Bevor es noch die Geschichte für ihren dritten Langfilm gab, standen für Barbara Albert bereits die Darstellerinnen fest.
Fünf an der Zahl - die einen alte Vertraute - Nina Proll, Kathrin Resetarits, Ursula Strauß - , die anderen erstmals auf ihrem
Set - Birgit Minichmayr und Gabriela Hegedüs. Fünf Frauen gleichen Alters hat sie diese neue Geschichte gewidmet.
Fallen stellt anders als in Nordrand oder Böse Zellen, wo ein Mosaik langsam zu einem Ganzen wuchs, von Anfang an alle Protagonistinnen
in den Mittelpunkt. Fünf Hauptfiguren, die zu Schulzeiten einander nahe waren, in den späten Achtzigern von einer Kommune
träumten und sich dann aus den Augen verloren. Erst das Begräbnis eines gemeinsamen Lehrers liefert den Anlass für ein Treffen
unter ehemaligen Freunden, für einen Blick zurück in Tage, wo das Leben noch in alle Richtungen offen stand und die Frage,
was davon übrig blieb. Was von den Träumen übrig blieb "Ich variiere", so Barbara Albert, "ein Thema. Die Frage, gibt es eine
Utopie, gibt es eine Vision? Die Frauen sind alle Anfang 30, an einer Schnittstelle, wo sie sich die Frage stellen, will ich
den Weg weitergehen, war ich irgendwann woanders, hab ich irgendwann eine Abzweigung genommen? Es geht um ein Innehalten,
um einen Moment, wo Frauen auf sich selber zurück geworfen sind und plötzlich hinterfragen, was sie schon lange nicht hinterfragt
haben. Fünf Frauen, fünf Variationen einer Antwort.
Nicole (Gabriele Hegedüs) ist mit ihrer 12-jährigen Tochter da und hat wohl das größte Geheimnis zu verbergen, Nina (Nina
Proll) kann zumindest eines nicht verbergen, sie erwartet in wenigen Wochen ein Baby, Alex (Ursula Strauß) lebt ohne Lebensplan,
sie hat weder privat noch beruflich eine klare Richtung eingeschlagen. Brigitte (Birgit Minichmayr) ist an die eigene Schule
als Lehrerin zurückgekehrt und war dem verstorbenen Michael mehr als nur Kollegin gewesen. Dass sie nicht die einzige von
ihnen war, die ihm nahe gestanden hatte, ist eine der unzähligen kleinen Enthüllungen, die an den zwei gemeinsamen Tagen,
en passant in die Runde fallen und nach und nach Einblicke hinter die Fassaden öffnen. Auch Carmen (Kathrin Resetarits) hat
da etwas zu erzählen, sie lebt nun als Schauspielerin in Deutschland und scheint die einzige zu sein, die es beruflich zu
etwas gebracht hat. Mit Michael ist für alle fünf einer gegangen, der ihre Herzen gerührt hatte, der sie an politische Ideale
und eine bessere Welt glauben ließ.
Dennoch wendet die Filmemacherin ein: "Ich möchte die Frauen nicht nur in Bezug auf den Verstorbenen zeigen. Angesichts des
Todes kommt es zu einem Treffen, das dazu führt, dass sich Dinge in ihnen auftun. Das Begräbnis selbst ist nur ein Auslöser,
dann wird der Film eigentlich ein Roadmovie. Sie ziehen zwei Tage durch die Lande, kommen zufällig zur Hochzeit eines Schulfreundes,
zu einem Sonnwendfest, zur alten Schule, in eine Disco und in einen Shoppingcenter". Von den Plänen, die Welt zu verändern
haben sie längst abgelassen, die wenigen, aber umso dichteren gemeinsamen Stunden, in denen sie sich, zurückversetzt in jugendliche
Zeiten spontan in den Tag treiben lassen, rüttelt dennoch alle wach: verstrichene Zeit ist plötzlich bewusst geworden, der
Blick in die Zukunft ist wieder etwas ins Lot gerückt. Kraftvoll und intensiv Seit Anfang Juli dreht nun Barbara Albert mit
Kameramann Bernhard Keller in Wien und Umgebung und ist erstmals mit derart geballter Schauspielerenergie konfrontiert: "Es
ist neu für mich", so Barbara Albert, "mich in einem Raum in einer kurzen Zeitspanne auf fünf starke Persönlichkeiten zu konzentrieren
und eine Entwicklung innerhalb von zwei Tagen zu zeigen.
Fallen ist für mich ein sehr dichter Film, kraftvoll und intensiv und das möchte ich mit der Kraft dieser Schauspielerinnen
erreichen". Für produktive Chemie am Set zu sorgen, ist ihr jedenfalls einmal mehr gelungen: einhellig enthusiastisch klingen
die Stimmen der Schauspielerinnen, ob man sie nun zur Atmosphäre unter Kolleginnen vor und abseits der Kamera, oder zur Regisseurin
selbst befragt. "Das Drehbuch ist einfach toll gemacht", so Birgit Minichmayr, "Es gibt keine dramaturgische Figur, die nur
als Zubringer fungiert. Jede hat ihr Thema, ihre Geschichte, ihren Schwerpunkt. Niemand braucht Angst zu haben, weniger präsent
zu sein." Für Nina Proll ist es bereits die dritte Zusammenarbeit mit Barbara Albert, der Eindruck früherer Dreharbeiten bestätigt
sich aufs Neue, "Barbaras Filme wirken vielleicht improvisiert, wenn man sie ansieht, die Filme sind aber genauso, wie sie
im Buch stehen. Es ist nichts dem Zufall überlassen, deshalb fühlt man sich sehr geschützt und geführt."
Karin Schiefer
© 2005 Austrian Film Commission