INTERVIEW

Michael Haneke über DAS WEISSE BAND

 

Der Film geht der Frage nach unter welchen Bedingungen Terrorismus entsteht. Dies am «Beispiel dieser historischen Situation in Deutschland, die, das möchte ich betonen, nur ein Beispiel ist. Es ist mir wichtig, dass man den Film nicht ausschließlich als einen Film über den deutschen Faschismus interpretiert, sondern generell als einen Film über die Wurzeln jeglicher Art von Terrorismus, sei er rechtspolitisch, linkspolitisch oder religiös». Michael Haneke im Gespräch über das Das weiße Band.




Der Untertitel von Das weiße Band lautet "Eine deutsche Kindergeschichte". Kinder haben in Ihren Arbeiten immer eine Rolle gespielt. Diesmal lassen Sie ihnen gar die zentrale Rolle im Film zukommen, warum?
Michael Haneke: Kinder sind die unterste Stufe in der Unterdrückungsleiter und daher sind sie dramaturgisch interessant, weil man da die Mechanismen einer Gesellschaft an ihnen am eindrücklichsten zeigen kann. Die grundlegende Idee war, einen Film über eine Gruppe von Kindern zu machen, die die Ideale, die ihnen gepredigt werden, verabsolutieren und dann genau deshalb jene Personen, die ihnen die Ideale predigen, aber selbst nicht danach leben, dafür bestrafen. Sobald aus einem Ideal oder einem Prinzip eine Ideologie wird, wird es gefährlich. Kinder neigen dazu, das, was man ihnen sagt, ernst zu nehmen und das kann gefährlich werden. Der Film geht der Frage nach unter welchen Bedingungen Terrorismus entsteht. Dies am Beispiel dieser historischen Situation in Deutschland, die, das möchte ich betonen, nur ein Beispiel ist. Es ist mir wichtig, dass man den Film nicht ausschließlich als einen Film über den deutschen Faschismus interpretiert, sondern generell als einen Film über die Wurzeln jeglicher Art von Terrorismus, sei er rechtspolitisch, linkspolitisch oder religiös. Es ist ein Film ebenso über die Islamisten wie über die deutschen Faschisten. Auch wenn sie sehr unterschiedliche politische Umfelder haben, passiert es immer dort, wo aufgrund von Unterdrückung oder Unglück das Heil in der Zuflucht zu einer Ideologie gesucht wird. Da wird es unmenschlich und gefährlich.

Schuld ist ein essentielles Thema Ihrer Arbeiten, in Das weiße Band scheint es – der Titel evoziert ein Symbol der Reinheit und Unschuld – ganz besonders um ein Wechselspiel zwischen Unschuld und Schuld zu gehen.
Michael Haneke: Ich glaube nicht an die Unschuld von Kindern. Kinder sind nicht unschuldig, sondern naiv und nehmen die Dinge so, wie man sie ihnen sagt. Wenn man etwas wörtlich nimmt, kann das gefährlich sein. Die Welt teilt sich ja nicht in Gut und Böse, wie uns das die Politiker oder schlechte Autoren gerne einreden möchten. Es ist beruhigend, wenn die Welt so funktioniert. Davon lebt der Genrefilm, der uns versichert, dass uns am Ende nichts passieren kann. In der Wirklichkeit ist es anders und ich versuche mich, so gut es geht, der widersprüchlichen Wirklichkeit anzunähern. Kinder sind weder die pure Unschuld, noch pure Monster, sondern sie hängen irgendwo dazwischen, wie wir alle.

Ein Thema, auf das Sie dieses Mal aufgrund des historischen Settings nicht eingehen können, ist Ihre Kritik an den Medien, insbesondere am Medium Film.
Michael Haneke: Ich möchte immer das Misstrauen des Zuschauers in das filmisch Gezeigte nähren. Das hat sich bei Das weiße Band nur in der Form geäußert, dass die Erzählstimme sagt: ?Ich weiß nicht, ob die Geschichte, die ich Ihnen erzählen will, in allen Details der Wahrheit entspricht, vieles weiß ich nur vom Hörensagen...etc.- Der Film ist ja widersprüchlich erzählt - es ist nicht so, dass man nur das sieht, was auch der Erzähler tatsächlich hat sehen können. Man sieht im Film auch Szenen, wo er gar nicht dabei war. Das ist mein Augenzwinkern zu Beginn, um zu verstehen zu geben, dass wir es nicht mit der Wahrheit zu tun haben, sondern mit einem Konstrukt, das sich jemand zurecht gemacht hat, im Versuch, die Wahrheit zu rekonstruieren. Der Film behauptet nie:"So war es".

