INTERVIEW

Johanna Moder und Libertad Hackl im Gespräch

 

Kurzfilme – Langfilme

LIBERTAD HACKL: Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin, war meine letzte Arbeit vor dem Diplomfilm. Die Länge hat sich eher ergeben. Wir begannen zu schreiben mit der Absicht, einen 15-Minuten-Film zu machen, das Buch war schließlich auf 30 und beim Drehen nocheinmal zehn Minuten länger geworden.

JOHANNA MODER: Immer mehr Leute drehen auf Video. Es ist deshalb nicht neu, dass die Studienarbeiten länger werden. Wir wollten anfangs zu dritt einen Langfilm machen. Es hat sich dann herausgestellt, dass es doch länger dauert, wenn drei Leute versuchen, gemeinsam an einer Geschichte zu arbeiten. So haben sich die Arbeiten parallel herauskristallisiert. Her mit dem schönen Leben war bei mir die erste Arbeit im zweiten Abschnitt. Mein Drehbuch ist auf 45 Minuten ausgerichtet, als  dann 37 Minuten herauskamen, haben alle aufgestöhnt, weil es ein schlechtes Format ist, das nirgends unterzubringen ist. Während des Schnitts denkt man da nicht dran, da will man nur, dass es stimmt, alles andere ist einem egal und erst im Nachhinein kommt man drauf, wie kurzsichtig das war. Deshalb finde ich es auch gut, wenn sich Leute jetzt sagen, sie machen gleich 90 Minuten, dann kann man, wenn der Film gut wird, evtl. auch ins Kino gehen. Wichtig ist für uns auf alle Fälle, dass der Film auf Festivals gehen kann.


Studentenbudgets

LIBERTAD HACKL:  Für bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin waren es ca. 40.000,- € Der Anteil von dem, was von der Akademie zur Verfügung stand, war relativ gering, das meiste kam von Förderstellen, d.h. von Länderförderungen, vom Kunstförderungsbudget der Wiener Städtischen und dann kam noch etwas von der VAM. Wir haben auf Video gedreht, was wiederum bedeutet, dass sich das Akademie-Budget verringert, obwohl man in der Postproduktion dann das Geld brauchen würde. Ohne Förderungen hätten wir den Film nicht machen können. Beim Geld, das die Akademie zur Verfügung stellt, kommt es auch immer darauf an, wie viele Studenten der Akademie in den Hauptfächern besetzt sind und wenn jemand Diplom macht, gibt es noch zusätzliches Geld.

JOHANNA MODER: Her mit dem schönen Leben hat zwischen 25.000 und 30.000,- € gekostet. Man kann in etwa sagen, ein Drittel war Förderung, die nur aus der Steiermark kam, ein Drittel Filmakademie und ein Drittel ist von uns selber hineingeflossen. Kamera, Produktion und Regie wir waren alle mit eigenem Geld drinnen. Ich konnte mir das damals leisten, weil ich davor sehr viel gearbeitet hatte. Dennoch hätten wir uns das Projekt ohne Thomas Pluch-Förderpreis für das Drehbuch nicht leisten können. In dieser Zeit sind schon die Briefe der Anwälte gekommen und wir haben gerade noch mal die Kurve gekratzt. Der Preis, den wir jetzt von den Freunden der Filmakademie bekommen haben, ist genau das Geld, das wir für die Teampremiere in Graz brauchen.


Film oder Video

JOHANNA MODER:  Ich denke schon, dass die Filmakademie immer noch eher Richtung Film ausgerichtet ist. Ich habe jetzt nach Her mit dem schönen Leben einen Dokumentarfilm gedreht, weil ich kein eigenes Geld mehr hineinstecken konnte und etwas leicht Überschaubares machen wollte. Ich habe ihn auch auf Video gemacht und hatte ca. 40 Stunden Material. Für mich ist das eine sehr schludrige Form von Arbeit auch was das Schneiden betrifft. Man könnte jede Richtung einschlagen und aus dem Material wahrscheinlich 1000 unterschiedliche Filme gestalten. Mit Film ist die Vorbereitung schon eine ganz andere.

LIBERTAD HACKL:  Wir haben auf HD DVC Pro gedreht und hatten einen 35 mm-Adapter, der uns täglich über 200,- € gekostet hat. Wir hatten ein Drehverhältnis von 1:12. Als ich an der Akademie zu studieren begann, haben wir mit 16 mm-Film begonnen und auch noch am Schneidetisch gearbeitet. Diese Erfahrung habe ich immer noch im Kopf und es beeinflusst auch meine Arbeit mit Video. Insofern ist die Akademie dem Film verpflichtet, auch wenn es jetzt mehr in Richtung Video geht, so bleibt das schon in den Köpfen.

JOHANNA MODER: Ich glaube, dass auf alle Fälle die Dokumentarfilme jetzt auf Video gemacht werden. Bei uns war es auch so, dass wir noch am Schneidetisch gearbeitet haben. Ich habe 2001 zu studieren begonnen und der Jahrgang nach uns war der letzte, der das noch gemacht hat. Ich habe das aber schon sehr genossen. Es war eine gute Schule und man bekommt so etwas wie einen Kaderrespekt.


