INTERVIEW

«Die Reise von Rom nach Los Angeles zeigt ein zur Gänze gemaltes bzw. gezeichnetes Amerika.»

Edgar Honetschläger über den Dreh von Los Feliz, ein Roadmovie zwischen Film und Malerei, eine Autofahrt von Rom nach L.A. über 18 Studioleinwände.
 
 
 
Wir stehen hier in einem riesigen Maleratelier. Ein kurzer Blick in die Runde macht klar, dass dem Dreh von Los Feliz eine riesige Vorbereitungsphase vorangegangen ist.
 
EDGAR HONESCHLÄGER: Ja, als klar war, dass jede Leinwand, die beim Dreh als Rolling Background dienen würde, eine Größe von 16 x 4 Meter – also 64m2 braucht, musste ich ein größeres Atelier anmieten, um das bewältigen zu können. Im Zeitraum von drei Jahren sind 18 Bilder entstanden. Ein halbes Jahr hat es mich allein gekostet, eine Grundierung für die Leinwand zu entwickeln, die die japanische Tinte, mit der ich gearbeitet habe, so verlaufen lässt, als würde man auf Papier arbeiten. Japanische Tinte wird in der Regel  nur auf handgeschöpftem Papier verwendet. Anfangs habe ich mit dem Gedanken gespielt, auf Papier zu arbeiten, bald war klar, dass es nicht reißfest genug für die spätere Verwendung sein würde. Man muss sich allein vorstellen, was es bedeutet, so eine 64m2 Leinwand aufzuspannen. Sie wurde dann am Boden grundiert, mit Wasser eingelassen und dann malte ich. Die Malerei erfolgte in verschiedenen Schichten. Der Vorteil der japanischen Tinte ist, dass sie unverwischbar ist. Nach jedem Malvorgang musste ich einige Tage warten, bis die Leinwand trocken war, um mit der nächsten Schicht beginnen zu können. An manchen Bildern habe ich ungefähr zweieinhalb Monate gearbeitet und als die Leinwände fertig waren, begann ich mit den Zeichnungen für die Sets. Los Feliz ist in erster Linie ein im Studio gedrehtes Road-Movie d.h. Schauspieler fahren, steigen aus. Die Orte, wo sie aussteigen – Liquor-Store, Motel oder Tankstelle –  sind Zeichnungen – manche 8 x 4 Meter groß. Fast alles musste in Lebensgröße sein. Der Liquor-Store in New York z.B. besteht aus fünfzig Zeichnungen, die alle mit Magneten befestigt und eingeleuchtet wurden. Amerika wurde dadurch eine Welt aus Papier und Leinwand. Im Grunde ist es ein megalomaner Wahnsinn. Die ersten Ideen zu diesem Film entstanden im Jahr 2001. Bis der Film rauskommt, werde ich fünfzehn Jahre mit diesem Projekt verbracht haben. Verrückt.

 
Wie bekommt man von einem 64m2  großen Bild, das am Boden liegt, eine Gesamtansicht?

EDGAR HONESCHLÄGER: Das war ein riesiges Problem. Ich bin immer wieder auf eine Leiter gestiegen, um mir ungefähr eine Vorstellung zu machen. Man kann ein so großes Bild auf dem Boden nicht in einem Stück fotografieren. Wir montierten auf der Decke eine Kamera, jedes Bild wurde in sieben Teilen fotografiert und am Computer zusammengesetzt. Dann erst konnte ich das Ergebnis meiner Arbeit betrachten. Manche Bilder sah ich erst zweieinhalb Jahre nach ihrer Fertigstellung. Was mich wirklich glücklich gemacht hat, war, dass von den achtzehn Arbeiten, ich würde sagen, mehr als die Hälfte gelungen sind. Japanische Tuschmalerei funktioniert wie prima pittura. Wenn du etwas falsch machst, kannst du’s wegschmeißen. Da gibt es kein Ausbessern. Das hat mir bei diesen enormen Flächen ziemlich Angst eingeflößt, sowohl ob der Kosten als auch ob des Aufwands. Oft fehlte es mir am Selbstvertrauen. Die Zweifel und die Sorge, dass ich etwas machen könnte, was falsch und nicht mehr gutzumachen ist, war groß.

