FEATURE

2011 verspricht neue Namen und Nuancen im österreichischen Film

 

Sechs erste Spielfilme befinden sich mit Beginn 2011 in Postproduktion: DIE VATERLOSEN von Marie Kreutzer, SPANIEN von Anja Salomonowitz, MICHAEL von Markus Schleinzer, ATMEN Karl Markovics, STILLLEBEN von Sebastian Meise und LOCAL HEROES von Henning Backhaus.

 

Barbara Eder gelang mit INSIDE AMERICA ein eindrucksvoller erster Wurf: sie vereinte vom Stab bis zur Produktion ein ganzes Team, das sich gemeinsam mit wenig Budget und großer Motivation in ein erstes Langfilm-Abenteuer stürzte und einen überraschenden wie überzeugenden Film vorlegte. Blickt man zurück auf 2010, so war sie der einzige neue Name, der mit einem Spielfilmdebüt aufhorchen ließ. Die Sorge, dass im Schatten der vielen Erfolge der filmische Nachwuchs in Österreich nicht schnell genug zum Zug komme, sollte sich allerdings 2011 sehr schnell entschärfen lassen, denn neben Anja Salomonwitz’ SPANIEN befinden sich fünf weitere erste Spielfilme in Postproduktion: Marie Kreutzers DIE VATERLOSEN, Markus Schleinzers MICHAEL, Sebastian Meises STILLLEBEN, Karl Markovics’ ATMEN und Henning Backhaus’ LOCAL HEROES. „Gerade jetzt ist es wichtig,“ so der Leiter des Filminstituts Roland Teichmann, „dafür zu sorgen, dass der Nachwuchs Zeit bekommt, eine eigene Handschrift zu entwickeln, da wir sonst mit unseren Erfolgen irgendwann mal auslaufen.“


Vor gut einem Jahr von der Novotny Film zur Herstellungsförderung eingereicht, steht Marie Kreutzers erster Langfilm, kurz vor der Fertigstellung. Die Arbeit am Drehbuch zu DIE VATERLOSEN hatte im Frühjahr 2007 begonnen, damals als eines der ersten Projekte der von Ursula Wolschlager und Robert Buchschwenter gegründeten Witcraft Szenario, einer Produktionsfirma, die ihren Fokus auf die Stoffentwicklung bis zum drehfertigen Buch setzt. „Erstlingsfilme“, so Ursula Wolschlager, „sind uns ein besonderes Anliegen, nicht nur weil dafür unser Feedback und Begleitung besonders hilfreich sein kann, diese Form der Stoffentwicklung ermöglicht den Filmemachern auch, erst in einer fortgeschrittenen Arbeitsphase und mit einem ausgereiften Drehbuch an die herstellenden Produzenten heranzutreten“.
Marie Kreutzer nimmt in DIE VATERLOSEN den Tod der Vaterfigur zum Anlass, um von der aufwühlenden Begegnung dreier Geschwister im Haus ihrer Kindheit zu erzählen. „Marie Kreutzer“, so Ursula Wolschlager, „ ist eine Regisseurin, die ein außerordentliches Gespür für Atmosphäre hat und dafür, wie sich Figurenkonstellationen untereinander dynamisch entwickeln können. Außerdem halte ich die Geschwistergeschichte für einen besonders spannenden Topos.“

Um Geschwister- und Familienbande geht es auch in Sebastian Meises Debütfilm STILLLEBEN, wo die unausgesprochene Neigung eines Vaters zu seiner Tochter langsam die Familie unterhöhlt. „Bei Sebastian Meise fasziniert mich,“ so der Produzent Oliver Neumann von FreibeuterFim, „dass er mit einer profunden philosophischen Fragestellung an den Film herangeht.“ Das von Thomas Reider und Sebastian Meise verfasste Drehbuch, das 2007 mit dem Carl Mayer-Preis für das Treatment ausgezeichnet wurde, hinterfragt die Grenzen der Freiheit der Gedanken. STILLLEBEN ist sowohl für Regie als auch Produktion ein Spielfilmerstling, Nachwuchsarbeit betrachtet die FreibeuterFilm als eine wesentliche Aufgabe, um jungen Filmemachern einen Raum zum Experimentieren zu schaffen. „Ich halte es für wichtig“, so Oliver Neumann, „dass man beim ersten Film zu Mut und nicht zu Konformismus motiviert. Jeder ernstzunehmende Regisseur wird von sich sagen, dass er eine Zeit hatte, in der er probieren konnte.“ Sebastian Meise ist nicht der einzige, der sich an ein sperriges Thema traut, auch andere Filmemacher, die an ihrem ersten abendfüllenden Film arbeiten, haben es sich bei der Wahl ihrer Themen nicht gerade für leichte Kost entschieden - ob Karl Markovics in seiner ersten Regiearbeit ATMEN von einem jungen Strafgefangenen erzählt oder Markus Schleinzer in Michael die Gratwanderung wagt, einen Fall von Kindesmissbrauch aus der Sicht des Täters zu betrachten. „Auch bei MICHAEL“, so Roland Teichmann, „kann man nicht von einer ersten, leichten Fingerübung sprechen, im Gegenteil. Ich finde es toll, dass diese jungen Filmemacher trauen, schwierige Sachen anzugreifen und einen hohen Anspruch haben.“ Erste Regiearbeiten zu realisieren bedeutet für Produktionsfirmen eine zusätzliche Herausforderung, die Geld, vor allen Zeit und mehr Risikobereitschaft einfordert, als auf etablierte Filmemacher zu setzen. Tendenziell lässt sich in Österreich feststellen, dass sich neben jungen Produktionsfirmen vermehrt auch die etablierten Firmen dieser Aufbauarbeit annehmen. Den Spagat, den erfolgreichen und erfahrenen Filmemachern Bedingungen für kontinuierliches Weiterarbeiten zu bieten und gleichzeitig Neues nachwachsen zu lassen, hat letztendlich die Filmförderung zu leisten. „Es wäre die falsche Strategie,“ so Roland Teichmann, „nur auf Altbewährtes zu setzen. Es geht darum, die richtige Balance zu finden und die zur Verfügung stehenden Mittel so zu verteilen, um beides im angemessenen Rahmen möglich zu machen. Natürlich wäre es gut, wenn sich auch das Fernsehen dem Nachrücken der Talente vermehrt annehmen würde.“