INTERVIEW

Katharina Mückstein über TALEA

 

 

«Das Wort Talea entspricht genau dem, worum es geht. Ein abgeschnittenes Stück Pflanze kann vertrocknen, wenn es auf den Boden fällt und keine Nahrung bekommt. Oder man kann es in die Erde stecken und es kann Wurzeln schlagen und es kann eine eigene Pflanze werden.» Katharina Mückstein über ihr Spielfilmdebüt TALEA.


Nach Die Vereinigung haben Sie für Ihren ersten langen Spielfilm erneut eine junge Frauenfigur gewählt, die in ihrer Kindheit einen großen Schmerz erfahren hat. Wie suchen Sie, wie finden Sie die Protagonistinnen Ihrer Geschichten? Gibt es da auch Fälle aus der Wirklichkeit?
Katharina Mückstein: Ich such meine Themen einerseits aus Empathie, aus Interesse für andere und für das Gefühlsleben, andererseits aus einer politischen Haltung heraus. Man kann nicht über das Politische reden, wenn man nicht zunächst einen Blick auf das Persönliche geworfen hat. Das Funktionieren unserer Gesellschaft ist zutiefst angstmotiviert und Angst entsteht an den Wurzeln des Lebens, d.h. in der Kindheit. So ist die Kindheit eine Metapher für den verletzlichsten Kern jedes Menschen. Die Frage, wie sind Verhaltensweisen motiviert, ist eine, der ich gerne nachgehen möchte.

Welche Ängste nehmen Sie in der aktuellen Gesellschaft als besonders dominant wahr?
Katharina Mückstein: Ich denke, da ist die Angst nicht zu bestehen, durch soziale Netze zu fallen, die Angst, kein Wachstum kreieren zu können, nicht nur im wirtschaftlichen Sinn, sondern auch in der Kultur oder im Zusammenleben. In meinem Film geht es um die Verunsicherung durch eine fehlende Verwurzelung, durch eine fehlende klare Identität. Das halte ich als Thema für sehr zeitgemäß. Es ist schwierig, in einer Zeit zu leben, in der man viele Möglichkeiten hat, seine Identität frei zu gestalten. Meine Generation der Mittzwanziger bis Mittdreißiger ist vielleicht wirklich in so etwas wie einer Postmoderne angekommen. Wir können uns aus dem Wohlstand heraus, in dem wir aufgewachsen sind (das gilt natürlich nur für die, die das Glück hatten, in diesem Wohlstand aufzuwachsen), vieles aussuchen. Ich meine da Geschlechteridentität, Familienmodelle, die Art, wie man Frau sein oder ein Mädchen sein will. Bis zu einem gewissen Grad kann man sich das relativ frei gestalten und viele Statements abgegeben. Gleichzeitig wird alles so schnell kommerzialisiert, dass einem kaum Zeit für ein Statement bleibt. Im Moment, da man sagt „Ich bin dagegen“, hat auch schon jemand das „Dagegen-Sein“ gekauft und es heißt „Dagegen-Sein“ ist jetzt in. So wird uns viel Wind aus den Segeln genommen. Es ist schwierig, gegen so geringe Widerstände eine Identität herauszubilden.

Gab es einen konkreten Fall eines Mädchens, dessen Mutter aus dem Gefängnis kommt, der Sie inspiriert hat?
Katharina Mückstein: Der Stoff stammt von Selina Gnos, die auch eine Zeitlang auf der Filmakademie Drehbuch studiert hat. Für mich war Talea die erstmalige Erfahrung, ein fremdes Drehbuch zu verfilmen. Ich habe als Dramaturgin in der Drehbuchentwicklung mitgewirkt und dann ab einer ersten soliden Drehbuchfassung eine Regiefassung geschrieben. Selina holte ihre Inspiration aus dem Fall der Estebaliz Cruz, die als „Eisbaronin“ in den Boulevardmedien war. Sie war wegen Mordes angeklagt und es wurde bekannt, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Inhaftierung schwanger war. Der Staat nahm ihr das Kind nach der Geburt weg. Selina hat die Idee dann weitergesponnen, wie es sein muss, wenn sie nach 15 Jahren wieder frei kommt und ihr Kind kennen lernt. Was mich zunächst an der Geschichte interessierte, war das Thema des „Verwaltet-Werdens“. Was bedeutet es, wenn einem der Staat verbietet, das Kind, das man in sich trägt, zu behalten? Welch unglaublicher Eingriff das ist und wie machtlos sich diese Frau fühlen muss? Was kann in einer solchen Situation Recht oder Unrecht sein? Das war aber nur eine erste Inspiration und von da weg haben wir dann eine vom Fall der Frau Cruz komplett unabhängige Geschichte entwickelt. Es wurde uns schnell klar, dass das Mädchen die Hauptfigur sein musste und dass es in erster Linie um die Suche nach einer weiblichen Identität geht.