 
Wie wurden die Bilder dann zum Filmen befestigt?

EDGAR HONESCHLÄGER: Die 64m2 großen Bilder für die Rolling Background Strips liefen dann in einer Endlosschleife auf einer eigens dafür gebauten Maschine dahin und bildeten den Hintergrund des Filmbildes  – Einfamilienhäuser, Ölfelder, Großstadt, Wolken, Kakteen, ein Baum am Hügel, der die Überleitung in die gezeichnete Welt bildet, Industrielandschaft, Berge, chinesische Landschaft, Sterne – hunderte Sterne, die ich alle mit der Hand gemalt habe. Die Maschine, auf der die Leinwand, die sich im Kreis bewegte, angebracht war, war 8 x 4 Meter groß. Während des Drehs hatten wir drei Bühnen, zwischen denen wir pendelten, damit sich alles in der knappen Drehzeit ausgehen konnte. Wenn das Auto davor steht, geschüttelt wird und Licht- und Windeffekte erzeugt werden, dann entsteht durch die sich dahinter bewegende Leinwand der Eindruck eines fahrenden Autos. Wenn das Auto aber vor einem Liquor-Store hält, dann brauchte es eine 1:1-Zeichnung des Hauses. Das bedurfte einer Zeichnung, die insgesamt vielleicht noch größer als  64 m2 war. Es war von Anfang an klar, dass es keinen Sinn machen würde, eine einzige große Zeichnung anzufertigen, da man für das Licht Variationsmöglichkeiten einplanen musste.  Wir zeichneten daher Einzelelemente – die Tür, das Schild, das Fenster, das Gitter. Für eine Szene in einem Diner, brauchte ich einen Spiegel und wollte Papier nicht mit Glas verbinden. Elisabeth Vogetseder vom Art Department schlug vor, zwei Wände mit gezeichneten Fliesen hintereinander anzuordnen, in der vorderen ein Stück auszuschneiden und mit einem Double, das dem Schauspieler gegenüber stand und sich spiegelverkehrt mitbewegte, konnte so die Idee des Spiegels dargestellt werden. Die Zeichnungen brauchten einen Unterbau, der in die richtige Form gebracht werden musste, um die Zeichnung darauf anbringen zu können. Jede Szene bedurfte also einer Individuallösung und das hat einen unheimlichen logistischen Wahnsinn generiert.

 
Ab welchem Zeitpunkt begann das Projekt zur Teamarbeit zu werden?

EDGAR HONESCHLÄGER: Im späten Frühjahr 2014 waren die künstlerischen Arbeiten fertig und im Mai/Juni begann die Teamarbeit. Igor Orovac machte die Produktionsleitung, Roland Zumbühl Regieassistenz und Moshe Kvitelashvili übernahm die Aufnahmeleitung. Conrad Reinhard und Elisabeth Vogetseder haben gemeinsam mit der Firma ‚aufgemöbelt’ die Logistik dahinter gemacht und dann alles gebaut. Sie haben im Vorfeld meine Bilder und Zeichnungen im Maßstab ausgedruckt und zu Modell-Sets zusammengefügt. Anhand dieser Modelle konnten wir im Vorfeld bestimmen, wie wir z.B. lichttechnisch an die Sache herangehen. Für das alte Auto, das im Film eine Hauptrolle spielt, hatten wir eine Miniaturversion, mit der wir eine Choreografie entwerfen konnten, die sich im Detail am Set noch leicht verändert hat.

 
Hat sich auch die Geschichte von Los Feliz über einen so langen Zeitraum entwickelt?