Alltagsgeschichten

LIBERTAD HACKL: Ich glaube eher an die Helden des Alltags, es interessieren mich Geschichten oder Figuren, auf die nicht die Aufmerksamkeit in der Gesellschaft gerichtet ist. Darüber hinaus habe ich schon auch Geschichten im Kopf, die aus dem Alltäglichen herausgenommen sind, aber da fällt es mir schwerer, darüber zu schreiben.

JOHANNA MODER: Was mich fasziniert, ist, Charaktere in bestimmte Situationen zu bringen, den Alltag ein bisschen zu kippen und dann zu schauen, wie sie reagieren. Ich finde den Menschen in seinem Facettenreichtum einfach faszinierend und es geht mir auch darum, Charaktere im Detail zu gestalten. Auf der Filmakademie bekommt man das Gefühl, es geht immer nur um zwischenmenschliche Beziehungen. Ich wollte in Her mit dem schönen Leben nichts mehr über dieses banale „Lieben oder Nicht-Lieben“ erzählen, sondern etwas mehr Spüren. Deshalb war es mir extrem wichtig, dem Ganzen einen politischen Aspekt zu verleihen.


Wiener Schule

LIBERTAD HACKL: Es gibt unter den Regiekollegen einen Austausch, ähnliche Haltungen, ich habe nicht das Gefühl, dass man von einer „Schule“ sprechen kann. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob sich Leute wie Barbara Albert, Jessica Hausner in einer „Schule“ wieder gefunden und es so erlebt haben oder ob das nicht eher im Nachhinein so interpretiert worden ist.

JOHANNA MODER: Es gibt Überlegungen zur Gründung von eigenen Firmen, aber eher aus pragmatischen Gründen. Es gibt Leute, die sich sehr gut verstehen, und da gibt es auch einen sehr intensiven Austausch. 

LIBERTAD HACKL: Der Austausch mit den Kollegen, so ist mein Eindruck, ist das, wo wir an der Akademie am meisten zu lernen, die Auseinandersetzung miteinander und mit den Arbeiten der anderen scheint mir das Fruchtbarste, was an der Akademie geschieht. Als ich mit dem Studium begonnen habe, habe ich in der Zusammenarbeit mit den höheren Jahrgängen am meisten gelernt.


JOHANNA MODER: Es ist auch so, dass einem die Kollegen ungeheuren Rückhalt und Unterstützung geben, gerade wenn mal etwas von Seiten der Professoren nicht so anerkannt wird.


Internationale Zusammenarbeit – Vernetzung

LIBERTAD HACKL: Es gibt relativ wenig. Am ehesten mit Potsdam. Lena Kammermeier, mit der ich das Drehbuch zu Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin geschrieben habe, hatte gerade ein Auslandsjahr gemacht und so hat es sich ergeben.
Das Problem ist, wir würden Studienzeit verlieren, wenn wir ins Ausland gehen und dürften dort keine Filme drehen oder würden noch weniger Geld zum Drehen zur Verfügung haben.

JOHANNA MODER: Es ist ja auch so, dass man zu anderen Leuten zunächst ein Vertrauen aufbauen muss. Wenn man ein halbes Jahr an einer anderen Filmschule ist, kann man in der kurzen Zeit sehr schwer eine Entscheidung treffen. Bei Regie scheint es mir schwieriger als für Drehbuch oder Schnitt. Gerade, weil wir unsere Geschichten sehr aus dem österreichischen Alltag zu schöpfen, stelle ich mir das schwierig vor, an einem fremden Ort eine Geschichte zu entwickeln.


Inspirationen

LIBERTAD HACKL:  Bei mir sind es am ehesten die Deutschen ? Andreas Dresen, Christian Petzold, was nicht heißt, dass ich die österreichischen nicht interessant fände. Christian Petzold hat eine Art zu erzählen, dass seine Geschichten überall spielen könnten und dennoch so etwas Deutsches haben. Er hat eine besondere Liebe zu den Figuren, er zeigt ganz gewöhnliche Leute ohne jeglichen Provinzialismus. Auch in seiner Beobachtung bleibt er in einer Distanz zu ihnen.

JOHANNA MODER: Mir fällt Michel Gondry ein und dann Fernando León de Aranoa, der Montags in der Sonne gedreht hat. Diesen Film habe ich gesehen, bevor wir Her mit dem schönen Leben gedreht haben. Sein Umgang mit der Alltagspolitik und diese aufmüpfigen Geister haben mir so gut gefallen, und er hat eine Leichtigkeit und einen Humor in der Tragik, der nie erschütternd ist. Bei Michel Gondry denke ich an seine Musikvideos und an Eternal Sunshine on a Spotless Mind. Er hat immer einen leichten Hang zum Absurden, vermengt das mit einer großartigen Schauspielführung und hat diese Sensibilität für Details im Zwischenmenschlichen. Bei seinem nächsten Film, Science of Sleep, war mir alles zu überladen. Wahrscheinlich muss man auch vorsichtig sein mit den großen Bewunderungen.
 

