INTERVIEW

Barbara Eder über BLICK IN DEN ABGRUND

 

 Barbara Eder über ihren Dokumentarfilm BLICK IN DEN ABGRUND.


Was ist ein Profiler?
Barbara Eder: Aus dem Fernsehen kennen wir sie als Menschen mit übersinnlichen Kräften, die Serienkillern und Serienvergewaltigern auf der Spur sind und versuchen, in ihre Gedanken einzudringen. In Wirklichkeit sind Profiler Kriminalpsychologen oder zumindest kriminalpsychologisch ausgebildete Leute, die versuchen, aus früheren Fällen Muster zu erkennen. Ihre Arbeit hat viel mehr mit Statistik als mit Psychologie zu tun. Aufgrund dieser Muster versuchen sie z.B. Schlüsse auf das Alter oder Fluchtort eines Täters zu ziehen. Manche behaupten sogar, auf das Auto, das ein Täter fährt, oder die Gesellschaftsschicht, der er angehört, schließen zu können. In einem Kriminalfall kann die Arbeit des Profilers den Täterkreis sehr stark einschränken. Sie beschäftigen sich jedenfalls sehr intensiv mit Auswertung von Statistiken und führen viele Interviews, schicken unzählige Fragebögen an Serientäter in Gefängnissen, um Gesetzmäßigkeiten herauszufinden. Aus den USA kommt die Tendenz, eher in Richtung Psychologie und Psychopathie zu gehen, um Motivationen eines Täters zu erheben. Der Kern der Arbeit besteht in der statistischen Auswertung von Kriminalfällen und in Recherche.

Welchen Fragestellungen wollten Sie in BLICK IN DEN ABGRUND nachgehen?
Barbara Eder: Das Klischeebild von Profilern schaut so aus: superintelligent, kann mit einem Blick in die Augen das Innerste eines Menschen erfassen, weiß sofort, wie man töten würde. Ich wollte mir anschauen, was dahinter steht. Ich begann als Kind Die Drei ??? zu lesen, habe Krimis immer geliebt und begann mich auch für das echte Schaudern zu interessieren, indem ich Bücher über echte Serientäter las. Irgendwann las ich von Stephan Harbort ein Buch, er ist Profiler und einer meiner Protagonisten im Film. In diesem Buch geht es um einen realen Fall, wo mehrfach die Perspektive geändert wird: einmal schildert es die Sicht des Täters, dann wieder die des Opfers, das überleben konnte. Dieses Buch hat mich unheimlich verstört. Man kann sich in Krimis auf die kaltblütige Sicht des Opfers einlassen, aber der ständige Wechsel zwischen Opfer und Täter, der hat mich aufgewühlt. Dieser Wechsel der Blickwinkel war für mich der Denkanstoß, einen Fall aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und mir auch die Frage zu stellen, wie es Profilern geht, die sich unterschiedlichste Sichtweisen eines Verbrechens anschauen müssen. Wie lässt sich so eine Arbeit mit Privatleben verbinden? Wie ist es, wenn der Partner am Abend sagt: „Schatz, wie war dein Tag?“ Welches Ventil kann so jemand finden? Es war sehr spannend, mit Stefan Harbort ein ausführliches Gespräch zu führen. Er recherchiert unheimlich viel und übt seinen Beruf mit Leidenschaft aus. Ich habe viele Bänder von Serientätern angehört, die er auswertet, irgendwann war es für mich nicht mehr tragbar. Daher drängte sich für mich so sehr die Frage auf, wie geht man damit um? Schaut man sich Statistiken an, dann stellt sich heraus, dass sehr viel nicht in Schubladen zu bringen und vieles nicht erklärbar ist. Wie kann man dieses chaotische Böse fassen, wie geht man mit ungelösten Fällen um, wie ist die Realität dieses Berufs persönlich tragbar?

Wo findet man Profiler? In Institutionen? bei der Polizei? Privat?
Barbara Eder: Sie sind in erster Linie bei der Polizei zu finden. Es gibt auch private, in Russland gibt es z.B. Psychologen, die nebenbei für die Polizei arbeiten. In Österreich ist es ähnlich. Oft sind es Therapeuten, die auch als Profiler arbeiten. Aber grundsätzlich sind viele in einem direkten Dienstverhältnis mit der Polizei.

