In DAS EWIGE LEBEN kehrt Brenner in die Stadt seiner Herkunft und Polizeischulzeit und auch zu ungeliebten Erinneringen
zurück. Wolfgang Murnberger verfilmt gerade den vierten Wolf Haas-Roman mti Josef Hader, Tobias Moretti, Nora von Waldstätten und Roland Düringer. Ein
Gespräch mit dem Regisseur.
Bevor die erste Klappe für den Dreh von Das ewige Leben fiel, gab es ein zum Glück nicht ewiges, aber doch sehr langes Warten.
Warum?
Wolfgang Murnberger: Das hat etwas mit der langen Drehbucharbeit zu tun, aber auch bis die Finanzierung beisammen war. Ich
finde es wirklich traurig, dass es nicht mehr möglich ist, ausschließlich in Österreich einen etwas aufwändigeren, aber
ganz und gar österreichischen Film zu finanzieren. Wir drehen diesmal in Graz, in der Stadt, in der Brenner seine Jugend verbracht
hat, mit Hauptmotiven am Schlossberg, auf der Mur-Insel und etlichen anderen Graz-Motiven. Aber es ist diesmal auf Grund der
Finanzierung (es steckt auch deutsches Geld im Projekt) notwendig, dass wir drei Wochen nach München gehen, um dort Graz
zu erzählen. Das bedeutet einen logistischen Mehraufwand, der künstlerisch keinen Mehrwert bringt. Aber andererseits muss
man natürlich sehr froh sein, dass deutsche Förderstellen überhaupt Geld in einen ganz und gar österreichischen Film stecken.
Woran liegt es, dass der Dreh dieses Mal aufwändiger ist?
Wolfgang Murnberger: Er ist gar nicht aufwändiger. Das Budget ist nach Zahlen etwas höher als das für Der Knochenmann, aber das frisst die Inflation weg. Jede der Wolf Haas-Verfilmungen ist im jeweiligen Jahr zum erfolgreichsten österreichischen
Film nach Kinobesucherzahlen geworden und dennoch stoßen wir immer wieder auf Hindernisse.
Wie lange hat das fertige Drehbuch auf seine Verfilmung gewartet?
Wolfgang Murnberger: Das kann man bei uns schwer sagen. Eine Fassung zum Einreichen war schon sehr früh fertig. An der Drehfassung
arbeiten wir dann bis zwei Wochen vor Drehstart. Josef Hader und ich feilen dann auch noch während des Drehs an den Szenen.
So haben wir immer gearbeitet. Drehbuch-Schreiben betrachten wir als work in progress. In diesen Filmen gibt es auch Szenen
und Ideen, die nie im Buch standen. Auch bei der Inszenierung am Set improvisieren wir gerne, was den Filmen eine gewisse
Schlampigkeit, aber auch Spontaneität gibt, was wir gerne mögen.
Für Das ewige Leben wird sehr viel in der Nacht gedreht. Ist die Dunkelheit ein Element, das diesen Film charakterisieren
wird?
Wolfgang Murnberger: Ja, durchaus. Der gesamte Showdown findet bei Nacht statt, daher die vielen Nachtdrehs. Was diesen Film
noch charakterisieren wird, ist, dass er noch näher an Brenner herangeht. Diese Geschichte behandelt Brenners Vergangenheit.
Er kehrt in die Stadt seiner Herkunft zurück und wird mit Dingen konfrontiert, die er vermutlich lieber vergessen hätte. Das
ewige Leben ist gewiss der privateste Brenner, den wir bisher gehabt haben. Das bedeutet, dass der Fokus stärker auf den Figuren
und ihrem Charakter liegt, es gibt mehr Konflikt, aber weniger Kriminal-Handlung.
Auch bei der Lektüre des Romans entsteht bereits der Eindruck, dass sich das Genre geradezu auflöst.
Wolfgang Murnberger: Richtig, es löst sich völlig auf. Die einzige Säule, die bleibt, ist der Brenner und der schwebt ständig
zwischen ewigem Leben und Tod.
Ist der Tod dieses Mal das dominierende Motiv?