Erster Langfilm

JOHANNA MODER:  Beim ersten Langfilm muss man sich gut überlegen, mit welchem Film möchte ich gerne an die Öffentlichkeit gehen und bekannt werden, falls es funktioniert, ohne gleich einen Stempel draufzukriegen. Mich interessiert das Krimi-Genre sehr, ich habe auch schon etwas entwickelt, es wäre aber so konzeptionell, dass es momentan nicht das Richtige für mich wäre. Ein Langfilm ist eine Liga höher und da bleibe ich lieber im Alltag. Bei mir ist es so, dass ich auf meinen ersten Spielfilm zuarbeite und würde das gerne mit einer etablierten Produktionsfirma machen. So stelle ich es mir zumindest vor. Es ist mir völlig klar, wie man es auch bei Abgängern der Filmakademie sieht, wie schwierig es ist, eine Produktionsfirma zu finden und den Film auch finanziert zu bekommen. Es ist jetzt gerade eine schöne Phase, weil alles am Wachsen ist, man sich noch nicht mit der Dramaturgie herumschlagen muss und man sich selber noch überraschen mit Dingen kann, die einem einfallen.

LIBERTAD HACKL:   Ich denke auch an den ersten Langfilm in Koproduktion mit einer etablierten Firma und nicht daran, eine eigene Firma zu gründen, auch wenn ich den Gedanken, eine Produktionsfirma mit einem Kollektiv an ähnlich Gesinnten zu haben, sehr reizvoll finde. Zur Zeit gibt es Gedankenbilder, aber nichts Fertiges. Bei mir sind es auch eher Alltagsgeschichten und ich schreibe gerade auch ein Drehbuch nach einer Literaturvorlage, das ich nicht selber verfilmen möchte. Es ist meine erste Adaptation einer literarischen Vorlage, ich finde es sehr spannend, die Äquivalente der literarischen Sprache in den Bildern der Drehbuchsprache zu finden.


Festivals

JOHANNA MODER:  Festivals sind extrem wichtig, weil wir unsere Filme sonst nirgendwo zeigen können. Das schlimmste ist, wenn man ewig an einem Projekt arbeitet und dann eigentlich keine Plattform findet, wo man Feedback bekommt. Die ganze Arbeit verläuft sich dann in einer solchen Leere, dass man sich fragt, wozu man sie gemacht hat?

LIBERTAD HACKL:  Es ist einfach wichtig, dass sich ein Film ans Publikum richten kann. Ansonsten bleibt der Film am Haus unter Kollegen, die ihn von der Seite der Macher betrachten. Von Seiten des Publikums kommen eher Reaktionen, die man nicht vermutet hätte. Das ist total spannend.


Fernsehen

LIBERTAD HACKL:  Ich finde es interessant, weil es eine Möglichkeit bietet, auch Nicht-Kinogeher zu erreichen. Wenn es eine Zusammenarbeit mit dem ORF gäbe, fände ich es gut, zum Teil gibt es sie auch, aber man muss entsprechen. Was fehlt, finde ich, ist der Mut, sich auf uns einzulassen, die wir nicht in Quoten denken. Ich denke v.a. für mich als Autorin wäre eine Arbeit fürs Fernsehen eine gute Erfahrung, weil es sehr ums Handwerk geht, viel mehr, als bei den Filmen, wie wir sie erzählen.

JOHANNA MODER: Ich halte auch das Format Serie für sehr spannend. Da etwas zu entwickeln und es vom Fernsehen unterstützt zu bekommen, das wäre großartig. Die Entwicklung bei Serien erfordert einen unglaublichen Denkprozess, in den sehr viele Menschen involviert sind. Das muss man sich finanziell leisten können, ein Jahr an der Entwicklung zu arbeiten. Aber so etwas wie Twin Peaks in Österreich würde ich sofort fürs Fernsehen machen.


Perspektiven

LIBERTAD HACKL:  ch habe für mich noch keine Strategie gefunden. Ich möchte es jedenfalls versuchen, als Diplomfilm einen Langfilm zu machen. Ob es funktionieren wird, hängt nicht von mir alleine ab. Ich denke auch, man darf nicht zu schnell Kompromisse eingehen. Die Filmakademie ist nicht so ein behüteter Ort, wir kämpfen ja alle, mit unseren Filmprojekten. Es kommt sehr häufig vor, dass Studenten eigenes Geld in ihre Projekte stecken und natürlich enorm viel Zeit und noch sehr viel Kraft hinein. Es ist ja auch so, dass wir als Regisseurinnen beim Drehen noch viele Funktionen übernehmen und nie ein Team haben können, wo alle Departments abgedeckt sind. Insofern kann es nur besser werden. Ich denke, wir müssen so lange es geht, uns selber treu und hartnäckig bleiben

JOHANNA MODER:  ... und versuchen so lange wie möglich zu kämpfen, um zu verwirklichen, was wir uns vorstellen.



Interview: Karin Schiefer
Juli 2007