Es ist in Ihren Kinoarbeiten das erste Mal, dass sie das Geschehen nicht in der Gegenwart spielen lassen, sondern in einen historischen Kontext setzen.
Michael Haneke: Für die oben angesprochene Thematik hat sich diese historische Epoche als besonders signifikant angeboten. Der Protestantismus interessiert mich besonders, weil ich selber als Protestant aufgewachsen bin, was in Österreich eine relativ ungewöhnliche Sache ist. Mein Vater war Deutscher und Protestant, meine Mutter Österreicherin und Katholikin. Mich hat der Protestantismus in meiner Kindheit sehr beeinflusst. Der andere Punkt war der, dass es eine regelrechte Schwemme an Filmen über Nazideutschland und den deutschen Faschismus gibt, aber keinen einzigen über seine Wurzeln, also über das Davor. Die Fragestellung, wie es dazu gekommen ist, hielt ich für spannend. Der Film ist natürlich keine erschöpfende Analyse zur Frage "So entsteht Faschismus", will es auch gar nicht sein, aber er geht das Thema an der Wurzel an.

Der Film hat aufgrund der Off-Stimme eine zweite narrative Ebene, die dem Film zum einen eine literarische, weil textbezogene Komponente gibt und die Sie mal zeitgleich, mal zeitverschoben zum filmischen Geschehen einsetzen. Warum haben Sie sich für diese doppelte Erzählschicht entschieden?
Michael Haneke: Weil es eine Form der Distanznahme ermöglicht, die dem Thema guttut. Ebenso wie auch das Schwarzweiß des Films Distanz schafft. Durch Farbe entstünde ein falscher Naturalismus. Dasselbe tut auch der romanhafte Text im Stil Fontanes. Die Geschichte rückt so ein bisschen auf Distanz und man kann sie "objektiver" betrachten. Die Erzählstimme ist die Stimme eines alten Mannes, der aus einer historischen Distanz heraus in der Lage ist, die Geschehnisse zu reflektieren. Vom Alter der Stimme her könnte er nicht nur den Faschismus, sondern auch Baader-Meinhof erlebt haben. Sowohl Ulrike Meinhof als auch Gudrun Ensslin kamen aus sehr stark protestantisch geprägten Häusern. Damit will ich jetzt keinesfalls sagen, dass der Protestantismus zum politischen Extremismus neigt. Der Protestantismus hat aber, stärker als der Katholizismus, eine Rigorosität in Denkweise und moralischem Anspruch, die grundsätzlich nichts Schlechtes ist, die aber, wenn sie verabsolutiert und damit auf den Kopf gestellt werden, gefährlich ist.

Der Nüchternheit im Dorf, der Kühle in den familiären Beziehungen haben Sie eine Natur gegenüber gestellt, die Harmonie und Fülle repräsentiert.
Michael Haneke: Das ist ja das Traurige oder auch das Schöne, wie auch immer man es betrachten will. Die Natur ist ja immer schön, solange wir sie nicht zerstören und es ist natürlich dramaturgisch effizient, sich diesen Gegensatz zunutze zu machen. Es braucht nicht auch noch alles trist und hässlich zu sein, um zu zeigen, was an Abgründen in uns vorhanden ist. Ich fand es dramaturgisch reizvoller, mit dem Kontrast zu operieren.