Finnland, Südafrika, USA, Deutschland sind die Orte, wo Sie gefilmt haben. Warum kommen nur Profiler aus relativ weiter Ferne zu Wort? Hat es einen Grund, dass keine österreichischen Profiler vor der Kamera zu sehen sind?
Barbara Eder: Es war schwierig, Leute zu finden, die bereit waren, über ihre Tätigkeit zu reden. Profiler genießen es auch ein wenig, als superintelligente, alles wissende Wesen eingeschätzt zu werden, die sofort erkennen, wer der Täter war. Es ist sehr schwierig, über diesen Beruf zu sprechen und es brauchte sehr viel Vertrauensarbeit meinerseits. Ich habe auch in Österreich Profiler gesucht, ich stieß aber auf die meiner Meinung nach typisch österreichische Rückmeldung - Ich spreche gerne über meinen Job, gerne über einen konkreten Fall, aber nicht über mich als Privatperson. Die anderen waren durchaus offen, mich in ihre Welt einzulassen, mich bei ihnen zu Hause filmen zu lassen, aber natürlich stößt man bei allen immer wieder an Grenzen.

Mit welcher Prämisse sind Sie an die Leute herangetreten? Was haben Sie als Bedingung für die Zusammenarbeit gestellt?
Barbara Eder: Ich habe sofort klar gestellt, dass ich folgende Fragen stellen wollte: Ich möchte in dein Privatleben blicken. Ich möchte wissen, wie es ist, wenn du am Abend nach Hause kommst. Ich will auch über deine Ängste sprechen und die Dinge, die dich beschäftigen, wenn du keine Lösung in einem Fall findest. Darüber zu reden, war in Österreich niemand bereit.

Wie lange dauerte dann die Suche, bis Sie genügend Protagonisten hatten?
Barbara Eder: Die Recherche zog sich über ein Jahr, ich fuhr immer zu den Leuten hin, um mir die Situation dort anzusehen. Es wäre aus Kostengründen nicht möglich gewesen, allzu lange zu drehen und es hätte die Betroffenen auch zuviel Zeit gekostet. Dazu kam, dass man ständig für die Orte, wo wir sie trafen, Genehmigungen einholen musste. Ich wollte also schon im Vorfeld gut ausloten, wem ich begegne und das in eine Art von Drehbuch formen, von dem ich wusste, dass es eine gewisse Wahrheit beinhaltete, die ich beim Dreh wieder herstellen konnte. Ich wollte auch in England drehen. Dort gab es ganz extreme, morbide Fälle, ich hatte einen sehr jungen Profiler, der eine sehr interessante Person war. Er machte dann kurz vor Dreh doch einen Rückzieher und wollte nicht vor der Kamera erzählen. Deshalb wich ich nach Südafrika aus. Auch dort traf ich auch auf sehr extreme Fälle und einen ziemlich jungen Profiler.

Die Protagonisten zu finden war eine Sache, die andere dann, Formen der Darstellung zu. Ist die unbestimmte Weite und Tiefe des Meeres, in dem wir Helina fischen sehen, eine Metapher für das Dunkel in dem Ihre Protagonisten tappen und mit viel Glück und Geduld auf ein Ergebnis treffen?
Barbara Eder: Ja, ich habe Helina aus Finnland stundenlang beim Fischen betrachtet. Die Insel, wo wir drehten, ist eine Polizeiinsel, wo sie jederzeit hin können. Es ist eine Insel, wo es keinen Strom gibt, d.h. kein elektrisches Licht, Gas zum Kochen, Holzhacken zum Einheizen. Man lebt dort mit sehr reduzierten Mitteln und das repräsentiert auch ihr Arbeiten. Sie arbeiten sich mit ganz reduzierten Mitteln durch so uferlose, chaotische menschliche Abgründe hinein. Es ist sehr hart, in ihrer Arbeit auf ein Ergebnis zu kommen.

