INTERVIEW

«Vive le cinéma!»

Geplant war es nicht, umso geglückter die Fügung: im Dezember 2020 feierte seine gemeinsam mit Bady Minck gegründete Produktionsfirma Amour Fou ihr 25-jähriges Jubiläum, quasi zeitgleich übernahm Alexander Dumreicher-Ivanceanu seine Funktion als Obmann des Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft in der WKO. Die lange Erfahrung aus der Filmproduktion ebenso wie der Schock und die Schäden, die die Covid-Krise in der Kulturbranche hinterlassen hat, werden die Strategien bestimmen, die den kommenden Jahren für ein Produktionsvolumen sorgen sollen, das deutlich größer, grüner und weiblicher, jung und inklusiv sein soll.


Mit Jahresende 2020 haben Sie Ihre Funktion als Obmann des FAMA (Fachverband der Film- und Musikwirtschaft in der WKO) aufgenommen, zu einem Zeitpunkt, wo Sie auch das 25-jährige Jubiläum Ihrer Produktionsfirma gefeiert haben. Der Handlungsbedarf ist wohl einerseits von ihrer langjährigen Produktionserfahrung andererseits von der akuten coronabedingten Krisensituation bestimmt. Wo möchten Sie in Ihrem politischen Mandat die ersten Weichen stellen? Den kurzfristigen oder den mittel- bis langfristigen Notwendigkeiten gehorchend?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Es war ein interessantes Jahresende mit diesen beiden Ereignissen. Bady Minck und ich haben vor 25 Jahren die Produktionsfirma Amour Fou gegründet. In der Tat fiel das Jubiläum zusammen mit meiner Wahl zum Obmann der FAMA, der österreichweiten Interessenvertretung der Film- und Musikwirtschaft. Das war so keinesfalls geplant, sondern ein schöner Zufall. Die Herausforderungen sind groß. Meine Funktionsperiode dauert fünf Jahre. Ich glaube, dass die coronabedingte Krise des letzten Jahres einerseits schnelle Lösungen verlangt hat und das auch weiterhin tun wird; andererseits hat diese Krise strukturelle Probleme innerhalb der Branche offengelegt. Diese gilt es jetzt, mittel- und langfristig anzugehen. Der Fachverband, wie jede Firma und jede/r Filmschaffende auch, muss im Krisenmodus agieren, weil wir nie genau wissen, wie es in der folgenden Woche weitergeht. Der Ausnahmezustand ist zum Alltag geworden. Andererseits ist es wichtig, dass wir als Branche – ich denke an den Film, die Musik und an die Kultur insgesamt – Fragen lösen, die jetzt nochmals virulenter geworden sind. Die Krise hat aufgezeigt, wie schnell Filmschaffende im Prekariat sind, sie hat Fragen nach durchgehenden Versicherungsverhältnissen für Filmschaffende aufgeworfen, das mangelnde Eigenkapital bei vielen Firmen vor Augen geführt sowie das Fehlen einer neuen Säule in der Finanzierung unserer Filme spürbar gemacht. Das sind die großen Themenblöcke, die es langfristig anzugehen gilt, indem wir als Land aus dem Ausnahmezustand lernen und die Dinge verbessern.


Der Comeback-Fonds zur Absicherung von Drehs in Covid-Zeiten sowie die Konzepte, die Dreharbeiten ermöglicht haben, konnten im letzten Jahr im Bereich der Filmproduktion das Schlimmste abwenden. Nun leben wir in einer Situation, wo eine Rückkehr zur Normalität immer wieder in eine weitere Ferne gerückt wird.  Sie vertreten Unternehmen verschiedenster Größen, die in der Film- und Musikbranche tätig sind. Wie nehmen Sie zurzeit die allgemeine Stimmung wahr?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Die Stimmung ist gemischt. Sie wechselt auch immer wieder. Wir hatten eine Zeit im Sommer und Herbst, wo wir in der Filmbranche drehen konnten, die Kinos offen waren, eine Art von Normalität eingetreten war, wo ich die Stimmung als gut wahrgenommen habe. Für die Filmbranche war es in dieser Zeit einfacher als in der Musikszene, weil gedreht werden konnte. Für die Musikerinnen und Musiker hat es sehr lange gedauert, bis sie wieder auftreten konnten. Kaum war es möglich, war es auch schon wieder vorbei. Mit der Sperre der Kinos hat es auch die Filmbranche voll erwischt. Ein zentrales Thema wird sein: Wie finden Filme wieder zu ihrem Publikum im Kino? Grundsätzlich können wir dank der Sicherheitskonzepte Filme drehen. Aber die Reisebeschränkungen, die Buchungslagen von Schauspieler*innen, die in verschiedenen Ländern verschiedene Quarantäne-Bestimmungen einhalten müssen, oder an sich einfache Fragen wie Unterbringung und Catering machen es nicht leicht. Solange die Perspektive da ist, dass wir drehen können, schauen wir nach vorne.


