INTERVIEW

Kameramann Christian Berger im Gespräch

 

«Niemand macht sich darüber Gedanken, dass Licht immer noch ein großes Geheimnis, etwas Magisches ist. Die Reflexion über Licht habe ich nur in der Malerei und durch Naturbeobachtungen wieder gefunden und durch die Freundschaft mit Christian Bartenbach. Er ist ein Lichtphilosoph, mit dem man wunderbar und endlos über Licht reden kann. Dabei ist mir bewusst geworden, wie sehr die Filmbranche auf der Stelle tritt. Wir verwenden immer noch Töpfe, die vor hundert Jahren erfunden worden sind, arbeiten mit Linsen, die Fresnel 1822 für Leuchttürme gebaut hat. Es ist ja nicht zu glauben, welchen Stillstand es da gegeben hat, obwohl immer alles größer, dicker, leistungsstärker und teurer geworden ist. Denn das Lichtdenken, die Reflexion, was die Dinge bewirken, hat nicht stattgefunden.»

Ein Gespräch mit dem vielfach für seine Kameraarbeit für Das weiße Band ausgezeichneten Kameramann Christian Berger


 
Sie haben soeben in Berlin den Preis der Deutschen Filmkritik für die Beste Kameraarbeit entgegengenommen und nächste Woche fahren Sie nach Los Angeles, wo Sie für den Oscar in der Kategorie Beste Kamera nominiert sind. Wie geht es einem, wenn sich in einer solchen Dichte die Anerkennung seiner Arbeit äußert?
Christian Berger: Die Dichte ist etwas ungewohnt und natürlich in keiner Weise vorhersehbar. Die Preisverleihungen überlappen sich mit vielen anderen Terminen, die schon lange feststanden und es gibt einen kleinen Stau. Aber es gibt Unangenehmeres. Ich komme gerade aus Amsterdam, wo ich einen Workshop hielt, habe jetzt eine Woche einen Vordreh für Die Wand von Julian Pölsler in Österreich und von dort geht es direkt nach Los Angeles. Ich muss bereits vor der Oscar-Verleihung in den USA sein, weil ich auch für den Preis der ASC, der American Society of Cinematographers, die ja intern vielleicht sogar wichtiger ist, nominiert wurde. Es sind interessanterweise mehr oder weniger die gleichen Konkurrenten wie beim Oscar.

Das weiße Band ist der fünfte Film, den Sie mit Michael Haneke gemacht haben. Die Klavierspielerin und Caché waren bereits sehr erfolgreich. Was hat Ihrer Meinung nach Das weiße Band Besonderes, dass es so eingeschlagen hat?
Christian Berger:  Wenn wir das wüssten! Die Goldene Palme war meiner Meinung nach nicht so überraschend, Michael Haneke hat sich darüber sehr gefreut, die wollte er haben und das war auch realistisch. Es hat beim Drehen bereits Momente gegeben, wo wir das Gefühl hatten, das sind sehr gelungene Szenen. Das heißt noch immer nicht, dass der fertige Film funktioniert. Nun hat auch der Spagat über den Atlantik geklappt: Golden Globe, dann die Oscar-Nominierungen. Das ist schon eine große Überraschung, weil es nach Cannes eine Kehre um 180 Grad bedeutet. Niemand hat das erwartet und natürlich kann das niemand erklären. Was ich in Gesprächen dort herausgehört habe, hat der politische Wechsel in den USA was kulturelle Wertigkeiten betrifft einen neuen Drive, eine frische Aufmerksamkeit bewirkt. Was hochinteressant ist, Das weiße Band ist ein Film, der so überhaupt nichts einlöst, was die Amerikaner normalerweise an Rezepten einfordern: der Film ist mit 158 Minuten überlang, es behandelt ein Stück europäischer Geschichte der Film hat keine Stars, keine klaren Hauptfiguren, keine Musik, er ist schwarzweiß und er hat kein erklärendes Ende. Der Film vereint eigentlich alles in sich, was man nicht tun darf. Vielleicht ist gerade die Summierung dieser Andersartigkeit, ein Grund, dass es funktioniert. Gerade das scheint einen Hype kreiert zu haben. Sony Classics glaubt an den Film und investiert in eine sehr gezielte PR-Strategie, um bei den Academy-Mitgliedern im Vorfeld Aufmerksamkeit zu erregen. Ich war schon zweimal in den USA und war voll ausgebucht mit Journalistenterminen.

