INTERVIEW

Produzent Josef Aichholzer über  DIE FÄLSCHER

 

«Mich hat der Stoff aus zwei Gründen fasziniert: da ist einerseits ein Charakter mit einer Tiefe, mit der Turbulenz seines Lebens, mit der Bedrohung seines Lebens und mit der Tatsache, dass alles real und keine Drehbuchphantasie ist. Das andere ist der historische Rahmen des Unternehmen Bernhard – diese Geschichte ist skurril, bizarr, politisch aufklärend, wie sich das Naziregime der Juden bedient hat.»

Josef Aichholzer über Der Fälscher, österreichisch-deutsche Koproduktion mit Karl Markovics, August Diehl und David Striesow in den Hauptrollen, die bis Anfang Mai 2006 unter der Regie von Stefan Ruzowitzky gedreht wird.

 

Wie haben Sie den Stoff für Die Fälscher entdeckt?

JOSEF AICHHOLZER:  Der Stoff liegt auf der Straße. Es ist ein historischer Stoff, in den zwei Dinge hineinspielen: das eine ist das Unternehmen Bernhard, die größte Geldfälschaktion der Geschichte, von den Nazis als politische Strategie während des Krieges erfunden, zunächst um die britische Wirtschaft lahm zu legen. Als sie sahen, dass es funktionierte und die Fälschungen nicht als solche erkannt wurden – so wird im Film erzählt – dann wurde es nicht nur strategisch eingesetzt, um die Wirtschaft zu unterminieren, sondern auch für andere Dinge genutzt - Spionage, z.B. das andere ist die Hauptfigur, die auch real ist. Es gab einen russischen Juden, der Kunst studiert hatte und während der Pogromzeit Stalins seine Familie verlor. Er floh mit seinem Kunstprofessor und kam zunächst nach Wien, und war dann weiter in Europa unterwegs. Er dachte sich eines Tages, wieso schön zeichnen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn man das Geld gleich selber zeichnen kann und wurde in der Folge einer der berühmtesten Geldfälscher des 20. Jhs. 1936 wurde er in Berlin wegen Geld-, Pässe- und Dokumentenfälscherei verhaftet und da er Jude war später ins KZ Mauthausen überstellt. Als das Unternehmen Bernhard begann, das war viel später, sind viele Juden - Drucker usw. jedenfalls Fachleute für die Falschgeldproduktion - von den verschiedenen KZs zusammengeholt worden. Jedem war klar, den Nazis ebenso wie den KZ-Opfern, dass das ein Leben auf Zeit war.


Wenn Sie sagen, der Stoff lag auf der Straße, heißt das, dass sie dieses Buch entdeckt haben?

JOSEF AICHHOLZER:  Jeder stößt auf Geschichten. Ich bin zufällig auf diese Geschichte gestoßen und habe sie Stefan Ruzowitzky präsentiert. Er wollte zuerst mal darüber schlafen, weil er auch andere Anfragen hatte und mit der Industrie entwickelt. Zwei Wochen später rief er mich an und erzählt, es hätten ihn kurz darauf Hamburger Produzentinnen kontaktiert, ihn auf denselben Stoff angesprochen haben und ihn als ersten Kandidaten auf der Wunschliste gehabt. Sie waren auf die Memoiren von Adolf Burger gestoßen und als hätten sie von meinem Kopf abgelesen: wir wollten haargenau dieselbe Story erzählen, haargenau denselben Drehbuchautor und Regisseur, weil wir glauben, dass er gute Charaktere erzählen kann. Für diesen Film vereint Stefan Ruzowitzky die Fähigkeit, Charaktere darzustellen, wie wir es aus Die Siebtelbauern kennen und das Gespür fürs größere Publikum aus Anatomie. Zwischen diesen beiden Polen ist das Projekt eingebettet und ab dem Tag von Stefans Zusage waren wir zu viert. Wir haben uns mit der magnolia Filmproduktion getroffen, das sind zwei Produzentinnen aus Hamburg, und es war von Anfang an klar, dass wir dasselbe wollten und dass ein Stoff wie dieser nur als Koproduktion zu finanzieren sei. So kam es, dass wir vom ersten Tag an, von der Logline weg, über Treatment und Drehbuch, bis zum Casting der Hauptdarsteller gemeinsam daran gearbeitet haben.


Wie kam die Finanzierung zustande?

