INTERVIEW

Alexander Glehr über JUD SÜSS – FILM OHNE GEWISSEN

 

 

«Es waren sicherlich die teuersten Drehtage, die ich je gehabt habe und sie werden es wohl auch für länger bleiben. Es sieht sehr beeindruckend aus und umso mehr freut man sich, wenn man zum Dreh hinkommt und weiß, daran ist man selber schuld, was da gerade alles abläuft.» Ein Gespräch mit Alexander Glehr  über Jud Süß – Film ohne Gewissen sowie mit Franz Novotny über sein junges Team.


Ihr letzter Langspielfilm, den sie produziert haben, war Kleine Fische, mit Jud Süß - Film ohne Gewissen entsteht gerade eine mehrheitlich österreichische Koproduktion mit einem Gesamtbudget von ca. 5,8 Mio Euro. Das bedeutet wohl einen Quantensprung?

ALEXANDER GLEHR:
Wenn ich nur meine eigene Tätigkeit betrachte, ja, dann war das unvergleichbar. Bei Kleine Fische war ich vielmehr auch in das involviert, was tatsächlich gedreht wurde. Bei Jud Süß – Film ohne Gewissen war das eine andere Größenordnung. Franz Novotny hat 2004 das Buch optioniert, ich bin 2006 in die Firma gekommen. Als ich  dann bald darauf das Buch gelesen habe, hatte ich eher das Gefühl, dass es sich so schnell nicht realisieren lassen würde, denn es war offensichtlich, dass es sich um ein sehr teures Projekt handeln würde. Bald darauf kam es zu einem Treffen mit Oskar Roehler und auch mit Markus Zimmer. Oskar Roehler war sehr bald der Wunschkandidat und er hat auch schnell zugesagt. Wir begannen mit der Finanzierung, wobei das ÖFI extrem hilfreich war, wir bekamen eine relativ hohe Zusage, die einen guten Grundstock bildete, auf dem wir unsere weiteren Finanzierungen aufbauen konnten. In Deutschland war es schwieriger, den Koproduzenten zu überzeugen, weil Tele München ein viel größeres Firmenvolumen und andere Prioritäten hat als wir. Den Koproduktionsvertrag hab ich ein Jahr lang ausgehandelt und zwar in wirklich permanentem Verhandeln.


Wie kann man die Prioritäten der Novotny&Novotny im Vergleich dazu beschreiben?

ALEXANDER GLEHR: Tele München agiert vielmehr in einer Plus-/Minus-Rechung, da gibt es einerseits das Investment und andererseits das, was dabei herausschaut und das muss sich für sie rechnen, sonst sind sie nicht dabei. Prestige spielt für Tele München weniger Rolle, sie müssen keinen Film mit Oskar Roehler gemacht haben, um weiter zu wachsen, sie haben schon alles erreicht. Für uns war es ein Anliegen, diesen Stoff zu verfilmen, aber es geht uns natürlich auch darum, ein Prestigeprojekt in Hinblick auf die Firmenentwicklung zu realisieren. Das ist unsere Hoffnung, für die wir nun einmal einen Grundstein gelegt haben. Ob es uns gelingt, nun eine Kontinuität zu erreichen, das wird sich weisen. Das Schwierigste ist, einmal ins Rad hineinzukommen. Mit Jud Süß – Film ohne Gewissen haben wir jetzt unter Beweis gestellt, dass wir auch imstande sind, ein Projekt von dieser Größenordnung zu realisieren und jetzt hoffen wir, dass wir uns jetzt eine Kontinuität sowohl im Fernsehen als auch im Kino schaffen.


Was hat ein Jahr Verhandlung konkret bedeutet?

