INTERVIEW

«Das Tolle an Stefanie ist, dass sie niemanden gleichgültig lässt.»

SARGNAGEL – DER FILM hat eine längere Geschichte. Sie begann mit dem Wunsch des Regieduos Hiebler/Ertl, eine Komödie zu schreiben und der Entdeckung von Stefanie Sargnagels Roman Fitness. Auf die Adaptierung dieses ersten Romans folgte auch die des nächsten, dazu kamen Finanzierungsabsagen, Überarbeitungen, Neuanfänge. Irgendwann Stoff genug, um aus der Entstehungsgeschichte des Films einen Film zu machen mit Schauspieler:innen, die andere oder sich selbst verkörpern, Laien, die eine Rolle spielen und Stefanie Sargnagel, die mehr oder weniger fiktional eine Version von sich selbst darstellt.   Das Ergebnis ist ein Film und sein Making-of, das Portrait einer Künstlerin und eine Spirale aus Fiktion und Wirklichkeit mit einer Protagonistin, die vor allem eines vermittelt, nichts und schon gar nichts sich selbst ernst zu nehmen.


Mit Ihren letzten Filmen Chucks und Anfang 80 waren Sie im Genre des Dramas mit stets auch einer tragischen Thematik beschäftigt. War es ein grundsätzlicher Wunsch, einen Film zu machen, der das Publikum unterhält?

GERHARD ERTL:
Ja, mit dem Gedanken uns sozusagen in die Königsklasse Komödie zu wagen, haben wir schon längere Zeit gespielt.


SARGNAGEL – DER FILM ist sehr stark mit dem möglichen, aber doch fiktionalen Leben einer real existierenden Person verwoben. Zurückgespult in die Zeit vor dem persönlichen Kennenlernen – wann und in welchem Kontext haben Sie Stefanie Sargnagel erstmals wahrgenommen. Wie begann sich ein mögliches Filmthema abzuzeichnen?

SABINE HIEBLER:
  Wir haben Stefanies Buch Fitness durch Recherche für einen eigenen Filmstoff entdeckt. In diesem Film, der wie gesagt eine Komödie werden sollte, ging es um Callcenter und prekäre Jobs rund um eine Frau, die in eine Lebenskrise kommt. Durch eine Rezension haben wir dann vom Buch Fitness erfahren, das sehr unterhaltsam sein sollte und in dem es um eine Frau in einem Callcenter geht. Das Buch war dann noch viel lustiger als wir erwartet hatten. Wir waren uns sicher, nicht die einzigen zu sein, die Interesse daran hatten, aber die Rechte waren noch frei. Das war der Startschuss.
Der erste konkrete Filmplan war dann eine „normale“ Buchverfilmung von Fitness.


Wie standen Sie zur Idee der Verfilmung Ihres Buchs?

STEFANIE SARGNAGEL:
Ich habe gar nicht so lange überlegt. Das Konzept war ja anfangs ein anderes, viel mehr als Spielfilm angedacht. Ich sah keinerlei Grund, warum ich nicht hätte zusagen sollen. Ich war neugierig und auch nicht von Anfragen überhäuft. Also, wenn da jemand eine Idee dazu hatte … Why not?


Die verschwimmende Zone zwischen dem echten eigenen Leben und dem über Literatur und soziale Medien fiktionalisierten Leben ist ja in der öffentlichen Wahrnehmung Ihrer Person eine Gegebenheit. War da auch ein Reiz da zu schauen – „Was wird aus „mir“, wenn andere eine fiktionalisierte Version daraus machen?“

STEFANIE SARGNAGEL:
Ich dachte zunächst, dass der Stoff noch sehr stark verändert werden und eine klassische Dramaturgie bekommen würde.


Die Bücher Fitness und Statusmeldungen geben keine starke dramaturgische Struktur vor. In welcher Form lassen sich die Bücher als Inspirationsquelle beschreiben und nutzen?

SABINE HIEBLER: Fitness umfasst eineinhalb Jahre von Steffis Leben oder besser gesagt von ihrer Kunstfigur und spielt in verschiedenen Lebensbereichen. Es ist eine odysseeartig angelegte Geschichte von jemandem, der durch seine Lebenswelten geht und Auf und Abs erlebt. Der Text hat natürlich keinen Plot wie zum Beispiel ein Krimi, aber selbstverständlich lässt er sich in eine Filmgeschichte packen.


Haben Sie in der anfänglichen Drehbuchphase zu dritt zusammengearbeitet?

