INTERVIEW

«Emotion ist mein Metier.»

Gnadenloser Berufsalltag hat Barbara Eder schon in ihrer Studie über Profiler fasziniert, für ihren Spielfilm Thank you for Bombing hat sie sich den Alltag der Kriegsreporter näher angesehen. Weltpremiere feiert der Film nun beim internationalen Filmfestival von Toronto.
 
 
 
Sie haben bisher dokumentarische Arbeiten an der Schwelle zur Fiktionalisierung gemacht, haben Sie diesmal die Gewichtung leicht umgekehrt, um Fiktionen zu erzählen, die einen Kern an Authentizität haben:
 
BARBARA EDER: Thank You For Bombing war ursprünglich dokumentarisch konzipiert. Ich wollte, wenn auch nicht ausschließlich, mit realen Personen auch in Afghanistan drehen. Im Rahmen der Recherche machte ich sehr interessante Bekanntschaften mit Reportern und Fotografen, die in Kriegsgebieten tätig sind. Das waren sehr persönliche Erlebnisse, irgendwann war mir klar, dass es nicht möglich war, ehrlich hinter die Kulissen zu schauen, ohne diesen Leuten beruflich zu schaden. Sie arbeiten für wichtige Fernsehstationen, da kann ein Reporter sich nicht darüber äußern, wie er über Krisenberichterstattung denkt und ich kann nicht zeigen, wie jemand täglich Valium nimmt, um durch den Tag zu kommen. Man kann es machen, ich wollte das nicht. Ich habe ein Jahr recherchiert, war in Beiruth, an der libanesisch-syrischen Grenze, in Afghanistan und habe sehr viel erlebt, einen guten Eindruck von der Community der Krisen-Berichterstatter gewinnen können, aber auch die Gewissheit, diese Erlebnisse in einem fiktionalen Kontext verarbeiten zu müssen.
 
In Ihrem letzten Film haben Sie sich dem Berufsbild des Profilers gewidmet, nun dem des Kriegsberichterstatters. Gibt es Berufe, die sehr stark mit den dunklen Seiten der Menschen und einem gewissen Gefahrenmoment zu tun haben, die sie immer wieder anziehen?
 
BARBARA EDER: Als mein Produzent mich erstmals mit dem Thema Kriegsberichterstatter konfrontierte, war ich noch in der Fertigstellung von Blick in den Abgrund, wo es um die Frage ging, was es bedeutet, wenn man in der Arbeitsumgebung mit wirklich schrecklichen Dingen konfrontiert ist, Bilder von gequälten und ermordeten Menschen betrachtet u.ä. Natürlich besteht hier eine Affinität. Was macht es mit einem Menschen, wenn man sich in Extremsituationen befindet und diese auch betrachtet. Ich glaube, eine Frage, die immer wieder um mich kreist, ist „Was lösen Dinge in einem aus?“ Da meine ich nicht nur grausame Dinge, sondern auch solche, die eine kritische Haltung zu einem Thema auslösen.
 
 
Gab es für Sie ein persönliches, mediales Schlüsselerlebnis, das Sie auf dieses Thema gestoßen hat?
 
BARBARA EDER: Ein Schlüsselerlebnis war für mich gewiss Beiruth. Das war die Station für Journalisten, bevor sie nach Syrien gingen. Da war ich eine Weile, habe die Gedanken der Menschen erlebt, bevor sie rübergingen oder wenn sie gerade einen Freund dort verloren hatten. Damals war gerade einen bekannte französische Journalistin in Syrien umgekommen. Gesprächspartner von mir kannten sie sehr gut. Wie geht man damit um? Wie dick ist die Haut? Wie reden sie darüber? Es kamen für uns auch frappierende Aussagen wie „Der Arabische Frühling nervt, da ist nichts mehr unter Kontrolle. Ich hätte lieber einen normalen Krieg hier“. Es kommen da nicht nur sachliche Gedanken auf, die sehr spannend waren.
 
 
Wie kann man sich die Recherche vorstellen?
 