EDGAR HONESCHLÄGER: Sie hat sich immer den Gegebenheiten angepasst, die Grundgeschichte ist aber konstant geblieben: ‚Wer die Bilder macht, der hat die Macht’ – erzählt anhand einer Reise von Rom nach Hollywood. Auch die Charaktere standen immer fest. Wahrscheinlich gab es fünfzig Drehbuchfassungen. Die Bildarbeit ging los, als die Geschichte feststand. Ich gehöre nicht zu den Künstlern, die ins Atelier gehen und irgendetwas vor sich hinmalen. Ich brauche ein konkretes Thema. Über die Geschichte habe ich analysiert, was ich brauche. In manchen Fällen musste ich die Story umschreiben, weil klar war, dass sich manche Dinge in dieser Art von Filmwelt nicht realisieren lassen. Von Beginn an stand für mich fest, dass ich einen Film schaffen wollte, der wirklich narrativ ist, der trotz aller möglichen Theorien leicht zu erfassen ist und der vor allem die Leute amüsiert. Mein Wunsch ist, dass die Leute viel gelacht haben, wenn sie aus dem Kino gehen.

 
Wie bringt man die Ansprüche Medienkritik und Komödie auf einen Nenner?

EDGAR HONESCHLÄGER:  Das wird das fertige Produkt erweisen. Ich denke, das gehört zur Tradition des Filmschaffens dass man unter einer wohligen Oberfläche die Politik versteckt. Das wäre jedenfalls mein Wunsch. Ich bin überzeugt, dass die Leute schnell in diese Welt hineinkippen werden. Ich habe mir dieses Mal extrem viel Zeit für das Casting genommen, auch für die Nebenrollen. Ich wollte, dass ich bei keinem Element im Projekt den Eindruck hatte, hinsichtlich Qualität einen Kompromiss zu machen. Philipp Spall, der Darsteller des Teufels kommt aus England, die Darstellerin der Lydia ist die Französin Pauline Acquart und Yukika Kudo spielt die japanische Prinzessin des Grases. Die Kardinäle – drei berühmte alte Komödianten aus Italien – spielen im wahrsten Sinn des Wortes „supporting roles“. Ich nannte sie„The Marx Brothers of Faith“: Allein sie anzuschauen ist schon lustig. Für die vielen ganz kleinen Rollen habe ich Darsteller aus ganz Europa gefunden.

 
Wo ging der Studio-Dreh über die Bühne?

EDGAR HONESCHLÄGER: Wir haben eine 3000 m2 große Halle in Wiener Neudorf gemietet und dort auf drei Bühnen gleichzeitig gearbeitet. Darum hat der Film auch zwei DPs und zwei Oberbeleuchter. Es war nicht ganz einfach, weil jeder in der Doppelkonstruktion eine eigene Philosophie hatte. Die beiden Kameraleute waren Piergiorgio Bottos, ein 67-jähriger Kanadier, der in Italien lebt und Daniel Hollerweger, ein Österreicher Anfang 30, die sich sehr gut verstanden haben, auch wenn sie vollkommen anders auf die Sache zugegangen sind. Als Oberbeleuchter hatte ich den zweitbesten Gaffer, den Japan zu bieten hat, der schon bei Aun das Licht gemacht hat und der nur aus Liebe zum Projekt mitgemacht hat. Als zweiten Oberbeleuchter hatte ich Dominik Danner, der zuletzt für Gustav Deutschs ShirleyVisions of Reality das Licht gemacht hat und der für einen künstlerischen Film in Österreich gewiss der beste ist. Auch da waren beide alters- und auffassungsmäßig grundverschieden. Alle vier zusammenzubringen, dass unterm Strich für den Film das optimale Ergebnis herauskommt, war eine Herausforderung. Die Grundidee war die, dass ich in all diesen Menschen etwas entdeckt habe, von dem ich rein intuitiv spürte, dass sie bestimmte Felder die der Film braucht, abdecken würden. Interessant war, dass angesichts der Größe der Aufgabe in beiden  Departments der Wunsch da war, nicht alleine zu arbeiten. Wir haben in Wien, Rom und Los Angeles gedreht, der japanische Beleuchter konnte kein Wort Englisch, also musste ich am Set nebenbei noch übersetzen, denn an Los Feliz haben bisher Leute aus 34 verschiedenen Nationen gearbeitet, für die es keine gemeinsame Sprache gab. Sie konnten deshalb miteinander drehen, weil sie alle die Sprache des Filmes sprechen.