ALEXANDER GLEHR: Man steht bei einer solchen Produktionsgröße vor Fragen und Problemen, die man lösen muss. Da werden plötzlich ganz andere Programme abgerufen. Vielleicht wären sie mit mehr Erfahrung schneller lösbar gewesen. Für mich war es eine spannende Herausforderung. Es begann mit einem Treffen in München, wo wir mit dem Chef der Rechtsabteilung und dem eigentlichen Koproduzenten zusammen saßen und einmal nur die Erlösaufteilung diskutierten. Am Anfang wollten sie eine Trennung zwischen deutschem und österreichischem Markt und es war klar, dass das für uns nicht akzeptabel sein kann. Der deutsche Markt ist klarerweise der größte Markt für diesen Film. Wir können als Hauptproduzent am deutschen Markt nicht unbeteiligt bleiben, das war aber der Punkt, der am schwierigsten wegzukriegen war.
Ein weiterer heikler Punkt war der, dass der ORF in unserer Finanzierung beteiligt ist und mit Tele München als ATV-Eigner in einem relativ schwerwiegendem Konkurrenzverhältnis steht, der auch Lizenzgeber für den ORF ist. Die Verhandlungen zwischen Tele München und ORF sind immer über uns gelaufen, wir waren da natürlich der Spielball. Dieses Hin und Her galt es auszutarieren, obwohl der Druck der Produktion bereits auf einem lastet. Wir mussten die Standpunkte der beiden Parteien unter einen Hut kriegen, ohne dass wir großen Einfluss ausüben konnten. Tele München achtet sehr genau auf seine Rechte und Beteiligungen. Ich überlegte mir vorher, welche Zielsetzung für uns realistisch sein könnte, und da bin ich hingekommen und darauf bin ich stolz. Es wäre mit mehr Zugeständnissen sicherlich einfacher gegangen. Es bringt ja nichts, am Ende nur mit dem Prestige dazustehen. Wenn wir den Film realisieren, dann soll auch finanziell etwas dabei herausschauen.


Wie sind die Entscheidungen für die Besetzung gefallen?

ALEXANDER GLEHR: Oscar Roehler als Regisseur zu haben, hat den großen Vorteil, dass praktisch jeder Schauspieler gerne bereit ist, mit ihm zu arbeiten. Er hat natürlich beim Casting mitgesprochen, wie er das bei jeder Produktion tut. Wir haben auch bei der Besetzung nicht zu sehr auf Ländereffekte geachtet, sondern vor allem auf Qualität. Der Cast hat sich auch lange, bei kleineren Rollen auch noch nach Drehbeginn verändert. Bei den kleineren Rollen war es natürlich immer ein Ausgleichen zwischen österreichischen und deutschen Schauspielern. Martina Gedeck und Tobias Moretti standen von Anfang an fest, Moritz Bleibtreu kam relativ kurz vor Drehstart dazu, weil Oskar Roehler ihn unbedingt haben wollte und damit auch ein Weltvertrieb wie TF1 zu gewinnen war.


Welche künstlerischen Departments sind mit Österreichern besetzt?

ALEXANDER GLEHR: Ausstattung (Isidor Wimmer), Produktionsleitung (Thomas Konrad) und Kostüm (Thomas Olah) kommen von uns, Kamera, Maske, Musik kommen aus Deutschland.
Aber ein Gros des Teams waren Österreicher. Man achtet bei so einem Projekt vor allem darauf, dass man die besten Leute bekommt, die besten, die zum jeweiligen Zeitpunkt auch verfügbar sind. Einem Regisseur wie Oskar Roehler ist man auch schuldig, dass die Key-Departments so besetzt sind, dass er sich sicher fühlen kann.  Im März erhielten wir eine Absage von Eurimages, dann hatten wir kurze Zeit zu überlegen, wie wir nun tun, wenn wir ohne dieses Geld auskommen müssen. Ende April stand dann der Plan und sowohl der Koproduzent als auch der Regisseur mussten überzeugt werden, dass wir das in den zwei Monaten bis Drehstart auch wirklich hinkriegen. Zwei Monate Vorbereitung war nicht viel, das Buch war da, Ausstattung, Maske, Kostüm hatten viel vorzubereiten und da haben alle wirklich Großartiges geleistet. Im ganzen Konglomerat hat es gut funktioniert, ein gutes Gleichgewicht zwischen Deutschland und Österreich hinzukriegen. Der Dreh begann in Köln, wo wir die Villa Marian und Goebbels im Studio gedreht haben. Es waren ungefähr 15 Tage, in München haben wir die Original-Filmszenen und das Filmstudio von damals gefilmt, in Wien und Niederösterreich drehten wir alle Außenaufnahmen, und auch einige Originalfilmszenen, für die wir in Wien eher die Schauplätze fanden als in Deutschland. Auschwitz haben wir in NÖ gedreht. Es war überschaubar. In der Wiener Innenstadt haben wir ein Ghetto gedreht, die Kinoszenen, die Szenen in Venedig, das war alles in Wien. Das Konzerthaus haben wir zum Hotel Adlon gemacht, da waren wir mehrere Tage, in Wiener Neustadt haben wir die Theaterszenen, die am Filmbeginn sind, gedreht. In Wien haben wir 24 Tage gedreht, in Deutschland 15, also insgesamt 39.