2020 bedeutet für alle einen klaren Schnitt. Der Neuanfang nach der Krise wird immer wieder auch als die Chance beschrieben, nicht zum Stand davor zurückzukehren, sondern gleich einen Sprung Richtung Nachhaltigkeit mitzuvollziehen. Folgt die bereits angesprochene Maßnahme der vierten Finanzierungssäule dieser Logik? Wie sieht das Konzept aus?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Eines hat das Jahr 2020 gezeigt: In Österreich haben wir hohe Kreativität, tolle und viele neue Projekte, weil gerade in den Zeiten, in denen nicht gedreht werden konnte, neue Stoffe entstanden sind. Österreich hat ein sehr hohes Potenzial für internationale Projekte, das wir nicht optimal nützen. Das wissen wir seit Jahren. Wir können zwei Dinge dank einer neuen Studie der WKO belegen: Österreichweit sind es 15 000 Filmschaffende, die Vollzeit in der Filmbranche beschäftigt sind, weiters gibt es um die 5 000 Unternehmer*innen. Wir sprechen also von 20 000 Menschen, die direkt oder indirekt in der österreichischen Filmbranche arbeiten. Und der Umsatz der Film-Branche allein in Wien beträgt eine Milliarde Euro, österreichweit sind es 2,5 Milliarden Euro. Das ist deutlich mehr als bisher angenommen und stellt ein sehr hohes Potenzial dar, das es abzusichern und vor allem zu stärken gilt. Wir kämpfen seit vielen Jahren um ein steuerliches Anreizmodell als neue Finanzierungssäule im Filmschaffen. Der Bedarf an Inhalten und Geschichten ist international wie national deutlich gestiegen. Ich glaube, dokumentarisches wie fiktionales Geschichten-Erzählen ist etwas, das wir in Österreich gut können. Jetzt geht es darum, dass wir die finanziellen Voraussetzungen schaffen und aus dem Krisenjahr 2020, ein Jahr des Durchstartens 2021 machen. Wir haben im Fachverband die Idee einer Investitionsprämie für Film entwickelt, bei der sowohl bei nationalen wie bei internationalen Projekten für alle Ausgaben in Österreich eine Investitionsprämie ausgezahlt wird. Unser Plan ist es, diese Sockelprämie mit einem grünen Bonus zu kombinieren. Damit wollen wir gleich auch eine Weiche für die grüne Transformation stellen. Es ist sehr begrüßenswert, dass sowohl das ÖFI als auch der FFW und das BMKOES den Übergang zum Green Producing als Leitbild verankert haben. Das wird eine Umstellung bedeuten, die finanziert werden muss. Wenn es uns gelingt, ein Anreizmodell inklusive grünem Bonus zu schaffen, dann wären wir europaweit die Ersten, die das einführen. Das halte ich für eine bestechende Idee. Es würde die Branche nicht nur stabilisieren, sondern in einer wachsenden Kreativbranche mehr Wertschöpfung, mehr Kreativität und mehr Arbeitsplätze schaffen.


Wie wird dieses Anreizmodell konkret funktionieren?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Die Idee ist, dass ein Unternehmen auf die Ausgaben, die in Österreich im Rahmen eines Filmdrehs getätigt werden, eine direkte Gutschrift bekommt. Das Filmprämien-Modell sieht einen Sockelbetrag und darüber hinaus einen grünen Bonus vor. Daher sprechen wir auch von einer neuen Säule, die nicht aus Kulturgeldern gespeist werden soll, sondern ein echtes Incentive zur Stärkung des Standorts, der Wertschöpfung, der Arbeitsplätze sein soll. Einerseits würde diese Prämie die heimischen Produktionen deutlich stärken. Und andererseits haben wir in Österreich die Schwierigkeit, dass viele internationale Projekte nicht landen können, was schade ist. Es gibt Serien und Spielfilme, die in Österreich spielen, aber nicht hier gedreht werden, weil die Finanzierungsmöglichkeiten fehlen. Dabei hätten wir die Schauplätze und die Kreativen, die für die Realisierung sorgen könnten. Es geht uns dabei nicht um die Verschiebung von Logistikflotten von einem Land ins andere, es geht um die kreative Wertschöpfung vom Dreh bis in die Postproduktion, wo wir ein sehr hohes Potenzial zu bieten haben.