STEFANIE SARGNAGEL:
Für mich war klar, dass Sabine und Gerhard das Drehbuch erarbeiten. Ich kann mich gar nicht mehr genau erinnern. In der ersten Fassung war ja nicht vorgesehen, dass ich mitspiele. Erst als dann feststand, dass ich mitspielen würde, habe ich mehr Feedback gegeben, weil ich wusste, dass ich die Dialoge auch sprechen musste.

SABINE HIEBLER: Am Anfang basierte die Geschichte auf dem Buch Fitness, im weiteren Verlauf auch auf Statusmeldungen, das erst erschienen ist, als wir schon am Projekt gearbeitet haben. Die Kunstfigur Stefanie sollte von einer Schauspielerin dargestellt werden und die Autorin Stefanie Sargnagel wäre als Cameo im Film aufgetreten. Das hat sich im Laufe der Weiterentwicklung des Buchs stark verändert und Stefanie selbst hat einen immer größeren Raum eingenommen.


Es klingt, als hätte es einen langen Drehbuchprozess gegeben?

SABINE HIEBLER:
Im Grunde haben wir drei Filme geschrieben. Fitness ist zunächst nicht finanziert worden, dann haben wir parallel dazu begonnen, an Statusmeldungen zu arbeiten. Zunächst hat es sich um zwei Filme gehandelt, die wir gerne unabhängig voneinander gemacht hätten. Stefanie war damals ja noch nicht so bekannt. Es gab also zum einen Bedenken, ob sich außerhalb ihrer Fan-Blase überhaupt jemand für den Stoff interessieren würde, zum anderen, ob man diese Texte überhaupt verfilmen könne. Die einen meinten, wir sollten eine große Geschichte daraus machen, weil die Figur so witzig sei, andere wieder meinten, man könnte die Figur nur so nehmen, wie sie ist. An all diesen Einwänden haben wir uns über einen längeren Zeitraum hinweg abgearbeitet. Als wir dann beschlossen haben, dass Stefanie selbst die Hauptrolle spielen würde, wurden wiederum Bedenken laut, ob sie das denn könne? Das Tolle an Stefanie ist, dass sie niemanden gleichgültig lässt und daher jeder rasch eine Meinung zu ihr hat; das Schwierige an der Filmfinanzierung war, dass es genau deshalb keine einstimmige Einigung gab, auch wenn wir von Anfang an überzeugte Unterstützung erhalten haben.


Die Geschichte des Filmprojekts scheint immer mehr Teil der Filmgeschichte geworden zu sein.

GERHARD ERTL:
Die Form der Mockumentary, die das Projekt letztendlich angenommen hat, entspricht ja auch der Literatur von Stefanie Sargnagel, die sich stets im Übergangsbereich zwischen Fiktion und Realität bewegt. Ich sehe unseren Film als die filmische Form dessen, was Stefanie literarisch produziert. Ich finde, dass sich da auf einer künstlerischen Ebene zwei Lebenswelten getroffen haben.

SABINE HIEBLER: Die Idee, den Film als Mockumentary anzulegen hatten wir also schon. Die Verfilmungsebene selbst mit reinzunehmen, ist dann aufgrund all der divergenten Meinungen zum Projekt entstanden. Wir haben mit Claus Philipp, unserem Dramaturgen, reflektiert, was uns da alles an vorgefassten Meinungen entgegenschlägt und wie schwierig die Finanzierung sei, weil es zum Beispiel immer jemanden geben wird, der Stefanie leidenschaftlich ablehnt oder keinen Fäkalhumor mag und so weiter. Es schwirrten wie gesagt die unterschiedlichsten Meinungen um das Projekt und so entstand die Idee, das am besten gleich in die Geschichte mit reinzunehmen. Das Filmen und die Ereignisse im Zusammenhang mit unserem Projekt mal auf die Schippe zu nehmen, hat uns dann großen Spaß gemacht und hat sich mit unserer Leidenschaft fürs Medium getroffen. Und Filme übers Filmemachen lieben wir sowieso.


Wie konnten die Textpassagen aus Fitness und Statusmeldungen in die Handlung einfließen?

STEFANIE SARGNAGEL:
Je nach Situation kommt auch Vieles aus dem Off. Manche Originaltexte waren auch in Dialogen drinnen, aber Tatsache ist, so spreche ich bzw. so redet man nicht. Das sind Texte, die man gut vorlesen kann, aber die man nicht so schnell mal dahersagt. Texte von mir waren meist Auszüge aus Lesungen, manche sogar aus tatsächlichen Lesungen aus der Zeit vor Corona oder vom letzten Sommer. Alles, was ich spreche, sind keine Originaltexte von mir, die habe ich schon abgeändert, wie es mir natürlicher aus dem Mund gekommen ist.

