INTERVIEW

Sabine Derflinger über TAG UND NACHT

 

Mich hat gerade der Punkt daran interessiert, dass die Frage der Machtverhältnisse auch bestehen bleibt, wenn es sich um "Prostitution light" handelt. Selbst wenn die harmlosesten Dinge passieren, muss jede Frau, die mit Sexarbeit Geld verdient, gewisse Dinge in Kauf nehmen. Wer das Geld hat, schafft an. Die Machtverhältnisse spiegeln sich unweigerlich, so lustig kann es gar nicht sein. Deshalb reizte es mich, die Geschichte in dieser Variante der Sexarbeit die Geschichte anzusiedeln, abseits von Sklaverei, Billigsex, Menschenhandel. Sabine Derflinger über TAG UND NACHT.

 


TAG UND NACHT setzt etwas fort, was Sie in Vollgas begonnen haben: eine Geschichte von zwei Frauen Mitte zwanzig, die an ihre Grenzen gehen. Reizte es Sie, etwas mit einem Zeitsprung von zehn Jahren aufzugreifen, wo sich Fragestellungen, Rahmenbedingungen für junge Leute geändert haben?
Sabine Derflinger: Ja, genau. Das Treatment von Tag und Nacht wurde von Eva Testor an mich herangetragen, damit wir das Buch gemeinsam entwickeln. Wir haben in der Folge viel darüber gesprochen, Eva hat geschrieben. Am Ende habe ich dann eine Regiefassung gemacht. Damit wurde mir bewusst, dass hier eine Geschichte vorlag, die direkt an Vollgas anknüpft. Wenn ich nun beide Filme nebeneinander halte, sehe ich auch, dass ich jetzt einen Film gedreht habe, wo ich zwanzig Jahre älter als die Protagonistinnen bin. Ich positioniere den Film von Beginn an anders und gehe nicht nur mit dem Blick der Mädchen in die Geschichte hinein.

Interessant an Lea und Hanna ist, dass sie beruflich noch keinerlei Weichen gestellt haben, sie sind noch sorglos und frei genug, um sich diesen «Jux» erlauben zu können. Andererseits sind sie bereits enttäuscht genug von ihren Beziehungserfahrungen, um einen gewissen Zynismus an den Tag zu legen.
Sabine Derflinger: Ja, es herrscht eine Desillusionierung, so waren die Figuren allerdings bereits angelegt. Es gibt für TAG UND NACHT reale Vorbilder und ich habe mich, was die Figuren betrifft, an die Geschichte gehalten. Die beiden Frauen ebenso wie die Kunden waren im Treatment bereits existent, wenn auch in einer sehr rudimentären Form. Auch bei den Vorbildern war es so, dass sie vom Land kamen und sich auf dieses Abenteuer einließen, das ihre Freundschaft aufs Spiel stellt. Die Geschichte kann diesen Verlauf nehmen, weil zwischen den beiden Frauen eine starke Freundschaft seit der Kindheit besteht. Wären es zwei Studentinnen, die sich gerade kennen gelernt haben, wäre die Geschichte anders verlaufen. Diese Basis, dass es die Fortführung einer Kinderfreundschaft ist, wo vieles in der Backstory steckt, die der Film nicht erzählt, habe ich benutzt. Vieles hat sich auch dadurch weiterentwickelt, dass ich die Figuren sehr früh besetzt und die Darsteller ins Projekt einbezogen habe.

Wie ist dieser Vorbereitungsprozesses verlaufen?
Sabine Derflinger: Im ursprünglichen Entwurf existierten die Männer sehr stark aus der Sicht der Frauen. Die Kunden haben aber auch ein Eigenleben, eine Vorgeschichte und eine Herkunft, das floss nach und nach dazu in die Szenen ein. Ich habe mich auch mit den Frauen getroffen, aus deren Erinnerungen die Freierfiguren entstanden sind. Mein Zugang war insofern ein anderer, als ich diesmal nicht Figuren am Schreibtisch selbst entwickelt habe, sondern dass ich erstmals etwas szenisch eingearbeitet habe, wie z.B. die Hanna/Harald-Szene im Hotel, die im Spiel entstanden ist. Für diese Szene habe ich die beiden auf gemeinsame Unternehmungen geschickt und dann haben wir die Szene, dass er sie bestellt, erprobt. Das war für mich eine Premiere, dass ich eine Szene überhaupt nicht geschrieben habe, sondern durch die Figuren im Spiel entstehen lasse. Durch die Besetzung haben sich die Figuren noch sehr stark weiter entwickelt. Wir haben uns übrigens in allen Bereichen sehr lange vorbereitet, Monika Buttinger, die Kostümbildnerin, war sehr bald dabei und auch die Cutterin Karina Ressler, die ich gebeten habe, vor dem Dreh einmal das Buch zu «schneiden». Ich habe noch nie so früh alle Departments um mich gehabt.

