INTERVIEW

«Schicksale im Bürgertum sind selten nur tragisch, sondern meistens auch komisch. »

In seinem Regiedebüt Wilde Maus schickt Josef Hader einen renommierten Musikkritiker ins tragikomische Auf und Ab einer Prater-Achterbahn und schaut sich dabei an, wie ein feiner Geist zum wilden Kerl mutiert, wenn das Ego eine Schramme abkriegt. Ein Gespräch mit dem Autor, Regisseur und Hauptdarsteller.
 
 
In Ihrer ersten Arbeit als Bildermacher ist das Wort/die Sprache zu einem der grundlegenden Motive geworden: das geschriebene Wort des Musikkritikers Georg, dessen Arbeit austauschbar geworden ist, das therapeutische Sprechen und Zuhören Johannas, die fehlende gemeinsame Sprache zwischen Erich und Nicoletta. Eine unbewusste Wahl oder war das Kommunizieren und das Scheitern damit das Thema, das Sie Ihrem ersten Film zugrunde legen wollten.
 
JOSEF HADER: Der ganz große Zusammenhang, den Sie da umreißen, der ist eher intuitiv passiert. So genau plane ich das nicht mit den Motiven. Dass Kommunikation in der Beziehung ein großes Thema ist, hat sich aus dem zentralen Strang zwischen dem Paar Georg und Johanna ergeben. Das Fehlen von Kommunikation ist der Anlass für die Geschichte. Sie kommt ja nicht deshalb ins Rollen, weil Georg entlassen wird, sondern weil er Johanna nichts davon erzählt. Viel ist in Wilde Maus daran aufgehängt, dass jemand nicht fähig ist, etwas auszusprechen. Dass sich sowas dann mehrfach im Film spiegelt, das passiert automatisch, da denkt man gar nicht nach beim Schreiben.
 
 
Die Eröffnung ist ein langes Travelling, das sich auf zwei Personen richtet, die sich in einer Kreisbewegung durch eine Redaktion bewegen. Der Zuschauer wird gewissermaßen reingeholt ins Netz, ehe der Erzählfaden beginnt sich aufzulösen. Ich stelle mir vor, in einem Soloprogramm sind auch die ersten Sätze entscheidend, ob Ihr Publikum einsteigt oder nicht, möglicherweise muss die Sprache eine sehr bildhafte sein. Unterscheidet sich die Filmarbeit vielleicht gar nicht so grundlegend von der Kabarettarbeit?
 
JOSEF HADER: Das Schreiben ist gar nicht so anders, weil ich ja auch im Kabarett immer versuche, eine Art Theaterstück zu machen. Ich hab immer einen Bauplan, an den ich mich dann aber nie ganz halte. Und dann schreib ich viele Fassungen, und werde mir dadurch klarer, was ich erzählen will. Ich mag es gern, am Anfang möglichst wenig zu verraten. Unterinformation ist immer eine Quelle der Spannung. Wenn das Publikum eine gewisse Sicherheit hat, was auf der Leinwand vor sich geht, dann lehnt es sich zurück und schläft vielleicht ein. Besser ist, wenn die Leute sich neugierig nach vor beugen und denken: „Moment, was passiert da?“ Aber man muss ihnen natürlich stückerlweise dann schon was verraten, sonst werden sie frustriert  und verlassen das Kino. Bei der Anfangsszene wollte ich nicht gleich auf dem Tablett servieren, worum es geht. Da gehen zwei Menschen durch ein Großbüro, das man zunächst nicht näher festmachen kann und reden über Dinge, die man nicht sofort festmachen kann. Da würde man vielleicht im Fernsehen gleich weiterzappen. Aber es ist ja Kino und die Leute haben Eintritt bezahlt, also rennen sie nicht gleich wieder hinaus. Deswegen kann man ruhig mit einem kleinen Fragezeichen anfangen.
 
 
War es reizvoll, ein Projekt im Gegensatz zum kleinen Team eines Kabarettprogramms, mit einem großen Team und seinen vielen spezialisierten Kräften zu realisieren?
 
