INTERVIEW

Andreas Prochaska über  IN 3 TAGEN BIST DU TOT 2

 

«Für mich war klar, ich wollte kein Sequel machen, das eine bloße Variation des Originals ist. Wenn wir ein Sequel machen, sagte ich, dann muss es innerhalb des Genres in eine völlig andere Richtung gehen.»  Ein Gespräch mit Andreas Prochaska.



Stand die Idee zum Sequel bereits bei der Entwicklung des ersten Teiles von In 3 Tagen bist du tot im Hintergrund?
Andreas Prochaska: Nein, ich hatte darüber nie nachgedacht. Ich war beim ersten Teil so damit beschäftigt, diesen Film auf die Reihe zu kriegen. Durch den Erfolg ist der Produzent Helmut Grasser dann mit der Idee des Sequels auf mich zugekommen.  Für mich war klar, ich wollte kein Sequel machen, das eine bloße Variation des Originals ist. Wenn wir ein Sequel machen, sagte ich, dann muss es innerhalb des Genres in eine völlig andere Richtung gehen. Wir haben in der Folge relativ viele Geschichten verworfen, ganz Drehbücher wieder weggeworfen.
Es gab eine erste Idee von mir, wo die ganze Geschichte im Urlaub in Spanien gespielt hat, da war Helmut Grasser aus verschiedenen Gründen dagegen, weil er die Auffassung vertrat, dass es eine Geschichte ist, die zur Gänze in Österreich spielt und das auch so bleiben sollte. Das habe ich auch akzeptiert. Uns als dann auch die Idee – Winter/Schnee im Raum stand, hielt ich das auch für visuell attraktiv. Das Entscheidende war dann, in der Entwicklung der Idee eine Situation zu finden, die eine Form von Glaubwürdigkeit hat. Da war sehr schnell klar, dass die Gefahr, in die die Protagonistin gerät, nicht von außen kommen kann, sondern dass sie sich selber in Gefahr bringen muss.

In der Landschaft des Salzkammergutes, wo der erste Teil spielt, gibt es zwei imposante Elemente – das Wasser und das Gebirge. War es im ersten Teil das Wasser, so dominiert diesmal die Unwirtlichkeit des Gebirges und damit auch ein anderes Element.
Andreas Prochaska:  Das Entscheidende, weshalb das Original auch international so gut funktioniert hat, ist meiner Meinung nach das Authentische, weil es mit Elementen, die man mit Österreich assoziiert, auch spielt. Diese Idee haben wir in diesem Film noch konsequenter fortgeführt, sodass es durch die rustikale Umgebung, in der das spielt, beinahe in den Heimatfilm hineingeht. Ein Aspekt, der mich immer sehr interessiert, ist der Verlust von allen Hilfsmitteln, die einem normalerweise zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zum ersten Film spielen Handys praktisch überhaupt keine Rolle mehr. Und es geht auch darum, dass man auch in Österreich, wenn man zweimal falsch abbiegt, in Lebensgefahr geraten kann, auch wenn keine völlig Verrückten hinter dir her rennen, sondern dadurch, dass die Natur ihre Gewalt ausübt. 

Der Ansatz war der, dass sich die Protagonistin selber in Gefahr bringen muss. Diesmal ist es auch so, dass man im Gegenteil zum ersten Film die Täter kennt.
Andreas Prochaska: Genau, es war so. Es war für mich ausgeschlossen, nocheinmal dasselbe zu erzählen. Es ist eine hoffentlich geglückte Mischung aus einigen Mystery-Elementen – es gibt ein Geheimnis, das dahinter steht, das nichts mit dem Täter zu tun hat, sondern mit der Heldin. Es gibt eine Suche, einen Hauch von Western durch die Einsamkeit der Landschaft, aber an einem gewissen Punkt wird es zu einem ziemlich harten Survival-Horror, wo die Protagonistin um ihr Leben rennen muss und dabei um sich schlägt.

Haben die Dreharbeiten von Zodiac dazu geführt, dass Sie innerhalb des Horror-Genres in eine andere Richtung gehen wollten? Hat diese Arbeit Sie auch woandershin geführt?
Andreas Prochaska: Für mich war Zodiac innerlich immer unter "Hochglanz-Schund" im besten Sinne abgespeichert. Das war Fernsehunterhaltung auf hoffentlich hohem Niveau, das hat genremäßig mit dem, was ich im ersten und zweiten Teil von In 3 Tagen bist du tot versucht habe zu machen. überhaupt nichts zu tun. Zodiac, das war Dallas mit ein bisschen Mystery-Murder, das hat nichts mit der Authentizität zu tun, die ich versucht habe, in die beiden In 3 Tagen-Filmen zu bringen. Das fängt bei der Sprache an und hört bei den Protagonisten auf. Im zweiten Film stand ich vor der Herausforderung, eine Tiroler Familie zu erzählen, wo es wichtig war, Gesichter zu finden, die man noch nicht so oft gesehen hat, um nicht sofort eine Assoziation zu einem Schauspieler zu haben. Es war sehr spannend, diese Leute ausfindig zu machen und ich denke, ich habe da einige Entdeckungen gemacht. Man müsste eigentlich ein Prequel zu dieser zweiten Geschichte machen, um diese Familie mit ihren starken Charakteren intensiver zu featuren, die ja aufgrund der Geschichte nicht so viel vorkommt, wie sie vorkommen sollte. Die Söhne halte ich für unglaublich stark. Helmuth Häusler, der Hans spielt und Philipp Rudig, der den Josef spielt, sind Schauspieler, die habe ich vorher noch nie gesehen. Sie spielen sehr viel Theater und sind in ihren Engagements auch so gebunden, dass sie kaum drehen können. Umso mehr freut es mich, dass es geklappt hat und dass ich Gesichter vor die Kamera bekommen habe, die man normalerweise nicht sieht.