Worauf basiert Ihre Milieuschilderung?
Sabine Derflinger: Zusätzlich gab es auch eine Recherche, was das Escort-Service betrifft. Da habe ich mir verschiedene Dinge angesehen und mich schließlich für so ein halbseidenes, etwas amateurhaftes, kleines Escort-Service entschieden, wo einer den großen Unternehmer mit dem Glauben an das große Geld spielen möchte, was so ein Ausdruck unserer Zeit ist.

Hatten Sie nicht das Gefühl, dass es heikel ist, die leichte, gewaltlose Seite der Sexarbeit zu zeigen, wo es doch ein Bereich ist, in dem Frauen zu einem sehr großen Teil in sklavischen Abhängigkeitsverhältnissen arbeiten müssen?
Sabine Derflinger: Wäre der Film über Gewalt, Menschenhandel und Sklaverei, dann hätte ich davon etwas erzählt. Es hat mich gerade der Punkt daran interessiert, dass das Problem auch, wenn es sich um "Prostitution light" handelt, bestehen bleibt. Jemand schrieb mal, dass es keine fair trade-Prostitution gibt und das ist der Punkt, es gibt keine ökologisch vertretbare Prostitution. Selbst wenn die harmlosesten Dinge passieren, muss jede Frau, die mit Sexarbeit Geld verdient, gewisse Dinge in Kauf nehmen, sonst kann man diesen Job nicht tun. Ich hab viel gelesen, auch Fucking Berlin, aber auch wenn in einem Ton geschrieben wird, als wäre es amüsant, auf den Strich zu gehen, habe ich das nie als lustig empfunden. Es geht nicht um die Frage, ob die Frau im Moment das Gefühl hat, sie macht es gern und freiwillig. Wer das Geld hat, schafft an. Die Machtverhältnisse spiegeln sich unweigerlich, so lustig kann es gar nicht sein. Deshalb reizte es mich, die Geschichte in dieser Variante der Sexarbeit anzusiedeln, abseits von Sklaverei, Billigsex, Menschenhandel ? das steht auf einem anderen Blatt. Der andere Punkt ist der, dass man sich nicht so einfach aus bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen befreien kann. Es gibt ein Stigma, das sich in der Zukunft vielleicht auflösen könnte. Was bleibt ist der Umstand, dass für Sexualität Geld gegeben wird und das bestimmt Machtverhältnisse. Außerdem tauscht man ja nicht einfach ausschließlich Sex aus, sondern da begegnen zwei Menschen einander und es passieren Dinge, die man nicht kontrollieren kann, auch wenn man Geld dafür auf den Tisch legt. Man kann in der Sexualität nicht alles kontrollieren.

In Vollgas ist der Alkohol der Bereich der Grenzüberschreitung, halten Sie im Vergleich dazu in Tag und Nacht die Sexualität für den gefährlicheren, weil in seiner Unkontrollierbarkeit unterschätzten Bereich der Grenzsuche?
Sabine Derflinger: Ja, das glaube ich schon. Es ist gefährlich, was seinen Reiz ausmacht und gleichzeitig hinterlässt es Spuren und auch Verletzungen, es bleibt die Frage, was es mit einem macht, wenn ständig Grenzen überschritten werden. Es gibt natürlich den Aspekt des Abenteuers, dass man etwas Verruchtes macht. Für mich stellt sich ja in keiner Weise die moralische Frage, aber natürlich ist es gefährlich und unterschätzt. Auch wenn die Frauen, die in der Prostitution arbeiten, stark und organisiert sind, was ich sehr unterstütze, dass Prostitution weniger in die dunkle Ecke gestellt wird, findet nichtsdestoweniger immer auch ein Prozess einer Abwertung statt. Der Machtgewinn dauert einen kurzen Moment lang, aber man verliert auch etwas dabei. Mit einem Verlust ist zu rechnen. Es hat nichts damit zu tun, ob es Spaß macht oder nicht. Es ist ein trügerischer Ansatz, sich zu sagen, ich mache diese Arbeit gern und freiwillig. Es kommen einem Menschen so nahe und umgekehrt auch. Viele Freier werden auch nicht wissen, was es bei ihnen bewirkt, wenn sie jetzt Geld auf den Tisch legen und tun dürfen, was sie wollen.