 
Wovon erzählt Los Feliz?

EDGAR HONESCHLÄGER: Der Film hat eine 7-Tage-Struktur wie die Genesis. Der erste Tag spielt im wirklichen Rom, der letzte im wirklichen Los Angeles. Die Reise von Rom nach Los Angeles zeigt ein zur Gänze gemaltes bzw. gezeichnetes Amerika. Amerika ist ein großes, weites Land, ein Bild. Wie stelle ich es dar, ohne dass ein Theatergefühl entsteht? Das war meine größte Sorge. Ich glaube aber, dass es durch ein sehr intelligentes Art-Department und eine sehr kluge Kameraführung gelungen ist, nicht ins Theater zu rutschen. Rom ist der Ort, an dem sich die Protagonisten treffen, an dem die katholische Kirche einen Deal mit dem Teufel eingeht, um jene Macht ausfindig zu machen, die ihr die Macht über die Bilder entreißen will. Sie beauftragen den Teufel, die Bösen zu finden und zu vernichten. Gleichzeitig schließt der Teufel  einen Deal mit dem jungen Mädchen ab, das den Traum des 20. Jhs. träumt: sie will berühmt werden. Sie trifft ohne es zu wissen auf ihn, den Teufel, der ihr zusagt, dass er sie ohne weiteres in die Berühmtheit führen könne. Es kostet allerdings einen Preis: Sie muss dafür auf die Liebe verzichten. Diese aufzugeben, ist sie sehr schnell bereit. Sex genügt auch. Sie ist das Beispiel dafür, dass sie das, was uns die Gesellschaft vorgibt, erreichen will – nämlich Ruhm und Aufmerksamkeit. Man will von allen Menschen geliebt werden und vergisst darüber selbst zu lieben. Gleichzeitig geht es um den Faktor des Fremden – die shinoistische Japanerin, die sehr viel über die monotheistischen Prinzipien des Christentums weiß, versucht die Grundprinzipien unseres Denkens wie romantische Liebe oder Gut und Böse zu verstehen und dient dem jungen Mädchen als rettender Anker. Doch letztendlich verfällt auch sie unseren westlichen Vorstellungen der Welt.

 
Wie lässt sich der Grundsatz: ‚Wer die Bilder macht, hat die Macht’ kurz näher erläutern?

EDGAR HONESCHLÄGER: Wenn ich so schnell dahinsage – „Wer die Bilder macht, hat die Macht“, dann baut das auf dem oft außer Acht gelassenen Gedanken auf, dass das Christentum die einzige monotheistische Religion ist, die das Bild zum Hauptträger seiner Überzeugungskraft auserkoren hat. Im Judentum wie im Islam herrscht ein Bilderverbot. Im Buddhismus gibt es Bilder, die aber nicht der primäre Ort der Anziehung sind. Das Christentum hat immer mit  Bildern gearbeitet und ich bin vollkommen davon überzeugt, dass wir immer noch „die Welt inne halten“, weil wir eine so große Macht über die Bilder haben. Rom ist als Schauplatz der Bilderproduktion aufgrund des Vatikans evident und Los Angeles, der zweite Drehort außerhalb des Studios, war in den letzten hundert Jahren der Ort, von dem Bildmäßig die größte Manipulation ausging. Für Europäer, die diesen Traum ja mitgestalten, ist das weniger gravierend als für jemanden, der in einem Kulturkreis aufwächst, der mit unseren Vorstellungen von der Welt überhaupt nichts zu tun hat. Wer nicht in christlichen Teilen der Welt aufwächst, hat möglicherweise keine Idee von romantischer Liebe, denn sie ist eine Erfindung des Westens. Durch einen Hollywoodfilm wird man plötzlich mit diesem Konzept konfrontiert, das einen wahrscheinlich sehr irritiert, aber auch ein Begehren erzeugt. Es bewirkt, dass man Dinge begehrt, die eigentlich gar nicht dem eigenen Kulturkreis zugehören und man somit dieser Philosophie verfällt. Gleichzeitig geht es in Los Feliz auch darum, wie böse dieser Traum ist. Die wunderschöne Illusion von Liebe macht uns aber auch sehr unglücklich. Das Prinzip „fame“ läuft letztendlich darauf hinaus, dass die, die berühmt sind, nicht glücklich sind und die, die nicht berühmt sind und es gerne wären, auch nicht glücklich sind. Wer ist mit diesem Konzept eigentlich glücklich? Das ist ein großes Thema, das sich durch den Film zieht. Das zweite ist die Zentralperspektive. Was bedeutet der Wunsch, auf einem zweidimensionalen Hintergrund in die Tiefe zu gehen? Diese Frage geht zurück bis in die Malerei der Renaissance, bis zu Masaccio. Und sie reicht bis ins Heute, wo wir selbst in den neuen Medien danach streben und wo vor allem der Film als Medium diesen Wunsch nach virtueller Realität fortsetzt.  Am liebsten würden wir ja in die Leinwand/den Bildschirm hineinkriechen.