Trotz der Grausamkeit der Fälle, die in den Interviews abgesprochen werden, bleiben die Gespräche im Film auf einer sehr sachlichen Ebene: Es dauert ca. 80 Minuten, bis erstmals der Begriff „human tragedy“ fällt. Bis dahin bewegt man sich auf einer sehr abstrahierten Ebene. War das der Schutzraum, den alle Beteiligten benötigten, um mit diesem Thema umgehen zu können?
Barbara Eder: Ich glaube, ja. Ich hatte die unterschiedlichsten Ansätze, den Film aufzubauen. Ich experimentierte anfangs auch mit einem gewissen Witz, wenn die ehemaligen FBI-Profiler Das Schweigen der Lämmer anschauen. Ich glaube, die Distanz war notwendig. Ich war in Südafrika durch Zufall an zwei Tatorten und wurde dort mit wirklich sehr tragischen Dingen konfrontiert. Dazu muss ich sagen, solange man es nicht riecht, ist alles halb so schlimm. Dort zu stehen und zu riechen, ist noch einmal ärger. Ich habe in einer ersten Schnittphase versucht, extreme Dinge hineinzubringen und stellte fest, dass es nicht funktionierte. Es hatte sofort ein Abblocken zur Folge. Sowohl bei den Leuten, die wir zu Testscreenings einluden, als auch bei den Profilern selbst. Es stellte sich als notwendig heraus, zunächst einmal den Beruf zu erklären, der durch das Fernsehen mit so vielen unrichtigen und unsinnigen Aspekten behaftet ist. Ich wollte zunächst einmal zusammenfassen, was diese Tätigkeit für Profiler beinhaltet und welchen Fragen sie sich stellen müssen, ohne ins Emotionale zu geraten. Es wäre problematisch gewesen, gleich in medias res zu gehen, ohne zunächst den Umfang abzustecken.

Haben sich Ihre Interviewpartner auch emotional geöffnet und Ihnen Einblick in ihr Innenleben gewährt?
Barbara Eder: Es gab hinter den Kulissen auch sehr heftige Ausbrüche. Helina z.B., die finnische Profilerin, hat kurz nach dem Dreh ihren Job an den Nagel gehängt. Wir haben immer wieder auch gedrehtes Material mit den Profilern gefiltert, weil gewisse Aussagen, ihren Job in Gefahr gebracht hätten oder einfach zu weit gingen. Gegen Ende des Drehs wurde Helina sehr persönlich. Vieles konnte sie dennoch nur im Off sagen. Ich glaube, sie hatte sich bereits mit dem Gedanken getragen, aufzuhören und ich glaube, ich habe sie in diesem Prozess erwischt. Vieles bleibt bei ihr dennoch unausgesprochen. Das ist typisch für Profiler, sie decken sich so mit Arbeit ein, damit sie nicht mit der Frage konfrontiert sind, was ihre Arbeit mit ihrem Leben macht. Solange der Fokus auf den Fällen ruht, braucht man ihn nicht auf sich selber zu lenken. Natürlich versuchen sie als Psychologen sich selbst zu betrachten, dennoch ist das schwer und die Fälle gewinnen meist die Oberhand. Schwierig ist es für viele Profiler zuzuschauen, wie jemand nicht verurteilt wird, wie ein Fall zu keinem Abschluss kommt oder zu erleben, keine Lösung zu finden. Das bestätigt auch Roger, der pensionierte Profiler aus den USA, dass man keine Ruhe finden kann. Sie glauben manchmal zu wissen, wer der Täter ist, und müssen zuschauen, wie er auf freiem Fuß bleibt. Helina war am Tatort, als es in Finnland zu einer Schießerei in einer Schule gekommen war, wo Schüler und Lehrer erschossen wurden und der Schütze sich selbst getötet hat. Sie sollte den Eltern dort eine Erklärung geben und war dazu nicht imstande. Sie wünscht, sie könnte einen Grund nennen, es gibt aber keinen. Ungelöste Fragen sind eine große Belastung für sie.
Helen Morrison. die amerikanische Profilerin, versucht für sich, eine Erklärung zu finden. Für sie liegt es an den Genen oder an einer Region im Gehirn. Das mag für uns Europäer etwas schrullig wirken und geht uns auch zu weit. Für mich ist ihre Motivation dennoch nachvollziehbar. Sie hat solche Unmengen an Statistiken ausgewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass es am Gehirn liegen muss. Alle Profiler bewegt natürlich der Wunsch, des Unergründlichen habhaft zu werden.