Worin sehen Sie die naheliegenden Maßnahmen, mit denen in Richtung Green Producing begonnen werden kann?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Da ist zum einen die Logistik, damit meine ich Transporte, Fahrten und Unterbringung. Ein weiterer wesentlicher Bereich ist der der Energie, ob das nun den Fuhrpark oder den Strom betrifft. Und dann das Catering – was wird am Set gegessen und wie wird es serviert? Es gibt als Qualitätsgarantie das Umweltzeichen, ich denke aber, dass es, wenn wir die Transformation gut hinbekommen wollen, jemanden braucht, der das moderiert und der berät. Die Produzentin Lena Weiss hat im Zuge ihrer Diplomarbeit ein sehr gutes Konzept entwickelt, wie ein grünes Incentive-Modell umgesetzt werden kann. Ich hielte es für wichtig, eine Stelle einzurichten, die sowohl die Produktionsfirmen als auch die Dienstleistungsunternehmen in der grünen Transformation unterstützt und berät.


Was sollte sich in einem weiteren Schritt unter der Prämisse „Fair Pay“ ändern?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Das gehört zusammen. Wenn mehr Filme gemacht werden, dann werden sich eine Reihe von Problemen automatisch lösen, wie z.B. die Frage, ob Filmschaffende in den Versicherungs- bzw. Arbeitslosenanspruch kommen. Wir haben einen unbestritten guten Kollektivvertrag, der jedes Jahr von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer ausverhandelt wird. Das Prekariat beginnt jedoch zwischen den Filmen, weil nicht genügend Filme produziert werden. Wir brauchen mehr Projekte, damit mehr Menschen beschäftigt sind, sich auf ihre Tätigkeit im Filmbereich konzentrieren können und nicht noch andere Jobs annehmen müssen, durch die auch noch das ungelöste Problem der Doppelversicherungen entsteht. Bisher war das ganze System so angelegt, dass es sich immer gerade noch irgendwie ausgegangen ist. Wenn plötzlich eine Krise eintritt, dann geht es sich nicht mehr aus. Das ist die entscheidende Erkenntnis aus dem letzten Jahr. Je höher Produktionsvolumen und Wertschöpfung sind, desto stabiler werden die Strukturen. Das ist unser Ansatz, der natürlich nicht alle Probleme löst, wie z.B. das der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der gesamten Kulturbranche, besonders aber in der Filmbranche mit ihren intensiven Arbeitszeiten. Unser Konzept ist kein Allheilmittel, aber es schafft eine Grundbedingung dafür, das kreative Potenzial der Branche in Form von Filmen auf den Boden zu bringen.