Der Film beginnt mit Bildern eines Schwimmtrainings. Wie sind Sie aufs Schwimmen als eines der zentralen Bilder gekommen?
Katharina Mückstein: Ich suchte mit Selina nach einem Bild, das verdeutlicht, wie verunsichert dieses Mädchen ist. Wir wollten ein starkes Mädchen zeigen, dem wir gleichzeitig eine Wunde einschreiben mussten. Einem Kind, das vierzehn ist und vielleicht schon zweimal die Pflegefamilie gewechselt hat, hat vielleicht niemand das Schwimmen beigebracht. Eltern lehren ihre Kinder zunächst das Gehen und dann das Schwimmen, auch aus einem Sicherheitsgedanken für den Fall, dass das Kind einmal ins Wasser fällt. Schwimmen-Lernen ist die Draufgabe an Überlebensfähigkeit, die man einem Kind mitgeben kann. Radfahren ist auch ein zentrales Bild des Filmes, etwas, das einem in der Regel die Eltern beibringen. Sie halten einen solange, bis man nicht mehr umfällt. Das Radfahren hat etwas mit Freiheit zu tun und man kann es sich, wenn man mutig ist, auch selber beibringen. Jasmin ist ein mutiges Mädchen. Aber sich das Schwimmen selbst beizubringen kann lebensbedrohlich sein. Deshalb war es für mich ein schönes Bild, dass sie in dem Moment, wo sie schwimmen soll, so verunsichert ist und Angst bekommt, gleichzeitig aber eine Sehnsucht danach hat, wenn sie am Beginn des Films die Schwimmerinnen beobachtet, die so stark und im Team sind. Am Ende entscheidet sie sich, schwimmen zu lernen und das bedeutet auch eine Selbstermächtigung der Figur.

Was steckt hinter dem Titel TALEA?
Katharina Mückstein: Das ist eine Idee von Flavio Marchetti, dem Produzenten. Ich wollte den Arbeitstitel Freundinnen nicht behalten und im Zuge der Suche schlug Flavio vor, der Film sollte Steckling heißen. Das gefiel mir als Bild, aber als Wort nicht und ich fragte ihn, wie es auf Italienisch hieße und er sagte: „Talea“, was wiederum sehr schön klang. Es entspricht genau dem, worum es geht. Ein abgeschnittenes Stück Pflanze kann vertrocknen, wenn es auf den Boden fällt und keine Nahrung bekommt. Oder man kann es in die Erde stecken und es kann Wurzeln schlagen, was ein Wunder der Natur ist. Mit Wurzeln kann es eine eigene Pflanze werden, was eine passende Metapher für die Hauptfigur ist. Darüber hinaus spielt die Natur eine wichtige Rolle in der gesamten Erzählung und Jasmins Mutter arbeitet in einem Gewächshaus. Mit Kamera und Ausstattung einigten wir uns darauf, dass ich mir für die Optik des Films eine Mischung aus Natur und Beton wünschte.

