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Wolfgang Murnberger über KOMM, SÜSSER TOD

 

Krieg, nein. Nicht im österreichischen Bundesheer. Das wollte Berti unter allen Umständen vermeiden und landete als Zivildiener im Rettungsdienst der Wiener Kreuzretter. Dass in Wien jedoch Krieg zwischen den Rettungsgesellschaften herrscht, hatte er nicht ahnen können und sein pazifistisches Gewissen kommt in der heiteren Krimigroteske Komm, süßer Tod ordentlich auf den Prüfstand. Regisseur Wolfgang Murnberger, der Anfang der neunziger Jahre mit seinen ersten beiden Arbeiten Himmel oder Hölle und Ich gelobe aufhorchen ließ, kehrt nach mehreren TV-Arbeiten wieder ins Kino zurück. Der 40-jährige Filmemacher wagt sich diesmal an ein sein sehr ausgefallenes Stück österreichischer Literatur: einen Krimierfolg von Wolf Haas. Die bereits mehrfach mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichneten Romane des jungen Autors haben in seiner Leserschaft längst Kultstatus erreicht, weniger jedoch wegen seiner actionreichen Jagden nach dem Täter, als vielmehr wegen seines unübertrefflich subtilen Wortwitzes. Praktisch unverfilmbar, um eine Floskel des Autors zu strapazieren.

 

Detektiv wider Willen

Zu diesem Schluss kamen jedenfalls Autor und Regisseur nach den ersten Arbeitssitzungen. Für ein neues, von Anfang an filmgerechtes Drehbuch hatte der Autor, der gerade am nächsten Roman schrieb, keine Zeit. Also machte sich der Regisseur an die schwierige Aufgabe, den turbulentesten der fünf Haas'schen Krimistoffe über den kauzigen Detektiv Brenner in ein Treatment zu fassen. "Die Frage 'Wer ist der Mörder?'", so bringt Murnberger die grundsätzliche Schwierigkeit auf den Punkt, "ist im aktuellen Kino nicht sehr gängig. Die Leute wollen heute lieber dem Mörder beim Morden als dem Kommissar beim Aufklären zuschauen." Diese erste Hürde nahmen die Autoren auf ihre Weise. Denn der Aufklärer Brenner ist ein vom Dienst suspendierter Ex-Detektiv, der hofft, im Rettungsdienst endlich einen ruhigeren und sinnvolleren Job gefunden zu haben. Er wird völlig wider seinen Willen in die Aufdeckung dieser Mordserie im Medizinermilieu hineingezogen. "Ich hab das Treatment schon so konzipiert", erläutert Murnberger, "dass es einerseits einen Detektiv gibt, der am Fall nicht interessiert ist, es dafür einen Fall gibt, der am Detektiv interessiert ist". Als der missmutige Brenner eines Abends seine attraktive Jugendliebe Klara mit einem gebrochenen Bein aus einem Unfallwagen hievt, durchfährt ein Funken Lebensantrieb das lahme Dasein des Rettungsmannes, und plötzlich beginnen sich für ihn die Zusammenhänge abzuzeichnen.

 

Zu Tode gerettet

Die wirtschaftliche Existenz des Kreuzretter-Dienstes ist ernsthaft durch die unritterlichen Methoden des Konkurrenten Rettungsbund in Gefahr gebracht: sie horchen den Funk der Kreuzretter ab, schnappen ihnen Patienten vor der Nase weg, fingieren Fahrtenbücher, um von der Stadtverwaltung Förderungen für nie gefahrene Kilometer zu lukrieren und schrecken vor mafiösen Techniken nicht zurück, um die unliebsamen Gegner einzuschüchtern. Der Chef der Kreuzretter sieht keinen anderen Ausweg mehr, als betuchte Diabetes-Patientinnen zu einer Unterschrift unter gefälschte Testamente zu drängen und ihnen anschließend per unnachweisbarem Zuckerschock einen besonders süßen Tod zu bescheren. Für die Besetzung Brenners, den Grübler, der schon mal zwei Stunden überlegt, ob er noch auf ein Bier gehen soll, stand von Anfang an ein Wunschkandidat als Darsteller fest: Josef Hader, Aushängeschild der Wiener Kabarettszene und zuletzt im für Florian Flickers Der Überfall in Locarno preisgekrönten Schauspielertrio auf der Leinwand zu sehen, las das Drehbuch und war bereit, mitzutun. Unter einer Bedingung jedoch: selbst bereits am Buch mitzuarbeiten. So entwickelten Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in mehreren Etappen aus der heiklen Vorlage eine Drehbuchfassung, die schließlich allen dreien entgegenkam. "Ich hab von Anfang an gesagt", so der Regisseur über den speziellen sprachlichen Anspruch der Romanvorlage, "dass ich nur versuchen kann, die literarische Qualität in eine Qualität der Filmsprache zu übertragen. Ich überlegte mir also, die klassische Erzählweise adäquat zu durchbrechen". Eines der Mittel dabei war, eine manchmal verzögerte, improvisiert wirkende Kamera, die den Eindruck erwecken sollte, als würde der Protagonist durch unvorhergesehenes Handeln den Kameraman immer wieder überraschen und zu spontanem Reagieren zwingen.

Auch der finale Showdown ist dem Helden nicht vergönnt. Antstatt ihm Gelegenheit zu geben, nach der sauberen Detektivarbeit die Lorbeeren zu ernten, setzt der Regisseur Brenner außer Gefecht und verwehrt ihm noch dazu, die attraktive Jugendliebe Klara wieder zu gewinnen. "Es darf nicht immer alles gut ausgehen", so Murnberger, "das ist der Unterschied zwischen Kino und Fernsehen. Es ist schon gut, wenn der Fall gelöst wird, dass die Liebesgeschichte schlecht endet. Wäre der Fall nicht gelöst, dann hätte er heiraten dürfen". Insgesamt scheint es dem Regisseur nach einer Reihe von Fernseharbeiten ein geradezu diebisches Vergnügen bereitet zu haben, Publikumserwartungen zu enttäuschen und sich jenseits der rigiden TV-Regeln über guten Geschmack und politische Korrektheit lustvoll auszutoben. Die kreativen Freiheiten äußerten sich jedoch auch bei Komm süßer Tod in erster Linie im gelegentlich frechen Augenzwinkern, denn Budget- und Zeitrahmen waren in keiner Weise großzügiger als bei den letzten Fernsehproduktionen. "Ich versuchte halt aus der Not eine Tugend zu machen", resümiert Murnberger, "und verzichtete auf die üblichen Special Effects, die bei diesem Budget nur billig ausgesehen hätten." Die erste Einstellung ist für ihn beispielgebend für den gesamten Film: Bremsen quietschen, ein Auto fliegt durch die Luft und schlägt unspektakulär in der Sommerlandschaft auf. Keine Explosion. Keine zweite Kamera. Keine Zeitlupe. "Dies entspricht", so Murnberger, "dem Stil von Wolf Haas. Lapidar ist glaube ich ein gutes Wort, wie ich versucht habe, den Stil von ihm wiederzuerzählen. Unangestrengt. So ein bisschen aus der Hüfte".

 

Komm, süßer Tod
Regie: Wolfgang Murnberger
Produzent: Danny Krausz, Kurt Stocker (Dor Film)
Drehbuch: Wolfgang Murnberger, Wolf Haas, Josef Hader Kamera: Peter von Haller
Schnitt: Evi Romen
mit:  Josef Hader, Simon Schwarz, Barbara Rudnik, Nina Proll

www.kommsuessertod.at