JOSEF AICHHOLZER:  Die Finanzierung begann im Sommer 2005, wir hatten geplant, das Projekt zwischen Sommer und Weihnachten zu finanzieren und das hat gut funktioniert. Es war ein enges Jahr, da sehr viele Förderstellen in ihren Jahresbudgets reduzieren mussten, es war also kaum möglich, Reduzierungen von einer Seite durch eine andere Institution auszugleichen, da es überall ähnlich lief. Das ÖFI war davon belastet, dass das Budget nie größer wird und die Produktionen jährlich teurer werden und 8x45 hat auch etwas vom Budget weggenommen. Die Hamburger Filmförderung, die ähnlich wie das ÖFI von Anfang an sehr glücklich mit dem Projekt war und auch in er Projektentwicklung dabei war, ist von 2004 auf 2005 um mehr als 25 Prozent gekürzt worden. Von der Verteilung der Finanzierungsanteile steht es fifty/fifity.


Wie schlägt sich diese Aufteilung auf den Input aus Österreich?

JOSEF AICHHOLZER:  Dadurch dass Regie und Drehbuch von Österreich kommen, gibt es die kreative Familie, die mit Stefan mitkommt. Er hat einen sehr erfahrenen, liebenswürdigen Regieassistenten, Anton Maria Aigner und auch eine Cutterin Britta Nahler die schon lange mit ihm zusammenarbeitet. Kostüm und Ausstattung kommen auch aus Österreich, da gibt es eine Reihe von Personen, wo man sich nicht beschnüffeln muss. Kamera macht Benedikt Neuenfels er ist aus Deutschland, und mit der Kamera muss man auch die "Familie" mitnehmen, Ton ist aus Österreich, für die Maske haben wir eine europäischen Koryphäe dazu genommen. Das ist die Mischung. Es gibt also eine "kreative Familie," dann ist mit der Kamera eine sehr wichtige Position zu besetzen und dann ist da noch die finanzielle Äquivalenz, da wir ja auch die Effekte bedienen müssen.


Macht es das Handling leichter oder schwerer, von der ersten Stunde mit einem Partner zusammenzuarbeiten.

JOSEF AICHHOLZER: Es gibt zwei Ebenen. Dadurch, dass wir von Anfang an alles entwickelt haben, ist es aus einem Guss. Das ist eine Teamarbeit, wo es natürlich gewisse Kompetenzen für Österreich und für Deutschland gibt. Im Kern ist es so, dass die kreativen Schlüsselfragen vom Produzenten und von der Regie zusammen entschieden werden, wobei es immer eine Federführung gibt. Diese Sache hat wunderbar funktioniert und ich kann es mir nicht besser vorstellen. Insofern ist die Fifty-fifty-Sache auch ein Geschenk, weil es ein Stück aus Fleisch und Blut geworden ist, und nicht nur einer dazugekommen, weil noch 20% in der Finanzierung gefehlt haben. Das ist eigentlich das Optimum. Die Aichholzer Filmproduktion hat die federführende Verantwortung für die Dreharbeiten in Wien und in Monte Carlo, der Dreh in den Studios in Babelsberg liegt natürlich bei der magnolia Filmproduktion. Was die Arbeit hier aufwändiger macht, wenn auch nicht im negativen Sinn, ist der Umstand, dass wir so vernetzt sind im Team und im Cast, dass eigentlich kein Schritt in Österreich oder in Deutschland von einem entschieden wird. Das geht auf die gemeinsame Vorbereitung zurück. Wir haben so etwas wie ein Vier-Augen-Prinzip, wenn einer sagt, das machen wir, muss der andere das mitvollziehen, sei es in der Budgetierung, der Zeitplanung oder der ganzen Disponierung. Das ist eine andere Arbeitsweise, im Kern eine tolle Option, es macht die Durchführung in gewissen Bereichen aufwändiger, weil zweimal nachgedacht werden muss.


 Wie kam es zu den Casting-Entscheidungen?

