INTERVIEW

Philipp Hochmair über seine Arbeit in DER GLANZ DES TAGES

 

«„Sei einfach Du selber!“ Aber was heißt das, wenn es seit vielen Jahren alltäglich ist, sich permanent zu verwandeln und andere zu spielen? Ich habe darüber wahrscheinlich auch ein stückweit vergessen, wer ich außerhalb dieser Literatur-Welten bin.» Philipp Hochmair über seine Arbeit in Der Glanz des Tages von Tizza Covi und Rainer Frimmel


Tizza Covi und Rainer Frimmel sagten in einem Gespräch: „Damit jemand Protagonist in einem unserer Filme sein kann, muss uns eine persönliche Geschichte mit ihm verbinden.“ Wie sah diese Verbindung zwischen euch aus?
Philipp Hochmair: Die Verbindung hat sich für mich erst im Laufe der Dreharbeiten hergestellt.
Unser Verhältnis war sehr herzlich, dennoch haben wir uns kaum gekannt. Tizza und Rainer haben etwas gesehen, das mir noch nicht bewusst war. Ich war bereit mitzumachen, ohne zu wissen, was kommt. Das war Teil der Grundidee. Es war ein unbewusstes, intuitives Aufeinanderzugehen.

Wenn das Drehbuch sehr offen bleibt, in welcher Form haben die beiden die Idee bzw. das Projekt an Sie herangetragen?
Philipp Hochmair: Wir haben uns immer wieder getroffen und ausgetauscht. Ich versuche immer möglichst frei zu denken, ohne am Text oder Drehbuch zu kleben. Dennoch hat mich dieses Projekt stark an meine Grenzen gebracht. Es gab kaum Anweisungen und vor allem keine Handlung. Die Geschichte hat sich aus den Umständen des Moments, den Orten und den persönlichen Biographien der Beteiligten ereignet und erst im Laufe des Drehprozesses bzw. erst im Schnitt herauskristallisiert.

Wenn man es gewohnt ist, unter privilegierten Rahmenbedingungen Filme zu drehen, ist es dann ein Kulturschock, der Arbeitsweise Covi/Frimmel zu begegnen?
Philipp Hochmair: Tizza und Rainer machen ja auch sehr privilegierte Filmprojekte. Nur besteht das Privileg nicht in einem tollen Catering und Abholservice oder einem großen Staraufgebot, sondern in der so persönlichen Herangehensweise. Das kommt meiner Theaternatur sehr entgegen. Die Leichtigkeit des Theaters fehlt mir oft bei großen, aufwändigen Film- u. Fernsehprojekten. Der Komfort hat mir also nicht gefehlt, weil ich in dieser Arbeit eine sehr wahrhaftige Suche gespürt habe.

Wie würden Sie für jemanden, der die Arbeitsweise nicht kennt, einen Drehtag mit Tizza Covi und Rainer Frimmel beschreiben?
Philipp Hochmair: Jemand von uns schlägt einen für ihn besonderen Ort vor (z.B. den Hafen in Hamburg oder die Trabrennbahn in Wien), der mit der persönlichen Geschichte zu tun hat, und wir schauen, was dort vor der Kamera passiert: „Du hast uns doch erzählt, dass Du hier das und das erlebt hast...Wie war das? ...Sei am besten Du selber!“ Es hat eine Weile gedauert, bis wir verstanden haben, wie wir uns gegenseitig etwas geben können. Die beiden kommen ja vom Dokumentarfilm und haben eine große Sensibilität für den Moment und sind somit nicht damit vertraut Spiel- oder Regieanweisungen zu geben. So haben wir viel gesammelt und dann wurde das Mosaik zusammengefügt.