BARBARA EDER: Ich habe mir sehr gezielt Leute ausgesucht, die ich zuvor im Internet recherchiert hatte. Leute, die extreme Dinge erlebt und fotografiert hatten. Mit ihnen habe ich dort Kontakt aufgenommen. Ab einem gewissen Niveau der Sendestationen ist die Community ja sehr überschaubar. Da kennt jeder jeden. Ich habe mit den Leuten eine gewisse Zeit verbracht. In Israel bin ich Leuten begegnet, die auch im Irak waren, die mir vieles über die Branche erzählten, was ich nicht wusste. Im Fernsehen sieht man die Reporter und Reporterinnen immer in einer Naheinstellung und nicht, was rechts und links davon ist. Ich habe auch einen Kurs in Deutschland gemacht, wo die Bundeswehr in Form von Rollenspielen auf Auslandseinsätze in Kriegsgebieten vorbereitet. Wie geht man mit dem Militär um, wie mit dem Umstand, dass man völlig ausgeraubt wird? Es ist dort ein ganzes Dorf ausgesiedelt worden, um das Areal für die Ausbildung zu schaffen. Das prägendste Ereignis für mich war gewiss, als wir in Afghanistan kaum angekommen waren und in unmittelbarer Nähe eine Bombe hochging und ich zum ersten Mal die Druckwelle einer Bombe spürte. In dieser Situation war ich sehr froh, diesen Kurs gemacht zu haben. Ich wusste, was zu tun war und konnte Schritt für Schritt vorgehen. Andere im Team waren da überfordert.
 
 
Fanden die Dreharbeiten am authentischen Schauplatz Kabul statt?
 
BARBARA EDER: Ich wollte unbedingt in Kabul drehen. Gewisse Dinge gingen aber dort nicht, dafür mussten wir nach Jordanien ausweichen. Ich habe zwar Schauspieler als Darsteller gewählt, habe aber versucht, sehr viel Realität miteinzubeziehen. Für mich war auch klar, dass das Mittel der Inszenierung Improvisation sein musste und man sich als Schauspieler entsprechend in die Situation reinwerfen musste. Dazu gehörte für mich auch, nach Kabul zu fahren, mit Journalisten zu sprechen. Erwin Steinhauer hat sich da auch sehr intensiv auf seine Rolle vorbereitet. Prinzipiell gab es keine Dialoge, die Schauspieler waren gezwungen zu reagieren. Ich wähle Statisten oder Menschen oder Umgebungen und stelle die Schauspieler vor Situationen, auf die man sich nicht unbedingt vorbereiten kann.
 
 
Wie kann man sich das Drehbuch vorstellen? Sind die drei Protagonisten der drei Episoden eine Art Prototyp in dieser Erfahrungswelt?
 
BARBARA EDER: Ja. Es sind drei Kriegsberichterstatter in unterschiedlichen Stationen ihrer Karriere. Einer ist kurz vor der Pension, hat es „hinter sich“, fährt nicht mehr in Krisengebiete und plötzlich wird er mit einer Mission nach Kabul betraut. Die zweite Episode dreht sich um eine junge aufstrebende Journalistin. Da geht es vor allem um das Frausein in diesem Beruf. In der dritten Episode steht ein Korrespondent im Mittelpunkt, der sein Ziel erreicht hat und sehr erfolgreich ist. Er beginnt zu zweifeln. Die drei sind Prototypen, aber auch Extremtypen. Die Geschichten sind extrem, gleichzeitig verarbeiten sie Dinge, die ich erlebt habe. Meist habe ich aus mehreren realen eine fiktive Person kreiert. Der Grund für die Dramaturgie in drei Kapiteln sind die drei Etappen in der Karriere eines Kriegsberichterstatters.
 
Was bedeutet Frau-Sein in diesem Beruf?
 
BARBARA EDER: Von den Frauen, die ich in diesem Beruf kennengelernt habe, gab es keine einzige die nicht über Diskriminierung oder Belästigung erzählen konnte. Dass man in gewissen Ländern wie selbstverständlich auf offener Straße, bei Kundgebungen, Massendemonstrationen, aber auch von eigenen Teammitgliedern begrapscht wird, ist für viele Frauen in diesem Beruf ein Übel, mit dem man leben muss. Wer sich aufregt, kann mit Sätzen wie „eine Frau hat in solchen Ländern sowieso nichts zu suchen“ zu rechnen. Gleichzeitig erfährt man auch oft die sogenannte „gut gemeinte“ Diskriminierung, wenn weibliche Reporter von ihren Sendeanstalten so sehr beschützt werden, dass sie entweder erst gar keine Aufträge in gewisse Länder erhalten oder in ihrer Tätigkeit „aus Schutz“ eingeschränkt werden. Frauen, die in diesem Beruf Erfolg haben wollen, müssen einiges in Kauf nehmen. Diese Frauen arbeiten sehr hart. 
 
 
Das Drehbuch ist gemeinsam mit Ihrem Produzenten Tommy Pridnig entstanden. Welche Rolle hat er im Schreibprozess gespielt?
 
