FEATURE

011 BEOGRAD von Michael Pfeifenberger

 

Dejan und Maja bewegen sich nahe am Abgrund. Schon von Anfang an, als sie sich auf dem Dach einer Belgrader Stadtrandsiedlung zum Todestag eines Freundes wieder sehen, und, benebelt von Joint und Schnaps, knapp an der Dachkante mit dem Absturz flirten.

Dejan weiß zu diesem Zeitpunkt nicht von Maja, dass sie die Mätresse eines fettbauchigen Mafioso ist und kokst, um dieses Dasein durchzustehen. Maja weiß von Dejan nicht, dass er weder Job noch Geld noch Papiere hat, obwohl er nur davon redet, demnächst nach Berlin zu gehen. Beide ahnen sie nicht, dass ihre gemeinsame Freundin Danja, die behauptet, auf Heimaturlaub aus Berlin da zu sein, heimlich schon wieder in Belgrad jobt und gar nicht an eine erneute Abreise denkt. Alle drei rätseln sie noch immer über die Hintergründe von Zeljkos tödlichem Unfall vor einem Jahr.

Ein Toter und drei einsame Kämpfer, die unentwegt nach Strategien des Überlebens suchen, stehen im Mittelpunkt von Michael Pfeifenbergers neuem Film 011 Beograd. Wie schlagen sich junge Leute in einer Stadt ohne Ressourcen durch? Wo bleibt Platz für ihre Ziele und Träume? sind Fragen, auf die die Wiener Novotny & Novotny Film in einem Zyklus Survival in the City von verschiedenen Regisseuren eine filmische Antwort geben lässt.

011 Beograd ist der erste Teil einer Serie, auf den im kommenden Jahr noch Arbeiten zu Rio de Janeiro, Berlin und Havana (letztere ebenfalls unter der Regie von Michael Pfeifenberger) folgen sollen. Belgrad im Jahr 2002 ist ein Belgrad der zerstörten Brücken und verseuchten Gewässer, des langsam defekt werdenden Grabmals von Tito und der illegalen Geschäfte. Die Zwanzigjährigen haben schon eine Menge Vergangenheit hinter, aber wenig Zukunft vor sich. In einer Gesellschaft, wo weder familiäre noch soziale Netze und nicht einmal Gesetze für Halt sorgen, ist jeder gezwungen, sich allein auf seinen Überlebensweg zu machen. Der Filmemacher, der mit dortigen Schauspielern in serbokroatisch gedreht hat, skizziert in 011 Beograd drei junge Leute, die trotz Tristesse und Misere gelassen und heiter die Suche nach Leichtigkeit unter den Trümmern ihrer Lebensaussichten nicht aufgeben. (ks)