Wolfgang Murnberger: Der Tod ist ein sehr wichtiges Motiv, aber auch Freundschaft und Resümee des Lebens. Von der Handlung
möchte ich nicht viel verraten. In Brenners Kopfweh steckt eine Pistolenkugel und wie sie da hingekommen ist, ist für Brenner
das größte Rätsel. Ob und wie das Publikum einsteigt, was es für eine erzählerische Finte hält etc., das sind für mich spannende
Fragen. Wir versuchen in den Brenner-Filmen die klassischen Spannungselemente wegzulassen und subtiler zu erzählen. Das heißt
wir wollen sehr direkt sein, die Spannung eher aus den Dialogen, aus den Figuren und aus dem, was sie bewegt, erzeugen und
nicht z.B. in einer Einstellung eben nur die Füße des Mörders zeigen, um mit solchen billigen Tricks Spannung zu erzeugen.
Schon die Brenner-Romane haben nichts mit klassischen Kriminalromanen zu tun. In den Verfilmungen versuchen Sie dann, in diesem
Anti-Krimi nochmals gegen den Strom zu schwimmen?
Wolfgang Murnberger: Das Buch beginnt damit, dass Brenner mit einer Pistolenkugel im Kopf aus dem Koma erwacht und man weiß
nicht, wer es war. Im Laufe der Lektüre kommt man mit dem Protagonisten drauf, wer es war. Ich finde es jetzt nicht sehr spannend,
diese Whos done it-Strategie in den Film zu übernehmen. Unseren Zugang im Film halte ich im Prinzip für noch viel tragischer
als den des Buchs und es ergibt sich auch eine ganz eigene Komik durch die Konfusion darüber, ob hier nun ein Selbstmörder
oder ein Mörder abgedrückt hat.
War es diesmal besonders schwierig, den Roman zu zerlegen und ein Drehbuch daraus zu bauen?
Wolfgang Murnberger: Irgendwie schon. Wir haben alles rund um Fußball weggelassen, auch die Drogengeschichte, die Romangeschichte
und die Grazer Bürgerwehr. Der Roman hat so viel Stoff, man könnte aus diesem Roman mit Gewissheit auch noch einen ganz
anderen Film machen. Von Fassung zu Fassung haben wir uns immer mehr dem Kern der Geschichte angenähert und alles rund um
die fünf Hauptfiguren konzentriert. Die Storylines und Szenenfolgen haben Wolf Haas, Josef Hader und ich zu dritt entwickelt,
die Drehbücher haben diesmal Josef Hader und ich geschrieben und Wolf war aber bis zum Schluss beratend dabei.
Die Chronologie der Verfilmungen geht nicht mit der Chronologie der Romane einher. Wie wird entschieden, welcher Roman als
Nächstes auf die Leinwand kommen soll?
Wolfgang Murnberger: Das machen wir zu dritt. Das ewige Leben wollte ich eigentlich schon früher drehen. Josef Hader schlug damals aber vor, wir sollten nicht von Wien nach Salzburg und
dann nach Graz wandern, damit das nicht wie eine Landeshauptstädte-Tournee aussieht, sondern etwas ganz anderes
drehen z.B. eine Geschichte, die im Winter und am Land spielt. So kam Der Knochenmann zuerst dran. Nach dem Land sind wir jetzt wieder in der Stadt, in Graz. Und nach dem Winter kommt der Frühling, leider
etwas zu früh heuer.
Das ewige Leben ist wie auch die anderen Brenner-Filme zuvor sehr hochkarätig besetzt: mit Josef Hader spielen Tobias Moretti,
Nora von Waldstätten, Roland Düringer, Christopher Schärf und Margarethe Tiesel. Haben Sie beim Schreiben schon an bestimmte
Leute gedacht?