Freut es Sie, dass, an Ihren bisherigen Kameraarbeiten gemessen, gerade Das weiße Band der Film ist, mit dem Sie den größten Erfolg feiern?
Christian Berger: Zu dieser Kameraarbeit kann man wirklich stehen. Zum Oscar muss ich sagen, dass ich noch sehr entspannt bin. Das ist keine Koketterie, mir war das bis jetzt nicht wichtig, es hat nie ein Traumziel für mich dargestellt. Dass ich da in die Nähe komme, hat mich – in aufrichtiger Bescheidenheit gesagt – nicht beschäftigt. Wenn dann bei der Verleihung das Kuvert geöffnet wird, werde ich schon aufgeregt sein. Die doppelte Nominierung für den Oscar und durch die ASC ist für mich wirklich schon sehr viel.

Wie ist es zur künstlerischen Zusammenarbeit mit Michael Haneke gekommen, wie hat sie sich in den letzten Jahren entwickelt?
Christian Berger: Wir kennen uns schon seit Ende der achtziger Jahre. Er mochte meinen Erstlingsfilm Raffl sehr und hätte gerne gehabt, dass ich die Kamera zu Der siebte Kontinent mache, ich war damals aber mit meinem eigenen Projekt Hanna Monster Liebling beschäftigt und so ist erst Bennys Video 1991 unsere erste Zusammenarbeit geworden, inzwischen sind es fünf Filme – 71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls, Die Klavierspielerin, Caché und Das weiße Band.

Was verbindet Sie?
Christian Berger: Was ich sehr schätze ist seine Bildauffassung. Sie deckt sich mit meiner. Und was ich mit allem Respekt sagen muss, er hat eine Energie in seinen Geschichten, die eine wirkliche Herausforderung darstellt (auch wenn der Film nachher recht einfach daherkommt),  die nicht nur mich, sondern den ganzen Stab von der Produktion bis zum Kostüm an seine Grenzen führt. Es ist der eindeutig bessere Weg, als zu früh zufrieden zu sein. Ich glaube, dass man dadurch besser wird und da habe ich Michael Haneke sicherlich etwas zu verdanken.

Wenn man lange zusammenarbeitet, kennt man einander gut. Fordert Michael Haneke Sie bei neuen Projekten dennoch immer wieder aufs Neue heraus?
Christian Berger: In der Vorbereitung eigentlich nicht. Michael hat immer sehr genaue Vorstellungen von dem, was er haben will und er ist kein Freund von Überraschungen oder Improvisation. Das wäre bei seiner Handschrift undenkbar. Über die Bildauflösung brauchen wir uns inzwischen wirklich nicht mehr viel unterhalten, ich kenne seinen Weg, der ja zum Teil mit meinem übereinstimmt. Die Dinge, worüber wir uns unterhalten, sind eher sachlicher Natur: Fragen, wie kann man etwas erreichen, wie geht es eventuell einfacher? Was die meiste Zeit in Anspruch nimmt, ist, durch seine Präzision bedingt, die Phase der Vorbereitung, wo wir alles Austesten, um alle Eventualitäten auszuschalten. Das ist alles sehr handwerklich, sehr angenehm.