Das Thema Gendergerechtigkeit und Quote hat in den letzten Jahren starken Aufwind erhalten. Wie möchten Sie die Produzent*innen zu diesem Thema im engeren, zum Thema Inklusion im weiteren Sinn positionieren?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Ich halte das für ein ganz wichtiges Thema, das bei uns im Fachverband eine zentrale Rolle spielen wird. Als ersten Schritt haben wir einen Ausschuss für Gendergerechtigkeit und Inklusion eingerichtet. Wir haben die aktuelle Zahlen ausheben lassen, was zu einem für uns alle überraschenden Ergebnis geführt hat:  unter Produzent*innen herrscht in Österreich ein Verhältnis von 80 Männern : 20 Frauen. Da gibt es im Fachverband ein übergreifendes Bewusstsein, dass sich hier etwas ändern muss. Wir sind auch bei Regie und Drehbuch weit von einem Verhältnis 50:50 entfernt, und so ist es auch im Bereich Produktion. Zur Lösung braucht es Konzepte, es muss mittelfristig das Ziel sein (langfristig wäre zu spät), in der gesamten Filmbranche auf ein gleichberechtigtes Geschlechterverhältnis zu kommen.
Was direkt an die Frage der Gendergerechtigkeit anknüpft, ist die Förderung des Nachwuchses. Unter welchen Bedingungen finden junge Menschen ihren Platz in der Branche? Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass zwischen den Projekten, die von der Filmabteilung des BMKOES gefördert wurden, und den Werkstattprojekten eine Lücke klafft. Bei ersteren endet die Förderung für abendfüllende Filmprojekte in einer Höhe von € 500 000, Werkstattprojekte belaufen sich auf € 1,3 bis 1,5 Mio. Projekte mit Budgetgrößen von € 500 000 bis 1,3 Mio können in Österreich de facto nicht finanziert werden. Anders als in anderen Ländern gibt es bei uns keine gemeinsame Nachwuchsstrategie und Finanzierung. Da ist ein Thema, zu dem wir gemeinsame Initiativen setzen möchten.
Die Idee, die hinter der Filmprämie steckt, ist die, den Produktionskuchen insgesamt durch nationale wie internationale Projekte zu vergrößern. Wenn das geschafft ist, lässt es sich auch leichter über andere Themen reden. Essentiell dabei ist: All das werden wir nur schaffen, wenn wir als Branche gemeinsam vorgehen. Dann haben wir eine große Kraft. Wären wir im Frühling 2020 nicht so geschlossen hinter den Sicherheitskonzepten und dem Ausfallsfonds gestanden, wäre es nicht so schnell gelungen, eine Vorreiterrolle in Europa einzunehmen. Österreich war gemeinsam mit Frankreich eines der ersten Länder, die einen Ausfallfonds etabliert und Sicherheitskonzepte umgesetzt haben. Wenn wir das mit dem Anreizmodell inklusive Green Producing-Bonus hinbekommen, dann können wir auf einer langfristigen, strukturellen Ebene Wichtiges erreichen.  


Wie eingangs erwähnt, blicken Sie auf 25 Jahre Erfahrung in der Produktion zurück und sind ja auch weiterhin Produzent. Wie hat Ihre Firma AMOUR FOU dieses erste COVID-Jahr überstanden? Wie hat sie sich adaptieren müssen?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
AMOUR FOU hat es sowohl in Österreich als auch in Luxemburg total durcheinandergewirbelt. In Luxemburg standen Bady Minck und ich letzten März wenige Tage vor Drehstart zu Une histoire provisoire des Schweizer Regisseurs Romed Wyder. Einen komplett aufgestellten Dreh eine Woche vor Drehbeginn zu stoppen und zu verschieben, das war eine große Herausforderung für unser ganzes Team. Insgesamt hatten wir für 2020 geplant, an beiden Standorten insgesamt sechs Filme – vier Spielfilme und zwei Dokumentarfilme – zu drehen. Am Ende haben wir es immerhin geschafft, zwei Spielfilme und einen Dokumentarfilm zu drehen und den zweiten Dokumentarfilm zu beginnen. Zwei Spielfilmprojekte mussten auf 2021 verschoben werden. Luxemburg hatte ebenso wie Österreich ein sehr gutes Sicherheitskonzept ausgearbeitet und auch einen Ausfallfonds eingerichtet. Die Strategien waren sehr ähnlich und haben in beiden Ländern gut funktioniert. Das war ein Glück für uns.
Angesichts der Perspektive, die sich am 13.März 2020 aufgetan hat, haben wir es ganz gut hinbekommen, vor allem dank des Einsatzes unseres Teams in beiden Ländern. Es hat sich ja eine Paradoxie herauskristallisiert, dass es auf der einen Seite Menschen gab, denen plötzlich die Hände gebunden waren (das betraf viele Filmschaffende am Set), und auf der anderen Seite das Produktionsteam , das alle Hände voll zu tun hatte, um die Struktur auf dem bestehenden Level zu halten. Es war ein enormer Zeit- und Kraftaufwand, alles so zu stabilisieren, dass wir im Sommer wieder Dreharbeiten aufnehmen konnten. Der zweite geplante Spielfilm war Der Passfälscher von Maggie Peren, der genau heute, wo wir hier sitzen (18.Jänner) Drehbeginn hat. Im Herbst ist es gelungen, für Diamante die Dreharbeiten in Österreich abzuschließen – ein Mockumentary über einen fiktiven Fußballer mit Karin Berghammer als Ko-Regisseurin. AMOUR FOU Wien produziert aktuell Vienna Calling, ein Dokumentarfilmprojekt über die Wiener Musikszene. Die Lockdownregelungen für die Musiker hat uns vor große Herausforderungen gestellt. Wir haben unseren Drehbeginn mit einer traumartigen Performance von Lydia Haider ins Wiener Kanalsystem verlegt. Jetzt müssen wir warten, bis Konzerte wieder möglich sind. Ohne dass wir es beabsichtigt hatten, wird die Corona-Krise in diesem Film ihren Abdruck hinterlassen.