Der Film wirft auch für eine Generation die Frage auf, wo ist ein Lebensmodell, das erlaubt, bei sich selber zu bleiben, ohne sich den Normen zu unterwerfen?
Sabine Derflinger: Das ist eine große Frage, wo man diesen Platz finden kann. Wo ist dieser Raum abseits einer Grenzüberschreitung, die beinahe in eine Selbstzerstörung geht. Inwiefern das mit einer österreichischen Gesellschaft zu tun hat, die anderen Modellen gegenüber sehr wenig offen ist, ich kann nicht sagen, vielleicht ist es eine global gültige Frage. Wie kann ein Leben ausschauen, welche Verbindungen, welche Strukturen hat man, wo ist man beheimatet? Es gibt alte Strukturen, die man ablehnt und es gibt neue Strukturen, die in keiner Weise Halt bieten. Nach außen hin wird einem vermittelt, alles ist möglich, in Wahrheit ist keineswegs alles möglich. Vieles ist sehr stark begrenzt. Es ist bekannt, dass es in Österreich trotz jahrzehntelanger Sozialdemokratie noch immer große Klassenunterschiede gibt und dass es noch immer größte Schwierigkeiten gibt, in eine Klasse aufzusteigen. Selbst in der künstlerischen Tätigkeit ist für mich eine Kluft spürbar, auch wenn man in der kreativen Tätigkeit frei ist. Es wird immer nur individuelle Lösungen geben.

Sie sagten eingangs, dass Sie diese jungen Frauen nun mit einem Blick der zwanzig Jahre älteren Regisseurin gefilmt haben. Wie haben Sie ihren filmischen Zugang zu dieser Generation gefunden?
Sabine Derflinger: Ich hab mich sehr stark nach den Figuren orientiert. Das Besondere an TAG UND NACHT ist, dass es durch die Zusammenarbeit mit Eva Testor bestimmt ist. Von ihr stammt die Geschichte und sie war gleichzeitig auch die Kamerafrau, was eher ungewöhnlich ist. Wir haben sehr früh begonnen, am gemeinsamen Projekt zu arbeiten. Ich habe Szenen entwickelt und inszeniert, sie hat sie mit der Videokamera aufgenommen und daraus haben wir Standpunkte entwickelt. Ich wusste von Beginn, dass ich auf dieses Thema anders schauen will, als es normalerweise getan wird. Ich wollte Momente, die der Mystifikation dienen und andere, die vollkommen normal sind, gleichwertig betrachten. Ich habe mir sehr viele Filme mit Eva, aber auch mit den Schauspielern angeschaut. Filme, wo Sexualität vorkommt, damit man analysiert, wie etwas erzählt wird und was es in uns bewirkt. Ich habe mir dann auch noch viele Pornofilme angeschaut, weil dort die Machtverhältnisse besonders auf den Punkt kommen. Von einem Frauenstandpunkt aus kann ich mir ja kaum einen Pornofilm zu Ende anschauen, zuerst finde ich das ganz unterhaltsam, aber ab der Hälfte sag ich mir, so kann das nicht gehen, da vergeht mir die Lust.