Die dunklen Innen- und Familienwelten haben Sie nur mit ganz wenig Licht gedreht. Wie haben Sie mit Ihrem Kameramann Christian Berger am visuellen Konzept gearbeitet.
Michael Haneke: Wir haben manchmal nur mit ein paar Petroleumlampen oder gar nur mit Kerzen gedreht. Das vorhandene Schwarzweiß-Material wäre dafür viel zuwenig lichtempfindlich gewesen. Daher haben wir den Film in Farbe gedreht und dann auf Schwarzweiß ausbelichtet. Wir haben im Vorfeld sehr viele Tests auch mit Schwarzweiß-Materialien gemacht, um die Möglichkeiten auszuloten, wir haben ja leider alle nicht so viel Erfahrung mit Schwarzweiß, weil Schwarzweißfilme heutzutage als unverkäuflich gelten. Ich liebe Schwarzweiß und habe auch schon zweimal, allerdings noch zu paradiesischen Fernsehzeiten, einen TV-Schwarzweißfilm gemacht - Fraulein und Die Rebellion. Wenn es nach mir ginge, würde ich nur in Schwarzweiß drehen, aber das kommt natürlich aufs Thema an. Diesmal hat es sich angeboten und ich habe es zur Grundbedingung für diesen Film gemacht, was mich auch lange Überzeugungsarbeit mit den Produzenten gekostet hat. Schwarzweiß hatte abgesehen vom ästhetischen Konzept einen zweiten großen Vorteil für die Ausstattung, die zu einem großen Teil gebaut ist, auch wenn es sehr echt aussieht. Wenn man sich die Fotodokumentation von Christoph Kanter über das Vorher und Nachher ansieht, da kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Was er da gebaut und adaptiert hat, damit es zum tatsächlich Vorhandenen dazupasst, das wäre in Farbe so nicht möglich gewesen. Schwarzweiß hat sehr geholfen, die Nuancen zu unterdrücken, die oft verraten, dass es sich um künstliches Dekor handelt. Es freut mich sehr, dass die Rückmeldungen zur optischen Seite des Films so positiv ausfallen, denn es war eine unserer Ambitionen, dass der Film wie eine Dokumentation aus der Zeit aussehen soll, dass Dekors und Kostüme so aussehen, wie auf alten Fotos. Wir haben ja auch die Gesichter unter dem Aspekt ausgewählt, dass es Gesichter sind, die etwas "Altmodisches" an sich haben, es sind unheimlich schöne Gesichter.

Haben Sie schon jemals mit so wenig Licht gearbeitet?
Michael Haneke: Doch. Ich hab schon einen Film gemacht, der noch dunkler war - Wolfzeit. Da gab es gar nichts außer mal ein Feuer, oder vielleicht ein paar Fackeln. Damals habe ich mit Jürgen Jürges gearbeitet. Ich bin es gewohnt, mich mit Kameraleuten zu streiten, die immer mehr Licht verlangen und natürlich zittern, dass man nichts mehr sieht. Wir hatten in Tests vorher viel ausprobiert und vieles, was jetzt so makellos aussieht, hätte sich vor zehn, fünfzehn Jahren ohne digitale Korrektur noch nicht machen lassen. Wir haben ja endlos in der Postproduktion herumgefeilt und es gibt im Film mehr als 60 Digitaltricks. Im Gutshof z.B.  waren die Dächer der Wirtschaftsgebäude in Wirklichkeit aus Well-Eternit, da musste man Bild für Bild gegen Ziegeldächer austauschen. Wir hätten diese Dächer auch nicht bauen können, weil es Unsummen verschlungen hätte. Es steckt bei diesem Film wirklich sehr, sehr viel Detailarbeit dahinter.

Wie haben Sie sich grundsätzlich über diese historische Epoche dokumentiert?
Michael Haneke: Wir haben ganze Festplatten voller Fotos aus der Zeit studiert. Der Look des Films wurde bereits mehrfach mit den Fotos von August Sander verglichen, die tatsächlich gerade was Kostüm und Frisuren anlangt, die Referenz für uns gewesen waren, weil er genau und in hervorragender Qualität diese Zeit dokumentiert hat. Wir haben sicherlich tausende Fotos gewälzt.