Gab es auch Filme, die 2020 bereits kurz vor Fertigstellung waren?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Ja, Evi Romens Hochwald wurde mitten in der Coronakrise fertig. Für die Festivalpremiere ist es uns gelungen, erstmals eine Ko-Premiere zwischen dem Zürich Film Festival und dem Black Nights Festival von Talinn zu vereinbaren. Zürich hat glücklicherweise physisch stattgefunden; den Film in einem Kino mit Publikum zu präsentieren und dann den Golden Eye-Award des Festivals entgegenzunehmen, war für Evi Romen und uns ein sehr schöner Moment.  Als schwierig erweist sich der Kinostart, der schon zum zweiten Mal verschoben werden musste und mit 31.März 2021 noch immer nicht als gesichert gilt. Planungen in der Verwertung sind sehr schwierig geworden. Das betrifft alle Filme, die hätten starten sollen, und ich hoffe, dass die Verleiher*innen und Kinobetreiber*innen wieder auf die Beine kommen und die Menschen wieder ins Kino gehen. Hochwald steht da pars pro toto für viele österreichische Filme und das Kino an sich.


Hat die Erfahrung des letzten Jahres Ihr Selbstverständnis als Produzent verändert?

ALEXANDER DUMREICHER-IVANCEANU:
Ja. Bady Minck und ich, wir haben in diesem Jahr das hohe Maß an Verantwortung gespürt, das man für die Teams trägt. Wir haben jedes Mal, wenn es zu positiven Fällen im Team kam, die Dreharbeiten sofort unterbrochen. Das waren Entscheidungen, vor denen wir bisher noch nie gestanden sind. Als Produzent*innen wohnt uns eine natürliche Vorwärtsbewegung inne und selbstverständlich wollen wir drehen, die besten Bilder und Töne schaffen, die Filme fertigstellen und verwerten. Plötzlich war da eine neue Ebene, die die Frage nach dem gesundheitlichen Risiko für das Team aufgeworfen hat. Wir haben die Sicherheitskonzepte strikt eingehalten. Am Anfang war das schwierig und die Umstellung sehr groß: wöchentliches Testen, hermetische Maskenpflicht, Abstände halten. Wenn dann das Telefon läutet und ein positiver Fall am Set oder dessen Umfeld gemeldet wird, wird einem bewusst, dass die große Filmmaschine aus lauter Menschen besteht, für die wir die Verantwortung tragen, dass sie in Sicherheit arbeiten können. Zu unserer Tätigkeit als Produzent*in ist eine wichtige Facette hinzugekommen, die die Perspektive verschiebt. Es steht nicht im Vordergrund, dass täglich zu Drehschluss das Pensum erfüllt ist, sondern dass jede und jeder gesund nach Hause geht. Die zweite Erfahrung ist die, wie wichtig der Kontakt mit dem Publikum ist. Manches lässt sich in den digitalen Raum verlegen, aber bei Hochwald war einfach zu spüren, wie bereichernd die Vorführungen beim Filmfestival Zürich und auf der Viennale waren. Ich freue mich auf den Moment, wenn die Kinos öffnen und wir wieder Filme zeigen und gemeinsam sehen können. In diesem Sinne: Vive le cinéma!


Interview: Karin Schiefer
Jänner 2021


«Ich glaube, dokumentarisches wie fiktionales Geschichten-Erzählen ist etwas, das wir in Österreich gut können. Jetzt geht es darum, dass wir die finanziellen Voraussetzungen schaffen und aus dem Krisenjahr 2020, ein Jahr des Durchstartens 2021 machen.»