In den DVD-Regalen nach österreichischen Produkten zu stöbern, war bisher mit wenig Überraschungen verbunden. Heimische Kinohits,
internationale Festivalerfolge. Wer nach den Schätzen im Schatten davon Ausschau hielt, der tat das meist vergebens. Seit
2006 ist alles anders. Seit Mitte November prangt Georg Hoanzls rote DVD-Box mit 50 Kostbarkeiten aus dem österreichischen
Filmschaffens landesweit in den Buch- und Medienhandlungen oder kann über die Tageszeitung Der Standard abonniert werden.
Die Plattform docushop von Alexander Binder und Elke Kratzer hat einen themenspezifischen Dokumentarfilm-Katalog aufgebaut, der online und in ausgewählten
Geschäftsadressen verfügbar ist.
Die Freude ist echt und kommt aus tiefstem Herzen. Voller Enthusiasmus legt Georg Hoanzl den Tisch mit den druckfrischen DVDs
voll, die vor wenigen Stunden geliefert wurden. Mit dieser zweiten Liefertranche ist die fünfziger Serie komplett. Seit Mitte
November 2006 ist die gesamte Box der Standard-Edition zum Österreichischen Film mehr als 70 Filme auf 50 DVDs
für den privaten Hausgebrauch verfügbar. Kultfilme und Klassiker, aber auch Kostbarkeiten, über deren materielle Existenz
vor einigen Monaten noch keine Gewissheit herrschte, können nun Einzug in die Heimkinos halten. Es gibt Grund zur Freude und
vor allem zur Erleichterung, jetzt, wo die rote Kollektion in über 400 Buch- und Medienhandlungen unübersehbar auf den Pulten
steht und in nur vier Wochen schon über 70.000 Einzel-DVDs über die Ladentische gegangen sind. Die erste Bilanz nach einem
Monat kann sich sehen lassen: 107.000 verkaufte Einheiten, zählt man den Verkauf im Handel und die über die Tageszeitung Der Standard vertriebene Gesamtedition zusammen. Ein Vergleich: der Durchschnittswert des DVD-Verkaufs für Einzelausgaben österreichischer
Filme liegt hierzulande bei 500 Exemplaren.
Der Standard-Edition Der österreichische Film
Für jemanden, der den Handel nicht kennt, erklärt Georg Hoanzl, ist es gar nicht vorstellbar, was für eine
Öffentlichkeit diese Edition für den österreichischen Film bedeutet. Es war jedoch ein schmaler und hindernisreicher
Grat, über den seine Agentur dieses seit vielen Jahren gehegte Herzensprojekt in den vergangen Monaten balanciert hat. Die
Anspannung, so Hoanzl, löst sich langsam, aber ich fühle mich wie ein Marathonläufer, der bei Kilometer 60 ist
und dem noch keiner gesagt hat, dass der Marathon schon vorbei ist. Ich fühle mich müde, aber auch beseelt. Trotz allen
Vorbereitet- und Gerüstet-Seins für eine harte Expedition war es ein Projekt, das sämtliche Ressourcen bis zum Anschlag ausgereizt
hat. Die größte Hürde, die es dabei zu überwinden gab, lag in der Klärung der Rechte. Dabei stellte sich auch heraus, dass schon
mehrere Anläufe zuvor, eine Edition zum österreichischen Film herauszugeben, genau daran gescheitert waren. Die Schwierigkeit,
so Hoanzl, liegt darin, dass z.T. Erben im Spiel sind, dass die Rechtseinräumung nur das Fernsehen abgedeckt hat, zu
Zeiten, wo von Video und anderen Datenträgern noch keine Rede war, dass so etwas wie Darstellerrechte noch nicht existierten
oder dass für die Musikrechte zunächst erstmal recherchiert werden musste, welche Musik im Film vorkommt. Sechs Leute
kümmerten sich in der Agentur ein dreiviertel Jahr lang ausschließlich um diese Fragen und doch mussten letztendlich ausgewählte
Filme, v.a. jene Axel Cortis wieder von der Liste genommen werden, da keine rechtliche Sicherheit herstellbar war. Kuratiert
ist die möglichst viele Generationen und Facetten erfassende Selektion aus Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen vom Filmarchiv Austria und der Filmredaktion des Standard, der über den inhaltlichen Input hinaus ein enormes Promotion-Volumen zur Verfügung stellte. Unterstützung kam auch von BKA,
ÖFI und Filmfonds Wien, denn über die plötzlich gewonnen breite Öffentlichkeit für das heimische Filmschaffen der vergangenen
Jahrzehnte hinaus, schuf die Edition auch ein technologisches Update für die jüngere österreichische Filmgeschichte. Weit
mehr als die Hälfte der Filme waren nicht nur nicht digitalisiert, sondern teils nur in Form nicht kopierfähiger Bänder vorhanden,
die zunächst restauriert werden mussten. Legendär sicherlich die Kopie von Leo Tichats Die Verwundbaren, die in Mexiko bei einem Darsteller aufgespürt werden konnte, der einst anstelle einer Gage mit dem Film selbst entlohnt
worden war. Die Produzenten, so Hoanzl haben uns die Rechte gegeben, wofür ich sehr dankbar bin, im Gegenzug
hat nun jeder von ihnen eine reproduzierbare Vorlage für die Neuzeit der Medien. Es ist schön zu sehen, was für ein enormes
wirtschaftliches Volumen der Nischenmarkt darstellt, die einzelne Herangehensweise könnte nie diese Öffentlichkeitswerte schaffen
und es gibt in ganz Europa kein vergleichbar aufgebautes und vermarktetes Konzept zum nationalen Film.