Wie lange üben die Profiler ihren Beruf aus?
Barbara Eder: Ich bin davon überzeugt, dass es nicht gut ist, diesen Beruf ein Leben lang auszuüben. Ich habe mit den älteren Profilern gesprochen, die beim FBI begonnen hatten. Da kann ich auch vieles nicht erzählen, was im Laufe der Jahre mit ihnen selbst passiert ist. Man sieht sie jetzt im Film als ältere, weise Männer mit typisch amerikanischem Flair, eher konservativ gestrickt. Sie könnten ihr gutes Leben in der Pension weiter führen, es ist da aber etwas, das sie nicht in Ruhe lässt und sie haben nun ihr privates Profiler-Büro aufgemacht. Das sagt sehr viel aus. Viele Dinge sind für sie unbeantwortet geblieben und es scheint ihnen gut zu tun, weiterzumachen und nicht auf sich selber und ihr eigenes Leben zu schauen.

Der Film hat gewiss im Schnitt viele Fragen aufgeworfen. Gab es im gedrehten Material vieles, was Sie nicht zeigen konnten?
Barbara Eder: Ich konnte sehr vieles nicht zeigen. Der Film war für das Team extrem anstrengend. Der Dreh des Gesprächs mit dem Serienmörder in Deutschland war ein sehr aufwühlendes Erlebnis, es war vor allem in Südafrika sehr belastend. Wir merkten es, als wir plötzlich innerhalb des Teams zu streiten begannen oder genervte Antworten gaben. Man hat gemerkt, dass alle an ihre Grenzen gerieten: Das waren die Tatorte, das waren die Gerüche, das waren die vielen Leichen. Das lässt einen nicht kalt. Beim Schnitt musste der Cutter, Dieter Pichler, beim Sichten des Materials immer wieder Pausen einlegen. Ich hatte an den Tagen, als wir das Südafrika-Material sichteten plötzlich wieder den Geruch in der Nase hatte. Es gibt im Film auch einen Clip, wo jemand gefilmt wird, der seine Freundin umbringt und der Profiler das ansieht. Es war für mich sehr schwierig, die Entscheidungen zu treffen. Dieter und ich sichteten einmal alles und wir haben dann von gewissen Etappen im Film den Print eines Bildes erstellt, es an die Wand gehängt und tagelang Fotos hin- und hergeschoben, um einmal vor Augen zu haben, wohin die Reise gehen sollte.

Sie haben bei Michael Haneke studiert, den die Frage des Umgangs mit der Gewalt, v.a. des leichtfertigen Umgangs mit der Gewalt im kommerziellen Kino und Fernsehen beschäftigt. Haben Sie diese Fragestellung und diese Auseinandersetzung motiviert, sich in einem Dokumentarfilm an der Grenze der Zeigbarkeit zu bewegen und sie beinahe zu überschreiten?
Barbara Eder: Ich glaube, es ist eine Summe an Inputs, die in Blick in den Abgrund zum Tragen kamen. Michael Haneke hat mich schon beeindruckt, ehe er mein Professor war. Ich habe in seinen Filmen Dinge entdeckt, die mich selbst sehr beschäftigt haben und die in meinem Interessensbereich lagen. Was darf ich zeigen? Wie treffe ich eine Wahl? Während des Drehens war es so, dass ich alles aufgenommen habe, was ich vorgefunden habe. Ich wollte das, was ich in meiner Recherche erlebt habe, einbinden. Die grundlegende Frage, was ich davon zeigen darf, ist dann erst im Schnitt gefallen.
 