Der Film hat auch ein klares Farbkonzept, das Grün dominieren lässt. Warum?
Katharina Mückstein: Ich hatte schon länger Lust, einen Film zu drehen, der viel im Freien spielt, in einer Umgebung, die sehr invasiv von Menschenhand beeinflusst ist, wo aber die Natur sich ihren Platz zurück erobern will. So sind wir zu Drehorten wie Donauinsel, Ölhafen Lobau, Raffinerie Schwechat gekommen. Im zweiten Teil des Filmes, der im Waldviertel gedreht ist, sehen wir dann die unversehrte Natur und den Ort, an dem sich die Natur wieder Platz verschafft hat und das Haus der Großeltern im Wald verfällt. So steht die Umgebung im ersten Teil des Filmes für den regulierten Zustand, für die Trennung des Mädchens von seiner Mutter, und im zweiten Teil für den organischen Zustand, das Zusammensein der beiden. Es machte mir großen Spaß, den Look des Films im Team zu erarbeiten. Kamera machte Michael Schindegger, der auch ein Gründungsmitglied unseres Produktionsunternehmens La Banda Film ist, die Ausstattung kam von Katharina Haring und ihrem Team. Sie lernte ich wiederum beim Dreh von Anja Salomonowitz’ Die 727 Tage ohne Karamo kennen. Das Kostüm kam von Monika Buttinger. Es war eine tolle Zusammenarbeit mit Michael, der ein so großes fotografisches und grafisches Verständnis mitbringt und mit Katharina Haring, die etwas ganz Aktuelles, Zeitgeistiges einbrachte und sie beherrscht die Kunst des Reduzierens. Das ist besonders wichtig, wenn man mit so wenig Geld arbeiten muss. Mit Monika Buttinger habe ich mich auf Anhieb sehr gut verstanden und ihre Vorschläge für das Kostüm haben sich schnell mit meiner Vorstellung vom Gesamtkonzept des Filmes gedeckt. Mit Michael Schindegger war ich viele Tage mit dem Fahrrad zur Motivsuche unterwegs und wir haben uns auch oft darüber unterhalten, ob wir, die wir selbst so um die dreißig sind, noch in der Lage sind, ein Teenager-Mädchen und dessen Wahrnehmung der Welt darzustellen. Auch auf Grund dieser intensiven gemeinsamen Vorbereitung war die Zusammenarbeit mit Michael Schindegger so entspannt und produktiv, dass es später möglich war, am Set flexibel zu sein, etwa geplante Bilder zu streichen oder zusätzliche zu drehen. Was ich auf der Filmakademie gelernt habe – ein Punkt, in dem mir die Schule Michael Hanekes sehr viel gebracht hat - , ist die Bedeutung einer guten Vorbereitung, die Notwendigkeit, sehr streng und diszipliniert mit sich selbst zu sein. Die Arbeit an Talea war eine Mischung aus dieser strengen Schule und einem intuitiven Arbeiten im Verbund.

Es gibt drei Momente im Film mit einem sehr langen Blick in die Tiefe (aufs Haus, auf die Lichtung, auf den See), wo sich die Kamera nur ganz langsam und unmerklich vorwärtsbewegt. Was für Momente sind das für Sie?
Katharina Mückstein: Es gibt Orte, an denen Dinge passieren, die man sein ganzes Leben nicht mehr vergisst. Die Geografie dieser Orte brennt sich ins Gedächtnis ein. Es ist eine sehr beeindruckende Erfahrung, in einem anderen Kontext an diese Orte zurückzukehren und zu erkennen: der Ort bleibt immer der Ort. Die größten Dramen können sich dort abgespielt haben - danach, wenn die Menschen weggehen -, wird alles wieder friedlich und still und es stellt sich so etwas wie Erleichterung ein. Das sind für mich Momente, die auf die Kleinheit des Menschen angesichts von Zeit und Raum verweisen und das Drama relativieren. Das sind Bilder, die sehr intuitiv entstanden sind, ich habe es mir erlaubt, Bilder ins Buch zu schreiben, die ich an dieser Stelle einfach gerne sehen wollte. Es ging da um die Fragen - Wie erzeugt man ein Gefühl von Durchatmen? Wie gewährt man Zeit, um das Geschehene nachwirken zu lassen? Jeder der Spieltage von Jasmins Ausflug mit ihrer Mutter aufs Land hat am Ende so ein Bild.

Wie ist es schließlich gelungen, euch in die Welt der Teenager einzufühlen?
Katharina Mückstein: Es hat ab dem Moment gut funktioniert, wo wir Sophie Stockinger für die Rolle der Jasmin gecastet hatten. Ich hatte an die hundert Mädchen gecastet und allein das Casting hat mir guten Anschluss zu den 15-/16-Jährigen gegeben. Die Begegnung mit Sophie war dann sehr berührend für mich. Sie war zum Zeitpunkt des Drehs 14 und spielte schon seit fünf, sechs Jahren Theater. Ich hab sie auf der Bühne gesehen und konnte mich von ihrer Präsenz überzeugen. Sie ist eine sehr feinsinnige, authentische Person, die sich viel mehr für andere interessiert als für sich selbst. Die Zeit, die ich mit ihr verbrachte, hat mich wieder stark in die Zeit zurückgeführt, wo man so stark an den kleinen Dingen des Lebens leidet, wo man so sehr mit sich kämpft und mich daran erinnert, welche Qual es ist, durch diese Jahre zu gehen. Ich war Sophie sehr dankbar, dass sie mir viel über ihren Alltag erzählte und ihre Gedanken mitteilte, die sie sich zur Geschichte machte. Sie half mir sehr, die Figur von Klischees zu befreien und brachte schließlich eine große schauspielerische Feinsinnigkeit mit.