JOSEF HADER: Das Arbeiten im großen Team kenne ich als Schauspieler. Für mich war das immer wie Urlaub vom Solokabarett, wo man ja ganz allein ist . Regisseur eines Films zu sein, bedeutet natürlich sehr stark im Zentrum zu stehen und gefordert zu sein, es heißt aber auch, dass man sich sein Team selbst zusammenstellen und die Grundstimmung am Set vorgeben kann.
 
 
Wie war diese Grundstimmung am Set?
 
JOSEF HADER: Sie war so, dass jeder Vorschlag willkommen war und von mir ernst genommen wurde. Wenn man die richtigen Mitarbeiter ausgesucht hat, muss man als Regisseur nur mehr Vorschläge annehmen oder ablehnen. Ich hab komischerweise gar keine Angst davor gehabt, den Überblick zu verlieren. Wenn man sich mit einem Buch jahrelang beschäftigt, hat man eine sehr klare Vorstellung davon, wie es werden soll. Vielleicht sogar eine zu klare. Bei den Dreharbeiten muss man dann andere Leute in das hineinzulassen, was man vorher allein geschrieben hat. Und was dabei am Schluss herauskommt, kann man nicht mehr bis ins Letzte hinein kontrollieren. Tim Burton hat bei Big Fish von 100 Dekorateuren eine große Blumenwiese zusammentragen lassen, obwohl damals schon die Möglichkeit bestanden hätte, die Wiese digital zu erzeugen. Burton hat argumentiert, wenn hundert Menschen daran arbeiten, dann weiß bis zum Schluss niemand, auch er nicht, wie sie am Ende ausschauen wird. Und dann hat er sinngemäß gesagt, das sei für ihn ein zentraler Bestandteil des Filmemachens. Das Unwägbare, das, was man nicht vorher ausrechnen kann. Und das finde ich auch. Es gibt wunderbare Momente, die sind in keinem Drehbuch, die passieren nur in einem einzigen Take, und wenn man sie versucht zu wiederholen, werden sie nie wieder so gut. Aber sie müssen auch nur einmal passieren, sie sind ja gefilmt und konserviert. Wie ein Schmetterling, der von einer Nadel aufgespießt wird. Nur nicht so brutal. Wenn man schaut, dass an bestimmten Stellen solche Schmetterlinge im Film sind, bekommt er etwas Unmittelbares, was man anders schwer erreichen kann.
 
 
Ihre Hauptfiguren sind zunächst einmal durch ihren Beruf mit Identität versehen, ihre Lebensbilder haben auch sehr viel mit einer aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung zu tun. Noch gibt es drei Schichten, doch in der Mittelschicht beginnt es zu bröckeln. Ist das ein Gesellschaftsstatus, den Sie sich näher anschauen wollten?
 
JOSEF HADER: Ich wollte, dass der Film, der ja einige Genres vermischt, auch eine Satire auf modernes Bürgertum sein soll. Schicksale im Bürgertum sind selten nur tragisch, sondern meistens auch komisch. Würde man die Arbeitslosigkeit meiner Hauptfigur ins Arbeitermilieu verlegen, wo Menschen in so einem Fall materiell vor dem Nichts stehen, wäre das Komische auch möglich, aber der böse Witz wäre schwieriger. Wenn wer eh schon im Dreck liegt, schifft man nicht auch noch drauf. Wenn solche Katastrophen aber im Mittelstand passieren, sind sie weniger existenzbedrohend und es hat etwas Lächerliches, wenn darauf reagiert wird, als ginge es um die Existenz. Meine Hauptfigur hätte die Möglichkeit, sich einen anderen Job zu suchen oder ein Buch über Musik zu schreiben oder ein Jahr nicht zu arbeiten und von der Abfindung als Journalist zu leben. Er benimmt sich aber so, als würde er vor dem Nichts stehen, weil der Ego-Verlust so groß ist. Die große Tragik, in die sich Georg da hineinsteigert, ist in seinem Fall ein bissl ein Luxus, den er sich leisten kann.
 
 
Als Kabarettist eilt Ihnen der Ruf voraus, dass Sie dem Humor einen bedeutenden Stellenwert einräumen ...
 
JOSEF HADER: Für einen Kabarettisten eilt mir eher der Ruf voraus, dem Humor vergleichsweise einen nicht so großen Stellenwert einzuräumen.
 