Zeigen im Spielfilm, Zeigbarkeit im Dokumentarfilm sind ähnliche Fragestellungen und dennoch gelten andere Gesetzmäßigkeiten. Beim oben erwähnten Videoclip stellt sich dem Zuschauer für einen Moment die Frage, ob er tatsächlich seinen Augen trauen kann. Eine Frage, die er sich im Spielfilm nie stellen würde.
Barbara Eder: In der Fiktion kann man sich natürlich viel mehr erlauben als im Realen. Jeder Polizeithriller verträgt viel mehr Gewalt, als ich in diesen Dokumentarfilm zeigen konnte. Da kommen dann moralische Fragen auf. Michael Haneke spielt ja auch sehr viel mit dem Mechanismus, was der Zuschauer in seinem Kopf aus dem Gesehenen macht. Sehr viele Reize werden ausgestoßen, der Rest spielt sich im Kopf ab. Das halte ich für einen sehr spannenden Ansatz in der Fiktion – Reize auszustoßen ohne tatsächlich zu zeigen, was sich hinter der Tür abspielt. Ich habe bei Testscreenings für den Dokumentarfilm festgestellt, dass viele Leute total abblocken, wenn die Szenen zu gewaltsam sind. Dazu kam die ethische Frage, die ich mir als Filmemacherin stellen musste.

Der Serienmörder, der mit Stephan vor der Kamera spricht, sagt ja an einer Stelle, das Töten selbst sei völlig unproblematisch gewesen, er habe ja im Fernsehen gesehen, wie man einen Menschen umbringt.
Barbara Eder: Dieser Serientäter war naiv, auf seine Art nett und völlig unberührt von dem, was er getan hat. Das ist Realität. Bei diesem Satz zeigt sich, wie leichtfertig er darüber sprechen kann. Ich hatte vor dem Gespräch größere Angst vor ihm. Nach dem Gespräch war für mich klar, was für ein armseliger Mensch vor uns saß, der kalt und unbeteiligt von seinen Taten sprach. Ich war irritiert, es war so unvereinbar mit der Freundlichkeit, mit der er sich uns gegenüber benahm. In diesen Momenten taucht die unerklärte Frage auf: Wie gibt es das, dass jemand so empathielos ist, so wenig zwischen richtig und falsch unterscheiden kann? Wie gibt es das, dass jemand im Gefängnis Hasen züchtet und streichelt und kaltblütig Frauen ermordet?

Eine Frage, der auch die Profiler ihr Berufsleben lang nachgehen?
Barbara Eder: Ich bin ihr nicht bewusst nachgegangen, aber vielleicht spielte diese Suche im Hintergrund  auch bei mir eine Rolle.

Sie zitieren am Beginn des Films Friedrich Nietzsche: "Wer mit Ungeheuern kämpft, muss zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.  Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." War irgendwann der Moment für Sie erreicht, wo Sie aufhören mussten?
Barbara Eder: Der Dreh selbst war gewiss das Aufwühlendste und in Südafrika habe ich die grauenvollsten Dinge erlebt. Im Zuge der Recherche war ich immer alleine mit den Profilern unterwegs. In meiner ersten Woche in Südafrika geschahen zwei Serienmorde. Ich war an den Tatorten, habe die Opfer gesehen, habe Leichen gesehen, war bei den Verhören dabei. Ich wusste nach meiner Rückkehr, dass ich nun auf meine Gesundheit schauen musste, und lieber eine Weile nur Teenager-Komödien anschauen sollte. Ich brauchte immer wieder Momente, wo ich innehalten musste. Da waren auch die Produzenten sehr entgegenkommend. Mathias Forberg und Viktoria Salcher haben sich immer wieder nach meinem Befinden erkundigt. Ich besuchte nach den Drehs immer die Prismafilm, um über das, was ich erlebt hatte, zu reden. Es hat sehr viel Reflexion in dieser Zeit gegeben. Ich bin ja hartgesotten, sonst hätte ich mich nicht an dieses Thema gewagt. Aber ich muss eingestehen, ich bin an meine Grenzen geraten. Ein Jahr lang habe ich mich dann für keinen Krimi oder zumindest nicht für meine Serientäter-Bücher interessiert. Jetzt habe ich wieder begonnen, Bücher über Psychopathie zu lesen. Ähnlich wie die Profiler habe ich keine Erklärungen und keine Antworten gefunden, aber es lässt mich auch nicht los. Ich habe das Gefühl, dass mich etwas beschäftigt, das noch nicht gelöst ist. Es kann sein, dass es einen Spielfilm braucht, um mit anderen Mitteln, die ich stärker beeinflussen kann, zu arbeiten und um Dinge zeigen zu können, dich ich in einem Dokumentarfilm aus moralischen Gründen nicht zeigen konnte.

Interview Karin Schiefer
Oktober 2013