Wolfgang Murnberger: Wir haben dieses Mal länger als sonst gecastet, bis wir dieses Schauspielerteam beisammen hatten, von
dem wir glauben, dass die Typen sehr gut auf die Figuren passen. Ich glaube, jeder Regisseur beginnt immer bei den besten
Schauspielern anzufragen. Die Frage ist, ob man sie kriegt. Wir haben inzwischen Glück, weil die meisten gerne mit Josef in
den Brenner-Filmen spielen wollen. Da ist es nur mehr eine Zeitfrage, ob sie für den Zeitraum der Dreharbeiten auch frei sind.
Nora passt sehr gut für die Rolle der Soili, sie hat etwas Nordisches, wir haben ihre Haare noch etwas blonder gemacht und
sie liefert am Ende des ersten Drittels eine große Überraschung, die man ihr zutrauen muss. Tobias Moretti als Aschenbrenner
hat ja das Problem, dass er mit einer zu jungen Frau zusammen ist. So, wie es jetzt in Mode kommt, dass ältere Männer um 20,
30 Jahre jüngere Frauen haben, was dem Brenner sehr zuwider ist. Und Aschenbrenner, der Jugendfreund von Brenner, hat nicht
nur eine junge Frau, sondern auch Erfolg im Beruf und eigentlich alles, was Brenner nicht hat. Das, was die beiden gemeinsam
haben, ist eine geheime kriminelle Jugendsünde. Die Spannung liegt auf der Hand. Dann gibt es den jungen Chefinspektor Heinz,
Christopher Schärf, in dem sich Aschenbrenner spiegelt und wenn er ehrlich wäre, müsste er sich eingestehen, dass der ja viel
besser zu seiner jungen Frau passen würde, was er aber nie zugeben würde. Aber Soili hat bei dem Banküberfall, in den Brenner
und seine Kollegen in ihren jungen Jahren involviert waren, ihren Vater sehr früh verloren und neigt vielleicht gerade deshalb
zu einem Mann, der gleichzeitig ihr Vater sein könnte. Ich hoffe auf alle Fälle, dass das Drehbuch ebenso perfid geplottet
ist wie der Roman.
Letztes Jahr wollte der Winter nicht enden und hat so manche Dreharbeiten vor Probleme gestellt. Dieses Jahr geht völlig verfrüht
der Frühling los. Wie fügt sich das in den Drehplan?
Wolfgang Murnberger: Wir drehen fünf Wochen hier in Graz und dann drei Wochen in München. Eigentlich haben wir zwei Wochen
zu spät begonnen, wir haben jetzt ein Romantic Comedy-Wetter, was für mein Gefühl nicht wirklich passt. Aber mit diesen Dingen
muss man als österreichischer Filmemacher leben. Wir haben so spät begonnen, weil ich ursprünglich dreizehn Tage mit Regen
geplant hatte und da wollte ich nicht riskieren, dass uns der Regen auf der Straße gefriert. Aus Budgetmangel musste ich zehn
von dreizehn Regentagen streichen. Na gut, dann hätte ich aber lieber zwei Wochen früher begonnen, und hätte mir den blühenden
Flieder erspart. Aber das Wetter, da geht es uns wie den Bauern: totale Abhängigkeit. Ich muss ja bei jedem Wetter drehen,
was auf dem Drehplan des Tages steht, außer es schüttet in Strömen. Da darf man jetzt aber nicht glauben, ich brauche deshalb
nicht im strömenden Regen zu drehen, weil dann alle nass werden würden. Nein, bei strömendem muss ich deshalb nicht drehen,
weil man nicht weiß, wann der strömende Regen aufhört. Weil, wenn der strömende Regen mitten in einer Szene aufhört, an der
wir gerade drehen, müsste ich ja für den Rest der Szene (mit Feuerwehr und Regenständern) den Regen künstlich fortführen und
das wäre zu teuer. Das Beispiel ist vielleicht spitz, aber im Prinzip ist es so. Vielleicht sollte man in österreichische
Drehbücher keine Katzen, keinen Regen, keine Nächte, keine kaputten Autos, keine brennenden Scheunen, keine alten Mopeds,
keine Verfolgungsjagden, keine kroatischen Strände, keine Banken aus den siebziger Jahren, keine Bäume, die auf Hausdächer
gestürzt sind und so weiter hineinschreiben. Aber irgendwann wirds dann auch fad. Deshalb wird man Vieles, von dem oben
Erwähnten trotzdem im Film sehen.