Gab es auch konkrete Probenarbeit mit ihr?
Katharina Mückstein: Proben ist etwas, was bei so geringen Budgets kaum mehr möglich ist. Ich machte eine Leseprobe mit Sophie Stockinger und Nina Proll, die ja nicht ständig in Wien lebt, und einmal spielten wir hier in unserem Büro von La Banda Film eine Szene durch, das war es. Alles andere ist am Set in sehr kurzer Zeit entstanden. Der Ablauf war immer gleich – eine technische Probe, dann der technische Aufbau und schließlich meine Arbeit mit den SchaupielerInnen mit möglichst wenig Team rundherum, dann drehen. Wir hatten nur 21 Drehtage, dennoch hatte ich noch nie ein so geringes Drehverhältnis, weil die beiden für sich und miteinander so spielerisch und gleichzeitig so professionell an der Arbeit waren.

Es macht Freude, Nina Proll nach einer längeren Pause wieder in einem Kinofilm in einer Hauptrolle zu sehen. Wie war sie für das Projekt zu gewinnen?
Katharina Mückstein: Ich hatte das Glück, dass Rita Waszilovics die Erwachsenenrollen mit mir gecastet hat. Eine Casterin kann den Schauspielern gegenüber einem Projekt mehr Nachdruck verleihen. Nina Proll hat das Buch gelesen und es gefiel ihr. Voraussetzung war ein Drehort, wohin sie ihre Kinder mitnehmen konnte. Sie hat dann Litschau im nördlichen Waldviertel vorgeschlagen, wo sie aufgewachsen ist und bei einer Tante wohnen konnte. So haben wir von unserem ursprünglichen Plan Wechsel-Gebiet auf Waldviertel umdisponiert. Unsere Drehorte sind die Orte aus Ninas Jugend. Hannes Salat, der Ausstatter von Braunschlag und Bürokollege von uns, war uns sehr behilflich, weil Braunschlag in diesem Gebiet gedreht worden ist. Die Disco in Talea werden so manche Braunschlag-Seher wieder erkennen und es ist auch die Disco, wo Nina als Teenager mit ihren Freundinnen tanzen war. Nina bekam jede Drehbuch-Fassung und hat immer sehr stark für ihre Rolle gekämpft. Damit meine ich, sie hat ihre Rolle gegen alles, was sie als unpassend oder ungerecht empfand, verteidigte. Die letzten Drehbuchversionen haben vor allem dazu geführt, dass durch Ninas und Sophies Input die Figuren noch stark an Kontur dazu gewonnen haben.

Worin spüren Sie als Regisseurin Nina Prolls Stärke vor der Kamera?
Katharina Mückstein: Abgesehen davon, dass sie unheimlich professionell ist, genau weiß, wo sie stehen soll, alles wiederholen kann, mit einer kleinen Anweisung ihre Intensität steigern kann, kann sie sich auch sehr gut zurücknehmen, was fürs Filmschauspiel so wesentlich ist. Da genügt oft ein Blick, oder ein Atmen. Ich spare in erster Linie an den Dialogen, weil ich nicht will, dass zuviel geredet wird. Da ist es natürlich unheimlich wichtig, Schauspielerinnen zu haben, die ohne Worte und einfach mit ihrer Körperlichkeit, das erzählen können, worüber man sich zuvor geeinigt hat. Ich finde, Nina kann sehr viel zwischen den Zeilen machen, weil sie gleichzeitig so stark und so zart ist. Im Fernsehen ist sie oft in Rollen zu sehen, die sehr wenig mit dem zu tun haben, was ich in ihr sehe. Ich sehe sie ganz anders und deshalb schaut sie auch in meinem Film ganz anders aus.