Wie lassen sich Szenen mit so vielen Statisten in Wien logistisch abwickeln?

ALEXANDER GLEHR: Ich kannte die Anforderungen, ausführen musste es dann Thomas Konrad, es war in der Tat der helle Wahnsinn. Im Konzerthaus hatten wir 200 Komparsen und 15 hochkarätige Schauspieler. An diesen Tagen waren auch die hoch bezahlte Rollen oft in Komparseriefunktionen im Einsatz. Dazu waren allein schon 25 Maskenbildner nötig. Aufs Set zu kommen und gar nicht mehr zu wissen, wehr eigentlich aller für dich arbeitet, das war eine neue Erfahrung für mich. Man erreicht einen Punkt, wo das Ding eine Eigendynamik bekommt. Es läuft dann ganz einfach, du kannst da und dort an den Rädchen drehen, das Ding ist aber schwer aufzuhalten. Es ist sogar machbar, für einen Tag in Wien 25 Maskenbildner aufzustellen. Dani Skala hatte die Verantwortung für die Maske, darunter war eine zweite und dann noch eine dritte Hierarchiestufe an Maskenbildnern. So war es schließlich auch möglich, 200 Komparsen mit einem historischen Look zu versehen, aber es hatte in der Tat etwas Absurdes. Es waren sicherlich die teuersten Drehtage, die ich je gehabt habe und sie werden es wohl auch für länger bleiben. Es sieht sehr beeindruckend aus und umso mehr freut man sich, wenn man zum Dreh hinkommt und weiß, daran ist man selber schuld, was da gerade alles abläuft.  Im Mai und Juni sind unter einem enorm hohen Druck innerhalb kürzester Zeit die Drehvorbereitungen durchgezogen worden, immer mit dem Bewusstsein, dass es auch alles schief gehen könnte. Man versucht abzuwägen - ist es wahrscheinlicher, dass es klappt oder dass es schief geht? Hätte ernsthaft die Gefahr bestanden, hätten wir es nicht gemacht, aber es bleibt dennoch ein Husarenritt. Nach dieser Vorbereitungszeit zum ersten Mal die riesige Studio-Dekoration in Köln zu betreten, alles nicht mehr vom Foto, sondern wirklich live zu erleben und die Schauspieler zu sehen, das war das totale Glücksgefühl. Umso mehr, als in dem Moment der österreichische Verleiher anrief und sagte, er habe gehört Jud Süß kommt nun doch nicht zustande - und bei uns war soeben die erste Klappe gefallen. Es war ein Auf und Ab.


Wie war es mit Oskar Roehler zusammenzuarbeiten?

ALEXANDER GLEHR: Er ist natürlich sehr anspruchsvoll und faszinierend, weil er extrem konzeptionell arbeitet. Er experimentiert am Set, aber man spürt zu jedem Zeitpunkt seine Intention dahinter. Er hat eine sehr eigene Art, Filme zu erzählen, aber man stellt ihn nie in Frage. Es hat immer Hand und Fuß, was er sagt. Natürlich mussten wir in der Vorbereitungsphase immer wieder umplanen, innerhalb kürzester Zeit ganze Einrichtungen herankarren. Mit einer längeren Vorbereitungsphase wären wir dreimal mit dem Regisseur hingefahren bis zu Abnahme. Das war in unserem Fall zeitlich undenkbar, aber es kam nie eine Kompromisslösung heraus, sondern es war immer ?on the top?. Das ist das Tolle. Wirklich enttäuschend wäre es, einen Film um fünf Millionen zu machen und man sieht es ihm nachher nicht an. Umso ermutigender war es zu sehen, wenn die Muster hereinkamen, dass unser Vorhaben aufging. Im ersten Rohschnitt waren alle Szenen von Beginn wie im Drehbuch aneinander gereiht, das ist selten der Fall, es gibt immer Szenen, von denen man weiß, die fallen raus. Oskar Roehler ist spannend, er hat auch schon mit Bernd Eichinger zusammengearbeitet und für mich war es interessant, über ihn zu erfahren, wie Eichinger arbeitet, wie da mit völlig anderen Prioritäten gearbeitet wird. Als ich Oskar Roehler zum ersten Mal begegnet bin, war ich 26, gerade mit der Filmakademie fertig. Ich hatte ihn bei der Berlinale noch über den roten Teppich spazieren sehen und ein Jahr darauf saß ich mit ihm an einem Tisch. Anfangs hat man Ehrfurcht und das Gefühl, da sitzt der liebe Gott persönlich einem gegenüber, das relativiert sich aber schnell, sonst könnte man nicht zusammenarbeiten. Dasselbe gilt für den Koproduzenten.  Man verliert dann aber auf eine gesunde Art und Weise den Respekt, den hatte ich, weil ich jung bin und noch das Gefühl hatte, mich auf unsicherem Terrain zu bewegen.  Ich hab mich da selber hineinkatapultiert und es war toll, diese Chance zu bekommen.