 
Von der Realität in die Illusion und von ihr wieder in die Realität – kann man so das Prinzip des Films definieren?

EDGAR HONESCHLÄGER: Es gibt vor allem zum Ende hin Bruchstellen, wo ich das offenlege. Jeder Film ist pure Manipulation. Es ist immer so gedacht, ein gewisses Ziel zu erreichen, auch mit der so genannten Ehrlichkeit. An manchen Stellen lege ich das vorsichtig offen, aber so, dass es den Fluss der Geschichte nicht stört, sondern dass man wahrscheinlich milde darüber lächeln wird.
 
 
Wie sind die letzten Drehtage nun in Hollywood verlaufen?

EDGAR HONESCHLÄGER: Fünf Drehtage sind überschaubar. Aber Hollywood bildet die letzten zwölf Minuten des Films, mit diesen Bildern wird man aus dem Film entlassen, das heißt, diesem Abschnitt musste man besondere Aufmerksamkeit schenken. Ich habe das Herzstück der Crew mitgebracht und dazu ein junges amerikanisches Team zusammengestellt. Ich genoss den Pragmatismus der Amerikaner. Wenig Herz, keine Sentimentalitäten, dafür keine Einmischungen ins Konzept, also alles unter dem Titel: „Let’s get the job done“. Aber auch hier ist es gelungen zu träumen. Denn im Hollywood Teil des Filmes geht es um den Wizard of Oz. Hier erfüllt sich alles – denn der Film zitiert unermüdlich Filmgeschichte. Ist aber wurscht wenn man’s nicht weiß.

 
Ist angesichts der aufwändigen Pre-Production eine ebenso intensive Postproduktion zu erwarten?

EDGAR HONESCHLÄGER: Hoffentlich nicht. Es muss ja nicht wieder jahrelang gezeichnet und gemalt werden. 60 Minuten des Filmes wurden in einem Studio gedreht. Außer den Dialogen ist auf der Tonebene noch nichts vorhanden. Es kommt der Vertonung eines Animationsfilms gleich. Es wird sehr viel Arbeit sein und es gibt noch viele Fragen, die nicht geklärt sind: Wie wird es klingen, wenn eine der Hauptdarstellerinnen durch einen papierenen Wald geht? Das weiß ich selbst noch nicht. Die Bilder werden einen kongenialen Sounddesigner finden müssen. Eine wunderbare Musikerin habe ich bereits gefunden. Jetzt brauche ich noch gute Leute für das Sounddesign, um die Töne zu erzeugen. Es braucht jemanden, der mit Film und Kunst gleichzeitig gut umgehen kann und im besten Fall selbst Tonkünstler ist. Mehr als fünfzig Prozent dieses Films spielen sich auf der Tonebene ab. Da kommt noch eine große Aufgabe auf uns zu. Manchmal  glaube ich, ich bin verrückt. Anfänglich hatte ich dieses Atelier hier für drei Monate angemietet. Ich dachte ernsthaft, ich könne alles in dieser kurzen Zeit herstellen und dann brauchte es dreieinhalb Jahre Dauerarbeit. Ich würde den Film gerne schnell fertig stellen, aber ich fürchte, da liegt noch einiges an Arbeit vor uns. Ich habe das Gefühl, dass der Zeitpunkt für den Release des Films in jedem Fall gut gewählt sein wird. Das Projekt kam viele Jahre nicht zustande, weil es an der Finanzierung haperte. Jetzt denke ich, könnte Los Feliz einen Nerv der Zeit treffen.  Die Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten und China wird immer evidenter. In Südchina werden zurzeit die größten Filmstudios aller Zeiten  gebaut. Man hat dort verstanden, dass über das Wirtschaftliche und Militärische hinaus, nur mit der Macht der Bilder in dieser Welt Einfluss zu gewinnen ist. Es geht letztendlich immer darum, was in den Köpfen passiert.