Es entsteht der Eindruck, dass es einen sehr regen Austausch und ein Zusammenwirken innerhalb der jungen Generation der Filmemacher gibt.
Katharina Mückstein: In der Ausbildung hat mir der Austausch mit den KollegInnen oft gefehlt. Das Klima an der Filmakademie halte ich für autoritär und kompetetiv und das verhindert oft den Zusammenschluss mit anderen Studierenden. Ich halte das Meisterklassen-Prinzip für überholt, denn so wird ein Künstlersein tradiert, das nicht mehr zeitgemäß ist. Ich habe darum auch beschlossen, mein Studium vor dem Diplom abzubrechen. Das war ein wichtiger Schritt, um mit meiner Arbeit eigene Wege zu gehen. Jetzt – also außerhalb der Schule, im „echten Leben“ – floriert in meinen Augen der Austausch mit anderen jungen Filmschaffenden und ich finde es aufregend, dass nach einer langen Pause in den letzten Jahren wieder so viele Nachwuchsfilme produziert werden.

Wie findet sich nun für einen Abgänger der Filmakademie eine Arbeitsbasis. Wie kam es zur Gründung von La Banda?
Katharina Mückstein: Von der Filmakademie kommend verändert sich das Arbeitsumfeld schlagartig. Jeder ist auf sich selbst gestellt und muss die teilweise langen und zähen Strecken zwischen Projekten und Finanzierungen überwinden. Ich halte in diesem Zusammenhang Allianzen für unglaublich wichtig. Wenn man sich einsam fühlt, läuft man viel eher Gefahr, an den Hürden zu scheitern, die es auf dem Weg von der Ausbildung ins Berufsleben zu nehmen gilt. Außerdem macht niemand als Universalgenie alleine Filme, sondern man braucht Teams, Leute, die einem eine ehrliche Rückmeldung geben und sich auch für ein gemeinsames Projekt begeistern lassen. Wenn man sich das eingesteht, dann ist schon mal der wichtigste Schritt getan. Die Gründung von La Banda ist auf diesen Gedanken zurückzuführen. La Banda Film ist ein Arbeitskollektiv und Produktionsunternehmen, das gemeinsam mit Michael Schindegger, Natalie Schwager, Flavio Marchetti, Thomas Marschall und Barbara Nehoda 2010 entstanden ist. Mittlerweile sind wir nur noch zu viert, also Natalie, Michael, Flavio und ich. Ich habe 2009 begonnen, mit Sabine Derflinger an ihrem Dokumentarfilm Vom Umgang mit der Schuld zu arbeiten und wir haben uns dann gegründet, um Sabines Film produzieren zu können, aber natürlich auch unsere eigenen Projekte. Talea ist unser erster, gemeinsamer, größerer Film. Natalie Schwager, die den Film geschnitten hat, machte auch Regieassistenz. Gemeinsam mit ihr und Flavio Marchetti kümmerten wir uns um die Produktionsagenden, mit Michael betreute ich das künstlerische Department. Natürlich haben uns in allen Bereichen viele Leute unterstützt und wir hatten in Summe ein recht großes, professionelles Team. Innerhalb von La Banda waren wir vier die ProduzentInnen und trafen gemeinsam die größeren Entscheidungen.

Ist diese Arbeitsform in kleinen Kollektiven eine Lösung für die jungen FilmemacherInnen, um in der österreichischen Filmlandschaft Fuß zu fassen?
Katharina Mückstein: Die Arbeit im Kollektiv und auch dieser Do-It-Yourself-Gedanke hat in letzter Zeit einige sehr erfolgreiche, künstlerisch anspruchsvolle Filme hervorgebracht. Daniel Hoesl hat ja beispielsweise auch in einem Interview über Soldate Jeannette immer wieder auf die Gruppe verwiesen, in der er arbeitet oder Tizza Covi und Rainer Frimmel, die für ganz wenig Geld und Personal so großartige Filme machen. Ich denke schon, dass es ein gangbarer Weg ist, um auch ein wenig unmittelbarer produzieren zu können. Die viele Zeit, die bei teuren Projekten großer Firmen von der Idee bis zum fertigen Film vergeht, kann man mit dieser Arbeitsweise vielleicht besser nutzen. Bei Talea haben wir von der ersten Drehbuchbesprechung bis zur Fertigstellung zehn Monate gebraucht, da steckt schon der Gedanke dahinter, dass ich mit einer etablierten Firma und einem Debütfilm für eine Million Euro wahrscheinlich viel länger gebraucht hätte, diesen ersten Langfilm zu machen. Um Fuß zu fassen, ist es also wohl ein gangbarer Weg.


Interview: Karin Schiefer
Jänner 2013