Was reizt die Schauspieler so sehr, mit Oskar Roehler zu arbeiten?

ALEXANDER GLEHR:   Er lässt ihnen einerseits Freiräume und fordert andererseits eine Spitzenleistung ein. Wenn man ihm bei der Arbeit zuschaut, dann wird man nie einen Satz hören wie ?Das ist in Ordnung so,? es geht ihm darum, das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Roehler macht nicht besonders viele Takes, aber schon sehr intensive Proben. Er bringt die Schauspieler dorthin, wo er sie haben möchte, ohne ihnen den Freiraum zu nehmen, dass sie selber ihr Eigenes einbringen können. Bleibtreu als Goebbels bringt natürlich auch sehr viel Bleibtreu ein. Oskar Roehler ist nicht jemand, der jede Akzentuierung der Dialoge vorgibt. Bleibtreu weiß wo er hin soll, das vermittelt ihm der Regisseur zuvor. Wenn man sich Muster anschaut, dann sieht man vom ersten bis zum letzten Take, wohin er wollte und er hat den Schauspieler dort auch hingebracht. Es ist nicht so, dass ein Take so und ein anderer so gespielt ist. Die Mischung aus Präzision und Offenheit macht es aus, dass ich so gerne und gut mit ihm zusammengearbeitet habe.


Warum mussten Originalfilm-Szenen nachgedreht werden?

ALEXANDER GLEHR: Rechtlich ist es so, dass die Murnau-Stiftung in Deutschland die Rechte für den Film hat. Der Film gilt als Vorbehaltsfilm und die Murnau-Stiftung wacht auch darüber, dass der Film "richtig" rezipiert wird, d.h. er darf nicht ohne entsprechende den Kontext erläuternde Einführung gezeigt werden. Das Problem an dem Film ist ja die extrem subtile antisemitische Propaganda. Er wirkt wie ein Hollywoodschinken und hat aber eine extrem starke antisemitische Aussage, die in guten Dialogen und einer guten Handlung verborgen ist. Zunächst hatten wir den Plan, alles nachzudrehen, irgendwann hielten wir es für sinnvoller, Teile vom Originalfilm zu verwenden und nur das nachzudrehen, wo die Schauspieler von heute wieder erkennbar sind, für den Rest hat uns die Murnau-Stiftung die Rechte abgetreten.


Du warst während des diesjährigen Festivals von Cannes bei der Plattform Producers on the Move, einem Treffen für junge Produzenten eingeladen

ALEXANDER GLEHR:  Ich glaube, jedes europäische Land kann jemanden nennen, falls es sinnvoll ist. Es waren Produzenten da, von denen keiner am Beginn seiner Karriere war, jeder hatte schon etwas vorzuweisen, jeder eine andere Strategie, wie er sich in dieser europäischen Produktionslandschaft zurechtfinden möchte. Es gibt persönliche aber auch nationale Unterschiede. Es ist interessant zu sehen, wie die Filmkulturen in den verschiedenen Ländern eine völlig unterschiedliche Basis schaffen. Das hab ich auch damals schon in der Masterclass, die ich in Ludwigsburg und an der FEMIS Paris absolvierte gesehen, wo es um Produktion und Verwertung ging. In diesem Sinne war Producers on the Move eine gute Fortführung dieser Masterclass, weil man wieder mit anderen Leuten zusammenkommt, Strategien von anderen erkennen und auch überlegen kann, ob es für einen selber anwendbar ist. Ich hätte z.B. die ganze Verhandlungsarbeit für Jud Süß ohne die Masterclass nicht hingebracht. Bei Producers on the Move konnte man dann sich selbst präsentieren oder das Projekt. Es war tendenziell eher so, dass man sich selber präsentierte, denn ich glaube nicht, dass man bei solchen Treffen dann den Koproduzenten findet. Eine Koproduktion ist so komplex, dass sie nicht aufgrund eines Treffens zustande kommt. Da muss noch viel passieren, bis es zur Koproduktion kommt. Ich bin deshalb nicht mit Jud Süß dorthin, weil ich mir dafür nichts bei diesem Meeting erwartete. Meistens ist es bei Koproduktionstreffen ja so, dass man selbst ein Projekt hat, aber nicht auf der Suche nach einem Projekt ist. Mit ein paar Leuten bin ich weiterhin in Kontakt, denn mit einigen Leuten bewegt man sich auf derselben Wellenlänge. Es heißt auch nicht, dass die, die es nicht tun, weniger interessant sind. Konkret kommt eine Produzentin aus Tschechien demnächst nach Wien, um über ihr Projekt zu reden.