JOSEF AICHHOLZER:  Das Casting begann im Herbst 2004 mit einer Hamburger Casting-Firma, die auch viele Rollen in Der Pianist von Polanski besetzt hat. Anfangs hatten wir eine grundsätzliche Überlegung angestellt: Wollen wir den Film als internationalen Starfilm anlegen? Wir entschieden aber dann, einen authentischen Film zu machen und besetzten daher authentisch mit deutschem Cast. Hätten wir mit Stars gearbeitet, dann wären wir auch budgetär in einer anderen Preiskategorie gelegen. Wir haben uns so entschieden, weil wir das Gefühl hatten, dass es den Stoff am adäquatesten umsetzt. Es gab einige Besetzungsvorschläge, die sehr toll waren, jeder kann sich vorstellen, wer das war. Wir wollten aber keinesfalls einen Konzentrationslagerfilm als Genre erzählen, sondern eine Story in einem Konzentrationslager. Unser Thema war - Wie lebt man da drinnen, nicht wie leidvoll ist es, als Opfer zu leben. Wenn wir an dieser Standardbesetzung festgehalten hätten, dann wäre irgendwo die Überraschung auf der Strecke geblieben. Wir hatten ein Bauchgefühl, dass etwas nicht stimmte und sagten uns, wir müssen ein Casting finden, das nicht erwartet wird, das überrascht, das befremdet. Es war ein langer Prozess, Wir waren nicht ganz glücklich, weil wir schon eine schöne Besetzung gehabt hatten. Wir haben dann weiter gesucht und haben jetzt natürlich sehr gute und bekannte Schauspieler. August Diehl oder David Striesow, das sind Namen in Deutschland, Karl Markovics ist hier eine bekannte Größe, der sich von den Fernsehserien zurückgezogen hat und sich bewusst für eine große Rolle freigehalten hat.


Die Dreharbeiten werden sehr schnell in nur 30 Drehtagen abgewickelt.

JOSEF AICHHOLZER: Ohne die Schiene Stefan Ruzowitzky - Anton Maria Aigner wäre das nicht möglich, weil sie wunderbar eingespielt sind. Wir haben uns entschieden, vor Drehbeginn drei Wochen zu proben. Diese Proben haben in Babelsberg stattgefunden, wo der ganze zweite Akt zum Großteil mit der Handkamera gedreht wird. Wir werden dort viel dokumentarischer arbeiten als in Wien, weil wir meinen, dass wir dem Stoff näher kommen. Wir haben also drei Wochen Proben hinter uns, wo wir mit der Hauptcrew der Darsteller sieben Räume zur Verfügung hatten und Szene für Szene durchgeprobt, mitgedreht und geschnitten haben. Der Kameramann kann aufgrund dieses Videos mit dem Regisseur die Auflösung besprechen, der Regisseur kann aufgrund dieses Videos die Nuancen der Inszenierung überprüfen.


Wie sehr war Adolf Burger eingebunden?

JOSEF AICHHOLZER:  Wir hatten bei der Drehbucharbeit neben Adolf Burger auch Historiker dabei. Burgers Buch war natürlich eine Grundlage, wir haben ihn mit Stefan in Prag besucht, er hat ein großes Archiv und wir haben mit ihm einen halben Tag gesprochen. Dann hat die Drehbucharbeit begonnen, Stefan ist dann mit seinem historischen Betreuer noch einmal hingefahren, hat es noch einmal durchbesprochen, Adolf Burger war in den Prozess immer wieder eingebunden und hat die Drehbuchversionen gelesen.


Holocaust und Kino ist ein strapaziertes und mit Klischees belastetes Thema, hat es für Sie als Produzent einen Moment des Überlegens gegeben, ob es ein geeignetes, d.h. publikumswirksames Thema für eine großes Produktion sein kann?

JOSEF AICHHOLZER:  Ich hab da einen völlig anderen Zugang und meine persönliche Geschichte in der beruflichen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Wir haben Dokumentarfilme zur Geschichte der Juden in Mitteleuropa gemacht, ich habe mit Ruth Beckermann einen der ersten Kinodokumentarfilme zu diesem Thema - Wien retour - gemacht, 40 Prozent des zweiten Bezirks war in der Ersten Republik jüdisch, einer davon war Franz West, der zwanzig seiner Familienmitglieder in Auschwitz verloren hat, das ist eine dokumentarische Geschichte, die er uns erzählt hat. Für dieses Thema haben wir zwei Jahre intensiv recherchiert, die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist Teil meiner beruflichen Biografie. Ich bin nie auf die Idee gekommen, Bedenken zu haben, mich mit diesem Stoff zu beschäftigen. Mich als Produzent hat der Stoff aus zwei Gründen fürs Kino fasziniert: da ist einerseits ein Charakter mit einer Tiefe, mit der Turbulenz seines Lebens, mit der Bedrohung seines Lebens und mit der Tatsache, dass alles real ist. Das ist ja keine Drehbuchphantasie. Das ist ein spannender, lustvoller, tiefer, emotioneller Charakter, egal in welcher Zeit er spielt. Das andere ist der historische Rahmen des Unternehmen Bernhard - diese Geschichte ist skurril, bizarr, politisch aufklärend, wie sich das Naziregime der Juden bedient hat. Ich weiß nicht was ich für Bedenken hätte haben sollen. Was die Charaktere auch so spannend macht, das ist der Widerspruch, dass wir Charaktere finden, die quasi von der täglichen Todesbedrohung befreit sind, der jeder dieser realen Menschen in den KZs ausgesetzt war. Davon ist er plötzlich befreit, die Fälscher wurden alle ja behandelt wie Luxusgegenstände, weil sie für die Nazis produzieren mussten. Sie wurden gut ernährt, hatten am Wochenende und am Abend frei. Sie leben mit dem Glück im Moment überlebt zu haben und dem gleichzeitigen Wissen, letztendlich nie überleben zu können. Dazu kommt das Wissen, Frau und Kinder im nächsten KZ zu haben und auf zehn Meter Entfernung zu hören, wie die Leute gequält werden. Er lebt in einer Zerrissenheit, einer menschlichen Situation, die jeder von uns kennt, aber niemals in dieser Dramatik. Die täglichen kleinen Kompromisse stellen den menschlichen Alltag dar, in dieser Geschichte ist es allerdings in einer Dimension, die das Ganze krass und anschaulich macht. Jeder, der je eine Extremsituation erlebt hat, weiß das. Wenn diese Extremsituation anhält, dann wird sie zum Alltag. Insofern ist es eine Alltagsgeschichte.


