INTERVIEW

Robert A. Pejo über DER KAMERAMÖRDER

 

«Es war mir sehr wichtig, dass die vier Charaktere keine Geschichte haben. Es gibt keine Anhaltspunkte, weil ich wollte, dass diese vier Menschen ganz neutral beurteilt werden und sie dann in ihren Urinstinkten auf Liebe, Eifersucht, Neid oder Hass relativ offen reagieren können.» Robert A. Pejo über Der Kameramörder.


Der Roman Der Kameramörder von Thomas Glavinic rollt in Berichtform eine Geschichte auf, die am Ende von der Realität eingeholt wird. Was hat Sie an der Geschichte fasziniert, um sie fürs Kino zu adaptieren?
Robert A. Pejo: Als Filmemacher muss ich mich natürlich der grundsätzlichen Frage stellen, welche Form finde ich, um den Inhalt wiederzugeben. Auf den Roman bin ich durch Andreas Hruza gestoßen, der ihn mir auf den Tisch gelegt hat mit der Frage, ob mich das interessieren würde. Der Stoff hat mich zunächst einmal total abgeschreckt, weil er so gewalttätig und dunkel ist. Meine erste Reaktion war also Ablehnung und ich konnte mir zunächst auch nicht vorstellen, wie man das filmisch überhaupt umsetzen kann. Mir wurde aber bewusst, dass mich der Roman in der Folge permanent beschäftigt hat und mir nicht aus dem Kopf ging. Ich hab ihn dann mehrmals gelesen und versucht zu analysieren, was ihm eigentlich zugrunde liegt. Es ist ein Roman, der eine starke Medienkritik beinhaltet und diese auch deutlich wiedergibt. Ich hab für mich zwei Grundkomponenten herausgefunden - Manipulation und Dysfunktion. Wie weit entfernen wir uns als Menschen voneinander, inwieweit funktionieren unsere Bindungen nicht. Das Hauptthema des Stoffes ist für mich letztendlich die Frage, wie die Beziehungen der Menschen zueinander nicht funktionieren. Darin lag für mich letztlich auch die Herausforderung, die Form zu finden, an den Kern der Geschichte vorzudringen und die Gewalt und das Drama wiederzugeben. Ich bin dann so vorgegangen, alles zu entfernen, um die Stimmung des Buches herauszuarbeiten.

Heißt das, dass Sie sich von der Medienkritik entfernt und vielmehr auf die Beziehungsgeschichte konzentriert haben?
Robert A. Pejo: Thomas Glavinic hat es selbst gesagt, für ihn sind die Medien so monströs, weil wir selber Monster sind. Ich gehe davon aus, dass ein gewisses negatives Grundpotenzial in uns steckt, das wir in einer Medienform wieder finden. Dieses Medium reflektiert genau das Phänomen wieder, dass wir in keinen echten Beziehungen zueinander stehen. Der Film handelt im Großen und Ganzen von einer Vertreibung aus dem Paradies. Zwei Menschen bauen sich ein Paradies auf, bekommen Besuch und im Zuge der Ereignisse um diesen Mord bricht ein ganzes Fass an Problemen, Geheimnissen und Verdächtigungen auf. Als ich dann an die Frage der Adaptierung ging, war es mir z.B. sehr wichtig, dass diese vier Charaktere keine Geschichte haben. Wir wissen nicht, woher sie kommen, welchen Beruf sie haben. Es gibt keine Anhaltspunkte, weil ich wollte, dass diese vier Menschen ganz neutral beurteilt werden und sie dann in ihren Urinstinkten auf Liebe, Eifersucht, Neid oder Hass relativ offen reagieren können. Daher rührt auch das nüchterne Ambiente der Ausstattung, weil ich wollte, dass es die Darsteller in den Vordergrund rückt.

Wie ist das Drehbuch entstanden?
Robert A. Pejo: Ich hab zunächst mit Günther Pscheider eine erste Fassung erstellt, die an einen gewissen Punkt geführt hat. Ich hielt es dann für interessant, noch eine dritte Person für den Schreibprozess zu gewinnen. Agnes Pluch schätze ich sehr und ich finde, sie hat eine tolle Arbeit gemacht, weil sie noch einmal ein ganz anderes Licht auf die Geschichte geworfen hat. Ich hab dann zum Schluss noch einmal etwas von meiner Vision hineingebracht, um den Film noch mehr zu meinem zu machen. Die Zusammenarbeit war total erfolgreich.