BARBARA EDER: Ich war nach der Rückkehr von meinen Recherchen so voller Eindrücke und Zweifel darüber, was ich zeigen kann und was nicht. Manche von meinen Gesprächspartnern wären bereit gewesen, vor die Kamera zu treten, ich bin mir sicher, sie hätten es nach einem halben Jahr bereut. Tommy hat mich sehr dabei unterstützt, den Rausch meiner Gedanken zu ordnen. Wir sind sehr viel zusammengesessen, um uns darüber zu unterhalten, wie diese Eindrücke in einem fiktionalen Kontext einzubauen wären. Es war eine sehr schöne Begleitung.
 
 
Wie sah das Drehbuch aus, mit dem Sie nach Kabul gefahren sind?
 
BARBARA EDER: Es ähnelt einem Treatment, wo der Fokus der Szene festgehalten ist. Die Details ergaben sich beim Dreh, manchmal entstand auch etwas ganz anderes. Ich war von vielen Leuten fasziniert, was mit ihnen in der Impro entstehen konnte. Das bedeutete sehr viel Vorbereitung, Gespräche, Proben. Es gibt Szenen, wo die Dialoge so perfekt klingen, wo kein Mensch glauben würde, dass sie nicht geschrieben sind. Was ich allerdings geschrieben habe, waren die Texte, die ein Reporter vor der laufenden Kamera abliest.  Diese vorgegebenen Texte sind ja oft von Leuten geschrieben, die sich gar nicht im Kriegsgebiet aufhalten.
 
 
Für gute Improvisationen braucht es gute Leute. Die Episoden 2 und 3 sind in englischer Sprache gespielt. Wie fanden Sie Ihre Darsteller?
 
BARBARA EDER: Ich habe sehr viel gecastet – in New York, vor Ort in Afghanistan und Jordanien, in Österreich. Das Casting hat sich sehr lange gezogen. Manon Kahle, die Protagonistin der zweiten Episode, fand ich dank meiner Casterin Marion Rossmann, die auch im europäischen Raum gesucht hat. Ich fand Manons Persönlichkeit extrem spannend, vor allem hinsichtlich der Frage, was an persönlicher Thematik und privaten Lebensaspekten in eine Rolle einfließen kann, ohne dass man jetzt sagt, sie spielt sich selbst. Wie weit kann ein Schauspieler mit einer Figur etwas anfangen?
 
 
Die beiden Berufe sind ja einander nicht ganz unähnlich?
BARBARA EDER: Das stimmt. Vor laufender Kamera agieren, einen Durchbruch schaffen, ein Publikum an sich zu binden. Absolut. Parallelen zur Persönlichkeit des Schauspielers haben bei der Besetzung von Thank you for Bombing absolut eine Rolle gespielt. Raphael von Bargen, den Hauptdarsteller der dritten Episode, habe ich zunächst für eine andere Rolle gecastet. Ich wollte für diese Rolle unbedingt einen Amerikaner haben, Raphael war aber beim Casting so schräg, dass ich mir gleich dachte, er wäre der ideale Cal. Eine Weile rumorte der Gedanke in mir und dann fiel die Entscheidung zu seinen Gunsten. Es ist auch in der Realität so, dass ein Deutscher bei einem großen amerikanischen Sender arbeiten kann. Wir haben in der Vorbereitung sehr viel in Österreich gearbeitet, viel auch geskypt. Raphael habe ich mit Informationen gefüttert, die er wie ein Schwamm nur so aufsaugte. Natürlich haben wir auch noch vor Ort sehr viel geprobt. Oft sind wir nach Drehschluss noch Szenen durchgegangen.  Die Darsteller von Fitz und Bergmann habe ich in Jordanien getroffen, wo sie in einem Peacecorps als Friedensstifter eingesetzt waren. Sie habe ich auf die Szene mit vielen Gesprächen und Proben vorbereitet und sie haben viele ihrer Gedanken einfließen lassen, die ihnen als Jugendliche, die bei ihrer Ankunft im Mittleren Osten zunächst einmal einen kulturellen Schock überwinden mussten, durch den Kopf gegangen sind.
Es war kein einfacher Dreh, weil sehr viel erst vor Ort entstanden ist, auch wenn es jetzt sehr geschrieben wirkt. Ich wollte abgesehen von der Episode, die am Flughafen spielt, den Film in Afghanistan spielen lassen und auch dort drehen. Das war nicht möglich. Wir mussten innerhalb von drei Wochen den Dreh auf Jordanien umorganisieren, weil die Verhältnisse in Kabul zu heftig geworden sind. Unser Auto wurde demoliert, wir sind in einen Mob geraten – irgendwann muss die Produktion eine Entscheidung treffen. Ich persönlich (lacht) hätte es, glaube ich, weiter in Afghanistan versucht. Ich finde es aber gut, dass es ein Regulativ wie eine Produktionsfirma gibt, die eine Verantwortung trägt. Ich bin immer noch ein Typ, der die Kamera schnappt und rausgeht.
 
