INTERVIEW

«Die Leute haben sich getraut und sie wollten auffallen.»

Das Wien des späten Rokoko und der dämmernden Aufklärung stellt das farbenreiche Setting für Barbara Alberts neuen Film Licht. Eine spannende Herausforderung für Veronika Albert, die erstmals einen Kinospielfilm mit historischen Kostümen ausgestattet hat.

Licht spielt im Jahr 1777. Von welcher Periode sprechen wir da hinsichtlich der Kostüme?
 
VERONIKA ALBERT: Es handelt sich da um spätes Rokoko. Die Wiener Mode war sehr stark vom Pariser Vorbild geprägt. Es war eine sehr farbenfrohe Mode. Ich nenne sie gerne „die Siebziger“ des 18. Jahrhunderts. Die Stoffe waren bunt, es gab Muster und auch Mustermix, sehr viel Spitze, Maschen, Rüschen, viele Volants, Seide. Es war eine sehr detailreiche Mode, die auch schmucktechnisch sehr spannend war. Die Leute haben sich getraut und sie wollten auffallen. Auch die Herren legten großen Wert auf ihr Äußeres und die Herrenmode war zumindest ebenso farbenreich wie die Damenmode.
 
 
Hatten Sie zuvor schon für ein historisches Filmprojekt die Kostüme kreiert?
 
VERONIKA ALBERT: Licht ist mein erster historischer Langspielfilm. Es war eine enorm intensive und unheimlich inspirierende Arbeit, die für mich vor zwei Jahren mit der Recherche ihren Ausgang nahm.  Ich begann in Museen über Malerei aus der Zeit und auch in textilkundlichen Museen zu forschen. In London ist das Victoria & Albert Museum, eine wahre Fundgrube für Anregungen. Man findet auch von vielen Modesammlungen weltweit die Exponate im Internet und auch die Auktionshäuser stellen Bilder ins Internet. Wenn man nach Rokoko sucht, wird man vor allem in Europa und Nordamerika fündig. Und ich schaute natürlich viele Bücher durch, suchte im Internet, schaute mir Filme an, um herauszufinden, was damals los war.
 
 
Welche Filme bieten eine gute Referenz fürs 18.Jahrhundert ?
 
VERONIKA ALBERT: Ich halte Die Königin und der Leibarzt für ein sehr gelungenes Beispiel. Er spielt zu einer vergleichbaren Epoche wie Licht, beginnt etwas früher und reicht dann zeitlich ein bisschen weiter herauf. Dieser Film wurde auch u.a. vom Londoner Fundus Sands ausgestattet, der auch mir eine wunderbare Inspirationsquelle war.
 
 
Wieviele Kostüme waren für den Film notwendig?
 
VERONIKA ALBERT: Wir hatten um die 80 Komparsen und 40 Schauspieler. Da kann man es sich ungefähr ausrechnen. Die Schauspieler hatten oft mehrere Kostüme. Ich schätze, es waren insgesamt um die 250 Kostüme. Dies alles auch organisatorisch abzuwickeln, war in vielem eine neue Erfahrung für mich. Ich hatte aber eine sehr tolle Assistentin, Elisa Schmidt, die mich großartig unterstützt hat.
 
 
Wurden viele Kleider neu angefertigt?
 
VERONIKA ALBERT: Teils teils. Es gibt Kostüme aus dem Fundus und es gibt neu gefertigte.
Für Maria Dragus, die Hauptdarstellerin, die die Resi, spielt, gab es vier neu gefertigte Kleider, für ihre Mutter drei und Frau Mesmer zwei. Und natürlich das bestickte lila Justeaucorps des Dr. Mesmer. Auf das bin ich besonders stolz. Manche Seidenstoffe habe ich in Wien weben lassen. Die Anfertigungen habe ich dann auf drei Werkstätten in Wien aufgeteilt: an das Kostümhaus von Matthias Lippitsch, an Lambert Hofer, der uns auch die Fundus-Kostüme zur Verfügung gestellt hat und dann habe ich noch eine ganz tolle Damen- und Herrenschneiderin, Hedi Rochowanski, die u.a. die Kleider von Frau Mesmer gemacht hat.
 