War der Romanautor, Thomas Glavinic, auch in den Drehbuchprozess einbezogen. Wie sind Sie im Besonderen mit der Radikalität der literarischen Vorlage umgegangen?
Robert A. Pejo: Thomas Glavinic hat sich am Drehbuchprozess überhaupt nicht beteiligt. Er wollte es auch gar nicht lesen. Ich habe mich nicht unbedingt bemüht, die Radikalität des Buches im Film wiederzugeben, weil ich nicht glaube, dass sie in der heutigen Zeit filmisch wiedergegeben werden kann. Denn es würde viel zu sehr an Grenzen stoßen, die Darstellung wäre extrem schwierig gewesen. Ich hab mich davon eher entfernt. Die Gewalt - das bezeugt ja auch der Roman - findet in den Köpfen statt. Man muss nicht alles visuell so wiedergeben, wie es im Roman spielt. Für mich findet die größte Gewalt im Kopf statt.

Sie bleiben aber, auch wenn es in erster Linie um die Beziehungen und Gefühle geht, im Genre des Thrillers.
Robert A. Pejo: Absolut. Ich würde sagen, es ist ein Psychothriller, der aus dem Drama zwischen diesen vier Menschen entsteht.

Mit Dorka Gryllus haben Sie zuletzt in Dallas Pashamende erfolgreich zusammen gearbeitet. Wie haben Sie die drei anderen Darsteller besetzt.
Robert A. Pejo: Es war von Anfang an klar, dass es eine Koproduktion sein würde, damit stand fest, dass es zwei österreichische Darsteller geben wird, einen aus der Schweiz und einen aus Ungarn. Ich hab mich dann auf die Suche gemacht, wer gut für die einzelnen Rollen passen könnte und bin auf Andreas Lust gestoßen. Ich bin sehr glücklich mit seiner Besetzung, er bringt in der Rolle des Heinrich sehr viele humorvolle Elemente zum Tragen, die man von ihm vielleicht weniger kennt. Ich finde, er ist ein sehr vielschichtiger Schauspieler. Ihm steht Merab Ninidse als Thomas gegenüber, der ein sehr feiner, nuancierter Schauspieler ist und wieder ganz anders funktioniert. Ursina Lardi ist auch eine sehr sensible Schauspielern, die ich für die Figur der Eva, die eine sehr starke Frau ist, für eine ideale Besetzung halte.

Der Dreh selbst, ist ja beinahe ein Kammerspiel mit vier Schauspielern...
Robert A. Pejo: ... ja, und der Natur.

Zurück zur Medienkritik. Thomas Glavinic’ Roman entstand 2001, er hat damals in erster Linie die Reality-Shows kritisiert,  inzwischen sind fast zehn Jahre vergangen, haben sich die medialen Möglichkeiten wieder weiterentwickelt. Wie haben Sie diese technischen Veränderungen ins Jetzt transponiert?
Robert A. Pejo: Das ist richtig. Das Ganze spielt sich jetzt im Wesentlichen im Internet - auf U-Tube oder auf irgendwelchen Servern ab und nicht mehr im Fernsehen. Natürlich haben wir versucht, auf die Veränderungen einzugehen. Ich gehe aber davon aus, was immer auch passiert und welche Form die Medien auch annehmen, es gibt immer ein Außen, von dem etwas ausgeht und wahrgenommen wird. Für mich war interessant zu sehen, was von innen, also von uns ausgeht. Die Medien sind letztendlich ein Symptom, die Formen wechseln, aber die Grundaussage und die Bedürfnisse der Mediennutzer bleiben gleich.

Wie sieht Ihre Arbeit mit den Schauspielern aus?
Robert A. Pejo: Wir haben davor geprobt, sehr viel Improvisation gemacht, damit die Darsteller ihren Charakter finden, um in der Folge ganz konkret mit dem Drehbuch arbeiten zu können. Ich glaube, es war sehr wichtig, dass wir uns diese Zeit nehmen, weil es auf sehr viele Feinheiten ankommt.

Interview: Karin Schiefer
Mai 2009