Das weiße Band hat einige Szenen mit sehr wenig Licht. Haben Sie sich zeitweise an der Grenze der Machbarkeit bewegt?
Christian Berger: Das kann man wohl sagen, dass es an der Grenze der Machbarkeit war. Der Film wäre vor einigen Jahren nicht nur wegen der Dunkelheit nicht machbar, sondern auch wegen des Looks undenkbar gewesen. Mit der Dunkelheit ist es bei Michael immer das Gleiche, es ist ihm immer alles viel zu hell. Er selbst steht schon mit einem auf Dunkelheit adaptierten Auge wie ein Uhu im Studio und findet alles immer noch zu hell. Vieles war weit unter den messbaren Möglichkeiten, das wäre analog einfach nicht mehr zu machen gewesen. Mir war oft wirklich nicht mehr wohl in meiner Haut. Immerhin muss ich ja etwas liefern und ich kann ja nicht zum Produzenten sagen "Der Haneke hat gesagt, ich soll das Licht abdrehen." Abgesehen davon, dass es mit dem Abdrehen nicht getan ist, das Bild muss ja auch gestaltet sein. Bei einigen Schlüsselszenen waren wir an der physikalischen Grenze, das war beim Drehen ein wirklicher Blindflug. Ich glaube, das weiß er nicht immer zu schätzen, denn er sagt immer "Ihr sagt jedes Mal, es ist zu dunkel und dann geht's eh immer." Da täuscht er sich ein bisschen. Dass es geht, ist bewiesen, aber es ist so sauknapp, dass man es vorher nicht wissen kann. Wenn es gelingt, ist es aber dann auch schöner, da bin ich dann auch wieder froh darüber.
Vor einigen Jahren wäre dieses Ergebnis sicherlich nicht erreichbar gewesen, denn diesen neueren und moderneren Look von Schwarzweiß finden Sie auch bei den besten Schwarzweißfilmen von früher nicht. Wenn man sich die schönsten Nykvist-Arbeiten mit Bergmann ansieht, dann schauen die technisch alt aus. Die Verbindung der modernen analogen Materialien, d.h. die letzte Generation der Negative in Farbe haben einen Stand, der vor wenigen Jahren noch nicht existierte und auch das haben wir überschritten, da es ja analog nicht mehr kopierbar wäre. Man konnte nur durch die Verbindung mit der digitalen Technik Dinge rausholen, die vor kurzem noch nicht denkbar gewesen wären. Es waren die besten Eigenschaften von beiden Welten - analog wie digital - die da zusammengekommen sind.

Bedeutet das, dass das Schwarzweiß, das man heute dank digitaler Technik erzeugen kann, brillanter ist als früher.
Christian Berger: Es geht von besseren Rohmaterialen aus. Das, was ein Farbnegativ an Farbraum hat, kann man auch in Grautöne übersetzen. Schwarzweiß-Film wurde aber ja seit den achtziger Jahren nicht mehr weiterentwickelt oder wenn, dann wurde Silber rausgenommen und hat eigentlich an Qualität verloren. Es sind also die grundsätzlichen Möglichkeiten besser, die Körnigkeit ist besser, die Empfindlichkeit ist höher, sodass es Unsinn gewesen wäre, auf echtem Schwarzweißfilm zu drehen. Abgesehen davon, dass die Kopierwerke schon Leute aus der Pension holen, damit sie die Maschinen wieder in Gang bringen, falls es die Maschinen noch gibt.

Jahrzehnte als Kameramann zu arbeiten bedeutet auch über lange Zeit eine Beziehung zum Licht aufzubauen. Wie haben Sie diesen Bezug entwickelt?
Christian Berger: Wie oft im Leben geht es auch über Krisen. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre war ich nahe daran, den Beruf zu lassen. Es war mir im schlechtesten Sinne langweilig, denn alles, was in der Kameraarbeit konventionell ausgeleuchtet ist, führt - auch im besten Fall - zu einheitlicher Qualität. Ob Kino oder TV-Serie (man darf nicht vergessen, dass oft die innovativeren Leute beim Fernsehen arbeiten) sind häufig Leute am Werk, die ihr Selbstwertgefühl über das Ausmaß ihres Equipments ableiten und niemand macht sich darüber Gedanken, dass Licht immer noch ein großes Geheimnis, etwas Magisches ist. Die Reflexion über Licht habe ich nur in der Malerei und durch Naturbeobachtungen wieder gefunden und durch die Freundschaft mit Christian Bartenbach, einem ganz wesentlichen Lichtingenieur, der in der Architektur tätig ist. Ich war mal bei ihm Lehrling und wir haben uns wiedergefunden. Inzwischen bin ich Mitbegründer seiner Lichtakademie geworden, er ist ein Lichtphilosoph, mit ihm kann man wunderbar und endlos über Licht reden. Dabei ist mir bewusst geworden, wie sehr die Filmbranche auf der Stelle tritt. Wir verwenden immer noch Töpfe, die vor hundert Jahren erfunden worden sind, arbeiten mit Linsen, die Fresnel 1822 für Leuchttürme gebaut hat. Es ist ja nicht zu glauben, welchen Stillstand es da gegeben hat, obwohl immer alles größer, dicker, leistungsstärker und teurer geworden ist. Denn das Lichtdenken, die Reflexion, was die Dinge bewirken, hat nicht stattgefunden. Am ehesten noch über die Werbung, dort gibt aber eine Ästhetik den Ton an, mit der ich nichts zu tun haben will, jedenfalls nicht in meiner Spielfilmarbeit. Aus dieser Situation hat sich das Cine Reflect Lighting System entwickelt, das in erster Linie die Arbeitsmethoden verändert hat, weil Werkzeuge nicht nur die Ästhetik beeinflussen, sondern auch das, was am Set passiert.
Es geht ja bei der Arbeit nicht nur darum, dass wir Kameraleute uns darum kümmern, dass es keine Blendungen oder keine Reflexe gibt, sondern, dass wir ein unglaublich technikbestimmtes Diktat ausüben. Wir terrorisieren Schauspieler und Regisseure mit dem, was angeblich technisch notwendig ist. Wir blenden sie, sie schwitzen, sie kriegen die Augen nicht mehr auf, es ist wirklich eine rüde Sache und keiner beklagt sich, weil die Auffassung herrscht, beim Film ist das so. Es stimmt aber nicht. Mein Ansatz liegt in der Reduzierung und langsam wird man darauf aufmerksam. Kürzlich waren Leute aus Paris da, die das Ganze unter einem ökologischen Aspekt betrachtet haben. Man braucht keinen Generator mehr, man kann mit normalen Steckdosen arbeiten. Das Sparen war aber keineswegs die Prämisse bei der Entwicklung des Systems, sondern nur ein Nebeneffekt. Die Schauspieler fühlen sich wohler, die Regisseure schwitzen nicht nur weniger, sie gewinnen auch freie Räume am Set. Es ist ja für eine Darstellerin nicht sehr anregend, dazusitzen und "I love you" sagen zu müssen und es stehen hundert Stative und Sandsäcke herum.