Wie haben Sie mit Eva Testor das Kamerakonzept erarbeitet?
Wir waren uns einig, dass wir keinen lusterregenden Film machen wollten, sondern einen Film, der den Alltag beschreibt oder das, was man möglicherweise spürt. Es war schnell klar, dass wir für die neun oder zehn Sexszenen nicht jedes Mal einen Schienenwagen aufbauen. Das erschien mir unverhältnismäßig und gleichzeitig wusste ich, dass ich keine Authentizität suchte, die voraussetzt, dass ständig mit der Handkamera herumgewackelt werden muss. Es ging mir um einen „normalen“ Blick und der Blick der Steadycam entspricht dem Normalblick am ehesten. Es gab Steadycam und die Kamera, die fix steht, sonst nichts.
Wir haben mit dem Lichtsystem von Christian Berger gearbeitet, was kein dramatisches, sondern ein sehr liebevolles Licht ist. Wir wollten ein warmes und kein hartes Licht, nur weil die Situationen abstoßend sind und es sollte kein Rotlicht-Milieu-Film werden. Die Location-Suche war auch sehr wichtig. Wir wollten auch diese altmodische Seite der Stadt zeigen mit den alten Hotels und haben uns auch für die Prater-Sauna entschieden, die sehr stark die sechziger Jahre reflektiert. Prinzipiell wird keiner der Orte im Film besonders etabliert, wir springen sehr stark von einem zum anderen. Die Außenwelt ist sehr reduziert. Andererseits waren die Räume spannend, weil sie so unterschiedlich waren. Wann hat man schon die Möglichkeit, zwischen dem Parkhotel Schönbrunn und einem heruntergekommenen Swingerklub herumzumanövrieren? Die Uni in ihrer Schwere und ihrer altmodischen Atmosphäre ist auch sehr speziell behandelt. Wir wollten klare Bilder ohne Schnörksel und lange Einstellungen.

Es muss für die Schauspieler nicht einfach gewesen sein, diese nicht einfachen Szenen in so langen Sequenzen zu erzählen.
Sabine Derflinger: Wir haben nur dort geschnitten, wo wir es für notwendig befanden, weil wir näher hinschauen oder etwas anderes sehen wollten. Das lange Hinschauen bei den Arbeitsszenen sollte ein Gefühl von Dabeisein vermitteln: man hat als Betrachter dann die Möglichkeit, Verschiedenstes wahrzunehmen, was natürlich heißt, dass verschiedene Leute unterschiedliche Dinge wahrnehmen. Durch einen Schnitt auf ein Detail kann ich den Zuschauer wieder stärker führen, nachdem ich ihm zuvor Freiraum gelassen habe. Die Vorbereitung mit den Schauspielern muss man sich in Schichten vorstellen. Wir haben zunächst die Figuren entwickelt, dann haben sich die Figuren getroffen, dann sind die Schauspieler jeder für sich auf Recherche gegangen. Dann trafen wir uns, redeten darüber, das darauf folgende Mal wurde geprobt, dann mit Kamera geprobt und schließlich gedreht. Beim Dreh selbst gab es dann nicht sehr viele Takes. Es gab dann diesen Moment und keinen anderen.

Es findet bei den Sexszenen ein kontinuierliches Zurücknehmen des Expliziten statt, am Ende schaut Hanna nur noch durchs Fenster, ohne dass man sieht, was dahinter geschieht.
Sabine Derflinger: Der standardisierte Blick ist voyeuristisch und dem wird mit der ersten Szenerie als Einführung stattgegeben. Damit ist etabliert, dass keine Steigerung zu erwarten ist. Wir benutzen die Sexualität um klarzustellen, was das Wesen der Erzählung ist und um zu zeigen, wo wir uns bewegen. Mit einer expliziten Darstellung ist die Haltung der Mädchen definiert, die sich das so lustig vorstellen und dann doch Momente erleben, wo es mit der Unterhaltung vorbei ist und sie sich den Schwanz reinstecken müssen. Sobald diese Klarheit im Film etabliert ist, muss man nicht mehr hinschauen. Da braucht es keine Filmbilder mehr. Bei der Vergewaltigung zum Schluss hat mich interessiert, dass der Täter gar nicht Täter sein kann, weil er nicht mehr dazu imstande ist und das Opfer nicht Opfer sein kann, weil sie gar nichts mitbekommt. Das war die Grundidee der Szene, kombiniert mit der Vorstellung dass es diese Not gibt, sich an vorgefertigten Bildern, seine Sexualität abzureagieren. Die Vorkommnisse im Film beschränken sich ja nicht auf die Prostitution. Das sind Fragen, die sich auch in der ganz normalen Sexualität stellen: Wo ist das Abenteuer? Wo darf man seine Schwächen zulassen? Wo muss man etwas so spielen, wie man es schon tausend Mal gesehen hat? Das kommt im Film in konzentrierter Form vor, aber das ist Alltag von jedem, der Sexualität hat. Am Ende, wo klar wird, dass Hanna diese Arbeit weitermacht, ist gar nicht mehr wichtig, wie der Mann aussieht. Wir alle wissen, wenn sie nun weitermacht, dann wird sie einiges in Kauf nehmen müssen. Sie macht es jetzt für sich selbst, das ist ein Fortschritt, aber der Preis wird hoch sein.

