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Christian Froschs WEISSE LILIEN  ist abgedreht

 

In der Wohnmaschine von Neustadt scheint alles unter Kontrolle: jeder Schritt ist überwacht, jeder Bewohner an seinem Platz. Als jedoch eine junge Frau ihr neues Appartment bezieht, gerät ihr Leben auf unheimliche Weise ins Wanken. Christian Frosch hat für seinen Wohnpark-Thriller Weiße Lilien ein dichtes Netz an subtilen Intrigen und brutalen Machenschaften gespannt und lässt seine Figuren in einer futuristischen Wohnwelt zwischen Wirklichkeit und Wahnsinn zappeln. Die eindrucksvollen Cinemascope-Bilder kommen im Herbst 2007 auf die Leinwand.

Lasalle kehrt vom Begräbnis seines Vaters zurück und lädt Hannah, die ihm zufällig über den Weg läuft, noch zu einem Drink in seine Penthousewohnung ein. Hannah hat wahrscheinlich noch nie eine derartige Luxusbleibe betreten. Rundum Glas, schicke Ledersofas, eine riesige Bücherwand, Design so weit das Auge reicht. Die Wolke 21, das Dachgeschoß des hoch gewachsenen Saturn-Towers im Norden Wiens, liefert die Kulisse für einen der wenigen Drehs von Christian Froschs Wohnpark-Thriller Yoon, der nicht in den Wohntürmen von Alterlaa gemacht werden konnte.
Glaswände auf allen vier Seiten, die schrägen Strahlen der Nachmittagssonne, es spiegelt kreuz und und quer: die Kamera-Crew hat alle Hände voll zu tun, um die Schauspieler in Busso von Müllers millimetergenaue Bildkompositionen einzurichten. Lasalle schnappt sein hungriges Hündchen, während Hannah von einer Überraschung in die nächste tappt. Gerade noch von der Pracht des Wohnraums überwältigt, steht ihr plötzlich Anna gegenüber, eine junge Frau, die sie nicht kennt, in der sie dennoch etwas zu erkennen glaubt und mit der sie mehr verbinden wird, als ihr in diesem ersten Augenblick der Begegnung bewusst sein kann.

Utopien des neuen Wohnens

Yoon spielt im Mikrokosmos einer autarken Wohnstadt mit strengen Hierarchien – je mehr Geld einer aufbringen kann, desto höher darf er wohnen. Die Gesellschaft ist klar geordnet, die Überwachung flächendeckend, die Kontrolle total. Die Menschen scheinen nicht unzufrieden in ihrem geschlossenen System, das sie mit allem versorgt und sie in Sicherheit wiegt. Die Utopien des neuen Wohnens und seine letztlich totalitären Vorstellungen von Lebensentwürfen inspirierten Christian Frosch dazu, der Frage nachzugehen, was sich im Inneren einer solchen Gesellschaft tut. „Die Implosion von Systemen,“ so der Filmemacher, „oder von soziologischen Phänomenen hat mich immer sehr interessiert. Im Vergleich zu Die totale Therapie ist bei Yoon Außen und Innen nicht mehr unterscheidbar.“ Nach vielen Jahren des Schreibens und wieder Verwerfens hat Christian Frosch letztlich die subtilen Intrigen und irrationalen Geschehnisse in der Wohnmaschine diesen Spätsommer in nur 29 Drehtagen und Drehnächten auf Film festgehalten. Die wichtigsten Parts hat er mit einem erlesenen Ensemble aus vorwiegend Theaterleuten besetzt – allen voran Brigitte Hobmeier in der Hauptrolle der Hannah mit ihrem kongenialen Alter Ego Anna, dargestellt von Johanna Wokalek, die der Faszination des Drehbuchs von Beginn an erlag. „Als ich das Buch gelesen habe,“ so die Schauspielerin, „konnte ich es nicht mehr weglegen, es war wie ein Albtraum. Man weiß nicht, ob man wach ist oder schläft, wann man im Film aufwacht und wann man wieder im Traum ist, weil alles so fließend ineinander übergeht. Es war interessant, so ein bildkräftiges Buch zu lesen. Kräftige Bilder in Cinemascope, die mit digitalen Effekten und einem aufwändigen Soundtrack angereichert, im nächsten Herbst über die Leinwand laufen sollen. (ks)