Worin liegt das Geheimnis dieses Systems?
Christian Berger: Es ist kein Geheimnis. Es ist ganz simpel. Es ist eine abgeleitete Naturbeobachtung. Wenn ich vom Tageslicht spreche, dann haben wir, ob nun von Landschaften oder Räumen die Rede ist, eine Lichtquelle, und das ist die Sonne. Und alles, was mit dem Licht passiert, bis es bei uns ist, das ist Reflexion, Diffusion und Absorption. Diese Prozesse kann ich bis zu einem gewissen Grad nachmachen und es wird dadurch leichter, schlanker und flexibler. Zur Zeit bin ich damit sehr beschäftigt, weil es langsam die Kollegen zu interessieren beginnt und ich eingeladen werde, um es zu demonstrieren. Wie es aussieht, ist nun das Eis gebrochen: ein großer Verleiher ist begeistert und bereit, in die Logistik einzusteigen. Für die Produktion haben wir zum Glück in Wien jemanden gefunden, das System muss ja in weiterer Folge rund um die Uhr erreichbar und verfügbar sein. Es gibt einen totalen Aufschwung und das ist sehr erfreulich.

Christian Bartenbach  schrieb in einem Text über Sie "schon mit seinem 18. Lebensjahr wusste Christian Berger mit Bestimmtheit, dass er 'filmen' wollte". Das "Filmen" hat sich seither total gewandelt, wie haben Sie die technologischen Umwälzungen erlebt?
Christian Berger: Ich finde es nicht so dramatisch, ich habe mich ja mitentwickelt. Es geht ja wie in einem Treppenhaus, es entwickeln sich die Interessen und auch das Talent weiter. Wichtig war in meiner Karriere, dass ich nie auf einem Bein gestanden bin. Ich habe fast zehn Jahre aktuellen Dienst gemacht und habe immer versucht, auch bei den banalsten Geschichten, neugierig zu bleiben und mir zu überlegen, welches Potenzial drinnen liegt und natürlich handwerklich viel gelernt, denn da lernt man, aus der Hüfte zu schießen. Die technologischen Umwandlungen hab ich nicht als so schlimm erlebt. Ich sage, es ist mir egal, ob ich mit Korn oder Pixel erzähle. Im Prinzip ist es natürlich nicht egal, aber von der Zielsetzung her schon. Wenn das Schauen, die Kraft des Visuellen im Vordergrund steht, dann ist die Technologie nachrangig. Es ist eine Werkzeugfrage, die man nie unterschätzen soll, aber nie eine Inhaltsfrage. Vom Inhalt her waren die Sprünge nicht so krass. Dass wir erzählen wollen und das mit Bildern tun, das bleibt relativ konstant. Es ändern sich nur die Sehgewohnheiten – Gott sei Dank.
 