 
Der große zeitliche Aufwand ist gewiss nicht ohne entsprechenden finanziellen Aufwand denkbar.

EDGAR HONESCHLÄGER: Ohne den Tausch von Kunstwerken, wäre das Projekt nie zustande gekommen.  Ein Motto war: Bilder gegen Leistung. Gegen eine Unsumme habe ich mit verschiedensten Leuten, die an dem Film mitgewirkt oder zum Film beigetragen haben eine Tauschvereinbarung getroffen und mit künstlerischen Arbeiten „bezahlt“. Anders hätten wir den Film gar nicht realisieren können. Mit den Fördergeldern allein wäre es sich nie ausgegangen. Der Film hätte zweieinhalb Mio Euro gebraucht. Er ist ja viel aufwändiger als vergleichbare Spielfilme. Kunst von mir zum Einsatz zu bringen, war eine Möglichkeit, um auf einen grünen Zweig zu kommen. 

 
Interessant, dass nach Gustavs Deutsch auch sehr langem und aufwändigem Projekt erneut ein filmischer Dialog mit der bildenden Kunst entsteht.

EDGAR HONESCHLÄGER: Nachdem ich seit bald 15 Jahren an Los Feliz rumkoche bin ich Gustav sehr dankbar, weil durch Shirley einen Präzedenzfall geschaffen wurde, der es mir in der Argumentation etwas leichter gemacht hat. Gustav kommt vom Experimentalfilm. Ich habe meinen ersten Spielfilm Milk 1997 gemacht. Wir haben einen ganz anderen Zugang. Gustav hat auf Edward Hopper reflektiert und hat als Ausgangsmaterial bestehende Arbeiten von Hopper gewählt, während ich mit der Anmaßung antrete, mit meiner eigenen Kunst eine Welt zu erschaffen. Ich war sehr pedantisch mit den Zeichnungen. Natürlich hätte ich auch alles bei professionellen Filmmalern in Auftrag geben können, dann hätten wir nach dem Dreh alles weggeschmissen. Jetzt tragen die Bilder meine Handschrift und werden auch ausgestellt werden. Ich werde die Sets nicht 1:1 in den Ausstellungsraum transferieren, das Kino stellt ja ganz andere Voraussetzungen als ein Museum,  sondern ich möchte sie dort vollkommen anders präsentieren. Es soll keine Dokumentation sein, sondern die Bilder die für den Film entstanden sollen im Kunstkontext für sich stehen können. In Los Feliz ist alles analog und es geht an die Wurzeln des Kinos. Die Leinwand, die sich bewegt, ist selbst schon Kino. Es ist nur ein Kader, der immer wieder kommt. Alle haben versucht, mich zu überzeugen, dass wir mit Green Screen und Back Projections arbeiten sollen. Das hat mich alles nicht interessiert. Ich wollte, dass ein Bild fährt, als Film im Film sozusagen.
 
 
Interview: Karin Schiefer
Februar 2015