Wie verliefen die Begegnungen mit Walter Saabel?
Philipp Hochmair: Das erste Mal trafen wir uns in Wien, wo ich ihn gleich ins Theater geschleppt habe, wo er wahrscheinlich gar nicht hin wollte. Wir kannten uns nur aus Erzählungen. Tizza und Rainer wollten, dass aus dem Kennenlernen zwischen uns der Film entsteht. Da gab es natürlich Hürden zu überwinden. Als wer oder was begegnen wir uns, was fangen wir miteinander an... So unterschiedliche Biografien und doch dieses gemeinsame Nomadentum, die Sehnsucht nach Freiheit. An einem klassischen Filmset, wo alles ausgeleuchtet ist, Schienen für die Kamera gelegt sind, es Statisten gibt usw. kann es sein, dass trotz allem Aufwand nichts Wahrhaftiges passiert. Anstatt x-mal zu proben und alles zu überprüfen, folgt man hier nur der Intuition, dem Augenblick und schaut, was dabei entsteht. Es gibt in der Regel auch nur einen Take. Vielleicht noch einen Gegenschuss.

Ergibt sich für einen professionellen Schauspieler beim Arbeiten mit Tizza und Rainer die Schwierigkeit, sich stets im Zwiespalt zwischen Sich-selber-Spielen und Selber-Sein zu befinden?
Philipp Hochmair: Diese Frage war vor diesem Projekt nie ein Thema für mich. Diese Selbstkonfrontation wurde mir hier jedoch permanent vor Augen geführt. Dieser Identitätscrash. Anfangs mit Glatze als der grausige Hauptmann im Woyzeck, dann am nächsten Morgen plötzlich rasiert und frisiert im eigenen Wohnzimmer. „Sei einfach Du selber!“ Aber was heißt das, wenn es seit vielen Jahren alltäglich ist, sich permanent zu verwandeln und andere zu spielen? Ich habe darüber wahrscheinlich auch ein stückweit vergessen, wer ich außerhalb dieser Literatur-Welten bin.

Haben Tizza und Rainer Ihnen eine Realität Ihres beruflichen Erfolgs und Alltags vor Augen geführt, der Ihnen so gar nicht bewusst war? Den Sie vielleicht auch gar nicht so gern sehen wollten?
Philipp Hochmair: Durch die Geschichte dieser drei Überlebenskämpfer wird ein gemeinsamer Schmerz deutlich spürbar. Der Film hat mir schon eine Flucht vor mir selber gezeigt, die mir so nicht bewusst war.

Es gibt eine schöne Szene, wo Sie aus einer Studiobühne im Winter ins Freie laufen und wo mit einem Schlag spürbar ist, worin die Leidenschaft und Faszination für Ihre Arbeit wurzeln.
Philipp Hochmair: Schön, dass das so rüberkommt. Es ist der Moment, wo ich nach einem einstündigen Kafka-Monolog, der auf Amerika basiert, in Unterhosen barfuß in den Schnee, in den Hinterhof des Theaters hinaus laufe. Karl Roßmann, der ich gerade noch war, ist tot und fliegt in den Himmel hinaus. Für mich ein sehr persönlicher Moment. Ich freue mich, dass das Bild funktioniert.

War an der Figur des Hauptmanns in Woyzeck etwas so wichtig, dass Sie in dieser Rolle im Film erscheinen?
Philipp Hochmair: Nein, aber den Film mit der Woyzeck-Premiere zu beginnen, fand ich gut. Es war für Walter und mich ein guter Einstieg in die Geschichte, in die Konfrontation. Ich kannte Walter nur aus La Pivellina und seine Vorgeschichte vom Hörensagen.

Welches Gegenüber haben Sie in Walter gesehen?
Philipp Hochmair: Er ist der Messerwerfer, der Bärenbezwinger, der Unbekannte. Der unheimliche Verwandte, den man versucht zu erfassen und zu testen. Da kreuzen sich zwei Nomadenwege. Eine fast erzwungene Nähe, die das Spannungsfeld erzeugt, auf dem die Geschichte entstanden ist.

Hat die Arbeit für Der Glanz des Tages Ihren Blick auf Ihr Dasein als Schauspieler verändert, hat es Ihre Sicht auf den Glanz Ihres Alltags verändert?
Philipp Hochmair: Auf jeden Fall. Ein eigenartiger Spiegel, in den ich da hineinschaue. Dichtung und Wahrheit nah beieinander. Ich bin sehr gespannt, wie dieser Film aufgenommen wird.

Interview: Karin Schiefer
Juli 2012