SABINE HIEBLER: Bei manchen Passagen war es uns wichtig, die literarische Originalform zu wahren, daher haben wir sie zum Beispiel als Lesungen einfließen lassen. Bei anderen Stellen ging es mehr um Situationen oder Inhalte, daher konnten die frei in Dialoge gebracht werden. Steffis Texte mussten dann ja mundgerecht passen, was bei ihren eigenen Dialogen einfacher war, weil sie die selbst sinngemäß gut abwandeln konnte. Und durch den Umstand, dass wir mit zwei Kameras gearbeitet haben, konnten wir den Darsteller*innen auch Freiraum für Improvisation einräumen.


Hatten Sie auch so Ihre Zweifel, ob Sie im Film als Darstellerin Ihrer selbst auftreten wollen?

STEFANIE SARGNAGEL:
Irgendwann stand die Frage, ob ich mitspiele zur Debatte, dann ist man davon wieder ein bisschen weggekommen. Bei der letzten Einreichung hat man es nocheinmal mit dieser Idee versucht und da habe ich sehr schnell zugesagt, weil ich auch meinte, dass das Projekt nach all den Jahren sonst nicht weitergefördert würde. Dann war ich schon ein bisschen überwältigt, weil plötzlich auf der großen Leinwand zu sein
eine andere Art von Exponierung bedeutet als als Autorin bei einer Lesung auf der Bühne hinter einem Tisch zu sitzen. Andererseits war ich auch eitel und neugierig.

GERHARD ERTL: Es hatte sich bei Probedrehs, wo zunächst nur Stefanies Cameo-Auftritt geplant war, herausgestellt, dass sie eine gute Präsenz hat und sehr natürlich rüberkommt. Für die Hauptrolle haben wir dann gemeinsam mit Steffi aber schon noch länger gezögert und haben auch noch weitere, intensivere Probedrehs gemacht, ehe wir uns entschieden haben.


Wie hat es für Sie funktioniert, sich selbst in eine Filmfigur zu verwandeln?

STEFANIE SARGNAGEL:
Ich fand es sehr witzig, weil es sehr nahe an meine eigenen Selbststilisierungen angelegt ist, aber schon von jemand anderem geschrieben war. Vieles war auch total von mir weg. Ich bin z.B. nie unter einem Management gestanden, das ist alles viel autonomer gelaufen. Was sehr lustig war, ich musste immer in ein „Kostüm“ schlüpfen, das im Endeffekt genau meinem eigenen Gewand entsprochen hat. Die Kleidung war meiner eigenen nachgenäht, meine Schuhe waren nachgekauft, von meinen Ohrringen gab es ein Duplikat. Ich hab mich schon sehr in einer ausführenden Rolle gefühlt und habe das abgearbeitet, was mir vorgegeben war. Auch wenn viel von mir drinnen ist, wurde auch viel, von Hiebler & Ertl geschrieben. Für mich war es schon eine andere Figur als die, die ich z.B. während einer Lesung darstelle.


Gab es Dinge, Sätze, wo Sie das Gefühl hatten, das geht so nicht?

STEFANIE SARGNAGEL:
Im Vorfeld waren es eher Kleinigkeiten. Einmal wurde eine Demo nachgestellt. Das war mir eher peinlich, weil es wie aus der Puppenkiste aussah und ich noch einen „Gegen Nazis“-Pulli anziehen sollte. Dieser Pulli war mir dann zu viel. Das war aber auch um 4 Uhr Früh nach einem sehr langen Dreh, wo ich auch schon müde war. Einmal gab es einen Witz, der ein bisschen Dicke-feindlich war, da hab ich vorgeschlagen, ihn eher wegzulassen. Ich bin ja auch durch eine politisch korrekte Bubble sehr geeicht, manches will ich dann nicht machen, anderes stört mich wieder nicht.


Die Burschenschaft Hysteria bleibt auch im Film eher ein Geheimnis?

STEFANIE SARGNAGEL:
Die Hysteria nimmt sich als Burschenschaft sehr ernst und lehnt Kunst- und Kulturprojekte ab, weil wir eben kein Kunstprojekt sind und Missverständnisse vermeiden wollen. Daher kommt die Filmkamera nur bis vor die Tür, aber nicht weiter.


Das Prinzip der verschwimmenden Grenzen gilt auch für die Besetzung: nicht nur Stefanie Sargnagel spielt sich selbst und zugleich die Figur Stefanie, manche Schauspieler*innen spielen sich selbst, manche Leute treten dokumentarisch auf, manche öffentlich bekannte Menschen spielen eine Rolle, manche Schauspieler*innen spielen ganz klassisch eine Rolle.
Wie ist dieser bunt gemischte Cast zustande gekommen?