Sie sind seit vielen Jahren als Professor an der Filmakademie tätig. Ich nehme an, sie haben langsam Studenten, die analoge Fotografie gar nicht mehr praktiziert haben?
Christian Berger: Sie sind aber ganz glücklich, wenn sie diese mit einer Bolex und ihren ersten Schwarzweißfilmrollen entdecken können. Sie sind rückblickend nach dem ersten und zweiten Jahr recht froh, das entdeckt zu haben. Auch wenn wir wissen, dass das nicht der Zukunftsweg ist, so hat es von der Bewusstseinsbildung etwas Positives. Es erstaunt die Studenten selber immer, wie sie mit Filmmaterial plötzlich ökonomisiert arbeiten. Sie müssen sich vorher überlegen, wann sie aus- oder einschalten. Das erfordert Konzentration und Zuwendung für das Thema oder die Szenen – egal, ob Dokumentation oder Spielfilm. Und für diese Erfahrung sind sie dankbar.

Worauf setzen Sie den Fokus in Ihrer Lehrtätigkeit?
Christian Berger: In erster Linie ist es mir ein Anliegen, dass meine Studenten nicht technikgläubig werden. Dass sie sensibel und neugierig fürs Schauen bleiben und dass sie versuchen, wenn sie Probleme haben, sie selber zu formulieren. Unsere Hardware-Produktionswelt redet uns ständig ein, dass wir ein neues Kasterl kaufen müssen, um das Problem, das wir haben, zu lösen. Es stimmt fast nie. The Future is now heißt es jetzt schon seit nahezu dreißig Jahren. Es ist verständlich, dass jemand, der in dieser Welt aufgewachsen ist, diesem High Gloss auf den Leim geht. Warum sollte er nicht? Darum betrachte ich die Naturbeobachtung auch noch immer als etwas Wesentliches und  keineswegs Altmodisches.

Wie sieht es mit Ihren nächsten Filmprojekten aus?
Christian Berger: Wir machen gerade erste Testdrehs zu Die Wand von Julian Pölsler. Und es gibt natürlich auch internationale Anfragen in letzter Zeit. Angebote, die drei Wochen vor Drehbeginn kommen, halte ich nicht für seriös, aber es hat auch sehr gute und konstruktive Kontakte gegeben mit Regisseuren, die mir auch noch wichtig wären. Ich möchte darüber noch nicht allzu viel sagen. Aber ich kann auf alle Fälle Walter Salles nennen, den ich in São Paulo getroffen habe, ich schätze seine Arbeit sehr, ihm gefiel Das weiße Band sehr und wir haben gute Gespräche geführt. Und dann gibt es noch ein sehr konkretes Projekt mit Tilda Swinton und Isabelle Huppert ? Die Blutgräfin von Ulrike Ottinger, das wären drei sehr lustige Frauen unter einem Filmdach.

Bei der Oscar-Nominierung stehen Sie in Konkurrenz mit Avatar – ein interessantes Aufeinandertreffen verschiedenster Auslegungen von Fotografie. Wie stehen Sie dazu?
Christian Berger: Die Frage was ist noch Fotografie, stellt sich ja grundlegend auch bei jeder Nachbearbeitung. Avatar ist natürlich ein besonders krasser Fall ­– 3D und die Hälfte der Bilder sind computergeneriert. Da kann man eigentlich nicht mehr von einem Kameramann sprechen. Ich halte es für eine faszinierende und interessante Gegenüberstellung. Grundsätzlich war Kino immer schon Jahrmarkt, seine Faszination lag immer schon im lustvollen Schauen und das kann Avatar sehr gut bedienen. Die Welt hat sich seit der Erfindung des Kinos in diesem Bereich bewegt. Es kann zu spannenden Grundsatzdiskussionen führen.

Wie würden Sie selbst die grundsätzliche Frage nach der Definition von Fotografie kurz beantworten?
Christian Berger: Da geh ich am liebsten ganz weit zurück und zitiere einen der ersten "Filmkritiker" , der auf den Punkt bringt, was Film für mich darstellt. Er hat anlässlich der ersten Filmprojektionen Ende des 19. Jhs. geschrieben: "Jetzt gibt es eine Kunst, die in der Lage ist, das Zittern der Blätter im Wind festzuhalten".

 

Interview: Karin Schiefer
Februar 2010