Was hat es bedeutet, im Winter zu drehen?
Andreas Prochaska: Das bedeutet grundsätzlich einmal ein ständiger Blick zum Himmel. Wir haben im Februar/März fünf Wochen lang in Tirol gedreht, in einer Gegend auf 1.200 Meter, die als schneesicher gilt. Es hatte im November einmal heftig geschneit und dann kaum mehr, der Schnee wurde also kontinuierlich weniger. Wir hatten dann aber Glück, dass es am Samstag vor Drehbeginn noch einmal kräftig geschneit hat, was uns einige spektakuläre Einstellungen ermöglicht hat. Danach war es ein ständiges Herumschieben. Der Schnee, der fällt, ist natürlich künstlich - es ist eine Mischung aus SFX on location und CGI-Schnee. Darüber hinaus hatten wir einen tollen Support, indem der Schnee in Lastwagenladungen immer dorthin transportiert worden ist, wo wir ihn gerade gebraucht haben. Im Großen und Ganzen, hatten wir unglaubliches Glück, einerseits was wettermäßig alles hätte dazwischen kommen können, andererseits auch mit einer Hauptdarstellerin, die ein drei Monate altes Baby hatte. Uns wenn man davon absieht, dass ein Dreh zur Semesterferienzeit zur Folge hat,  dass wir mehrmals unsere Unterkünfte wechseln mussten. Drei Tage haben wir in Ebensee gedreht und dann auch noch in Wien. Von den Motiven her ist der Film viel offener als der erste Film, auch wenn er letztlich geschlossener wirkt, weil ganz viel auf einem Motiv, nämlich auf dem Berg in der Nacht spielt. Aber die Reise davor ist quasi eine Österreich-Tour - sie beginnt in Wien, führt weiter nach Ebensee und geht dann weiter nach Tirol in die Berge.

Gab es für diesen zweiten Teil, auch wenn er in eine andere Richtung gehen sollte, Vorbilder/Inspirationen?
Andreas Prochaska: Es war mir wichtig, bei diesem Film inhaltlich origineller zu sein. Der erste Film, daraus habe ich nie ein Hehl gemacht, war eine österreichische Cover-Version eines amerikanischen Horror-Films. Der zweite Film geht meiner Meinung nach einen eigenständigeren Weg und ist in vielerlei Hinsicht düsterer und härter. Er ist unangenehmer und beunruhigender als der erste, der mehr mit dem Genre spielt, indem er viel zitiert und  an viele Horror-Standardsituationen appelliert. Ich hoffe, dass die Zuschauer das auch annehmen ? der zweite Teil ist bis zur Hälfte eigentlich fast ein Road-Movie und wendet  sich zu einem klaustrophobischen Kammerspiel. Natürlich sieht man sich in der Vorbereitung andere Filme an – wie in diesem Fall Fargo, A Simple Plan – viele Filme mit Schnee um zu sehen, wie wurde Schnee in Szene gesetzt. Es war aber nicht so, dass ich inhaltlich nach Inspirationen gesucht habe.
 

Die Musik scheint eine besonders wichtige Rolle zu spielen?
Andreas Prochaska: Der erste Film hatte im ersten Drittel viel mehr Heiterkeit, deshalb war mehr Rock-Musik drinnen, er hatte mehr Songs, weil jeder der Protagonisten seine Musik gehört hat. Im zweiten Film gibt es viel weniger Source-Musik, auch wenn es, wie beinahe in jedem österreichischen Film eine Disco-Szene gibt, es sind da außerdem Szenen im Platten-Laden und es gibt eine sehr schöne Schlussnummer von Soap & Skin, die wirklich eine Entdeckung für mich waren. Ansonsten ist die Filmmusik von der Konzeption her anders, da sie eher den Emotionen der Hauptfigur folgt und weniger versucht, von außen zu beschreiben. Herauszufinden, wie intensiv muss die Musik sein bildete dabei den Kern meiner Arbeit mit Matthias Weber. Musik kann einerseits total dynamisierend sein, andererseits schafft sie eine Form von Verfremdung, wo man sich zurücklehnen und sich sagen kann, das ist jetzt ein Film und da geht die Musik drüber. Wir haben versucht, die Musik so einzusetzen, dass sie mehr unterbewusst wirkt. Mal sehen, ob es funktionieren wird.