GERHARD ERTL:
Hilde Dalik war bereits in einer früheren Fassung als Steffis Freundin Mercedes an Bord und da war es dann natürlich naheliegend, als wir ein bekanntes Schauspielerpaar suchten, das ein bekanntes Schauspielerpaar spielt, an Hilde und Michael Ostrowski zu denken. Und Michael hatte ja seine erste Filmrolle in unserem Film Nogo, da hat also alles gepasst und ist irgendwie auch organisch zusammengewachsen. Thomas Gratzer, der den Filmproduzenten spielt, ist ja damit auch sehr nahe an seiner wirklichen Funktion als Theaterintendant und wir haben dokubedingt eine starke Durchmischung mit Laien und bislang unbekannteren Schauspielern. Elena Wolf zum Beispiel hat Steffi aus einem Kabarettprogram gekannt und sie ist in ihrer ersten Filmrolle als Produktionsassistentin großartig. David Scheid, ebenfalls in seiner ersten Kinorolle als Stefanies Verleger, hat als Typus perfekt gepasst und wirkt sogar ein wenig wie eine Mischung aus den beiden Verlegern von Fitness, auch wenn der Verleger im Drehbuch eine von uns völlig frei erfundene Figur ist.

SABINE HIEBLER: Durch die Mockumentary war es nötig, Figuren, die in der Öffentlichkeit stehen, auch mit bekannten Persönlichkeiten zu besetzen und sie so in die Geschichte einzubauen, wie man sie aus der Öffentlichkeit kennt. Beim letzten Konzept hatten wir dann beim Schreiben konkret schon Hilde und Michael im Kopf, aber sie spielen natürlich trotzdem eine gescriptete Rolle und nicht sich selbst.

GERHARD ERTL: Vieles hat sich dann noch durch Corona ergeben. Karl Merkatz ist pandemiebedingt sehr kurzfristig ausgefallen. Er war schon unterwegs ans Set und musste wegen eines angeblich positiven Testergebnisses auf halbem Weg umdrehen. Es gab ja jede Menge falscher Covid-Positiv-Tests, wodurch auch ganze Drehtage ausgefallen sind. Wir mussten dann bei Besetzungen sehr kurzfristig improvisieren und aus dem Bekannten- , Freundes- und Familienkreis besetzen. So kam es auch zu einigen tollen Cameo-Auftritten, wie dem der Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler als Gemeindebau-Hausmeisterin, oder Alexander Horwath als Direktor des Filminstituts. Und auch unser Sohn und seine halbe Klasse sind eingesprungen.

SABINE HIEBLER: Es musste auch das halbe Team herhalten. Viele die hinter der Kamera standen, sind auch in einer kleinen Rolle vor der Kamera zu sehen. Das ist aus der Not heraus entstanden, dass nur Getestete aufs Set durften, aber es hat großartig funktioniert und die Schlussszene, in der ein Großteil unseres Teams ins Bild kommt, ist unser spezieller Dank und unsere Verneigung vor allen, die hier mitgewirkt haben.


War demnach Corona bei den Dreharbeiten im Herbst 2020 ein bestimmender Faktor?

SABINE HIEBLER:
Absolut. Wir haben zum Beispiel Stefanies Fan-Community aufgerufen zu einer Lesung und zu einigen anderen Szenen zu kommen. Ursprünglich hatten wir geplant, diese Szenen dokumentarisch zu drehen, aber die im Rabenhof-Theater angesetzte Lesung durfte nicht stattfinden, wir konnten dafür aber in den leeren Räumlichkeiten drehen. Und so konnten wir mit Fans, die bereit waren, sich testen zu lassen und einen halben Tag ihrer Zeit bereitzustellen, den Saal füllen. Für reguläre Statisten hätten wir in diesem Ausmaß kein Budget gehabt, das war ja wie gesagt alles semidokumentarisch angelegt. Auch für die Drehs in der Schule mussten wir eine leere Schule nehmen. Das war nur an einer Berufsschule möglich, weil alle anderen Schulen zum Zeitpunkt des Drehs nicht wussten, wie es mit dem Schulbetrieb weiterging. Keine Schule, die einen regulären Betrieb angepeilt hat, hätte uns reingelassen.


Hilde Dalik spielt in einer Doppelrolle eine ehrgeizige Schauspielerin, die sich für ihre Darstellung der Stefanie Sargnagel einen Österreichischen Filmpreis erhofft und eine gescheiterte Schauspielerin und beste Freundin von Stefanie, die als Kellnerin immer noch auf ihre Chance wartet. Wie haben Sie mit ihr zusammengearbeitet?