 
Es zieht Sie immer wieder an die Grenzerfahrung.
 
BARBARA EDER: Ich frage mich natürlich auch, was diese Arbeit mit mir macht? Mein Tonmann Atanas Tcholakov hat z.B. erzählt, wie sehr ihn nach der Rückkehr aus Afghanistan die Erlebnisse noch beschäftigt haben.  Man erlebt ja auch das Elend der Menschen dort, sieht, wie wenig Chancen sie haben, ihre Lebenssituation zu verbessern und dann richtet der Krieg noch so viel Zerstörung an. Man hat sehr viel zu verarbeiten. Vielleicht liegt es daran, dass mein Fokus bei den Dreharbeiten woanders liegt, mir geht es nicht so nahe. Ich will da noch stärker hineindriften, noch mehr spüren, wozu der Mensch fähig ist, was Mensch-Sein bedeutet, welche Gefühle auf einen zukommen können, wenn man mit gewissen Schrecken konfrontiert wird. Mensch-Sein heißt auch, sehr viel Leid zu ertragen. Ich halte es für wichtig, dass man, wenn es einem gut geht, auch die Fähigkeit hat, dieses Leid zu sehen, zu ertragen und sich zu fragen, wie gehe ich damit um? Wie gehen diese Menschen damit um? Ich bin ja gesegnet, gehe nach jedem Dreh nach Hause und schneide das Material und mir geht es gut. Uns geht es verdammt gut, auch wenn wir so ein Jammer-Österreich sind. Mich interessieren vor allem Länder, wo die Medien nicht mehr hinschauen. Nach Syrien oder Afghanistan zu fahren, ist eine andere Sache. Die Kriegsberichterstatter fahren dort hin, zum einen, weil es ihr Beruf ist, zum anderen, weil sie den Kick brauchen. Vielleicht brauche ich das auch. Ich glaube, ich bin diesen Menschen nicht so unähnlich, auch wenn ich mich dafür interessiere, welche Gefühle da hochkommen. Sonst wäre ich keine Filmemacherin. Emotion ist mein Metier.
 
Berichterstattung aus Krisengebieten determiniert unser Weltbild. Sie weisen darauf hin, wie sehr „News“ also eigentlich eine Sicht von Wahrheit eine Ware ist, die verkauft, benutzt, instrumentalisiert wird.  Welche Grundsatzfrage werfen Sie auf?
Barbara Eder: „News“ ist ja so ein kleiner Blickwinkel, den man da im Fernsehen sieht.  Die Nachrichten sagen uns, was uns zu interessieren hat, wo es abgeht. Da steht eine riesige Maschinerie dahinter, derjenige, der vor der Kamera im Kriegsgebiet steht ist da nur ein kleines Rädchen. Mit dem heldenhaften Interesse für eine Sache, für die er sein Leben riskiert, hat es nur sehr entfernt etwas zu tun. Wenn Journalisten in versteckte Winkel der Erde schauen, dann kommt das vielleicht in einer namhaften Zeitung oder Zeitschrift als Beitrag vor, der zwei verschiedene Standpunkte gegenüberstellt. Man würde sich wundern, sich vor Augen zu halten, wo es überall kracht und niemand sieht hin.
 
Somit auch ein Statement zur Unmöglichkeit, sich ein treffendes Bild von der Welt zu machen?
 
BARBARA EDER: Das stimmt.
 
 
Der Titel trägt einen ironischen, je nach Auslegung vielleicht auch einen zynischen Unterton.
 
BARBARA EDER: Nach meiner Recherche war der Titel sonnenklar. Es hat zu krachen und jemand hat uns mit betroffenem Gesicht zu erzählen, wie schrecklich alles ist und wie die dortige Regierung die Lage handhabt. Und ganz versteckt schlummert in den Leuten, die in diesem Metier arbeiten, der Wunsch, dass es kracht. Dann kann man darüber berichten, dann kann man erfolgreich sein, dann sieht man einen Sinn in dem, was man tut. Es muss krachen und es muss arg sein, das fordern die großen News-Stationen ein. Auch wir wollen letztlich geschockt sein über das, was in der Welt passiert und wollen dann auch wieder abdrehen und feststellen, dass in unseren vier Wänden alles in Ordnung ist. Wir fühlen uns umso besser, dass es uns gut geht. Dieser Gedanke steckt auch im Titel.
 
