bierbichler wahrscheinlich nicht gemacht. Das bestärkt uns im Versuch, für die Geschichten die besten Schauspieler zu kriegen. Das motiviert auch uns, es noch besser zu machen.

 

Interview: Karin Schiefer
März 2008