STEFANIE SARGNAGEL:
Für mich war es leicht, mit Profis zu arbeiten, weil sie einen gut abholen konnten, wenn ich selber gerade aus der Rolle gefallen bin oder nicht mehr weiterwusste. Dann können sie sehr gut darauf eingehen. Mit Laien zu spielen, die selber vielleicht auch ein bisschen unsicher sind, wäre es schwieriger gewesen.

SABINE HIEBLER: Die Arbeit mit Hilde Dalik hat super funktioniert. Wir hatten schon bei einem der früheren Filmkonzepte mit ihr als Stefanies Freundin einen Probedreh im Café Weidinger und da haben Stefanie und Hilde toll miteinander harmoniert. Es war eine Improvisation mit Textbausteinen, bei denen Hilde Stefanie immer wieder die Rutsche gelegt hat und Stefanie sehr gut frei darauf reagiert hat. Da war gleich klar – das matcht.


Der Film ist nun so konstruiert, dass das Publikum zum Großteil das „Material für das Making of des Films“ als Film zu sehen bekommt. Wie haben sich diese verschiedenen Kameraebenen lösen lassen?

GERHARD ERTL: 
Es gibt die sich durchziehende Perspektive des Dokuteams, die wir aber auch verlassen, wenn wir zum Beispiel „Ibiza“ in unsere Geschichte integriert als Überwachungskamera framen. Oder wenn wir in den Erzählstrang der Mockumentary die überbordende Inszenierung des Regisseurs einbauen. Uns war es aber wichtig, dass es zwischen den Ebenen fließende Übergänge gibt.

SABINE HIEBLER: Wir hatten mit unseren Kamerafrauen Anna Hawlicek und Carolina Steinbrecher zwei Kamera-Units. Die beiden kennen sich sehr gut, haben miteinander studiert und nun ihren ersten gemeinsamen, abendfüllenden Film gedreht. Vieles war bereits von uns im Script vorgegeben, aber da wir viel geprobt und vorbereitet haben, hatten wir die Möglichkeit, uns gut aufeinander einzuspielen und die verschiedenen Kameraebenen noch weiter zu entwickeln. Carolina und Anna haben auch gemeinsam noch im Detail viel ausgetüftelt.

GERHARD ERTL: Wir hatten wirklich ein tolles Team. Ein Glücksgriff in jeder Hinsicht.


Hat es auch Spaß gemacht, eine Komödie zu drehen?

GERHARD ERTL:
Ja es war sehr witzig. Es ist aber, wie schon gesagt, covidbedingt auch sehr viel passiert, was weniger lustig war: Andererseits hat die Pandemie das Team ganz besonders zusammengeschweißt.

STEFANIE SARGNAGEL: Und es gab keine Drehschluss-Biere oder Partys. Es war Arbeit Arbeit Arbeit.

SABINE HIEBLER: Ja, weder Schnapsklappe noch Bergfest waren erlaubt. Ich habe den Dreh dennoch als sehr lustig in Erinnerung, weil sehr viel Spielfreude da war. Besonders nach falschen Positivergebnissen hat bei allen die Erleichterung überwogen, dass wir weiterdrehen konnten.


Man sieht ja im Nachspann, dass es bei den Szenen in den Schulklassen nicht immer leicht war, ernst zu bleiben.

STEFANIE SARGNAGEL:
Meistens stehen viele Leute um einen herum und es herrscht ja doch ein Druck, dass man das zu Ende bringt oder man will selber fertig werden. Es war mir vor dem Dreh wenig bewusst, welchen Aufwand es bedeutet einen Take vorzubereiten. Das Lustige war ja, dass die Jugendlichen alle so ernst und beherrscht geblieben sind.


Wie geht es Ihnen mit dem Umstand, jemanden wie sich selbst auf der Leinwand zu sehen?

STEFANIE SARGNAGEL:
Es geht eh. Nach dem Lockdown war ich schon etwas von der Öffentlichkeit entwöhnt, ich hatte ja ein Jahr lang kaum Lesungen. Ich habe schon eine gewisse Öffentlichkeitsscheu entwickelt, die ich davor gar nicht hatte. Es war auch heftig für mich, Plakate mit mir in den Straßen zu sehen. Da musste ich mich erst daran gewöhnen.


Interview: Karin Schiefer
September 2021

«Die Form der Mockumentary, die das Projekt letztendlich angenommen hat, entspricht ja auch der Literatur von Stefanie Sargnagel, die sich stets im Übergangsbereich zwischen Fiktion und Realität bewegt. Ich sehe unseren Film als die filmische Form dessen, was Stefanie literarisch produziert.»