Gibt es in Der Fälscher zwei Protagonisten oder ist die Gewichtung klar zugunsten der Figur Sorowitsch?

JOSEF AICHHOLZER:  Sorowitsch ist der Protagonist, Burger spielt eine sehr große Rolle, die die Geschichte stark mitbestimmt. Er hat seine ganze Familie in Russland verloren. Der Konflikt zwischen den beiden ist der Kern der Geschichte des zweiten Akts, darüber hinaus gibt es auch eine Dreiecksbeziehung zwischen den beiden und Herzog, für den alle arbeiten und von dem es eine reale Abhängigkeit gibt. Er ist kein üblicher SS-ler, der alle niedermacht, sondern ein moderner Manager, der versucht, nicht mit Prügel, sondern mit Motivation seine Produkte zu kriegen und dabei auch eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Es entsteht diese Mischung aus einem Machtverhältnis und einer sich annähernden Freundschaft und je mehr der gegenseitige Respekt wächst, umso größer wird der Konflikt, denn Burger hält das Leben dort zunehmend nicht mehr aus, während Sorowitsch nur ans eigene Überleben denkt. Es entstehen auseinanderstrebende Kräfte, die einfach zu großen Konflikten führen.


Warum gibt es eine Rahmenhandlung?

Josef Aichholzer: Sie kommt zum Teil aus der Geschichte. Sie lebt von einer Figur, die nicht zunächst als KZ Opfer, sondern als einen der genialsten Fälscher des letzten Jahrhunderts im Vordergrund steht. Das sind Persönlichkeiten - wie zuletzt der Saliera-Dieb -, die man als normal Sterblicher faszinierend findet. Er ist ja kein Kleinkrimineller, sondern er macht ja etwas, was jeder von uns auch einmal gerne machen würde - irgendwelche Grenzen überschreiten. Würde ich jetzt nur eine Story im KZ andenken, dann könnte ich ihn nur als Opfer erzählen, das wäre eine Reduktion der Geschichte, wie ich sie wahrgenommen habe. Würde man es auf das Kammerspiel dieser geschlossenen Baracke reduzieren, würde man dem Charakter sehr viel nehmen. Außerdem ist auch von Stefan Ruzowitzky beim Drehbuchschreiben diese Klammer gekommen, weil er stark in Bildern erzählt. Aber ein wenig betrifft die Lust des Erzählens auch den Produzenten, indem ich etwas konzipiere, haben wir auch unseren Anteil am Erzählen. So wie sich die Geschichte mir erzählt hat, möchte ich sie weitererzählen. Es ist eine große Chance fürs Publikum, diesen vitalen Menschen vorher und nachher kennenzulernen und zu sehen, wie er durch diese Geschichte - ich will es ganz absichtlich nicht Hölle nennen - geht. Die Rahmenhandlung hat viel mehr Vitalität in der Bildsprache. Es geht da nicht um Kulinarik, aber es ist eine Figur, die zunächst im Variété-Milieu gelebt hat und mit Falschgeld um sich geschmissen hat, dieses Milieu muss man auch erzählen, und zwar lustvoll erzählen.


Interview: Karin Schiefer
2006