 
Welchen Platz soll der Humor in Wilde Maus einnehmen? Wie sehr wollten Sie vielleicht eine andere Tonalität treffen?
 
JOSEF HADER: Das Drehbuch ist ohne taktische Überlegungen entstanden, wie lustig der Film werden soll. Das mache ich auch bei einem Kabarettprogramm nicht. Ich hab natürlich immer Pläne und man ist im Grund ja ein berechnender Mensch, aber das Schöne ist, dass man sich ab einem bestimmten Punkt davon freischreiben kann. Irgendwann zählt dann nur mehr die Geschichte, sonst nichts. Intuitiv räumt man im Kabarett-Programm den Pointen mehr Platz ein, weil man allein auf der Bühne ist und wenn man da gar keine Witze hätte, würde man das jeden Abend körperlich erleiden müssen. Aber auch im Kabarett versuche ich oft Humor durch Spannung zu ersetzen. Es ist dann ja auch interessanter zu spielen. Nichts ist so langweilig, als ein Kabarettprogramm zu spielen, dass nur aus Pointen besteht. Im Film finde ich, dass das Tragikomische immer aus einer ernsthaften Situation entstehen sollte. Als ich gemeinsam mit Alfred Dorfer und Paul Harather am Drehbuch für Indien geschrieben habe, haben wir schon damals überlegt, welche Witze sich im Film ausgehen und welche nicht. Bei den Brenner-Filmen haben wir probiert, von Film zu Film mehr Drama hineinzulassen und das Komische nur noch am richtigen Punkt und sehr dosiert einzusetzen. Bei Wilde Maus war der Gedanke, dass es ideal wäre, die Balance zwischen Tragisch und Komisch so genau zu halten, dass in den Dialogen weder in die eine noch in die andere Richtung ein Druck herrscht. Es kann ja auch die Tragödie enorm draufdrücken. Wenn in einem Film an irgendeinem blöden Plotpoint jemand aus heiterem Himmel stirbt, dann ist das genauso schlecht wie eine Komödie, die alles den Pointen unterordnet. Meine Hoffnung war, dass, wenn man das Komische und das Tragische wirklich ausbalanciert hinbekommt, sich eine Abbildung von Leben ausgeht, die dem nahekommt, wie ich mein Leben empfinde.
 
 
Die stärksten Kinobilder entstehen in einem der dramatischen Momente in einer unberührten Schneelandschaft. Dies zu verwirklichen war gewiss kein Leichtes. Was birgt diese Schneelandschaft alles für Sie?
 
JOSEF HADER: Ich hab als junger Mann François Truffauts Schießen Sie auf den Pianisten gesehen. Da führt die Handlung in den Schnee und ich weiß noch gut, wie fasziniert ich war darüber, was der Schnee in einem Film alles vermag, weil er Bild und Ton vollkommen verändert. Seither geistert in meiner Phantasie ein Finale im Schnee herum, wo alles zugedeckt und gedämpft ist, wo man wie auf Kissen geht. Das geht nur in einer tiefverschneiten Landschaft, auf die haben wir gewartet und dann gedreht. Das Gute ist, wenn man da in Unterhosen drei Tage lang herumläuft, dass man als Schauspieler nichts mehr spielen muss. Es wird dann ein bissl wie in einem Dokumentarfilm. Der Schnee und die Kälte übernehmen das Kommando, man muss nur noch dort sein und die Kamera einschalten.
 
 
Ihr Anliegen, große Kinobilder zu schaffen, ist sehr stark spürbar. Sie haben dazu mit einem hochinteressanten Kameraduo gearbeitet – Andreas Thalhammer und Xiaosu Han. Was haben sie in die Bildarbeit eingebracht?
 