Es gibt einige besonders berührende Szenen mit den Kindern. Ist Ihnen das Schreiben der Kinder-Dialogszenen eine besondere Herausforderung?
Michael Haneke:  Nein, ich finde nicht, dass es schwieriger als etwas anderes ist. Ich finde, es ist dankbarer. Kinder sind immer entwaffnend, weil sie etwas Direktes haben. Die Szene mit dem Kleinen über den Tod, das ist einfach eine schöne Szene. Es war meine große Angst bei diesem Projekt, dass wir jede Menge Zeit und Geld in die Vorarbeiten stecken, wo ich mir schon sicher war, dass wir es technisch hinbringen würden und dass ich am Ende kurz vor Drehbeginn dastehe, ohne die richtigen Schauspieler für die Kinderrollen gefunden zu haben. Daher haben wir auch sehr früh begonnen, auf sehr breiter Basis zu suchen. Ich wollte nicht aus Zeitnot gezwungen sein, irgendjemanden zu engagieren. Dazu war das Projekt zu aufwendig und anspruchsvoll. Und dann fanden wir wirklich die Kinder, besonders die kleinen, die imstande waren, diese Rollen zu spielen. Es war eine Glückssache, wir haben aber dem Glück auch eine Chance gegeben, immerhin haben wir an die 7.000 Kinder für den Film gecastet. Mit den kleineren Kindern hat man einfach das Problem, dass sie sich nicht lange konzentrieren können. Mehrmaliges Wiederholen, das heißt Arbeit und langweilt sie natürlich schnell und dann ist nichts mehr zu machen. Das verkompliziert die Sache manchmal und kostet Zeit. Ich hatte allerdings als wunderbaren Mitarbeiter Markus Schleinzer und seine Mitarbeiterin Carmen Loley, die sich mit unglaublichem Engagement auf die Kinder eingelassen haben. Diese sind also schon sehr gut vorbereitet zum Set gekommen, ohne die engagierte Hilfe der Beiden wäre der Film nicht so geworden, wie er ist. Bei den Erwachsenen weiß man, dass man irgendwann zu einem gewünschten Ergebnis kommt, Kinder hingegen sind ein Lotteriespiel.

... das bei Ihnen immer gut ausgeht?
Michael Haneke: Ich mache es auch gerne, weil Kinder etwas Erfrischendes haben. Bei ihnen stimmt es hundertprozentig oder gar nicht. Wenn Sie ein unbegabtes Kind haben, kommt nie etwas raus. Wenn es begabt ist, bekommen Sie es in einer puren Perfektion, wie sie es bei einem Erwachsenen nur selten erreichen können. Da meine Geschichten immer im Familienverband spielen, komme ich gar nicht drum herum, mit Kindern zu arbeiten, obwohl ich jedes Mal zittere, ob ich das richtige Kind finde. Mit der Zeit entwickelt man ein gewisses Gespür. Das Casting ist jedenfalls das Um und Auf. Wenn Sie ein gutes Casting haben, ist der Film, vorausgesetzt, dass Sie einigermaßen Ihr Handwerk verstehen, fast schon gelaufen. Gutes Casting heißt aber nicht nur gute Schauspieler, sondern gute Schauspieler in den für sie richtigen Rollen. Darum mache ich meinen Produzenten oft das Leben schwer, weil ich mit jedem Schauspieler herumbastle und ausprobiere. Es rentiert sich.

Mit Das weiße Band haben Sie seit langem wieder eine rein deutschsprachige Produktion realisiert. Was bedeutet dies für Ihr Arbeiten?
Michael Haneke: Es bedeutet natürlich Entspannung. Ich kann ganz gut Französisch, bin dennoch weit davon entfernt, es perfekt zu sprechen, mein Englisch ist ziemlich schlecht. Je weniger gut man eine Sprache spricht, umso größer ist der Stress. Mein Englisch ist gut genug, damit ich kommunizieren kann, was ich will. Die Schwierigkeit liegt vielmehr darin, alles mitzubekommen, was rundherum passiert. Und da ich ein Kontrollfreak bin, habe ich ständig das Gefühl, dass mir etwas entgeht. Das entspannt nicht gerade. Bei Das weiße Band haben mir mehrere Mitarbeiter nun versichert, sie hätten mich selten so entspannt erlebt. Obwohl es so ein großes Projekt war, hatte ich immer das Gefühl, die Sache im Griff zu haben. Das hängt auch damit zusammen, dass ich diesen wunderbaren Herstellungsleiter Michael Katz habe, ohne den ich den Film nicht gemacht hätte. Der Film war organisatorisch äußerst kompliziert. Nur ein Beispiel: für die Gesichter der Bauern sind wir erst in rumänischen Dörfern fündig geworden und es sind an die 100 Statisten von dort im Bus zum Dreh angereist. Die Drehorte waren 300 km voneinander entfernt, wir konnten uns also nicht hin- und herbewegen, sondern mussten den Dreh in Blöcken abwickeln. Das will erst einmal organisiert sein!