Eingangs sagten Sie, wenn es zwischen den beiden Frauen die Kinderfreundschaft nicht gegeben hätte, dann wäre es nicht möglich gewesen. Worin sehen Sie den Kern dieser Freundschaft?
Sabine Derflinger: Sie sind einander Familie, was die Sexarbeit schwierig macht, besonders dort, wo sie gemeinsam arbeiten. Wären das zwei Frauen, die einander fremd sind, wäre das anders. Wer will schon seine beste Freundin beim Orgasmus sehen, wenn es eine wirkliche Familienfreundschaftsbeziehung ist. Sie haben aber offensichtlich sonst keine Familie, die wirklich funktioniert, deshalb sind sie in einem Abhängigkeitsverhältnis und das lässt auch nicht zu, dass sich eine von ihnen weiterentwickelt. Jede will die andere bei sich behalten, die eine, zieht die Freundin in dieses Abenteuer hinein, die geht dann zum Erstaunen der Freundin viel weiter, als diese je gedacht hätte. Lea wirkt nach außen hin als die Radikalere, die wahrhaft Radikale ist aber Hanna. Wären die beiden weniger familiär gebunden, könnten sie auch besser darüber reden, sie sprechen ja gar nicht darüber. Sie sitzen beide im Bett und kuscheln wie die Kinder und können in keiner Weise reflektieren, was sie da erfahren. Gleichzeitig ist es eine typische Geschichte vom Erwachsenwerden. Sie müssen einander aufgeben, wenn sie wachsen wollen.

Wie aufwändig war die Suche nach den Darstellern?
Sabine Derflinger: Wir haben nicht sehr viel gecastet. Allerdings habe ich davor sehr lange mit der Casterin Rita Waszilovics gesprochen. Mit Anna Rot haben wir uns sehr schnell geeinigt, dass wir zusammenarbeiten würden und Magdalena Kronschläger stand schon seit langem fest. Während wir das Buch umschrieben, hat sich Rita sehr viele Frauen angeschaut, ich habe viele Männer gecastet. Gecastet ist zuviel gesagt, getroffen. Ich nehme gerne Menschen, die durch ihre Persönlichkeit etwas in die Rolle einbringen, so besetzt man die ganze Person, da ist die Erscheinung in einer bestimmten Szene nicht das Um und Auf. Anna und Magdalena haben sich schnell befreundet und sind es immer noch, beide haben sehr viel eingebracht. Wir standen vor Fragen wie ? Wer spielt die Freier? Muss der Sex real sein? Muss man Pornodarsteller nehmen? Rita Waszilovics vertrat die Meinung, dass wir uns für Darsteller entscheiden sollten und wir einigten uns darauf, dass der Sex bis auf eine Szene, nicht real sein muss. Nun waren es für Männer nicht unbedingt sehr attraktive Rollen, daher haben wir auch sehr viele Schauspieler getroffen. Ihre Rollen waren manchmal an den Figuren im Buch angelegt, manchmal auch ein bisschen konträr ? sensibler als ursprünglich gedacht oder mit einer anderen Physiognomie. Wir haben unheimlich viele männliche Darsteller gefunden und mit ihnen auch viel weiterentwickelt.

Wie ist die Finanzierung des Projekts verlaufen. Wie haben die Förderinstitutionen auf das Thema reagiert?
Sabine Derflinger: Natürlich sind Fragen aufgetaucht. Als ich sagte, dass ich an diesem Thema auch die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen bearbeiten will, war schon klar, dass es eigentlich ein "inexistentes" Thema ist. Über Liebe, Betrug oder Leidenschaft zu erzählen, das ist nachvollziehbar, aber die Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen als Filmthema, das war ein wenig suspekt. Es ist jetzt auch so, dass die Leute, die den Film mögen, ihn sehr mögen. Die, die ihn nicht mögen, können ihn oft auch nicht wirklich lesen, weil sie nicht verstehen, was Sache ist. Diejenigen, die es verstehen, sind betroffen und stellen sich viele Fragen oder stellen Verbindungen zu unserem Leben her.

Karin Schiefer
Interview: November 2010