JOSEF HADER: Man kann den Anteil der beiden gar nicht hoch genug einschätzen. Meine Überlegungen zu den Bildern gingen dahin, dass ich mir weder die Schönheit verbieten lassen, aber auch nicht alles dem schönen Bild unterordnen wollte. Ich hab also etwas unösterreichisch versucht, eine entspannte Haltung zum Schönen und zum Hässlichen zu finden und einen Film zu machen, in dem beides vorkommen darf. Und ich wollte, dass die Zuschauer nicht in kühler Distanz dem Helden beim Scheitern zuschauen, sondern manchmal unangenehm nah dran sind. Ein Entscheidung schon während des Schreibens war, dass ich den Film unbedingt ohne durchkomponierten Score erzählen wollte, dass also die Schauplätze und der Schnitt im wesentlichen die Musik machen müssen. Andreas Thalhammer und Xiaosu Han entdeckte ich, als ich mir verschiedene Showreels von Kameraleuten anschaute. Die beiden waren auf keiner Schule, sondern machen einfach Filme und das in aller Welt und seit geraumer Zeit, obwohl sie sehr jung sind. Als wir uns trafen, haben wir gleich festgestellt, dass wir einander sehr gut zuhören können. Wir waren uns recht schnell einig, dass wir in Cinemascope drehen wollen. Cinemascope ist ja in Wirklichkeit keine Erweiterung, sondern eine Verengung des Bildes. Das Bild ist eigentlich ein Schlitz und tut nur so, als wäre es größer. Cinemascope ist immer ein bissl Peepshow. Aber eine, wo man entscheidende Dinge nicht sieht. Das gefällt mir sehr. Irgendwer Gescheiter, der mir jetzt nicht einfällt, hat gesagt, wenn Leute in Cinemascope durch ein Zimmer gehen, dann wirkt das Zimmer wie ein Aquarium, weil man nie den ganzen Raum sieht. Man kann Dinge verheimlichen und erst zu einem bestimmten Zeitpunkt zeigen.
 
 
Über eine grundlegende Bildästhetik hinaus ging es auch darum, Wien zu filmen. Wie sah da Ihr Ansatz aus?
 
JOSEF HADER: Uns war bewusst, dass Wien schon oft gefilmt worden ist. Und wir haben überlegt, wie man die Stadt erzählen könnte, ohne uns allzu sehr auf einer bestehenden Ästhetik auszurasten. Dann haben wir gesagt, wir zeigen ja vorrangig nicht Wien sondern den zweiten Bezirk. Also den Prenzlauer Berg von Wien. Dort sieht’s gar nicht mehr so wienerisch aus. Man sitzt ja in solchen Bezirken in allen Städten zu jeder Jahreszeit draußen herum und isst und trinkt, als wäre man in einer Art Permanenturlaub irgendwo zwischen Italien, Frankreich und Asien. Die Leute schaffen sich eine Erlebniswelt vor der eigenen Haustür, und der Prater, die traditionelle Erlebniswelt der Wiener, schaut im Vergleich dazu weitaus authentischer aus. So haben wir’s dann gefilmt. Und die Szenen in den Innenräumen waren vom ganz schlichten Gedanken getragen, dass die modernen Bürger mehr Geld dafür haben, sich schön auszuleuchten als die Menschen im Prater. Einen Plan zu haben, war beim Dreh sehr hilfreich, gleichzeitig waren wir miteinander so vertraut geworden, dass wir ihn am Set ohne viele Worte modifizieren konnten. Es war ein großer Vorteil, dass die beiden Kameraleute nach dem amerikanischen System arbeiten, wo einer die Kamera führt und der andere auf das Bild und das Licht schaut. In meiner Doppelrolle als Regisseur und Schauspieler war ich froh, zwei Partner fürs Visuelle zu haben.
 
 
Sie reihen sich als Drehbuchautor und Regisseur in eine Tradition österreichischer Autorenfilmer. Dass ein Autor und Regisseur auch den Hauptdarsteller stellt, ist eher ein Novum. Wie geht man mit sich selbst als Hauptdarsteller um?
 
JOSEF HADER: Ich sah die größte Schwierigkeit darin, dass ich für die Schauspieler einerseits Kollege und andererseits so etwas wie der Chef am Set war. Ich hab mir vorgenommen, das so zu machen wie in einer Band oder wie in einem Streichquartett, wo man gemeinsam spielt, aber einer etwas mehr sagt, in welche Richtung man spielen könnte. Aber die anderen auch ihre Ideen einbringen.
 
 
Wie bringt man das eigene Spiel auf den Punkt?
 