Das weiße Band hat nun die größte Auszeichnung, die man im internationalen Festivalgeschehen erreichen kann, gewonnen. Welches Gefühl schwingt da mit?
Michael Haneke: Was soll man da sagen. Es war natürlich eine riesige Freude. Ich habe danach einen Tag darauf verwendet, sämtliche SMS zu beantworten, ohne alle zu schaffen und drei weitere Tage lang habe ich E-Mails beantwortet.  Man freut sich sehr, das ist keine Frage. Es war eine Zitterpartie, ich hatte ja außer der Goldenen Palme alle Preise, die man in Cannes gewinnen konnte, schon erreicht. Dazu muss man zunächst sagen, es ist ja schon nicht schlecht, dort im Wettbewerb eingeladen zu sein, wenn man bedenkt, dass man in einer Selektion von 20 Filmen aus einer Vorauswahl von rund 1.500 Filmen läuft. Ausgewählt zu sein, ist eigentlich schon recht gut, einen Preis gewinnen ist noch besser. Aber wenn man einen Preis schon einmal gewonnen hat, dann will man natürlich mehr haben.  Das letzte Mal mit Caché haben wir es haarscharf verpasst, obwohl wir bis wenige Stunden vor der Verleihung als Favoriten galten. Dieses Jahr ist es Jacques Audiard so ergangen.  Er war dieses Jahr von der Presse favorisiert und hat sicherlich das empfunden, was ich vor vier Jahren empfand. Es war sehr nervenaufreibend, denn erst im Moment, wo Isabelle Huppert den Grand Prix du Jury für Le Prophète angekündigt hat, wusste ich, dass nur mehr ein Preis übrig blieb. Ganz schön stressig, aber sehr angenehm.

Und es erleichtert gewiss das Weiterarbeiten.
Michael Haneke: Ich darf mich nicht beklagen, denn ich konnte im Großen und Ganzen immer das machen, was ich wollte. Das Buch von Das weiße Band existierte schon länger. Richtig ist, dass man einen Erfolg vorweisen muss, der dann ein teureres oder riskanteres Projekt legitimiert. Ich gehe daher davon aus, dass das nächste Projekt leichter ist, weil der Prominenzgrad mit einem Erfolg wie der Goldenen Palme steigt. In Frankreich, wo ich oft bin, werde ich seit Jahren wahrscheinlich täglich auf der Straße angesprochen. Hier in Wien vielleicht einmal in der Woche und jetzt natürlich fünf Mal am Tag. Das kann ein bisschen peinlich sein, aber es gibt Schlimmeres. Wenn mir mein Fleischhauer jetzt ein besseres Stück Fleisch abschneidet, ist es mir recht und mehr ist auch nicht dahinter. Das Schöne daran ist, dass es eine große Anerkennung bedeutet, aber jetzt gilt es schon wieder zu schauen, was man als nächstes zustande bringt. Was mich weniger begeistert, ist, dass mich die Verleiher jetzt zu den Premieren in der Welt herumschicken wollen. Für mich bedeutet das vergeudete Zeit, auch wenn es in gewisser Weise dazugehört.

Denn es ist bereits ein neuer Stoff am Entstehen?
Michael Haneke: Dazu müsste ich mich in Ruhe zurückziehen können und etwas schreiben, aber mein Schreibtisch ist bereits voller Zettel für ein neues Projekt. Mein Plan sieht so aus, dass ich 2012 eine Oper inszenieren soll und bis dahin einen Film fertig haben möchte. Ich muss ihn aber erst schreiben, da ist noch keine Rede vom Finanzieren, Drehen, Postproduzieren. Wenn sich das ausgehen soll, brauche ich Zeit.

Interview: Karin Schiefer
Juni 2009