 
Handelt es sich um eine Mode, die nähtechnisch sehr kompliziert war?
 
VERONIKA ALBERT: Ich war zwar selbst nicht die Schneiderin der Stücke, aber es gab in der Tat mehr Anproben als gewohnt. Die Unterröcke konnten wir aus dem Fundus verwenden, die Mieder ließ ich zum Teil anfertigen. Das Mieder der Mutter kann man im Film auch sehen, da wollte ich z.B. eine historisch korrekte Schnürung haben. Damals verwendete man keine symmetrische „Schuhbandschnürung“, wie wir es gewohnt sind, sondern eine asymmetrische Spiralschnürung, wo die Löcher versetzt sind und man das Band in einem durchzieht und unten wieder zubindet. Das wollte ich auch sichtbar machen. Die Kleider bestanden damals aus einer Chemise, dann kam der Schnürleib, der Hüftpolster oder sogenannte Weiberspeck, dann ein Wäsche-Unterrock und dann erst die Oberbekleidung aus Rock und Manteau, das Kleidungsstück, das hinten zu und vorne offen ist. Vorne ist ein mit Fischbein ausgestatteter Stecker, der wie eine Platte oberhalb des Schnürleibs mit Haken befestigt wird. Was ich so an Feedback von den Trägerinnen bekommen habe, waren die Kleider gar nicht so unbequem wie sie klingen. Die Männer waren damals ärmer dran, sie durften nie ihre Jacken ablegen, auch wenn es noch so heiß war und obwohl sie darunter Hemd und Weste trugen.
 
 
War das späte 18. Jh. noch eine Epoche der strengen, vom Hof bestimmten Kleiderregelungen?
 
VERONIKA ALBERT:  Es war eine Zeit des Umbruchs. Es gab noch Regeln wie z.B. dass man nur bei Hof Reifröcke und Pochen – das ist die Linie, die seitlich in die Breite geht, während es hinten flach ist – tragen durfte. In unserem Film trägt das nur die Marquise, da ich deutlich machen wollte, dass da gerade ein Wandel im Gange war. In meinen Recherchen fand ich heraus, dass sich zu jener Zeit de facto die bürgerliche Mode noch sehr wenig von der des Hofes unterschied und noch stark nachgeahmt wurde.  Es sprach für eine sehr moderne bürgerliche Haltung, wenn man in der Kleidung mehr Schlichtheit und weniger Farbigkeit an den Tag legte. Ab 1780 setzte dieser Trend ein.
 
 
Gibt es in der Kollektion der Filmkleider ein Lieblingsstück?
 
VERONIKA ALBERT:  Mein eindeutiges Lieblingskleid ist das der Frau Mesmer, das sie beim ersten Auftritt trägt. Es war der erste Stoff, den ich für dieses Projekt gekauft habe. Ich fand ihn in Deutschland in einem Stoffgroßhandel, ich sah ihn und wusste, dass an ihm kein Weg vorbeiführte. Es ist ein bestickter, mehrfärbiger Stoff mit Blumenmuster, aus dem ich ein mehrfärbiges Manteau gemacht habe.
 
 
Wie fällt nun nach getaner Arbeit der Vergleich zwischen historischem und zeitgenössischem Film für eine Kostümbildnerin aus?
 
VERONIKA ALBERT: Eine höhere Wertschätzung erhält man eher für historische Filme. Einen historischen Film zu machen, bedeutet unglaublich viel Arbeit bereits im Vorfeld, es war eine großartige Erfahrung und ich muss auch sagen, dass ich so richtig Blut geleckt habe. Ich hoffe, dass sich bald wieder eine Gelegenheit ergibt, in einer ferneren Epoche zu arbeiten.
 
 
 
Interview: Karin Schiefer
Mai 2016
«Ich nenne sie gerne die "Siebziger" des 18. Jahrhunderts. »