Worin sehen Sie Ihre Vision als Produzent?


ALEXANDER GLEHR: Ich wollte nicht meine eigene Produktionsfirma gründen, umso glücklicher bin ich, dass ich jetzt hier in der Novotny Film bin. Jeder hatte einen anderen Zugang zur Produktion, manche sind in einer Riesenfirma für ein Department verantwortlich, andere schreiben ihre Drehbücher selber und suchen sich einen Regisseur. Da ist dann auch eine heftige Diskussion entbrannt: einige Produzenten aus Südosteuropa vertraten den Standpunkt, dass der Produzent eher dazu da ist Projekte zu ermöglichen, ohne auf den kreativen Prozess Einfluss zu nehmen und sich inhaltlich mit dem Projekt identifizieren zu wollen, sie haben sich nur über die ausführende Arbeit definiert. Andere wiederum meinten, dass sie diejenigen sind, die wissen, was beim Publikum ankommt und den Regisseur eher nur als Werkzeug in ihrer Produktionsauffassung betrachten.


Wo würden Sie sich da als Produzent positionieren?

ALEXANDER GLEHR:  Ja vielmehr in der liberalen Mitte. Ich halte von diesen Positionen nichts. Wenn du mit Oskar Roehler zusammenarbeitest, wirst du in gewisser Weise versuchen, das Projekt mitzugestalten und gleichzeitig weißt du ganz genau, Oskar Roehler zieht seinen Film durch. Wenn man das nicht will, dann darf man sich nicht um eine solche Regisseur-Persönlichkeit bemühen.  Dasselbe gilt aber auch für Marco Antoniazzi, dem Regisseur von Kleine Fische:  er muss das machen, womit er am Schluss glücklich ist. Ich kann ihm helfen, quasi dieses Glück zu finden und auch meine Interessen einzubringen. Auch Franz Novotny macht nichts anders. Es muss eine Kooperation zwischen Regisseur und Produzent geben. Ich halte nichts von Zusammenarbeiten, wo der Regisseur von vornherein den Input der Produktion ablehnt und dagegen kämpft, andererseits erwarte ich mir vom Regisseur, dass er seinen Film macht und nicht den Film exekutiert, den wir uns als Produzenten ausdenken. Da kann ich es gleich selber versuchen und ich spare das Geld für den Regisseur.  Ich glaube nicht, dass ich sehr allein bin mit dieser Haltung. Mich hat es bei diesem Meeting von Producers on the Move eher sehr verwundert, dass da teilweise so extreme Positonen vertreten wurden, die ich nicht für zielführend betrachte. Es ist ja auch eine Selbstlüge zu behaupten, man könne dem Regisseur jede kreative Freiheit überlassen. Man kann versuchen, einen Film mit praktisch "nichts" zu machen, man kann ihn ganz "normal" machen und wenn ich die Entscheidung treffe, ihn "normal" zu machen, dann wird man an seine budgetäre Grenzen stoßen. Und sobald ich dem Regisseur diese Grenzen aufzeige, ist es eine Einflussnahme. In diesem Fall genügt es nicht, nur zu sagen, das geht nicht, sondern da muss ich auch ein Gegenkonzept anbieten. Es ist also unsinnig zu behaupten, dass keine Einflussnahme stattfindet.

FRANZ NOVOTNY:  Jeder Unternehmer muss sich erstklassiger Mitarbeiter versichern, denn Wappler kosten nur Zeit und viel Geld. Und in der Form des Herrn Glehr sind wir gewiss in der Annahme, dass es sich um einen ganz hervorragenden Kader handelt, der das Unternehmen in eine richtige Richtung weiterführt und im Verein mit der Geschäftsführung das Beste gibt, was er kann und das ist schon sehr viel. Wir, das bin ich, sind sehr zufrieden.