Kommissare bleiben oft über Jahrzehnte völlig unverändert. Nicht so Brenner, der sich weiterentwickeln musste?
Wolfgang Murnberger: Ich finde, jetzt ist der Josef voll drauf. Der Brenner war noch nie so der Brenner wie jetzt.
Was ist der Brenner?
Wolfgang Murnberger: Wolf Haas hatte ja für den Kommissar Brenner ein optisches und irgendwie auch charakterliches Vorbild,
und zwar den Tiroler Schauspieler Hans Brenner. Deshalb gibt es in Komm, süßer Tod, einen Ausschnitt aus einem Tatort, in dem Hans Brenner mitspielt. Ihm kommt Josef Hader jetzt vom Alter her und so, wie er jetzt aussieht, schon sehr nahe.
Josef ist jetzt in dem Alter, in dem Hans Brenner war, als sich Wolf Haas ihn als Vorbild für den Brenner ausgesucht hat.
Das finde ich toll.
Wollen Sie und Ihre Autoren eigentlich vom Krimi wegkommen?
Wolfgang Murnberger: Brenner selbst mag ja keine Kriminalromane. Krimis gibt es ohnehin zuhauf im Fernsehen. Im Kino muss
man etwas anderes machen als einen Whos done it-Krimi, da muss einem etwas einfallen, was über diese Frage hinausgeht.
Was haben Sie gestern um 20h gemacht?, Kannten Sie den Toten?, Wo waren Sie zur Tatzeit?
solche Dialoge darf es in einem Brenner-Film nicht geben. Wir wollen mit jeder Verfilmung nicht nur die Fans
der Romane und alten Brenner-Filme erreichen, sondern auch wieder eine neue Generation von Kinobesuchern ansprechen. Wir haben
jedes Mal einen neuen Zugang und richten uns damit an eine neue Generation. Die jetzt 17 bis 20-Jährigen, also das Kern-Publikum
im Kino, haben vermutlich Der Knochenmann nicht im Kino gesehen, eher über die DVDs oder im Netz.
Was bedeutet Dreharbeiten in der Nacht? Wann geht es los?
Wolfgang Murnberger: Heute, wenn es dämmrig ist. Es spielt noch eine Szene am späten Nachmittag, der Rest ist bei Dunkelheit.
Fertig sind wir, wenn es morgens dämmert. Ich wache immer um sechs Uhr auf, egal, wann ich schlafen gehe, weil ich in diesem
Rhythmus bin. Wenn ich nun tagsüber aufwache, dann kann ich nicht gleich wieder weiterschlafen, weil mir sofort ein Problem
einfällt und das Hirn zu arbeiten beginnt. Dreharbeiten sind eine anstrengende Ausnahmesituation, aber mit absehbarem Ende.
Wo liegen zur Zeit Probleme, die es zu lösen gilt?
Wolfgang Murnberger: Die Katze hat mir gestern wirklich Kopfzerbrechen bereitet. Ich hatte schon alles auf den Brenner gedreht
und hätte das Gegenüber (die Katze) gebraucht. Ich bin jetzt schon hinten nach, weil wir nicht alles drehen konnten. Katzen
sind immer schwer einzuschätzen, bei ihnen hängt alles von der Laune ab. Man kann sie nicht abrichten wie Hunde. Katzen kann
man nur über ihren Hunger motivieren. Sobald der Hunger weg ist, pfeift sie wieder drauf und dann kannst du sie Stunden vergessen
und sie macht gar nichts. Es ist schon extrem schwierig, sie so weit zu bringen, dass sie Richtung Kamera schaut, damit
der Eindruck entsteht, sie schaut den Brenner an. Die Coen-Brothers hatten angeblich sieben Katzen für Inside Llewyn Davis. Ich hab halt nur eine Katze, andererseits gibt es auch keine zweite, die genau so ausschaut. Sie hat halt einen unverwechselbaren
Charakter.
Interview: Karin Schiefer
März 2014