JOSEF HADER: Das eigene Spiel macht einem natürlich Sorgen. Da mir aber die eigene Regie noch größere Sorgen gemacht hat, war kein Platz mehr für Sorgen um mein Spiel. Ich hab mir gedacht, wenn das nicht hinhaut, kann man eh alles weghauen. Nach drei Drehtagen hatte ich das Gefühl, es wären drei Wochen vergangen, so intensiv war das. Ab dann hab ich immer besser geschlafen in der Nacht, viel besser, als wenn ich wo nur Schauspieler bin. Ich hatte ein durch nichts zu belegendes Gefühl, dass ich da gut hindurchkomm. Die Einschätzung am Set, was gut ist und was man verbessern muss, hat mir keine Probleme bereitet. Im Schneideraum kommt man dann aber drauf, dass die eigene Einschätzung nur zu 50 Prozent gestimmt hat. Sehr oft waren die ersten Takes die besten, wo man als Regisseur noch gar nichts gesagt hatte. Das war ein wenig deprimierend, aber im Schneideraum haben sie gesagt, das sei bei fast allen Regisseuren so.
 
 
Mit einem Protagonisten, der ein wahrer Experte in der klassischen Musik ist, ist ihr Einsatz entsprechend pointiert. Was hat Sie in der Musikauswahl bewegt?
 
JOSEF HADER: Ich habe selbst gesucht, habe aber auch Beratung bekommen, besonders in Hinblick darauf, was leichter oder schwerer zu haben ist. Es gibt ja Interpretationen, die fast unerschwinglich sind. Ich hab lange gebraucht, um eine Musik zu finden, die Georg in seinem Zorn und Trotz entspricht. Schließlich hab ich mir gedacht, dass es vielleicht in der Barockmusik zu finden wäre. Ein Thema, das in dieser Zeit von vielen Komponisten bearbeitet wurde, heißt „la follia“ – der Wahnsinn. Es variiert ständig zwischen Moll und Dur, zwischen tragisch und froh. Vivaldis follia in der Interpretation von Il Giardino Armonico klingt für mich wie Punkmusik. Beethoven halte ich für sehr passend, wenn es darum geht, sich etwas zu trauen. Wenn ich Beethoven im Auto höre, fahre ich immer zu schnell. Und ich wollte einen sehr modernen Beethoven, wo man wirklich hört, wie neu und ruppig seine Musik für alle Zeitgenossen gewesen ist. Deswegen ist es die Deutsche Kammerphilharmonie unter Paavo Järvi geworden. Dann stand ich noch vor der Frage : Was hört Georg im Konzertsaal? Ich habe vor vielen Jahren einmal mit Nikolaus Harnoncourt für eine konzertante Aufführung von Mozarts Der Schauspieldirektor zusammenarbeiten dürfen, weil er da einen Kabarettisten dabei haben wollte. Dabei hab ich Andrea Bischof vom Concentus Musicus kennengelernt, die auch im Quatuor Mosaïques spielt. Sie und ihre Partner waren bereit, im Film den Auftritt im Konzerthaus zu spielen, obwohl sie als Quartett ständig international unterwegs sind und es für Musiker auf diesem hohen Niveau nichts Unnatürlicheres gibt, als für Filmaufnahmen zum Playback ihrer eigenen Musik so zu tun, als würden sie spielen. Für den Schubert hab ich mich entschieden, weil es ein Variationssatz ist, der sehr traurig anfängt und dann ins Zornige übergeht. Georg sitzt gerührt Schubert lauschend im Konzerthaus und dann kommt die zornige Variation desselben Themas als Filmmusik, also quasi in ihm drinnen und er lässt sich von dieser Musik in ihm zum ersten kleinen Terrorakt hintragen. Musik kann einen groß und weit und gelassen machen. Bei Georg ist das anders. Ihn macht die Musik kleiner, zorniger, aber auch mutiger. Er tut Dinge, die man nicht tut, und die Musik in seinem Kopf hilft ihm dabei. So ist die ganze Tradition der Militärmusik entstanden. Die war ja auf den Schlachtfeld dazu da, dass die Leute weniger Angst vor dem Tod haben und fester draufhaun auf die Gegner. 
 
 
 
Interview: Karin Schiefer
November 2016
«Meine Hoffnung war, dass, wenn man das Komische und das Tragische wirklich ausbalanciert hinbekommt, sich eine Abbildung von Leben ausgeht, die dem nahekommt, wie ich mein Leben empfinde.»