ALEXANDER GLEHR:  Dann möchte ich auch noch Rosen streuen. Ich hab gestern eine Studienkollegin getroffen, die mich gefragt hat, ob ich glücklich bin. Ich habe kurz überlegt, weil ich natürlich völlig überarbeitet bin, aber im Grunde bin ich glücklich. Ich hätte es mir vor drei Jahren nicht zugetraut, dass ich den Jud Süß mache und das erfüllt mich mit Stolz. Ich bin mir bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, diese Chance bekommen zu haben, in vielen Bereichen eine große Entscheidungsfreiheit zu haben und in meinen Wertungen und Entscheidungen ernst genommen zu werden. Dafür bin ich Franz sehr dankbar, er hat mich zu dem gemacht.

FRANZ NOVOTNY: Elementar dabei ist, dass man meines Wissens dem sogenannten Nachwuchs die Chance geben muss, sofort wirksam zu werden und Karrieresprünge zu machen. Ich gebe meinen Einsatz für meine Mitarbeiter dafür, dass ich einen Platz im Himmel bekomme für eine gute Tat. Dafür ist mir aber nur vom Herrgott oder von der Heiligen Jungfrau Maria Dank zuzubilligen, denn es bleibt ja nach wie vor ein gutes Geschäft. Ich bekomme hervorragende Leistung und bezahle dafür sehr gutes Geld. Was noch hinzuzufügen ist, dass ich nachhole, was mir nicht zugebilligt wurde, als ich begann, Filme zu machen. Ich habe bis zu acht Stunden auf Termine bei den Direktoren in den Produktionsfirmen gewartet, weil ich nicht wusste, dass man so lange nicht wartet und es ist nichts dabei herausgekommen. Ich war ein lästiger Bittsteller trotz hoher Qualität. So sehe ich das heute nicht. Ich mache das wett, was mir damals verwehrt blieb. Und so haben wir eine schöne Zeit, haben viel Spaß und blicken munter in die nächste und weitere Zukunft.

ALEXANDER GLEHR: Kurz noch etwas dazu, wie es dazu kam, dass ich hier angefangen habe. Ich war mit der Masterclass fertig und begann Bewerbungen zu schreiben. Einerseits wusste ich, was ich wollte und mir war gleichzeitig klar, dass ich noch nicht in der Position war. Ich war bei verschiedenen Firmen, habe verschiedene Produzenten kennen gelernt und endlose Vorstellungsgespräche geführt. Ich war dann gerade am Weg nach München zu einer Firma, die mich als Junior Producer nehmen wollte, als ich den Anruf von der Novotny Film bekam mit der Nachricht, dass Franz mich kennenlernen wollte. Eine Woche später bin ich dann zum Termin gekommen, er sagte, "Grüß Gott, was wollen Sie?" Ich sagte: "Grüß Gott, ich bin Alexander Glehr, Sie haben mich angerufen". Er fragte, was ich machen wollte. Ich machte eine Beschreibung, die exakt dem Profil für Herstellungsleitung oder Producer entsprach. Und Franz antwortete, "Passt, so jemanden suche ich gerade, du kannst schon anfangen." Und das war es auch schon. Das habe ich sehr geschätzt.

FRANZ NOVOTNY:  Wobei das Merkmal der Direktionsentscheidung weder die Leichtfertigkeit noch die Gutgläubigkeit ist, sondern das jahrzehntelange Wissen. Die Entscheidungen, junge Adepten in das Filmgeschäft einzuführen, sind über die Jahre aus einem Wissen und einem Vertrauen in die menschliche Substanz gewachsen, wobei ich meistens in die Augenpartie vertraue, denn die kann nicht lügen.

ALEXANDER GLEHR:  Das Gespür von Franz ist auch bei Johanna Scherz nachvollziehbar. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Team aus zwei Unter-30-Jährigen so einen Film durchstemmt. Ohne Johanna hätte ich es nicht geschafft, wenn sie nur als Assistentin agiert hätte und nicht immer das Gesamte im Überblick gewahrt hätte, wäre das nicht machbar gewesen.  Umso mehr beweist es sein Gespür.


Interview: Karin Schiefer
Oktober 2009