www.docushop.at
Für eine viel kleinere Nische mit deutlich geringerem Öffentlichkeitseffekt haben Elke Kratzer und Alexander Binder vor drei
Jahren begonnen, ein Konzept für den nachhaltigen Vertrieb von Dokumentarfilmen zu entwickeln und sind seit November 2005
mit stetig wachsendem Erfolg mit ihrer Online-Plattform www.docushop.at und in ausgewählten Geschäften und Museen präsent.
Qualitätsvolle, langfristig verwertbare Filme und hohe Preispolitik abseits der großen Vertriebsketten so kann die
Strategie von docushop auf den Punkt gebracht werden, die v.a. im Bildungsbereich einen ausbaufähigen Markt sieht. Und
man muss, so Alexander Binder, auch die verzweifelte Landbevölkerung bedienen. Eine online bestellte DVD
verlässt binnen 24 Stunden das Lager in Vorarlberg, manchmal sogar bis in Richtung Übersee. Das Internet, erklärt
Elke Kratzer, gehorcht da oft völlig irrationalen Gesetzen. Es genügt, dass in einem Forum die Rede von einem Film ist
und plötzlich gibt es unglaublich viele Zugriffe aus Australien und die Leute nehmen auch noch die Versandkosten in Kauf,
um die DVD zu bestellen. Der nach Themenschwerpunkten aufgebaute Katalog umfasst nach einer intensiven Start- und Aufbauphase,
in der z.T. auch unter dem eigenen Label DVDs inklusive Bonus und Untertitel produziert wurden, zur Zeit rund 240 Filme. Was
dabei sehr wirksam ist, erläutert Alexander Binder weiter, ist der Umstand, dass unsere Produkte miteinander verknüpft
sind. Wer sich ein Bild vom Thema Tschernobyl machen will, der bestellt Pripyat und den Film von Bernd Dost dazu, und hat ein Paket, mit dem er komplett emotional und faktenmäßig informiert
ist. Das funktioniert. Die Edition Geyrhalter, die demnächst mit Unser Täglich Brot komplettiert wird, ist der erste Vorreiter für mehrere geplante Gesamtausgaben zum österreichischen Dokumentarfilm, Ruth Beckermann
und Ulrich Seidl sollen folgen. Für 2007 hat docushop geplant, den Katalog um 17 neue Titel zu erweitern, darunter auch die
Art-Edition und sich nach dem ersten Fokus auf der inhaltlichen Ausstattung seiner Plattform, nun forciert der Verwertung
widmen zu können. Wir haben es geschafft, so Alexander Binder, dass unser Produkt existiert, gekauft und
rezipiert wird. Unser Ziel war es, zunächst einmal im Windschatten zu bleiben, deshalb diese Spezialisierung. Dem DVD-Vertrieb
der Marke Österreichischer Film ist jedenfalls ein Weg geebnet, denn, da ist auch Georg Hoanzl sicher, der Erfolg wird
auch der Kulturpolitik zeigen, dass der österreichische Film für die Konsumenten interessant ist und dass es vielleicht neuer
Wege bedarf, die interessierten Rezipienten zu finden. (ks)
|