Neben den zahlreichen Tiroler Schauspielern haben Sie auch wieder eine große Rolle für Sabrina Reiter geschaffen.
Andreas Prochaska: Mir war es am Anfang gar nicht so bewusst, wie groß die Last war, die auf ihren Schultern lag. Im ersten Film hatten wir fünf Leute, die den Film getragen haben, auch wenn sie kontinuierlich weniger wurden. Jetzt trägt sie den ganzen Film, sie ist beinahe in jeder Einstellung drinnen Wenn der erste Film physisch schon eine Anstrengung war, ist es der zweite jetzt zur Potenz. Durch Schnee, Nacht und alle Spezialeffekte und noch viel mehr Szenen, ging es für Sabrina wirklich an die Grenzen. Wenn man z.B. Schnee im Film sieht, dann scheint es etwas Stilles, beim Drehen ist ja das Gegenteil der Fall. Die Schneemaschinen haben die Lautstärke einer aufgebohrten Vespa, dazu kommen Windmaschinen, die einen Höllenlärm machen. Man muss als Darsteller eine innere Spannung erzeugen, obwohl um einen das totale Chaos und Getöse herrscht. Es gab viele Situationen, die fürs ganze Team an die Grenzen gingen, ich muss aber dazu sagen, dass Sabrina Reiter eine Performance abgeliefert hat, da muss man im deutschsprachigen Raum suchen, um jemanden zu finden, der auch physisch so an seine Grenzen geht. Es gibt am Schluss Szenen, wo sie sich mit bloßen Händen durch den Schnee zur Hütte kämpft. Ich kann dazu nur sagen, viele Emotionen, die man sieht, sind echt.

Der Film hat einen großen Erfolg beim Publikum erzielt. Hatten Sie Gelegenheit, die Reaktionen des Kinopublikums im Saal zu erleben?
Andreas Prochaska: Ich muss gestehen, ich hab mich nicht getraut, mich in eine öffentliche Vorstellung reinzusetzen. Dazu kam auch, dass ich zu dieser Zeit gedreht habe und sehr beschäftigt war. Eines hat mich bei der Vorbereitung zu diesem Film wirklich beeindruckt: wir waren am hintersten Ende eines Tiroler Tals und die Leute fragten uns, was wir dort machten. Wir sagten, wie drehen In 3 Tagen bist du tot und sie meinten, wieso, den gibt es doch schon. Es haben sehr viele Leute den Film gesehen, auch durch die DVD, die sich sehr gut verkauft hat. Der Film war, ob man ihn gesehen hatte oder nicht, ein Begriff. Das hat mich sehr gefreut. Es gibt natürlich auch die Hardcore-Horrorfans, denen das zu harmlos ist, ich wollte aber nie in die Blut und Beuschel-Liga eintreten und ich kann sagen, vom Großteil der Leute war das Feedback sehr positiv. Ich hatte das Eindruck ? was auch die Absicht gewesen war ?, einen Film für ein junges Publikum zu machen, ohne sich ihnen anzubiedern. Der Film wurde angenommen und die Leute haben sich gefreut, dass es so etwas gibt.

Wie haben Sie die erste Premiere auf der Piazza Grande erlebt?
Andreas Prochaska: Das war natürlich sensationell und ich hoffe, dass es diesmal ähnlich sein wird und das Wetter wieder passt. Es freut mich natürlich sehr, dass auch der zweite Teil wieder auf der Piazza aufgeführt wird, was für ein Sequel nicht selbstverständlich ist. Den Bonus, den der erste Film hatte, der galt ja beim zweiten nicht mehr. Diesen Film vor einem Publikum von 5.000 Menschen aufzuführen, das kein einschlägiges Horrorfilm-Publikum, sondern ein ganz normales Festivalpublikum ist, ist etwas Besonders. Und da sind die Reaktionen natürlich völlig anders als bei den einschlägigen Festivals. Der Film war auf zehn, fünfzehn Festivals in der ganzen Welt und ich bin mir dort mit meiner österreichischen Cover-Version eines US-Horrorfilms ein bisschen wie ein Schmuddelkind vorgekommen, das da etwas kopiert hat. Die Besonderheiten, die In 3 Tagen bist du tot hat, sind auf diesen Festivals dennoch wahrgenommen worden. In Locarno war es unglaublich, weil es sehr stille Momente gibt und man die Spannung auf der Piazza gespürt hat. Da gab es Situationen wie eine Person rückt mit dem Sessel und fünf Leute daneben schreien auf. So einen großen Platz mit seinem Film quasi im Griff zu haben, etwas Schöneres gibt es kaum für eine Regisseur. Deshalb mag ich dieses Genre auch, weil die Reaktion so unmittelbar ist.

 


Interview: Karin Schiefer
2008