 
Improvisation, enge Räume – wer da mit Handkamera filmt, muss sie auch exzellent beherrschen. Sie haben wieder mit Christian Haake, ihrem Kameramann von Inside America gearbeitet. Warum ist Ihre Wahl auf ihn gefallen?
 
Barbara Eder: Ich habe ihn gewählt, weil ich das Gefühl hatte, dass er, wenn er ein Drehbuch zu lesen bekommt, mich da drinnen sieht. Er sieht sehr viel „Barbara“ in den Figuren und ich habe den Eindruck, dass wir dieselben Sachen sehen. Der Kern unserer Arbeit liegt in Gesprächen darüber, wo der Fokus  einer Szene liegt. Am Flughafen haben wir sehr viel fotografiert. Wir haben uns das billigste Ticket gekauft, da man ja ohne Ticket nur sehr schwer in den Flughafen reinkann. Eine andere Frage ist dann, wie man wieder rauskommt, wenn man nicht abfliegt (lacht). Wir haben uns sehr mit der Ästhetik des Ortes beschäftigt und bei der ersten Episode auch versucht, eine Leere darzustellen und wirken zu lassen. In Afghanistan zu drehen war alles andere als leicht. Wir hatten z.B. ein Bild, wo zwei Leute an einem verlassenen öffentlichen Swimmingpool sitzen, plötzlich kommen zwei Black Hawks mit Maschinengewehren, die über den Pool schwirren und ein Anruf vom CIA, wir mögen sofort den Platz verlassen. Das sind Situationen, mit denen Christian umgehen kann. Wir hatten schon sehr schwierige Drehs, mit unvorhersehbaren Wendungen, wo Christian die neue Situation aufsaugen und etwas Neues daraus machen kann. Er weiß, was ich erzählen will, er spürt das auch und ist fähig, die Bilder dazu zu finden.
 
 
Gerade die Episoden 2 und 3 haben sehr starke Suspense-Momente, wo auch die Arbeit des Schnitts sehr stark zum Tragen kommt.
 
BARBARA EDER: Mit Mona Willi zu arbeiten, war ein wahrer Glücksgriff. Sie hat mich auch immer wieder überrascht. Ich habe zunächst mit Claudia Linzer geschnitten, dann hat Mona nochmals einen starken Fokus auf die Struktur gelegt. Mona führt sehr viele Gespräche, in denen sie herausfinden will, was man als Regisseur zum Ausdruck bringen will. Sie versucht dann die richtige Form zu finden. Sie klärt sehr genau, was man will und was nicht, was empfindest du, was bedeuten die drei Episoden für mich und dann sagt sie: „Lass mich jetzt mal alleine in Ruhe arbeiten und einen Vorschlag machen.“ Das war für mich nicht leicht, weil ich ein Kontrollfreak bin. Ich mag Spontaneität, aber ich hab es immer ein wenig unter Kontrolle. Da hab ich erstmals losgelassen und sie wirklich in Ruhe arbeiten lassen. Es war eine schöne Arbeit, in der sie einen Freiraum hatte und ich auch sehen konnte, was sie aus dem, was ich ihr sage, macht. Da hat sie ein großes Gespür und großen Respekt vor mir als Regisseurin und vor dem, was ich während des Drehs oder beim Betrachten der Bilder empfunden habe.
 
 
Hat Sie Ihr offener Arbeitsansatz zu einem anderen Ergebnis geführt, als Sie es in der Anfangsphase vorhatten?
 
BARBARA EDER: Es war vieles überraschend. Ich hab auch vieles über mich entdeckt und gelernt. Ich weiß, wie ich in gewissen Situationen reagiere. Ich weiß, was es heißt, in Kabul zu sein, wenn eine Bombe hochgeht. Wir haben dort zehn Tage gedreht. Jeder Film führt mich woanders hin. Wohin mich ein Film geführt hat sehe ich erst mit einem gewissen Abstand. Für Thank You For Bombing  bin ich jetzt noch zu nahe dran. Ich sehe gewisse Szenen vor mir, vieles wird aber beim Drehen ganz anders. Manchmal bin ich beim Anschauen selber überrascht, was ich gemacht habe. Ein Film wird immer ganz anders, als ich ihn vorbereite. Das ist auch gut so.
 
 
Interview: Karin Schiefer
August 2015
 
«Und ganz versteckt schlummert in den Leuten, die in diesem Metier arbeiten, der Wunsch, dass es kracht. »